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Herzgeist

  • solaris
  • 31. Juli 2015 um 18:57
  • Zum letzten Beitrag
  • solaris
    Gast
    • 31. Juli 2015 um 18:57
    • #1

    Was bedeutet in etwa "Herzgeist"? Was sollte ich mir darunter vorstellen?

    Etwas, das sich von Mensch zu Mensch überträgt, von Lehrer zu Schüler und umgekehrt? Etwas, das unwillkürlich übertragen wird, jenseits des Willens oder der Vorstellung, im Beiklang der gesprochenen Worte? Etwas aus dem Unbewussten? Wo kann man Definitionen oder auch nur verbale Annäherungen an "Herzgeist" finden? Sicher habe ich nicht die richtigen Bücher gelesen, erst im Buddhaland ist mir "Herzgeist" öfter begegnet.

    Vielleicht habt Ihr ein paar Ideen für mich? Für meine Anregung zwecks tieferen Verständnisses freue ich mich auch über Stichwörter, Assoziationen, Buchtipps oder sogar persönliche Erlebnisse.

    Danke sehr für Eure Hilfestellung! Merci von solaris :P

  • Jinen
    Gast
    • 31. Juli 2015 um 19:29
    • #2

    Erklärungen aus der daoistischen Ecke:

    Herz-Geist ist erstmal ein Übersetzungsversuch des chinesischen Begriffs Xin.

    Zitat

    "Xin bedeutet sowohl 'Herz' als auch 'Geist'. Wir lokalisieren den Geist eher im Kopf als im Herzen und sehen zwischen dem Kopf-Geist und Herzens-Gefühlen oft einen Gegensatz. Da man im Chinesischen für 'Herz' und 'Geist' ein Wort hat und beide eine Einheit bilden, wird zur Vermeidung einseitiger Missverständnisse xin im Folgenden durch 'Herz-Geist' übersetzt."

    Zhuangzi, Günter Wohlfart, Herder, 2002, S. 137

    Zitat

    Das Herz (Xin1)

    ist in China nicht nur der Sitz der Gefühle (qing) wie Freude, Ärger, Trauer, Kummer, Schwermut, Angst und Furcht (die auch mit anderen Organen in Verbindung gebracht werden - siehe TCM) sondern der Ort des Denkens und Wollens. Deshalb wird Herz des öfteren mit "Mind" übersetzt oder mit "Bewusstsein". Beides trifft es aber nicht ganz. Das Herz (Xin) ist die Verbindung des Denkens, Fühlen und Wollens und so ergibt sich auch nicht die Spaltung wie im Westen, wo Herz (Gefühle), Hirn (Denken) und Bauch (Intuition) getrennt werden und sich (teils) gegenüberstehen. In China ist Denken auch Fühlen und wer mal intensiv gedacht hat oder bei wem sich die Gedanken im Kreise drehen etc., der weiss, dass es nur in den seltensten Fällen so etwas wie "reines Denken" gibt. Die genaueste Übersetzung ist vielleicht das Kompositum "HerzGeist".

    Zitat

    Xin, das Herz, der HerzGeist

    “Die Alten Meister unterschieden nie zwischen dem Herzen und dem Denken. In der alten Zeichenschrift ist beides daher synonym. Dieser Punkt ist wichtig, und wir verstehen die alten Schriften hundertmal besser, wenn wir bedenken,
    daß beides als eins betrachtet wurde.
    Die Alten kannten keine Trennungen von Körper, Geist und Seele, somit auch nicht zwischen Denken und Emotionen.
    Sie trennten nicht den Gedanken von der Tat, nicht die Logik von der Intuition.
    Indem wir unser Denken als in Einklang mit dem Herzen verstehen, können wir “die tausend philosophischen Diskussionen” vermeiden.
    So könnten wir tausend tägliche Probleme lösen,wenn wir “vergessen lernen, daß Herz und Denken zwei sind”, oder wenn wir uns erinnern, das unser Herz ein ist."

    aus
    Deng Ming-Dao
    Tao im täglichen Leben

    beides verfaßt oder zitiert unter
    http://www.taoismus.de/board/thread.p…d=3725&page=1#3

  • solaris
    Gast
    • 31. Juli 2015 um 20:05
    • #3

    Danke Dir, Jinen,

    wenn es aus dem Tao (und TCM) kommt könnte das auch erklären, dass "Herzgeist" eher im Zen Zusammenhang erwähnt wird.
    Kennt jemand vielleicht einen Zen Lehrer, der über "Herzgeist" geschrieben hat? Findet der "Herzgeist" auch in anderen buddhistischen Richtungen seine Übersetzung?

    Ich suche nach einer Annäherung an diesen Begriff, der sicherlich schwer zu beschreiben ist. Oder vielleicht ganz leicht und ich habe einfach immer nur übersehen?

    You never know!

  • Jinen
    Gast
    • 31. Juli 2015 um 20:49
    • #4

    Sicher. Aber du hast den begriff auch in anderen Richtungen des Buddhismus.

    Hier einige Dinge, die ich gerade so fand:

    Da, wo der Herz-Geist ist,
    da ist der Buddha.
    即 心 即 佛 = jí xīn jí fó
    Chan-Meister Shítóu Xīqiān (石頭希遷)

    Sengtsan's (das ist der dritte chinesische Patriarch des zen) berühmte Schrift heisst Xinxin Ming (Jinshinmei) - Einprägung des Vertrauens in den (Herz-)Geist
    Ein berühmtes Sutra ist das Hannya Shingyō , das Herz(-Geist)-Sutra.
    Eine wichtige Praxis heisst Sesshin - Vertraut werden mit dem Herz-Geist.
    Ein anderer ist Mushin - Nicht-Herzgeist - Leerer Herz-Geist (erinnert ein wenig an das Herz-Geist-Fasten bei Zhuangzi).

    Ich hab den Verdacht, das Zenmeister da oft drüber gesprochen haben.

  • kanshiketsu
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    • 31. Juli 2015 um 20:56
    • #5

    'Herzgeist' entspricht etwa dem Paliwort 'citta'
    http://www.forestdhammatalks.org/de/glossary.php
    Vielleicht hilft dir das ja ein wenig weiter.....

    Das Tao ist nicht auf die Vereinigung mit den Menschen bedacht;
    wenn die Menschen auf nichts bedacht sind, vereinigen sie sich mit dem Tao.
    Yuanwu Keqin (1063 - 1135)

  • solaris
    Gast
    • 31. Juli 2015 um 21:03
    • #6

    Alles hilft. Danke
    :D

  • Mirco
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    • 1. August 2015 um 00:10
    • #7
    solaris:

    Was bedeutet in etwa "Herzgeist"? Was sollte ich mir darunter vorstellen? - Etwas, das sich von Mensch zu Mensch überträgt, von Lehrer zu Schüler und umgekehrt? Etwas, das unwillkürlich übertragen wird, jenseits des Willens oder der Vorstellung, im Beiklang der gesprochenen Worte? Etwas aus dem Unbewussten? Wo kann man Definitionen oder auch nur verbale Annäherungen an "Herzgeist" finden? Sicher habe ich nicht die richtigen Bücher gelesen, erst im Buddhaland ist mir "Herzgeist" öfter begegnet. - Vielleicht habt Ihr ein paar Ideen für mich? Für meine Anregung zwecks tieferen Verständnisses freue ich mich auch über Stichwörter, Assoziationen, Buchtipps oder sogar persönliche Erlebnisse. - Danke sehr für Eure Hilfestellung! Merci von solaris :P

    Spiegelneuronen?

  • blue_aprico
    Gast
    • 1. August 2015 um 02:08
    • #8

    `Herzgeist` ist ein Synonym für `bussho`- buddhanatur - und umgekehrt, in dessen "veräußerlichten"/sich entfaltenden Aspekten: `Trikaya`.
    Der Ausdruck entspricht der Neigung dem Verständnis eine Art namenlose, unsterbliche "Essenz" zu belassen, denn `Herz` steht hier für: `Innerstes`- oder das `Wesen` tliche.
    Bei `Herzgeist` steht der Aspekt der Aktivität im Vordergrund, bei `bussho`: `das Ungeborene`.
    Beide Begriffe sind wiederum Synonym für `shunyata`und für `nibbana` - und umgekehrt.
    yǐxīn yìnxīn: „Den Herzgeist mit dem Herzgeist siegeln“/ "Übertragung" - bedeutet "blindes" Verständnis & wortlose Einsicht des Schülers in Harmonie mit dem Erwacht-Sein des Meisters. Oder so...

    Empfehle: "Die Zen-Lehre vom Ungeborenen" - Meister Bankei -
    Ein weiterer link:http://www.budopedia.de/wiki/Ishin_denshin


    Grüße
    Blue_

  • solaris
    Gast
    • 1. August 2015 um 07:48
    • #9

    Danke für den Buchtip und den Link. Hier wird erklärt, dass der Herzgeist sich durch die blosse körperliche Anwesenheit vermittelt. Eine Art intuitive Übertragung findet statt wenn der Schüler dem Meister folgt und ihn nachahmt. Das macht es mir etwas klarer. Die Plattform Sutra des 6. Patriarchen werde ich mir dann auch noch vorknüpfen.
    Danke auch für Deine eigene Erklärung. Der Nebel lichtet sich ein bisschen. 8)

  • Tai
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    • 1. August 2015 um 09:19
    • #10

    Mit Herzgeist ist genau dasjenige gemeint, das hier die Frage nach Herzgeist stellt. Naturgemäß entzieht sich, was du bist, jeder begrifflichen Annäherung; es ist vielmehr dasjenige, das Begriffe benutzt, um es zu verstehen.

    Meister Huang Po sagt dazu(Der Geist des Zen, Kapitel 10):

    Zitat

    Der Herzgeist kann nicht benutzt werden, um den Herzgeist zu suchen.

    Den Versuch, den Herzgeist mit begrifflichem Denken zu verstehen bzw. durch Übertragung oder sonstwie zu erlangen, vergleicht Huang Po mit einem Krieger, der überall in der Welt vergeblich nach einer Perle sucht, die er dort aber niemals wird finden können, weil er sie die ganze Zeit auf seiner Stirn trägt. Auch Meister Lin Chi (Rinzai) verwendet im Kapitel 11d des Lin-Chi-Lus einen ähnlichen Vergleich:

    Zitat

    Yadnadatta glaubte, seinen Kopf verloren zu haben. Als er aufhörte, wild danach zu suchen, fand er ihn da, wo er immer war und verstand, dass er nicht suchen konnte, was er nie verloren hatte.

    Mit begrifflicher Annäherung wirst du dem Herzgeist niemals gerecht werden; eher schon mit nonverbalem, intuitiven Erfassen, mit genau jetzigem Gewahrsein, das in dem Augenblick entsteht, in dem du das begriffliche Denken auf allem Ebenen aufgibst.

    _()_
    Tai

  • Benkei
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    • 1. August 2015 um 12:01
    • #11

    Namaste!

    Das Zeichen 心, auf Chinesisch "Xin", Japanisch "Shin" und Pali/Sanskrit "Citta" meinen alle Herz/Geist, bzw. Herzgeist.
    Das Zeichen selbst kann übrigens durchaus als ein schlagendes Herz angesehen werden ;)

    Spontan fällt mir die "Nur-Geist-Philosophie" ein, die auch außerhalb des Zen, z. B. im tibetischen Buddhismus eine wichtige Rolle spielt.

    Natürlich auch im Zen / Chan, besonders bei Huangbo (Ôbaku), dessen Aussprüche ja mit dem Satz "Der Geist ist Buddha!" beginnen.

    Auch im Jôdomon (Weg des Reinen Landes) spielt der "Herzgeist des Vertrauens" [wenn man "Shinjin" so übersetzen will] eine wichtige Rolle.

    < gasshô >

    Benkei

    Namu-Shakamuni-Butsu

    "Allmorgendlich beginne ich meinen Tag damit, den Spiegel zu polieren;
    Täglich türme ich neue Staubschichten auf;
    Allabendlich beende ich meinen Tag damit, weiter zu polieren;
    Und scheinbar wirbelt auch ein Schlafender noch Staub auf."
    HôShin

  • solaris
    Gast
    • 1. August 2015 um 21:21
    • #12

    Danke Euch, Benkei und Tai für Eure Erklärungen,

    und ich möchte noch einmal nachfragen. Der Herzgeist lässt sich nicht mit dem Verstand erklären oder erfassen, so viel hab ich kapiert. Das hat man öfter bei Begriffen, die aus dem Tao stammen. Aber der Herzgeist kann "kultiviert" werden. Im Zen durch Zazen.

    1. Haben auch die alten Taoisten eine Methode dafür gehabt?

    2. Der Herzgeist wird von Mensch zu Mensch durch persönlichen Kontakt übertragen. Ist das auch so gültig für jede Alltagsbegegnung zwischen ungeübten Menschen? Ist es etwas Unwillkürliches, das man nicht beeinflussen kann oder kennt man das nur bewusst in einer Lehrer-Schüler Begegnung?

    Ich bin dann immer furchtbar nachhaltig neugierig, wenn ich die Möglichkeit dazu habe. So lange es geht hoffe ich auf Antworten von Euch.
    Wenn Euch noch etwas dazu einfällt freut es mich sehr!

  • Jinen
    Gast
    • 1. August 2015 um 22:25
    • #13

    Im Taoismus geht es eher darum den Herzgeist zu leeren. Das nennt man da Fasten des Herz-Geistes

    Zitat


    "'Du musst fasten', sagte Kongzi. 'Ich werde dir sagen, was das heißt. Glaubst du, es sei leicht, irgendetwas zu erreichen, solange du noch Vertrauen zu deinem Herz-Geist (xin) hast? Wenn du das tust, wird der strahlende Himmel dir nicht zustimmen.' Yan Hui sagte: 'Meine Familie ist arm. Ich habe seit mehreren Monaten keinen Wein mehr getrunken und kein Fleisch mehr gegessen. Kann man das als Fasten bezeichnen?' 'Das ist das Fasten vor einem Opferfest, nicht das Fasten des Herz-Geistes (xin zhai)'. 'Darf ich fragen, was das Fasten des Herz-Geistes ist?' Kongzi sagte: 'Mache deinen Willen einheitlich. Höre nicht mit deinen Ohren, höre mit deinem Herz-Geist. Nein, höre nicht mit deinem Herz-Geist, höre mit deinem Lebensatem (qi).'" ... "Die Ohren hören auf mit dem Hören, der Herz-Geist hört auf mit dem Wieder-Erkennen (der Übereinstimmung?). Der Lebensatem (qi) aber wartet leer (xu) auf die Dinge. Allein der Weg (dao) sammelt Leere (xu). Leere (xu) ist das Fasten des Herz-Geistes (xin zhai)'. Yan Hui sagte: 'Als Hui noch nichts damit [mit dem Fasten des Herz-Geistes] anfangen konnte, war er ganz sicher Hui (war er seiner ganz sicher). Jetzt, wo er das Herz-Geist-Fasten anwenden kann, kann er nichts mehr mit Hui anfangen. Kann man das Leere (xu) nennen?' Kongzi sagte: 'So ist es.'"

    Zhuangzi, Günter Wohlfart, Herder, 2002, S. 79-80

    Ansonsten gibt es noch das Sitzen und Vergessen. Zuò Wàng Herz-Geist-Verlieren

    Zitat

    "Yan Hui sagte: 'Hui verbessert sich'. Kongzi sagte: 'Was meinst du damit?' Yan Hui sagte: 'Hui hat Mitmenschlichkeit (ren) und Gerechtigkeit (yi) vergessen.' 'Nicht schlecht! Aber das ist es noch nicht!' Am anderen Tag sahen sich die zwei wieder und Yan Hui sagte: 'Hui verbessert sich.' 'Was meinst du damit?' 'Hui hat die Riten (li) und die (Ritual-)Musik (yue) vergessen.' 'Nicht schlecht! Aber das ist es noch nicht!' Am anderen Tag sahen sich die zwei wieder und Yan Hui sagte: 'Hui verbessert sich.' 'Was meinst du damit?' 'Hui sitzt und vergisst (zuo wang)' . Kongzi sagte bewegt: 'Was meinst du mit ›sitzen und vergessen‹ (zuo wang)?' Yan Hui sagte: 'Die Gliedmaßen fallen lassen, Hören und Sehen lassen, die Form verlassen, ablassen vom Wissen, von selbst einswerden mit dem großen (offenen) Durchgang, das heißt ›sitzen und vergessen‹ (zuo wang).' Kongzi sagte: 'Damit einsgeworden sein, heißt keine Vorlieben haben, dadurch verändert sein, heißt nicht mehr unveränderlich zu sein (keine Konstanten und Normen mehr zu haben). In Wirklichkeit seid ihr verehrenswert. Bitte lasst mich Euch nachfolgen.'"

    Zhuangzi, Günter Wohlfart, Herder, 2002, S. 105

    Aber ich glaube, es ist im Taoismus noch etwas anderes als im Zen. Zen scheint mir viel selbstbemühter und auch maskuliner zu sein. Zhuangzi und Laotse betonen das einfach so, das natürliche. Gerade im Sesshin scheint mir das etwas anderes zu sein. Vom Sitzen bis zum Essen.

  • Tai
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    • 2. August 2015 um 10:10
    • #14
    solaris:

    Aber der Herzgeist kann "kultiviert" werden. Im Zen durch Zazen.

    Mit dem Begriff Herzgeist ist im Grunde deine Geistsubstanz gemeint, die unabhängig von äußeren oder inneren Bedingungen stets unmittelbar gegeben ist. Du kannst dieser Grundqualität des Herzgeistes, stets unmittelbar gegeben zu sein, nichts hinzufügen. Gemäß Buddhas- und der Zen-Lehre eröffnet sich dir von Augenblick zu Augenblick die Möglichkeit im gegenstandslosen Gewahrsein des Herzgeistes mit allem Eins zu sein (=Erleuchtung). Stattdessen aber verlieren wir uns i.d.R. von Augenblick zu Augenblick geradezu zwanghaft in körperlichen Wahrnehmungen, Gefühlen, Gedanken, Impulsen und bedingtem Bewußtsein (5 Skandas). Mit Kultivierung ist in diesem Zusammenhang daher in erster Linie die Kultivierung des Herzgeist-Gewahrseins gemeint.

    Wie du schon andeutest, wenden die unterschiedlichen Schulen hierzu jeweils etwas andere Methoden an. Zazen (jap. für "Zen im Sitzen") ist dabei keineswegs die einzige Zen-Methode, wenn auch eine, die besonders geeignete Voraussetzungen für diese Kultivierung schafft und daher in allen mir bekannten Zen-Schulen eine hohe Priorität einnimmt. Es gibt auch Zen im Gehen, Zen im Liegen, Zen bei der Arbeit, Zen beim (z.B. rituellen) Essen, Zen bei sonstigen Ritualen, Zen während der Mantrarezitation etc., wobei es hierfür jeweils wieder chinesische, japanische und koreanische Begriffe gibt.

    solaris:

    Der Herzgeist wird von Mensch zu Mensch durch persönlichen Kontakt übertragen. Ist das auch so gültig für jede Alltagsbegegnung zwischen ungeübten Menschen? Ist es etwas Unwillkürliches, das man nicht beeinflussen kann oder kennt man das nur bewusst in einer Lehrer-Schüler Begegnung?

    Der Herzgeist ist ja immer eh schon da, wie könnte er da von außen übertragen werden? Andererseits habe ich außer vom Buddha selbst von niemandem gehört, der ohne Hilfe durch einen Lehrer diesen Erleuchtungszustand verwirklicht hätte. Und Buddha sprach, einer Anekdote zufolge, selbst von Übertragung (siehe unten). Die Frage nach "Übertragung von (Herz)geist zu (Herz)geist", wie es korrekter Weise heißt, kann nicht einfach mit ja oder nein beantwortet werden, sondern ist in sich ein Koan. Eine relativ bekannte Form dieses Koans ist der 6. Fall des Mumonkans. Der Einfachheit halber gebe ich dir hier eine vereinfachte Form des Koans wieder (vollständige Version siehe Mumonkan):

    Zitat

    Als Buddha vor einer Versammlung statt langer Reden nur schweigend eine Blume hochhielt, war jeder in der Menge sprachlos; nur Mahakashyapa konnte ein Lächeln nicht unterdrücken. Buddha sprach: "Ich besitze den wahren Dharma, der nicht auf Worten oder Schriftzeichen basiert, und übertrage ihn an Mahakashyapa."

    Meister Wumen sagt dazu: "Wenn du sagst, der Dharma könne übertragen werden, dann ist Buddha ein Wichtigtuer, der die Leute betrügt. Wenn du aber sagst, der Dharma könne nicht übertragen werden, warum verspricht Buddha ihn dann allein dem Mahakashyapa?"

    _()_
    Tai

  • kanshiketsu
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    • 2. August 2015 um 12:14
    • #15

    Ich möchte in diesem Zusammenhang auch an den siebenten Teil des edlen achtfachen Pfades erinnern, die sogenannte rechte Achtsamkeit.
    Im chinesischen wird das mit diesen Zeichen dargestellt: 正念.
    Dabei bedeutet 正 in diesem Kontext "recht".
    Das andere Zeichen 念 ist eigentlich aus zwei anderen Zusammengesetzt und bedeutet "Achtsamkeit".
    Das obere Zeichen 今 bedeutet "jetzt, gegenwärtig", das untere 心 bezeichnet den hier zur Diskussion stehenden "Herzgeist".
    Achtsamkeit wäre demnach so etwas wie die Vergegenwärtigung des Herzgeistes .

    Das Tao ist nicht auf die Vereinigung mit den Menschen bedacht;
    wenn die Menschen auf nichts bedacht sind, vereinigen sie sich mit dem Tao.
    Yuanwu Keqin (1063 - 1135)

  • Benkei
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    • 2. August 2015 um 14:25
    • #16

    Namaste!

    Hallo soraris,

    solaris:

    Der Herzgeist wird von Mensch zu Mensch durch persönlichen Kontakt übertragen. Ist das auch so gültig für jede Alltagsbegegnung zwischen ungeübten Menschen? Ist es etwas Unwillkürliches, das man nicht beeinflussen kann oder kennt man das nur bewusst in einer Lehrer-Schüler Begegnung?


    Letztendlich ist die Übertragung von Herzgeist zu Herzgeist eine Metapher, ein "Geschickes Mittel" (jap. "Hôben"); mitunter also nichts greifbares!

    In den Aussprüchen des chinesischen Meisters Huangbo ("Der Geist des Zen - Die legendären Aussprüche und Ansprachen des Huang-po") ist folgender Dialog überliefert:
    Schüler: "Wenn es nichts gibt, was ich fassen kann, wie ist dann der Dharma übermittelt worden?"
    Huangbo: "Es ist eine Übertragung von Geist zu Geist."
    Schüler: "Wenn der Geist zur Übertragung benutzt werden kann, warum sagt Ihr dann, dass auch der Geist nicht existiert?"
    Huangbo: "Kein Dharma - welcher Art auch - empfangen heißt geistige Übertragung. Das Begreifen dieses Geistes bracht keinen Geist und keinen Dharma."
    Schüler: "Wenn es keinen Geist und keinen Dharma gibt, was bedeutet dann Übertragung?"
    Huangbo: "Du hörst, dass Menschen von Geist-Übertragung sprechen, und meinst, die sprächen von etwas, das man erhalten kann. Bodhidharma aber sprach:

    Das Wesen des Geistes, recht verstanden,
    Lässt sich durch Menschenwort nicht greifen noch vermitteln.
    Erleuchtung lässt sich nicht erlangen,
    Und der sie findet, sagt nicht, dass er weiß.

    Würde ich dies auch erklären, du würdest es doch nicht verstehen."

    < gasshô >

    Benkei

    Namu-Shakamuni-Butsu

    "Allmorgendlich beginne ich meinen Tag damit, den Spiegel zu polieren;
    Täglich türme ich neue Staubschichten auf;
    Allabendlich beende ich meinen Tag damit, weiter zu polieren;
    Und scheinbar wirbelt auch ein Schlafender noch Staub auf."
    HôShin

  • solaris
    Gast
    • 2. August 2015 um 17:35
    • #17

    1000 Dank an Euch! Ich bin ziemlich begeistert über Eure Beiträge!
    Eure Texte werde ich mehrfach lesen und sie richtig durchsickern lassen.
    Die Übertragung des Herzgeistes war der Knackpunkt, den ich nicht richtig nachvollziehen konnte. Das, was Herzgeist eigentlich meint, könnte in diesem Sinne gar nicht übertragen werden.
    Ihr seid richtig gut!!!! :P

Ausgabe №. 134: „Keine Angst vor der Angst"

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