Wenn im dürren Baum der Drache Dir singt
siehst wahrhaft Du den WEG.
Wenn im Totenkopf keine Sinne mehr sind
wird erst das Auge klar.
Vorsicht !
(Übersetzung Gundert)
Bi-Yan-Lu
Zweites Beispiel
Wir legen vor :
DSCHAU-DSCHOU sagte bei der Unterweisung seiner Bruderschaft:
»Der höchste WEG (= DAO, es ist ein Fehler, das zu übersetzen) ist gar nicht schwer,
Nur abhold wählerischer Wahl«.
(übrigens, siehe auch die: >Meißelschrift des Glaubens an den Geist<)
Gesang
HÖCHSTER WEG (= DAO), gar nicht schwer !
Worte treffen's, Rede trifft.
Eins hat Arten vielerlei.
Zweie gibt nicht beiderlei (der Weg aufwärts und der Weg zurück ins Leben sind nicht zweierlei sondern als eines zu sehen: 1 + 1 = 1).
Enden des Himmels : Sonne (was ist das wohl?) geht auf, Mond (was ist das wohl?) geht unter.
Vor dem Geländer : tief die Bergwelt, kalt die Gewässer.
Dem Totenschädel schwanden die Sinne;
wie soll ihm Freude erstehn ?
Im morschen Baum ein Drachengesang :
noch ist er nicht verdorrt.
Schwer, ja schwer !
Wählerisch wählen ? Wolkenlos klar ?
Freund, sieh selber zu !
Dazu Yuan-wu im Kommentar:
Seht, sie (die Geschichte) ist so: Ein Mönch fragte Hsiang-yän: Was ist es um den WEG (= DAO)?
Hsiang-yän erwiderte: Das ist, wie wenn in einem morschen Baum der Drache summt. Der Mönch fragte weiter: Wie steht es mit einem Menschen, der im WEGE (= DAO) lebt? Hsiang-yän sagte: Ein Totenschädel mit Augäpfeln darin (!!!).
Yüan-wu im Kommentar 25. Beispiel auch Bi-Yan-Lu:
Wiederum sagt Nan-tjüan: »Die siebenhundert auserlesenen Mönche
[Schüler des Fünften Patriarchen, Hung-jen] waren samt und sonders
Leute, die in der Buddhalehre genau Bescheid wußten; allein der Pilger
Lu war da, der Verstand nichts von der Buddhalehre. Nur verstand er
sich auf DAO.
Darum war er es, der Gewand und Bettelschale
des Fünften Patriarchen erhielt [und so zum Sechsten Patriarchen mit
dem Namen Hui-neng wurde].« Sagt mir einmal:
Die Buddhalehre und das (philosophische) DAO, wie weit denn liegen diese beiden auseinander?
Hsüä-dou greift das eben angeführte Wort des Nan-tjüan auf und sagt »Es gibt
Menschen, die lassen sich kein Körnchen Sand in die Augen
streuen, keinen Tropfen Wasser ins Ohr setzen. Wenn so einer da ist und
den vollen Glauben hat und festhält, so wird er sich durch keinen Menschen
irre machen lassen. Hört er ein Wort von einem Patriarchen oder
das Gesetz des Buddha, so denkt er: Was ist das wohl für ein Kochtopf,
der solch siedendes Geräusch verursacht ? Ist dies dein Fall, dann, bitte,
magst du deine Bettelschale mit der Reisetasche hoch an die Wand hängen,
deinen Wanderstab in Stücke brechen und die Verantwortung für
einen DAO-erfüllten Menschen, den nichts mehr umtreibt, übernehmen.«
Weiter sagt Hsüä-dou: »Dann wieder gibt es eine Art von Leuten, die
haben in den Augen den Weltenberg Sumeru und das Weltmeer in den
Ohren [Gundert meint: d. h. sie wenden ihre Aufmerksamkeit der Mannigfaltigkeit der
Phänomene zu] Die lassen sich aufs Handeln mit den Menschen ein.
Für solche sind die Worte eines Patriarchen und die Lehren Buddhas
im Gegenteil ihr Element, wie Wasser für einen Drachen oder für den
Tiger ein Berghang zum Rückhalt. Solch einer muß umgekehrt die
Bettelschale und die Reisetasche an die Stabenden hängen und sich den
Stab quer über den Nacken (Mit Esskastanien = der Shunyata als Proviant,
Bi-Yan-Lu 25. Beispiel) legen. Auch er ist ein DAO-erfüllter Mensch,
der mit Weltgeschäften nichts zu tun hat.«
Endlich sagt Hsüä-dou: »Wenn nun einer es weder mit der erstgenannten
Art noch mit der zweiten halten kann, so schlägt er sich auf keine dieser
beiden Seiten. So gibt es denn drei Arten von DAO-erfüllten Menschen,
die mit Weltgeschäften nichts zu tun haben. Und von einer dieser Arten
mußt du dir deinen Meister wählen.«
Zum Dao-De-Jing muss man noch bemerken, dass wohl alle Funde dazu (z.B. in Gräbern) Bezug zu Adeligen b.z.w. herrschenden Klassen haben. So bezieht sich auch jedes „ich“ darauf, wie „ich, der Herrscher“. Es handelt sich somit beim ursprünglichen Daoismus (zum philosophischen siehe oben und Diskussion oben) um klare Anweisungen, wie sie mit dem „regieren“ und „wirtschaften“ umzugehen haben.
Nur mal z.B.:
Laozi (ab dem 6. Jh. v.Chr.) und dem „Dao De Jing“ (Ursprünge ab dem 6. Jh. v.Chr.):
Kapitel 48: Wer vom Dao hört, wird täglich geringer. (Regierender:) Geringer werden und wieder geringer werden, um zum Nicht-Handeln zu kommen. (Regierender) Bleib ohne Tun – Nichts, das dann (durch das Volk, auch wirtschaftlich) ungetan bliebe.
Kapitel 37: Das Dao bleibt stets namenlos (nicht fassbar, nicht ergründbar == ohne Namen). Können Fürsten und Könige es bewahren, dann wandeln sich alle Wesen von selbst.
Kapitel 60: Regiere den großen Staat, wie man kleine Fische brät (ohne viel Zutun).
Kapitel 63: (Regierender) Handle das Nicht-Handeln. Bewältige die Aufgabe der Aufgabenlosigkeit. Schmecke das Geschmacklose. Nehme das Kleine für groß. Nehme das Wenige für viel (alles wirtschaftliche hat mal klein angefangen).
Zum philosophischen Daoismus ist in obiger Diskussion wohl schon das Wesentliche gesagt.
Den religiösen Daoismus lassen wir mal weg.