Mittlere Sammlung, Majjhima Nikāya 2, Sabbāsava Sutta

  • Liebe Forengemeinde,


    ich bin nicht sicher, ob das hierher gehört oder in den Bereich "Buddhistische Praxis" - in dem Fall würde ich einen Mod bitten, das Thema zu verlagern.


    Es geht mir um eine Aussage, die sich auch in anderen Sutren findet, allerdings frage ich nicht nach "theologischem" Diskurs, sondern nach praktischer Anwendung.


    In Vers/Abschnitt oder was auch immer Nummero 12 findet sich:


    "Da verweilt ein Bhikkhu weise betrachtend mit kontrolliertem Sehsinn. Während Triebe, Ärger und Fieber in einem entstehen könnten, der mit nicht kontrolliertem Sehsinn verweilt, gibt es keine Triebe, keinen Ärger oder Fieber in einem, der mit kontrolliertem Sehsinn verweilt."
    (http://www.palikanon.com/majjhima/zumwinkel/m002z.html)


    Wie gesagt, findet sich oft: Das Auge hüten oder bewachen. Das sagt sich so einfach. :badgrin: Praktisch ist es ja so, dass ich z.B. zur Arbeit gehe und eine Menge registriere. Nehmen wir an, eine Person geht vorbei. Ich denke nicht "da geht ein Mann" oder "da geht eine Frau". Dennoch weiß ich es. Also passiert (unbewusstes) Denken.
    Vielleicht ein noch deutlicheres Beispiel. Ich sehe ein Verkehrsschild. Es ist mir völlig unmöglich, ein Schild zu sehen und die Schrift darauf NICHT zu lesen. Geht einfach nicht.


    Jetzt könnte man natürlich sich das einfach bewusst machen und wieder "fallen lassen." Allerdings kommt der Geist so nicht wirklich zur Ruhe. Insbesondere Schriften, die wie gesagt immer präsent werden, wenn ich achtsam sehe, also nicht in Gedanken versunken bin, "zwingen" den Geist zu permanentem Denken.
    Gut, in Buddhas Zeit war noch nicht an jeder Ecke ein Werbeschild. :) Aber mich würde interessieren, wie das zu deuten ist.
    "Hüten" im Sinne, sich bewusst zu machen, was man da sieht und es dann fallen zu lassen oder gibt es Methoden, ein Schild nur als Form und Farbe zu betrachten, ohne dass ein Denken dazu entsteht?

  • Cfant:

    ...


    "Hüten" im Sinne, sich bewusst zu machen, was man da sieht und es dann fallen zu lassen oder gibt es Methoden, ein Schild nur als Form und Farbe zu betrachten, ohne dass ein Denken dazu entsteht?


    Hallo lieber Cfant.


    Mir fällt dazu eine Formulierung in anderen Suttas ein, die bei mir ganz gut funktioniert.


    Quelle: http://www.palikanon.com/majjhima/zumwinkel/m038z.html


    Allerdings kann ich dir nicht erklären wie man das konkret übt. Ich hatte das intuitiv gemacht und irgendwann diese Formulierung gelesen.


    Aber vielleicht hilft dir ja diese kurze Stelle trotzdem irgendwie.


    Das hat dann auch zur Folge, dass ich Schrift im Allgemeinen ganz gut übersehen kann oder einfach nur Buchstaben sehe, wenn ich das will.


    Trotzdem meide ich es Schrift zu lesen, wenn es nicht gerade notwendig ist oder es mich nicht interessiert. Weil sonst bei mir wahrscheinlich auch irgendwann endloses Denken dazu entstehen würde.


    Geht übrigens auch mit dem Denken:


    Quelle: http://www.palikanon.com/majjhima/zumwinkel/m038z.html


    Liebe Grüße

    Einmal editiert, zuletzt von Raphy ()

  • Und bei mir funktioniert das alles am Besten, wenn ich da nicht zu verkrampft ran gehe, eher locker und enstpannt. Es geht nicht darum etwas zwanghaft zu erreichen.


    Aber nur meine Meinung und Erfahrung.


    Liebe Grüße

  • Vielleicht noch kurz eine andere Stelle in der Sutta, die den schmalen Grat zwischen Haben-Wollen (Gier) und Nichthaben-Wollen (Ablehnung) etwas deutlich macht:


    Quelle: http://www.palikanon.com/majjhima/zumwinkel/m038z.html


    Ebenso natürlich auch die anderen Sinne: Hören, Riechen, Schmecken, Fühlen und Denken.


    Ein Tanz auf Messers Schneide der die gesamte Achtsamkeit braucht. Ein schmaler Grat nicht in Haben-Wollen (Zuneigung) (Gier) und Nicht-Habenwollen (Abneigung) (Ablehnung) zu verfallen. So empfinde ich es.


    Wobei es da dann auch wieder Abstufungen gibt vom feinen Haben-Wollen und Nicht-Habenwollen bis zur groben Gier und Ablehnung.


    Das heißt ich bin wahrscheinlich nie in einem reinen Zustand ohne Haben-Wollen und Nicht-Habenwollen, sondern versuche dem möglichst nahe zu kommen so gut ich es in diesem Moment eben kann. Das geht mal besser und mal schlechter.


    Das heißt auch Gier und Ablehnung treten bei mir noch auf.


    In der Textstelle wird auch die verankerte Achtsamkeit auf den Körper erwähnt.


    Das kann ich bestätigen und ist bei mir der Schlüssel um auf diese Weise mit den Sinnen umzugehen.


    Ich habe also gleichzeitig auch immer so gut es geht die Achtsamkeit auf den Körper und seine Empfindungen oder Gefühle präsent oder auf die Körperstellung wie hier erwähnt:


    Quelle: http://www.palikanon.com/majjhima/zumwinkel/m038z.html


    Und auch das klappt manchmal besser und manchmal schlechter und manchmal vergesse ich es auch. Kein Grund sich verrückt zu machen deswegen. Das ist nichts was man an einem Wochenende meistert.


    Und nur meine Meinung.


    Liebe Grüße


  • Du machst dir viel zu viel Gedanken.
    Wenn du zur Arbeit gehst oder z.B Auto fährst sollst du
    nicht denken du wärst ein Mönch bzw. Asket der solche
    Übungen macht. Das wird auch niemals richtig klappen.
    Das wirst du sicher schon gemerkt haben.
    Man sollte eben die richtige Übung zur rechten Zeit machen.

  • Lieber Raphy,


    vielen Dank für Deine Antwort. Ich seh's eigentlich eh unverkrampft. Ich bemühe mich nur seit kurzem mehr, im Alltag zu praktizieren. Und da fiel mir das - dank etwas mehr Achtsamkeit beim Rumlaufen - auf. Vielleicht lautet die Frage einfach: Wie kann man unbewusstes Denken vermeiden? Dazu habe ich - bislang - nichts gelesen. Es ist aber hilfreich zu erfahren, dass Du tatsächlich Deine Augen vor Schriftwahrnehmung "behüten" kannst. Vielleicht entwickelt sich das einfach mit fortdauernder Praxis. Also Danke!


    Lieber Accinca,


    Du hast sicher recht - nicht alles perfekt machen wollen, sondern einfach üben. Wobei: Schriften sind wirklich ein Fall für sich. Alles andere kann auch bei mir manchmal durch die Wahrnehmung "durchfließen", Schriften nicht. Und da in der Stadt überall Schriften sind, stelle ich mir eine Gehmeditation da durchaus schwierig vor.
    Ist übrigens beim Sitzen ähnlich - Geräusche sind egal, Waschmaschine, Autos etc. Die kann ich einfach wahrnehmen und loslassen. Nur der Fernseher ist ein Problem, wenn die Frau im Nebenzimmer sitzt. Die Worte werden registriert und zu bewussten Gedanken.


    Schriften beim Sehen und laute Stimmen beim Hören machen es mir schwer, die Sinne zu "hüten". :)

  • Cfant:

    Lieber Accinca,
    Du hast sicher recht - nicht alles perfekt machen wollen, sondern einfach üben. Wobei: Schriften sind wirklich ein Fall für sich. Alles andere kann auch bei mir manchmal durch die Wahrnehmung "durchfließen", Schriften nicht. Und da in der Stadt überall Schriften sind, stelle ich mir eine Gehmeditation da durchaus schwierig vor.
    Ist übrigens beim Sitzen ähnlich - Geräusche sind egal, Waschmaschine, Autos etc. Die kann ich einfach wahrnehmen und loslassen. Nur der Fernseher ist ein Problem, wenn die Frau im Nebenzimmer sitzt. Die Worte werden registriert und zu bewussten Gedanken.
    Schriften beim Sehen und laute Stimmen beim Hören machen es mir schwer, die Sinne zu "hüten". :)


    Eine Sache der Gewohnheit.
    Die Süchte sind natürlich auf allen Gebieten zurück zu drängen.
    Der Mönch schaut auch nicht in der Gegend herum nach irgend welchen
    Schildern. Normalerweise, wenn der Mönch geht schaut er ungefähr ca.
    3 bis 5m vor sich hin. Je nach Gelände. Es sei denn er wird angesprochen
    oder überquert eine Straße oder es ist aus sonstigen Gründen nötig.
    Denn er weiß: so haftet er da weder am Gesamteindruck noch an den Einzelheiten. Und woraus ihm, bei unbewachten Sinnen, Begehren und Kummer, üble, unheilsame Dinge entstehen möchten, dem bemüht er sich abzuwehren; er bewacht seine Sinne, hält eine Sinne im Zaume. Durch Ausübung dieser edlen Sinnenzügelung empfindet er ein ungetrübtes Glück.

  • Cfant:

    Lieber Raphy,


    vielen Dank für Deine Antwort. Ich seh's eigentlich eh unverkrampft. Ich bemühe mich nur seit kurzem mehr, im Alltag zu praktizieren. Und da fiel mir das - dank etwas mehr Achtsamkeit beim Rumlaufen - auf. Vielleicht lautet die Frage einfach: Wie kann man unbewusstes Denken vermeiden? Dazu habe ich - bislang - nichts gelesen. Es ist aber hilfreich zu erfahren, dass Du tatsächlich Deine Augen vor Schriftwahrnehmung "behüten" kannst. Vielleicht entwickelt sich das einfach mit fortdauernder Praxis. Also Danke!


    ...


    Gerne lieber Cfant.


    Ich hatte immer Schwierigkeiten Gedanken achtsam wahrzunehmen, ohne mich davon mitreißen zu lassen.
    Ich habe deshalb vor allem Achtsamkeit auf Körper, Körperempfindungen und Gefühle geübt und weniger auf Denken, Geist und Geistobjekte. Hat sich auch besser und runder angefühlt. Ich bin deswegen auch einigermaßen geübt viele meiner Gedanken einfach zu ignorieren, es sei denn es ist gerade wichtig zu denken oder ich habe gerade Lust dazu.


    Dieses Ignorieren war aber normalerweise kein gewaltsames Unterdrücken, sondern eher ein Desinteresse und Aufmerksamkeit auf etwas Anderes richten.


    Das Meiste ist bei mir sowieso entweder Quatsch oder nichts Neues, nichts was ich nicht eh schon gefühlte Tausend mal durchgekaut hätte.


    Also gemäß dem Spruch: "Man muß nicht alles glauben was man denkt." So wie man auch nicht alles glauben muß was die Leute so erzählen.


    Interessanterweise scheint das aber dazu zu führen, dass ich mit der Zeit immer besser auch meine Gedanken beobachten oder wahrnehmen kann, ohne mich von ihnen mitreißen zu lassen.


    Scheint sich natürlich so zu entwickeln.


    War aber ein Prozeß der Jahre gedauert hat und jetzt erst am Anfang ist.


    Also bei mir war Körperachtsamkeit und Achtsamkeit auf Gefühle der Schlüssel. Um unbewußte Gedanken habe ich mir weniger Sorgen gemacht. Ich war eher froh, wenn das Denken in den Hintergrund geriet und ich mehr Ruhe hatte.


    Liebe Grüße

  • Was mir auch noch geholfen hat war zu sehen, dass ich garnicht meine Gedanken bin, genausowenig wie ich meine Gefühle bin. Es sind einfach Erscheinungen die kommen und gehen, die entstehen und vergehen. Ich muß mich nicht damit identifizieren als ich und mein.


    Diese Erkenntnis ist allerdings mal mehr und mal weniger stark präsent.


    Liebe Grüße

  • Danke nochmals euch beiden. Ich hoffe, mit fortdauernder Übung kann ich auch mehr Distanz zu den Gefühlen und Gedanken entwickeln. :) Die 5-7 Meter-Geh-Methode hab ich ausprobiert - vereinfacht die Sache wirklich. Da ist der Weg nach Hause dann doch eine kleine Meditation. :like: