Übersetzung von vicāra; vitakka-vicāra

  • aytlas:


    1. »Da, ihr Mönche, gewinnt der Mönch, den sinnlichen Dingen entrückt, frei von unheilsamen Geisteszuständen, die mit ‘Gedankenfassung' (vitakka) und ‘Diskursivem Denken' (vicāra; vitakka-vicāra) verbundene, in der Abgeschiedenheit (citt'ekaggatā, samādhi) geborene, von ‘Verzückung' (pīti) und ‘Glücksgefühl' (sukha) erfüllte erste Vertiefung.


    "Diskursiven Denkens" scheint eine etwas unglückliche Übersetzung zu sein.

  • Kusala:

    Wie würdest Du es übersetzen accinca?


    Wenn man bedenkt das upekkhopa-vicāra ein sich ergehen in
    Gleichmut bedeutet, dann ist vicāra nicht unbedingt eine Diskussion,
    sondern eher so etwas wie ein "sinnieren".

  • Moin Accinca,


    Das hier habe ich über diskursives Denken gefunden:

    Zitat

    diskursiv (von lat. discurrere, auseinanderlaufen) oder sukzessiv nennt man ein Denken, das von einer bestimmten Vorstellung zu einer bestimmten anderen logisch fortschreitet und das ganze Gedankengebilde aus seinen Teilen aufbaut. Im weiteren Sinne wird das Denken diskursiv genannt, insofern es begrifflich ist, im Gegensatz zur intuitiven Erkenntnis durch Anschauung (Lit.: Schischkoff, S 133).
    Quelle: http://wiki.anthroposophie.net/Diskursiv


    Und das über sinnieren:

    Zitat

    sin|nie|ren <sw. V.; hat>: ganz in sich versunken über etw. nachdenken; seinen Gedanken nachhängen; ...
    Quelle http://www.duden.de/definition/sinnieren



    Du schreibst:

    Zitat

    Wenn man bedenkt das upekkhopa-vicāra ein sich ergehen in
    Gleichmut bedeutet, dann ist vicāra nicht unbedingt eine Diskussion,
    sondern eher so etwas wie ein "sinnieren".


    Aber diskursives Denken hat von seiner Wortbedeutung nichts mit Diskussion zu tun, sondern bezeichnet logisches Denken.
    Damit wäre diese Übersetzung doch gar nicht so weit von deiner Entfernt, oder siehst du das anders?
    Alles Liebe,
    Ji'un Ken.

  • Ji'un Ken:


    Aber diskursives Denken hat von seiner Wortbedeutung nichts mit Diskussion zu tun, sondern bezeichnet logisches Denken. Damit wäre diese Übersetzung doch gar nicht so weit von deiner Entfernt, oder siehst du das anders?


    Hallo!
    Erstens glaube ich kaum, das bei diskursiven Denken, Reden oder was auch immer, nicht
    doch an Diskussion gedacht wird und zweites hat das Denken in der ersten Vertiefung
    sicher nicht viel mit Logik zu tun. Es ist mehr eine Emotionale als eine rationale Sache.
    Das geht im übrigen auch aus Praktiker anderer Religionen bzw. Lehren oder Schulen
    hervor. Dominant und einleitend ist "Verzückung" (piti).
    So sagt der christliche Mystiker Ruisbroeck:


    "Gelungen ist es mir, die Liebe hat's befohlen,
    durchdrungen hab ich allen äußeren Tand.
    Das Herz ist frei, entbunden aller Täuschung.
    und:


    "Das Ferne einst ist nahe uns geworden, tief
    unter uns steht alle Zeitlichkeit, und hoher
    Jubel tönt im freien Geiste."

    "So kehre denn einwärts und lebe im Grunde,
    steig über die Sinne, hier lebet das Leben!
    0 selig der Geist, der dahin ist gekommen,
    ihm gleichet wohl keiner, wer immer es sei."


    Das ist natürlich nicht mit Nibbana zu verwechseln.
    Das lehrte nur der Buddha. Aber auch wenn man die
    Übersetzung der ersten Vertiefung bei Zumwinkel liest
    hört sich das schon anders an erste Vertiefung:


    "Ganz abgeschieden von Sinnesvergnügen, abgeschieden
    von unheilsamen Geisteszuständen, trat ich in die erste
    Vertiefung ein, die von anfänglicher und anhaltender
    Hinwendung des Geistes begleitet ist, und verweilte darin,
    mit Verzückung und Glückseligkeit, die aus der Abgeschiedenheit
    entstanden sind."


    Auch aus diesen Gründen halte ich "Diskursives Denken" für eine
    unglückliche Übersetzung.

  • * vitakka vicāra


    ‘Gedankenfassung und Diskursives Denken', gelten als im Geiste sich vollziehende ‘sprachliche Funktion' (vacī-sankhāra, siehe sankhāra, 2), das ‘innere Sprechen' (,parole interieure').



    1. »Gedankenfassung (vitakka) ist dasselbe wie das Aufgreifen eines Gedankens und bezeichnet ein Aufmerken. Ihr Merkmal ist, daß sie das Bewußtsein in der Vorstellung (Objekt) festigt . . .



    2. Als Diskursives Denken (vicāra) gilt das Umherwandern, das Hin- und Herwandern (des Geistes) . . . Es äußert sich in der fortgesetzten Tätigkeit des Geistes.« (Vis. IV).


    * vitakka, wird verglichen mit dem Anschlagen einer Glocke oder eines Gongs,
    * vicāra mit dem Nachklingen beider; oder
    * vitakka mit dem Anfassen eines Topfes,
    * vicāra mit dem Auswischen desselben;
    * vitakka mit dem anfänglichen Flügelschlage eines Vogels,
    * vicāra mit seinem ruhigen Fluge;
    * vitakka mit dem Sichniederlassen einer Biene auf einer Blüte,
    * vicāra mit ihrem Aussaugen des Blütenhonigs.


    Quelle: Buddhistisches Wörterbuch


    Mit ganz freundlichen und herzlichen Grüßen
    Dorje Sema



  • Dorje Sema:

    * vicāra
    ... * vicāra wird verglichen mit dem Nachklingen einer Glocke....


    Ja, das wußten wir schon, nur ist für mich "diskursives Denken" eben
    nicht wie das Nachklingen von irgend was. Daher finde ich die Übersetzung
    mit "diskursiven (logischen) Denken" auch unglücklich bis irreführend.

  • Zitat
    Zitat

    Dorje Sema hat zitiert:* vicāra
    ... * vicāra wird verglichen mit dem Nachklingen einer Glocke....


    accinca: Ja, das wußten wir schon, nur ist für mich "diskursives Denken" eben
    nicht wie das Nachklingen von irgend was. Daher finde ich die Übersetzung
    mit "diskursiven (logischen) Denken" auch unglücklich bis irreführend.


    deswegen kannst Du das nur für Dich festlegen jedoch nicht für die für die es so erfahren [bzw. anders]
    erfahren haben :?:


    Mit ganz freundlichen und herzlichen Grüßen
    Dorje Sema



  • Dorje Sema:
    Zitat


    accinca: Ja, das wußten wir schon, nur ist für mich "diskursives Denken" eben
    nicht wie das Nachklingen von irgend was. Daher finde ich die Übersetzung
    mit "diskursiven (logischen) Denken" auch unglücklich bis irreführend.


    deswegen kannst Du das nur für Dich festlegen jedoch nicht für die für die es
    so erfahren [bzw. anders] erfahren haben :?:


    Wie das Nachklingen einer Glocke oder wie das Diskursive Denken?
    Das kann man nicht so oder so erfahren.

  • Zitat
    Zitat

    Dorje Sema: deswegen kannst Du das nur für Dich festlegen jedoch nicht für die für die es
    so erfahren [bzw. anders] erfahren haben :?:


    accinca: Wie das Nachklingen einer Glocke oder wie das Diskursive Denken?
    Das kann man nicht so oder so erfahren.


    Wie bitte? Selbstverständlich kann das erfahren werden alleine schon durch das gewahr-sein sprich die
    'Meditation' [Kontemplation] über die Vergänglichkeit eines Tones [Lautes].


    Mit ganz freundlichen und herzlichen Grüßen
    Dorje Sema



  • Dorje Sema:
    Zitat


    accinca: Wie das Nachklingen einer Glocke oder wie das Diskursive Denken?
    Das kann man nicht so oder so erfahren.


    Wie bitte? Selbstverständlich kann das erfahren werden alleine schon
    durch das gewahr-sein sprich die 'Meditation' [Kontemplation] über die
    Vergänglichkeit eines Tones [Lautes].


    Was kann denn jetzt erfahren werden?
    Das Nachklingen der Gedanken oder das diskursive Denken?
    Selbstverständlich in der ersten Vertiefung. Davon reden wir.

  • accinca


    Etwas spät, aber vielleicht interessiert es trotzdem noch jemanden.


    Diskursives Denken ist ein geistiger Prozess, an dem vitakka und vicara hauptsächlich beteiligt sind. Der Prozess des diskursiven Denkens lässt sich gut selbst erfahren, wenn man sich z. B an seinen 10. Geburtstag versucht zu erinnern. Jedes Gedankenobjekt ist mit anderen verbunden man hangelt sich nun von Gedanken zu Gedanken an das zu erinnernde Ereignis zurück. Das Erfassen eines Gedankenobjektes (Ein Knotenpunktes, der mit anderen Gedankenobjekten verbunden ist) ist vitakka. Das Assoziieren, also das Untersuchen des Objektes mit welchen anderen Gedankenobjekten es verbunden ist, ist vicara.


    Bei der "psychologischen" Tintenklecksanalyse kann man, vereinfacht gesagt, Erkennen mit welchen Gedankenobjekten dieser Klecks verknüpft ist. Vicara untersucht hier den Klecks und Vitakka ergreift das nächstliegende Objekt. Ein Folteropfer wird meist andere Objekte ergreifen als ein behütet aufgewachsener Mensch.


    Unser gesamtes Denken funktioniert auf diese einfache effiziente Weise. Das daraus ein Ich gebildet werden kann, ist schon erstaunlich.


    Vicara heißt Assoziieren und mit Assoziieren meine ich sein Merkmal "Untersuchen des Objektes" und sein Wesen "die kontinuierliche Verbindung mit den gleichzeitig entstehenden Gedankengängen" (Visuddhi Magga 142, S. 168)


    Am besten kann man das Nachvollziehen, in dem man sich diesen Prozess in eigenem Geist anschaut. Dann kann man beide Faktoren recht gut bei der Arbeit beobachten.


    Bei der Samatha-Meditation wird vitakka immer dasselbe Objekt ergreifen und vitakka umstreicht nun diese Objekt ohne ein zu starkes Abdriften zuzulassen. Es untersucht nur das Objekt, wandert auf ihm entlang, steckt die Grenzen ab, während vitakka das Objekt immer wieder in den Mittelpunkt rückt.


    Gruß
    Sven

  • Hallo ,


    habe eben erst dein Posting entdeckt.


    Ich sehe immer hier als erstes nach -> Kurzgefasstes Handbuch der buddhistischen Lehren und Begriffe von


    Ehrwürdiger NYANATILOKA Mahathera ( Kenner der drei Welten , ;) )




    http://www.palikanon.com/wtb/vitakkavicara.html



  • accinca:

    Wenn man bedenkt das upekkhopa-vicāra ein sich ergehen in
    Gleichmut bedeutet, dann ist vicāra nicht unbedingt eine Diskussion,
    sondern eher so etwas wie ein "sinnieren".


    Dualistisches Abwägen.
    Eine Diskussion im Geiste mit sich selber.
    Wörtliches Denken.
    So habe ich es immer verstanden.