Ulrich Ott: Meditation für Skeptiker

  • Wer an einem wissenschaftlichen und dennoch sehr praktisch ausgerichteteten Zugang zur Meditation Interesse hat, dem empfehle ich:


    Ulrich Ott: "Meditation für Skeptiker".


    Ein hilfreiches und kluges Buch für alle, die ihren Geist erforschen möchten, sich aber unbehaglich fühlen, wenn es dabei allzu "religiös" zugeht:
    "Dieses Buch versteht sich als ein Beitrag, dieses Wissen [über geistige Übungen] für jene nutzbar zu machen, die ein Bedürfnis nach Bewusstseinserweiterung verspüren, sich aber keiner religiösen Tradition anschließen (…) möchten." 12


    Zum Autor: (aus Wikipedia):
    "Ulrich Ott (* 1965) ist ein deutscher Psychologe und Meditationsforscher.
    Ott hat Psychologie an der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main studiert und 1996 mit der Diplomprüfung abgeschlossen. Im Jahr 2000 wurde er dort mit einer Dissertation zum Thema Merkmale der 40 Hz-Aktivität im EEG während Ruhe, Kopfrechnen und Meditation zum Dr. phil. nat. promoviert. Von 1998 bis 2005 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Psychobiologie und Verhaltensmedizin an der Justus-Liebig-Universität Gießen in dem Projekt Psychophysiologie veränderter Bewusstseinszustände: Rhythmische Trance-Induktion, seit 2005 ist er als wissenschaftlicher Angestellter am Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene in Freiburg im Breisgau an das Bender Institute of Neuroimaging an der Universität Gießen abgeordnet und leitet dort die Arbeitsgruppe Veränderte Bewusstseinszustände (Altered States of Consciousness, ASC)."


    Im Zentrum des Buches - c.a. 2/3 des Buches - steht ein praktischer Teil, in dem verschiedene Meditationstechniken vorgestellt werden. Im letzten Drittel des Buches behandelt Ott dann die Forschung zum Thema (Definitionen, Wirkung von Meditation auf die Gesundheit, Stressreduktion, Neurowissenschaftliche Forschung, bildgebende Verfahren).


    Die fünf Hauptkapitel im praktischen Teil lauten: Körperhaltung, Atmen, Fühlen, Denken, Sein. Den Meditationsübungen in jedem Kapitel sind jedesmal Ausführungen zum Stand der Forschung vorangestellt. Wissenschaftliche Fundierung und praktische Anleitung sind hier überzeugend ausbalanciert. Einige der sehr kundig vorgestellten Meditationsübungen (vorwiegend aus der buddhistischen Tradition) sind: Körperwahrnehmung, Zentrierung des Körpers, "Body-Scan" (nach John Kabat-Zinn), Atembeobachtung, Metta-Meditation, Gedankenbeobachtung.


    Was diese Gliederung deutlich macht: Meditation ist sehr vielschichtig, sie "funktioniert" auf verschiedensten Ebenen. Der Bogen reicht von Entspannungsübungen bis zu Übungen zur emotionalen Selbstregulation bis hin zum Erwachen. "Die Meditationsübungen werden als Methoden zur Selbsterforschung, Selbstmodifikation und Selbsterkenntnis vermittelt." (S. 24). Spannend ist der Übergang von den ersten Kapiteln zum letzten Kapitel "Sein", weil hier schließlich die auf den ersten Stufen noch vorhandene Ich-Zentrierung aufgelöst wird: "Der Übergang zum fünften und letzten Tiefenbereich der Meditation erfordert demgegenüber eine veränderte Perspektive. Zur Erinnerung seien nochmals die Merkmale aufgeführt, die den Tiefenbereich der Nicht-Dualität kennzeichnen: Gedankenstille, Einssein, Leerheit, Grenzenlosigkeit, Transzendenz von Subjekt und Objekt. Das Ihnen vertraute Ich in der Form, in der Sie es bisher als Zentrum Ihres Erlebens und Handelns kennen, hört vorübergehend auf zu existieren."


    Hier, im letzten Kapitel geraten die "mystischen Erfahrungen" in den Fokus. Die Übungen der vorangehenden Stufen schaffen die Grundlage dafür, dass so etwas wie "Erwachen" geschehen kann. Ganz offensichtlich ist dieser fünfstufige Pfad der Meditation bei Ott von einen anderen ehrwürdigen Pfad inspiriert. Auch der Achtfache Pfad - in seiner nichtlinearen Ganzheit - schafft die Voraussetzung dafür, dass dukkha beendet und Erwachen realisiert werden kann.


    LG
    Onda

    "Es gibt nichts Gutes, außer: man tut es." (Erich Kästner)
    "Dharma books and tapes are valuable, but the true dharma is revealed through our life and practice." (Thich Nhat Hanh)

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  • Hab ich neulich mal überflogen. Durchaus viele gute Infos drin, auch zu wissenschaftlichen Erkenntnissen bzgl. Meditation. Mich persönlich hat es nicht angesprochen, weil Herr Ott recht streng gegen alles religiös erscheinende ist, und Wert darauf legt, die Meditationstechnik von "religiösen Verunreinigungen" zu befreien (kein Originalzitat, aber so drückt er sich aus).


    Da sind mir moderne, säkulare Lehrer aus dem Mindfulness-Umfeld lieber. Diese nehmen auch vieles metaphysische heraus, ohne aber so strikt zu sein. Wenn man allerdings meditieren will und mit allergischen Hautausschlägen auf alles irgendwie spirituell erscheinende reagiert, könnte Otts Buch genau den richtigen Zugang bieten.

  • "Dieses Buch versteht sich als ein Beitrag, dieses Wissen [über geistige Übungen] für jene nutzbar zu machen, die ein Bedürfnis nach Bewusstseinserweiterung verspüren, sich aber keiner religiösen Tradition anschließen (…) möchten."

    Herr Ott recht streng gegen alles religiös erscheinende ist, und Wert darauf legt, die Meditationstechnik von "religiösen Verunreinigungen" zu befreien


    Diese Buch mag ein gutes Meditationsanleitungsbuch sein, aber ich wehre mich etwas dagegen, dieses Buch unter "Säkular" einzuordnen. "Säkular" ist nicht "anti-religiös".


    Ich zitiere hier mal Batchelor (die Übersetzung ist von mir und vielleicht fehlerhaft. Aber Grashüpfer, du kannst das ja gegebenenfalls verbessern.) :grinsen:


    Ausschnitt aus "Ten Theses of Secular Dharma" von Stephen Batchelor:


    "1. A secular Buddhist is one who committed to the practise of the dharma for the sake of this world alone." (Ein säkularer Buddhist ist einer, der sich für die Ausübung des Dharma einsetzt, nur um dieser Welt willen.)

    Wir üben also nicht, um des Jenseits willen, um im Jenseits besser da zu stehen, wie z.B. um nicht wiedergeboren zu werden. Ich persönlich würde sogar sehr gerne wiedergeboren. :) Das Nirvana wird angesehen als etwas, was jetzt existiert und nicht durch unzählige Wiedergeburten erreicht werden muß. Man beruft sich darauf, daß Buddha so gut wie nie übers Jenseits gesprochen hat, dieses Thema weitgehend offen ließ und das meiste erst später kulturell geprägt hinzugefügt wurde.


    "6. The practitioner honours the dharma teachings that have been passed down through different traditions while seeking to enact them creatively in ways appropriate to the world as it is now."

    (Der Praktizierende ehrt die Dharma-Lehren, die durch verschiedene Traditionen weitergegeben wurden, während er versucht, sie kreativ in einer Weise umzusetzen, die der heutigen Welt angemessen ist.)

    Es geht um eine zeitgerechte, moderne Umsetzung des Dharmas, ohne die zentralen Punkte zu verwässern. Dazu gehört natürlich auch die buddhistische Meditation.


    Achtsamkeitslehrer der Mindfulnessbewegung können Buddhisten sein, müssen es aber nicht. Bisher sind alle, die ich kennengelernt habe, praktizierende Buddhisten, sie würden aber in den Mindfulnesskursen keine buddhistischen Fachbegriffe verwenden, um diese Meditation wirklich allen Interessenten zur Verfügung zu stellen, nicht nur angehenden Buddhisten. (Übrigens sind Mindfulnesslehrer gut ausgebildete Meditationslehrer, die im Gesundheitsbereich arbeiten und nicht im "Schneller-höher-weiter"-Firmenbereich. Das sind keine Wellnessbuddhisten.)


    10. A practitioner of the dharma aspires to nurture a culture of awakening that finds its inspiration in Buddhist and non-Buddhist, religious and secular sources alike.

    (Ein Dharma-Praktizierender strebt danach, eine Kultur des Erwachens zu pflegen, die ihre Inspiration in buddhistischen und nicht-buddhistischen, religiösen und weltlichen Quellen findet.)

    Das bedeutet, daß wir offen sind für alles, was für unseren Weg des Erwachens hilfreich ist.


    Es geht um einen Buddhismus, der sich mehr um das Diesseits als um das Jenseits kümmert, aber auch nicht die vertikale Ebene verneint, sondern sie offen läßt.


    Verstehst du jetzt, warum ich finde, daß der Begriff "säkular" nicht auf das oben genannte Buch zutrifft?

    Vielleicht wäre das Label "nicht religiös" passender. Oder "nicht-buddistisch"?

  • Ja @User19823 , ich seh ein was du meinst. Tatsächlich bin ich selber kein großer Freund des Terminus' "säkularer Buddhismus", da sehr viel vom Gegensatzpaar Kirche-Politik in Erinnerung gerufen wird, wenn man davon spricht. Insgesamt denke ich, dass bei der Frage, ob der Buddhismus eine Religion ist oder nicht, sehr oft westliches Denken nicht so nützlich ist, weil bei uns die Trennlinien so viel schärfer sind und die Geschichte so eine andere ist.

    Die andere Frage ist hingegen, wie viele Labels man anlegen will. Ich hab jetzt mal säkular verwendet für alles, das auf dem Buddhismus basiert, aber möglichst viel metaphysisches weglassen will. Ich finde, letztlich macht Ott ein ziemlich ähnliches System auf wie Mindfulness-Lehrer, auch wenn diese, wie du sagst, persönlich weniger Skepsis gegenüber dem Buddhismus an sich haben. Man kann sicher auch das Label "nicht-buddhistisch" auch rechtfertigen, da er ja mit Buddhismus nichts zu tun haben will, aber mein EIndruck war, dass er sich doch insgesamt relativ eng am buddhistischen Pfad orientiert, drum hab ich mal das "säkular"-Label verwendet. Wenn man jetzt Kabat-Zinn liest, könnte man auch meinen, er habe gar nichts mit dem Buddhismus am Hut und verwende nur die Techniken.

    "Nicht-buddhistisch" würde ich jetzt verwenden, wenn z.B. eine christliche Meditationstechnik oder eine hinduistische Praktik vorgestellt wird, wo dann letztlich die Grundlage in einem anderen System liegt. Sind alles Kompromisslösungen mit Graustufen, aber ich denke, dass es in diesem konkreten Fall gut genug hinkommt, die Labels dienen ja nur zur groben Orientierung. Ich hoffe, dass das nachvollziehbar ist.

  • Ich denke, dass säkularer Buddhismus sehr nah dran ist am Kern.


    Was "Meditation für Skeptiker" betrifft: Ich habe es vor etlichen Jahren gelesen und habe es leider nicht mehr so genau in Erinnerung. Ott ist u. a. Meditationsforscher und Meditation ist älter als Buddhismus. Ich finde es gut, wenn Menschen sich Meditationstechniken aneignen, egal ob mit oder ohne "religiösen" Anstrich und ich sehe auch nichts Schlechtes dahinter, wenn jemand bewusst alles Religiöse für sich ausklammern will bzw. damit nichts anfangen kann.

  • kilaya

    Hat den Titel des Themas von „Ulrich Ott: Meditation für Skepitiker“ zu „Ulrich Ott: Meditation für Skeptiker“ geändert.