ewiges Leben oder Wiedergeburt


  • Gebundene Ausgabe: 318 Seiten
    Verlag: Herder, Freiburg; Auflage: 1 (März 2007)
    Sprache: Deutsch
    ISBN-10: 3451295997
    ISBN-13: 978-3451295997


    Kundenrezesion


    Von Dr. Thomas Lautwein "Lautwein"
    Unter den christlichen Theologen, die sich mit dem Buddhismus befassen, ist der Religionswissenschaftler Michael von Brück einer der kenntnisreichsten. Seit Jahrzehnten beschäftigt er sich mit Yoga, Zen und tibetischem Buddhismus, wobei er sich immer bemüht hat, die Praxis und Lebenswelt seines Forschungsgegenstandes kennen zu lernen.
    In seinem neuen Buch beschäftigt er sich mit den Vorstellungen, die europäische und asiatische Kultur über Sterben, Tod und Leben nach dem Tod entwickelt haben, wobei es ihm um die Frage geht, ob beide Denkweisen so unvereinbar sind, wie manchmal behauptet wird (Stichwort: linearer gegen zyklischer Zeitbegriff, Reinkarnation gegen Auferstehung). Anlass zu seiner Untersuchung gibt die zeitgenössische Diskussion über Organtransplantation, Nahtoderlebnisse, Sterbehilfe und die Säkularisierung der Bestattungskultur.
    Von Brück teilt sein Buch in drei Abschnitte ein, denen er die Überschriften Der Mythos Der Ritus Das Geheimnis als Hoffnung gibt. Der erste Teil stellt die philosophischen und mythologischen Grundlagen des kulturellen Hintergrundes dar, der zweite behandelt die konkrete Feier des Überganges vom Leben zum Tod, der dritte diskutiert, wie asiatische und europäische Religiosität die Angst vor dem Sterben zu überwinden versucht.
    Leben und Sterben geschehen in der Zeit. Folglich hängt die Einstellung zum Tod von der Zeitvorstellung ab, die eine Kultur hat. Die europäische Zeitphilosophie ist gekennzeichnet durch eine zunehmende Fortschrittsgläubigkeit, die ihren Höhepunkt im 19. Jahrhundert erreicht und im 20. Jahrhundert in die Krise gerät, mystischen Erfahrungen wurden jedoch schon immer Zeitlosigkeit (nunc stans) zugeschrieben. In der indischen Kultur ist die Zeit Teil des kosmischen Traums (Wischnu) oder des kosmischen Tanzes (Shiva), eine Manifestation der Lebensenergie (prana). In der Zeitlichkeit wirkt das Gesetz von Karman, das im Buddhismus neu gedeutet wird. Aus dieser tief schürfenden Untersuchung ergeben sich schließlich vier Grundmodelle der Anschauung des Todes: der Tod als Grenzüberschreitung, als Erlösung, als Pendelschlag im Rhythmus des Lebens und als Tor zu neuer Gestaltung.
    Bestattungsrituale dienen dem Zweck der Reinigung, des Schutzes und der Erinnerung. Der Verstorbene soll geehrt und "verewigt" werden, aber auch daran gehindert werden, in die Gemeinschaft der Lebenden zurückzukehren und Schaden zu stiften. Zugleich bekräftigen Trauerrituale die religiöse Leitkultur einer Gesellschaft. Im zweiten Teil deckt von Brück die verschiedenen Quellen auf, aus denen sich die westliche Bestattungskultur herleitet und behandelt ausführlich die Entwicklung der christlichen Praxis vom Chiliasmus der Urchristen über die ars moriendi des Mittelalters bis zum Pluralismus der Gegenwart. Dabei geht er ausführlich auf die Trauermusik (Requiem) und die Leichenpredigt ein.
    In der indischen Kultur ist jedes Ritual ursprünglich Opferritual. Der Tote wird dem Feuergott Agni als Opfer übergeben, um gereinigt zu werden. Von der richtigen Durchführung des Rituals hängt das Schicksal des Verstorbenen ab. In der Auseinandersetzung mit diesem brahmanischen Ritualismus entstehen die heute noch existierenden hinduistischen und buddhistischen Begräbnisrituale. Im Buddhismus spielt der Moment des Todes eine große Rolle, da zu diesem Zeitpunkt das "werfende" Karma aktiviert wird. Daher ist die Vorbereitung auf den Tod von großer Bedeutung, wie am Beispiel des tibetischen Totdenbuches (Bardo Thödol), des Phowa-Rituals und des Geistestrainings (lo-jong) ausführlich gezeigt wird.
    Im dritten Teil der Untersuchung geht es um die Frage, wovor man beim Sterben Angst hat und worauf man hofft. Mit Paul Tillich meint von Brück, der europäische Mensch fürchte sich vor dem Schicksal (Antike), vor Schuld und Verdammung (Mittelalter, Christentum) und vor Leere und Sinnlosigkeit (Moderne). Angesichts des Zerfalls der traditionellen Formen christlicher Spiritualität bemüht er sich um eine Neubestimmung des Begriffs "Auferweckung von den Toten", die in der Liebe Gottes zu seiner Schöpfung wurzelt und als "Auferstehung aus der Dualität, aus der Getrenntheit und Fragmentierung, aus der Trennung von Gott" (S. 270) verstanden wird. Für das Christentum ist Jesus Christus "der Prototyp und Maßstab für jede menschliche Entwicklung auf diese Qualität hin" (ebda.).
    In Indien wird der Glaube an Reinkarnation damit begründet, dass er in den heiligen Schriften gelehrt werde, die Ungleichheit unter den Menschen vernünftig erkläre, dem Zeugnis der Erleuchteten entspreche und in der kosmologischen Interdependenz aller Erscheinungen ontologisch fundiert sei. Einer eingehenden Kritik wird der Ansatz des Vedanta unterzogen, dem immanente Widersprüche bescheinigt werden. Das buddhistische Problem, ob die Erleuchtung das Ergebnis eines langen Prozesses oder der plötzliche Durchbruch der bereits vorhandenen Buddha-Natur ist, wird am Beispiel des Zen-Buddhismus erläutert, wobei überraschende Parallelen zur christlichen Gnaden-Diskussion (Pelagius, Luther, Tersteegen) gezogen werden.
    Abschließend versucht der Autor, eine "interkulturelle Perspektive" (S. 291) aufzuzeigen, die eine Synthese möglich machen würde. Dabei wird der christlichen Apologetik bescheinigt, das Thema Reinkarnation bisher nur unzulänglich behandelt zu haben, was angesichts der zunehmenden Attraktivität des Reinkarnationsglaubens im Westen ein Defizit darstellt. Die christliche Theologie bringt im Wesentlichen vier Einwände gegen den Glauben an Reinkarnation vor: 1.) Er sei nicht biblisch, 2.) er verschleiere die Bedeutung dieses Lebens für die Glaubensentscheidung, 3.) er widerspreche der Lehre von der Auferstehung/Auferweckung, 4.) er sei unvereinbar mit der Einzigartigkeit Christi. Von Brück findet diese Argumente nicht überzeugend und plädiert dafür, "das Reinkarnationsthema gerade heute auch in der europäisch-christlichen Diskussion wieder aufzunehmen" (294), womit er sich für als Theologe ziemlich weit vorwagt (er hätte bei Punkt 1 aber darauf verweisen können, dass es im Judentum sehr wohl Bibelinterpretationen gibt, die den gilgul neschama als Seelenwanderung interpretieren). Er versucht, eine Theorie von der "kontinuierlichen Manifestation" (295) Gottes zu entwickeln, die die Lehre von der creatio continua (fortlaufende Schöpfung) mit einer nondualen, holistischen Metaphysik und der Annahme einer psychisch-subtilen ("feinstofflichen") Wirklichkeitsebene verbindet.
    Michael von Brücks Versuch, das Christentum für den Dialog mit den östlichen Religionen zu öffnen, verdient unsere Anerkennung, da er nicht versucht, verschiedene Religionen zu vermischen oder die andere Seite herabzusetzen. Sein Buch könnte also eine hervorragende Grundlage für einen fairen Dialog über dieses wichtige Thema sein. Der Rezensent hat nach langjähriger Erfahrung im buddhistisch-christlichen Dialog allerdings Zweifel, ob Brücks Bemühungen auf christlicher Seite wirklich akzeptiert werden.

  • Zitat

    Immerhin rezipiert er ja auch nur John Hick.


    Hähh, was macht er? :?:

  • Ob Hick oder Brück,


    beides ist nicht der Rede wert. Der Versuch Synthesen zu bauen scheitert meist an den Lebensformen. Das ist Dialektischer Konfe(ss)ktionismus!


    Schöne Grüße
    Mahakala