Mit Volksmärchen haben Mönche Jahrhunderte lang versucht der einfachen Bevölkerung Ursache und Wirkung zu erklären und sie von Aberglauben abzuhalten. Die Geschichten sich oft aus den Jataka Geschichten entnommen und an die örtlichen Gegebenheiten angepasst. Viele dieser Geschichten sind heute in Kambodscha nicht mehr bekannt.
In den 60er und 70er Jahren, mit der Welle von kambodschanischen Studenten in der DDR sind einige deutsche Bücher entstanden. Sie sind außerordentlich gut geschichtlich und buddhistisch aufgearbeitet und ein Juwel der nun in Deutschland schlummert. Ich erlaube mir einige dieser Geschichten hier zu erzählen.
HASENMÄRCHEN
Die Märchen der Gruppe "Hasenmärchen" sind deshalb von kulturgeschichtlichem Wert, weil sie einerseits uraltes Gedankengut der Menschen bewahren, andererseits auch beweisen, daß sehr alte Interpredationen von Naturerscheinungen von jüngeren Kulturepochen übernommen und deren Vorstellungen angepaßt werden. Es ist daher notwendig, die Hasenfigur bis hinein in eine Zeit zu verfolgen, da sie noch keine Märchenfigur war, sondern den Menschen als Sinnbild ganz bestimmter Naturvorgänge diente.
Hasenmärchen sind Astralmärchen, denn bei den alten Völkern symbolisierte der Hase den Mond. Und noch heute sieht der Kambodschaner in den Mondflecken eine Hasenfigur.
Die Geschichte vom Richter Hase
Das erzählt man über den Hasen seit der Zeit, als er vom Brunnen bis in die Nähe eines Dorfes rannte. Da kam eine Alte. Sie trug Bananen auf dem Kopf und ging, um sie zu verkaufen. Der Hase sah die Alte und dachte: "Ich bin so kraftlos, was könnte ich nur machen, um zu den Bananen zu kommen. Das beste ist, ich stelle mich tot." Gedacht, getan, und so egte er sich auf den Weg. Die Ate, die die Bananen auf dem Kopf trug kam näher, sah den Hasen, dachte, er wäre wirklich tot, und rief aus: "Nanu, da komme ich meine Bananen kaufen und habe heute solches Glück! Ich werde den Hasen mitnehmen. Er gibt ein gutes Essen." Und so hob sie ihn vom Wege auf, legte ihn in den Korb mit den Bananen und ging weiter. Der Hase aber, kaum , dass ihn die Alte in den Korb gelegt hatte, begann die Bananen zu fressen und fraß und fraß. Mitterweile war die Alte an ein Haus gekommen, wo sie die Leute hereinriefen, um Bananen zu kaufen. Sie hob ihren Korb vom Kopf, und der Hase lief weg. Die Alte sagte: "Meine Güte, der Hase lebte also noch, und ich dachte, er wäre tot. Aus ist's mit dem Bananen verkaufen!"
Der Hase aber lief aus dem Dorf in den Wald. Er stieg in einen Teich und wollte gerade trinken, als eine Schnecke im Teich es ihm verbot: "He, dummer Hase, wie kannst du mein Wasser trinken!" Der Hase fragte: "Wem gehört denn dieses Wasser?" "Ei, das ist mein Wasser", sagte die Schnecke. Da schlug der Hase vor: "Also schließen wir eine Wette ab. Ich werde auf dem Land laufen, du schwimmst im Wasser. Wenn du schneller schwimmst, als ich laufe, dann werde ich in diesem Teich nie mehr Wasser trinken." Die Schnecke war mit der Wette einverstanden und beriet sich mit den anderen Schnecken. Sie beschossen: "Wir werden uns der Reihe nach um den Teich ans Ufer setzen. Wenn der Hase ruft, so muß immer die Schnecke antworten, die gerade vor ihm sitzt, die anderen dürfen nichts sagen." Als sie das beschlossen hatten, sagten sie zum Hasen: "Lauf los, Hase!" Und der Hase lief und lief, dann rief er die Schnecke, und die vor ihm antwortete: "Ich bin hier!" Der Hase wunderte sich: "Meine Güte, wie schnell die alberne Schnecke doch schwimmt", und lief wieder los, rief wieder, und die Schnecke vor ihm antwortete wieder. Der Hase wusste nicht, wie er die Schnecke einholen sollte, und er wurde endlich von der Klugheit der Schnecken besiegt. Nie wieder wagte er, Wasser aus dem Teich zu trinken. Er trank von jetzt an nur mehr Tau.
Der Hase verließ diesen Ort und beschloß, einen Fluß zu durchqueren. Er wusste aber nicht, wie er daß anstellen sollte. In dem Fluß lebte ein Krokodil, es schwamm im Wasser hin und her. Der Hase sah es und dachte:"Was kann ich tun, um das dumme Krokodil zu bewegen, mich hinüberzubringen?" Er faßte einen Plan und verstellte sich: "Bruder Krokodil, was hast du gemacht, dass dein Körper so rauh ist?" Das Krokodil erzählte ihm, man sage, es habe eine Flechte. Der Hase sagte: "Bruder, wenn du mich ans andere Ufer trägst, dann werde ich dich von der Flechte heilen." Als das Krokodil das gehört hatte, war es sehr froh, es kam aus dem Wasser heraus, legte sich auf die Erde und sprach: "Ich werde Sie erst durch den Fluß tragen, dann machen sie mich gesund!" "Sorge dich nur nicht", sagte der Hase. Er selbst ekelte sich vor dem Krokodil, deshalb riß er Blätter von den Bäumen, um sich darauf zu setzen. Das Krokodil fragte: "Was machen sie mit den Blättern?" "Lieber Bruder, du bist so gut zu mir, aber ich fürchte, ich werde dich beschmutzen." Der Hase stieg auf den Kopf des Krokodils, und das Krokodil glaubte, daß alles wahr sei, und schwamm auch tüchtig, bis sie zum anderen Ufer kamen. Der Hase stieg ab, sprang auf die Erde und rief: "Du dummes Krokodil, so eine Flechte hatten schon deine Vorväter, wer kann sie denn heilen!"
Das Krokodil war sehr böse, daß der Hase es so getäuscht hatte. Es wußte aber nicht, wie es den Hasen im Zuschnappen erwischen sollte und so ließ es sich im Wasser treiben, als ob es ein Holzklotz wäre.
Der Hase lief fort und sah beim Vorbeirennen einen toten Büffel am Ufer eines Teiches liegen. Die Geier hatten seinen Leib schon ausgehöhlt. Der Hase kroch hinein, aber der Büffelleib schrumpfte in der Hitze zusammen, so dass der Hase nicht wieder heraus konnte. Er drehte und wendete sich in dem Büffel bis zum Nachmittag. Da kamen Leute, um Wasser zu schöpfen. Der Hase sagte: "Oh, liebe Leute, habt, habt Mitleid, schöpft Wasser und begießt das Hinterteil des Büffels! Ich flehe euch an, rettet mich. Wer mich rettet, erwirbt sich große Verdienste!" Als die Leute beim Wasserschöpfen diese Worte viele Male gehört hatten, gossen sie Wasser auf das Hinterteil des Büffels. Es spannte sich und quoll auf, so daß der Hase herauskriechen konnte. Dann verschwand er und schrie nach: "Ihr habt überhaupt keine Verdienste und keinen Nutzen von eurer Tat. Ich habe euch etwas vorgemacht, um mir selbst zu helfen."
Der Hase lief weiter, da sah er das Krokodil, das sich im Wasser treiben ließ. Er zweifelte, ob es auch ein Krokodil sei, und sagte sich: "He, ist das nun ein Krokodil oder irgend ein Klotz?" Dann rief er: "Wenn du ein Krokodil bist, so lasse dich weiter vom Wasser treiben. Wenn du jedoch ein Klotz bist, so schwimme gegen die Strömung!" Das Krokodil hörte den Hasen so reden und dachte: "Ich habe mich doch schon verstellt und so getan, als sei ich ein Klotz. Nun sagt der da, wenn du ein Klotz bist, so schwimme gegen die Strömung." Und so schwamm es gegen die Strömung. Als der Hase das gesehen hatte, sagte er: "Nanu, sieh einer das dumme Krokodil! Du willst mich nur täuschen? Aber mit mir geht das nicht." Das Krokodil hörte die Worte und dachte: "Ich werde werde den schlauen Hasen schon noch besiegen", und überlegte weiter: "Ich werde ans Land kriechen und mich tot stellen, das wird leicht zu machen sein."
Also kam das Krokodil an Land, legte sich hin und öffnete das Maul, als wäre es tot. Der Hase lief am Ufer auf und ab, und als er das Krokodil so liegen sah, dachte er, es wäre tot. Er kroch dem Krokodil ins Maul und spielte an seinen Zähnen. Er sagte sich: "Aus dem großen Zahn hier könnte ich einen Griff für mein Buschmesser fertigen, aus den kleinen einen Griff für das Fruchtmesser meiner Frau." Während er im Krokodilrachen so vor sich hinredete, schnappte das Krokodil zu. Der Hase rutschte schnell in den Bauch und schrie: "Oh, hier ist so viel! Ich wollte deine Eingeweide verspeisen, deshalb bin ich in deinen Bauch gekrochen. Jetzt wickle ich all deine Gedärme auf, ich will sie alle auffressen." Er rieb die Zehen aneinander, das es sich anhörte, als würde er die Därme zerreißen. Das Krokodil hörte dies und bekam große Angst. Es bettete: "Bruder Hase, hab Mitleid und komm aus meinem Bauch wieder heraus, ich werde nicht wagen, dich zu beißen." Der Hase sagte: "Weil du mich so bittest, habe ich Mitleid mit dir." Darauf öffnete das Krokodil sein Maul, und der Hase sprang heraus.
Er sprang weiter und immer weiter. Da kam er an einen Teich, dort stand ein Baumstumpf. Der Hase ging hin und setzte sich drauf. In der Heißen Tageszeit schmolz aber das Harz, so daß der Hase mit dem Hintern am Baumstumpf festklebte. Da kam eine Elefantenkind an den Teich, weil es trinken wollte. Als der Hase den kleinen Elefanten sah, rief er: "He du, wie kannst du mein Wasser trinken! Die Götter haben mich hierhergesetzt, um es zu bewachen." Der kleine Elefant bekam große Angst, rannte weg und erzählte das eben Erlebte seiner Mutter. Als die Mutter ihr Kind so reden hörte, wurde sie sehr böse. Sie suchte den Platz, wo der Hase saß und fragte ihn: "Warum läßt du mein Kind nicht trinken?" Der Hase Sagte: "Ich lasse es nicht trinken, weil die Götter mir aufgetragen haben, das Wasser zu bewachen." Die Elefantenmutter wurde Zornig, riß den Hasen von seinem Sitz und lief weg. Der Hase war sehr zufrieden, daß er freigekommen war. Er lief schnell davon und kam auf das Feld eines alten Mannes. Der Großvater hatte das ganze Feld mit Melonen bepflanzt. Jeden Tag stahl ihm der Hase von den Melonen. Da wurde der Alte ärgerlich und stellte eine Falle auf. Eines Nachts kam der Hase wieder und geriet in die Falle. Da wurde ihm angst, weil er dachte, der Großvater käme und würde ihn erwischen. Zur selben Zeit kam eine Kröte angehüpft. Der Hase freute sich, als er sie sah. Er fragte zum Schein: "Liebe Kröte, was hast du?" Die Kröte antwortete: "Ich habe eine Flechte." Da sagte der Hase: "Oh, wenn du mich aus der Falle ziehst, so werde ich dich von deiner Flechte heilen, sorge dich nur nicht!" Als die Kröte hörte, daß sie der Hase gesund machen wollte, war sie sehr zufrieden. Sie zog kräftig, bis der Hase frei war. Als der Hase aber aus der Falle heraus war, sagte er: "Deine Flechte hast du von deinen Vorvätern, wer kann sie schon heilen!" Darüber wurde die Kröte sehr böse, sie hüpfte hinter dem Hasen her, konnte ihn aber nicht einholen.
Jetzt sprechen wir wieder von dem Großvater. Er stand am Morgen auf, nahm seinen Betel und ging schnell fort, um nach den Melonen zu sehen. Da entdeckte er die Hasenfährte. Der Alte bedauerte das sehr. Er schlug sich auf Brust und Schulter und sagte: "Ich habe einen Hasenbraten verpaßt!" Er stellte die Falle von neuem auf, und in der Nacht hatte der Hase wieder Appetit auf Melonen. Er lief zum Feld und weil sein Hunger nach Melonen so groß war, hatte er die Falle vergessen. So geriet er mit der Pfote hinein und hatte große Angst, weil er nicht wüßte, wie er sich befreien sollte. Als die Kröte sah, daß der Hase gefangen war, freute sie sich sehr, sie hüpfte heran, kitzelte ihn an seinen Pfoten und sagte: "Das letzte Mal hast du mich betrogen, jetzt bist du wieder in der Falle und machst ein hilfloses Gesicht, wer wird dir den dieses Mal helfen?" Der Hase war über die Schadenfreude sehr ärgerlich. Weil er aber ein kluges Tier war, tat er, als wäre dies gar nicht verdrießlich, und sanft sprach er zur Kröte: "Ich habe dich betrogen, weil mir die Medizin unbekannt war, mit der man deine Flechte heilen kann. Jetzt lüge ich nicht mehr. Ich kenne ein junges Mädchen, es ist schön wie eine Rose. Ich werde hingehen und für dich um ihre Hand anhalten. Beunruhige dich nicht, denn ich war schon einmal dort. Das Mädchen sagte, er wäre einverstanden, deine Frau zu werden. Wenn du mir aus der Falle hilftst, dann werde ich für dich schon werben gehen, du brauchst dir keine Sorgen machen." Weil die Kröte ein geiles Tier war, war sie mit der Rede des Hasen über das junge Mädchen sehr zufrieden. Sie dachte nur noch an das Mädchen, sie konnte die Hochzeit kaum erwarten. Sie sagte: "Bruder Hase, sprich diesmal die Wahrheit und betrüge mich nicht wieder!" Der Hase erwiderte: "Aber nein, ich habe nur deshalb so oft gelogen, weil ich keinen anderen Weg mehr wußte. Jetzt ist es leicht, denn es gibt in Angkor viele junge Mädchen. Selbst wenn ich nicht für dich werben ginge, würde man dir eine Frau auch ohne Werber geben, weil die Mädchen jetzt billig geworden sind. Man bekommt zehn Mädchen für einen Sleng." Es gibt ein altes Lied, das die Leute noch heute singen. Es heißt: "Zehn Mädchen für einen Sleng", weil man die Kröten nach Angkor schwimmen sieht, die sich dort eine Frau nehmen wollen.
Die Kröte half dem Hasen wieder aus der Falle. Kaum war er frei, so rannte er weg. Er reif der Kröte zu: "Du hast eine ekelhafte Flechte, wer sollte dir wohl seine Tochter geben? Ich habe dich nur belogen!" Die Kröte war sehr gekränkt über diese Worte und wollte sich am liebsten selber auf der Erde zu Tode schmeißen. Aber sie verlangte noch sehr nach einem jungen Mädchen von Angkor. Und sie ging, um sich eines zu suchen. Unterwegs sah sie einen Mistkäfer auf einem Scheißhaufen sitzen. Der Käfer fragte: "Liebe Kröte, wohin gehst du?" Die Kröte antwortete: "Ich gehe mir eine Frau in Angkor suchen." "So spät? Schaffst du es heute noch nach Angkor?" fragte der Käfer weiter. Weil die Kröte so sehr nach einer Frau verlangte, erzählte sie: "Ja, ich schaffe es noch, zum Frühstück werde ich wieder zurück sein." Da sah die Kröte, wie der Käfer in der Luft herumsummte."Was machst du?" "Ich drechsle eine Wagenachse", sagte der Käfer. "Warum machst du sie denn so kurz?" fragte die Kröte. Der Käfer antwortete: "Zu kurz! Ich will sie sogar noch in zwei Stücke teilen, dann habe ich gleich ein ganzes Paar." Der Mistkäfer redete deshalb so, um die Kröte mit ihrer Prahlerei, daß sie zum Frühstück von Angkor wieder zurück sei, aufzuziehen. Die Kröte schwamm nun vom Srok Tonle Thom weg und wollte so bis Angkor gelangen. Wenn sie ein Tier traf, das sie nach ihrem Weg fragte, dann antwortete sie jedesmal: "Ich will mir in Angkor eine Frau suchen." Einmal traf sie einen Fisch, der zur Familie der Schmutzfresser gehörte, der schnappte zu und verschluckte sie.
Jetzt sprechen wir wieder vom Hasen. Als er aus der Falle des Großvaters freigekommen war, lief er davon und versteckte sich im Schilf. Das sah ein Tiger. Er schlich sich heran und wollte den Hasen fressen. Aber als der Hase merkte, was der Tiger vorhatte, stellte er sich ganz heiser: "Äh, nun habe ich schon fünf Elefanten gegessen und bin immer noch nicht satt! Was könnte ich tun um einen Tiger anzulocken, damit ich ihn verspeißen kann.?" Da der Tiger den Hasen so reden hörte, bekam er Angst und wagte nicht, zuzubeißen. So ging er weg, um sich mit dem Affen zu beraten. Als der er den Affen gefunden hatte, erzählte er ihm: "Ein kleines Tier hat gesagt, >nun Habe ich schon fünf Elefanten gefressen und bin immer noch nicht satt. Was könnte ich tun, um einen Tiger anzulocken, damit ich auch ihn verspeißen kann<. Ich bekam Angst, als ich das hörte." Der Affe hörte sich alles an. "Wie sieht das Tier den aus?" Der Tiger erklärte: "Es ist klein, ungefähr so groß wie mein Handgelenk, es hat lange Ohren und einen kurzen Schwanz." "Ach so", sagte der Affe, "das Tier nennt man Hase, es ist großmaulig, du brauchst dich nicht vor ihm zu fürchten." "Aber nein, Bruder Affe, ich habe die Stoßzähne gesehen, die es von den Elefanten übriggelassen hatte, es hat alle Elefantenkörper verzehrt." Der Affe berühigte den Tiger: "Nein, nein, so ist es nicht! Geh mit mir hin, Bruder Tiger, ich werde dir zeigen , wie es wirklich ist!" Der Tiger aber lamentierte: "Ich fürchte mich vor diesem Tier, es hat gesagt, daß es meine Leber fressen will. Wenn wir hingehen, wird es uns verfolgen. Du kannst auf einem Baum klettern, aber mich wird es erwischen und fressen." "Oh, Bruder Tiger, wie dumm bist du! Wenn du mir nicht glaubst, so nimm eine Liane und binde dich an mir fest. Wenn alles in Ordnung ist, dann können wir gehen." Der Tiger nahm eine Liane, und nachdem er sich und den Affen daran festgebunden hatte, gingen sie beide weg. Der Hase saß gerade auf einem Erdhügel. Er sah, daß der Tiger und der Affe an eine Leine gebunden waren und näherkamen. Er murmelte: "Na, na, der dumme Affe schuldet mir schon zwei, drei Jahre einen Tiger. Jetzt bringt er mir diesen alten und mageren!" Der Tiger hörte das und dachte: "Der Affe will mit meiner Haut seine Schulden bezahlen!" Er bekam große Angst und rannte los, dabei riß er den Affen um. Der öffnete sein Maul, brachte aber keinen Ton heraus. Der Tiger rannte und rannte, in der Eile schleuderte er den Affen gegen einen Baumstümpf, so daß er starb. Sein Maul war ganz verzerrt. Der Tiger rannte weiter weg. Einmal drehte er sich um, da sah er, daß am anderen Ende der Affe das Maul so verzerrte. Weil der Tiger dachte, der Affe lache über ihn, riß er sich mit aller Gewalt von der Leine los und rannte alleine weiter.
Als die Nacht hereingebrochen war, bekam der Hase Appetit auf junge Reispflänzchen. Er ging in einen Srok, sah dort schöne grüne Pflänzchen, sprang ins Feld hinein und aß sich satt. Dann ging er wieder in den Wald. Am Morgen kam der Bauer auf sein Feld, er entdeckte die Hasenspur und sah, daß alles kahl und zerstört war. Da wurde er sehr zornig und stellte eine Falle auf den Weg, auf dem der Hase gekommen und wieder weggelaufen war. In der Nacht kam der Hase aus dem Wald, um abermals Reispflänzchen zu fressen, und er geriet in die Falle. Der Hase wußte nicht wenn er diesmal bitten sollte, ihn herauszuziehen. Er kam auf den Gedanken so zu tun, als ob er steif und tot wäre. Am nächsten morgen stand der Bauer, der die Falle gestellt hatte, früh auf. Er zog sich eilig an und ging, nach seiner Falle zu sehen. Da sah er den Hasen tot und steif darin liegen und war sehr zufrieden. Er zog ihn heraus, stellte die Falle wieder auf und ging nach Hause zurück. Als der Hase merkte, daß er wieder auf der Erde lag, sprang er auf, lief davon und verschwand im Wald. Der Bauer sah den Hasen davon laufen und war darüber sehr erstaunt. Er schlug sich an die Brust und sagte: "Oh, der Hase dieser Räuber, er hat mich betrogen! Er lebte doch noch und ich dachte, er sei tot. Diesmal ist er mir entwischt, aber eines Tages wird er ganz sicher in der Falle sitzen." Am nächsten Tag hatte der Hase wieder Appetit auf junge Reispflänzchen. Er rannte in das Feld und hatte dabei die Falle ganz vergessen, denn er dachte immer nur an die Reispflänzchen. Und so lief er wieder in die Falle. Als sie zuschnappte wurde ihm angst, und er wußte nicht, was er anstellen sollte, um wieder frei zu kommen. Diesmal fiel ihm gar nichts ein. Am Morgen wollte der Bauer sehen, ob der Hase in der Falle saß. Er sprang vor Vergnügen in die Luft, als er ihn gefangen sah. Der Bauer zog den Hasen heraus und sagte: "Gestern hast du dich tot gestellt. Was willst du denn diesmal machen, daß ich dich wieder laufen lasse? Ich werde dich einsperren als einen, der sich so gut tot stellen kann." Er ging mit dem Hasen nach Hause. Als sie angekommen waren, holte er eine Fischreuse und sperrte den Hasen hinein. Am Morgen hatte der Bauer eine Moräne gefangen. Er holte den Fisch und steckte ihn in eine Schüssel. Diese stellte er neben die Fischrause, in der der Hase saß. Dann fiel ihm ein, daß man sich von einem Mönch im Koster erzählte, er könne gut wahrsagen. Der Bauer dachte: " Ich will hingehen und sehen, ob das auch stimmt." Zu seiner Frau sagte er: "Sieh nach dem Hasen und nach dem Fisch!"", dann ging er ins Kloster. Er betrat die Zelle, hob die Hände zum Gruß und sagte: "Verzeiht, ich habe gehört, daß Ihr für Euer Wahrsagen berühmt seid." Der Mönch antwortete: "Das ist wahr, ich kam wahrsagen. Ob ich genau voraussage oder nicht genau, das kann ich nicht wissen. Ich selbst wage nicht mich zu loben." Der Mann sagte darauf: "Ich wünsche nur wenig. Sag mir doch, werde ich heute an diesem Morgen etwas zu essen haben?" Der Meister antwortete: "Nein, ich wage nicht wahrzusagen." Da bat ihn der Mann noch einmal: "Ich bitte Euch, sagt mir nur das eine, ich möchte wissen, ob ich an diesem Morgen etwas zu essen haben werde." "Ich sage nichts", erwiderte der Mönch, "denn ich fürchte, du wirst gekränkt sein." Da dachte der Mann bei sich: "Also, wenn er richtig wahrsagt, werde ich ihm das Hasenfleisch und den Fisch bringen. Wenn er falsch wahrsagt, werde ich ihm nichts geben. Ich werde dann mit meiner Frau beides essen." Zu dem Mönch aber sagte er: "Nein ich werde nicht gekränkt sein." Da nahm der Mönch die Magische Tafel, sah darauf und sagte: "Du wirst nichts zu essen haben." Der Mann verabschiedete sich und ging wieder nach Hause. Unterwegs überlegte er: "Der Mönch kann gar nicht wahrsagen, und ich hatte doch vor, ihm ein gutes Essen zu bringen, wenn es alles richtig voraussagte. Weil er nun alles falsch gesagt hat, kann ich mit meiner Frau die beiden Tiere essen." Er sann so hin und her und war auch bald zu Hause. Er trug seiner Frau auf, das Essen zu breiten.
Der Hase und der Fisch überlegten mittlerweile, wie sie sich aus ihrer Gefangenschaft befreien könnten. Der Hase entwarf einen Plan: "Bruder Fisch, du legst dich mit dem Bauch nach oben und stellst dich tot, wenn einer kommt und dich einfängt, um dich zu schlachten. Wenn man dich ans Ufer legt, dann springst du ins Wasser und tust, als würdest du ein bißchen schwimmen. Springt man dir dann nach, um dich wieder zu fangen, dann schwimmst du ein bißchen weiter, dann tust du, als lägst du wieder nur mit dem Bauch nach oben, damit man die Fischreuse holen muß, in der ich eingesperrt bin. Wenn du siehst, daß man die Reuse holen geht, dann schwimmst du fort."
Jetzt zu den beiden Leuten, dem Mann und derFrau. Als die den Reis fertig gekocht hatte, wollte der Mann den Fisch holen, um ihn vorm Haus am Ufer des Teiches zu schuppen. Der Fisch streckte seinen Bauch nach oben und bewegte sich nicht, so stellte er sich tot. Der Mann glaubte auch, daß er tot wäre, er fing ihn ein und legte ihn ans Ufer. Darauf sprang der Fisch ins Wasser und befolgte genau die Worte des Hasen. Der Mann sah den Fisch im Wasser schwimmen, er sprang ihm nach und wollte ihn fangen. Der Fisch aber schwamm ein bißchen weiter, streckte seinen Bauch nach oben, dann schwamm er wieder ein Stück weg. Er rief seiner Frau und hieß sie, schnell die Fischreuse herzubringen. DIe Frau dachte aber nicht an den Hasen. Sie nahm die Fischreuse und brachte sie ihrem Mann, der im Teich stand und sich abmühte, den Fisch zu fangen. Alle beide waren nun bis aufs Hemd durchnäßt. Als der Fisch die Reuse sah, tauchte er tief ins Wasser hinein und schwamm fort. Mann und Frau waren sehr ärgerlich darüber, aber den Fisch konnten sie nicht fangen. Sie froren sehr, denn es war die Zeit der kalten Nordwinde und noch sehr früh am Morgen. Ihre Hände und Füße zitterten, und die Zähne schlugen ihnen aufeinander. Sie liefen schnell ins Haus und wärmten sich am Feuer, auf dem sie den Reis gekocht hatten. Sie setzten sich einander gegenüber und dachten an den Mönch. Nun sahen sie daß er recht gehabt hatte zu sagen: "Es gibts nichts zu essen." Man soll eben den Wahrsagern glauben; was sie sagen, das trifft auch ein. Nun glauben die beiden wirklich, daß dieser Mönch gut wahrsagen kann.
*Sowohl dem Fisch als auch dem Hasen ist geholfen.*
Das war die Geschichte wie der Hase Richter wurde, er Ursache und Wirkung verstand und allen später dienlich nützte.
Der Hase gilt in Kambodscha als Symbol der Schäue aber auch der Weisheit.