Welchen Wert ... hat „Kommentarliteratur“?

  • Liebe Praktizierende,


    ich möchte mich gerne über Eure gemachten Erfahrungen mit der sogenannten „Kommentarliteratur“ austauschen. Folgende Fragen sind mir dazu eingefallen — es besteht kein Anspruch auf Vollständigkeit:


    [•]Was versteht man unter „Kommentarliteratur“?
    [•]Welchen Wert, Sinn oder Zweck hat sie für den Praktizierenden?
    [•]Welche Kriterien sprechen für eine gute (hilfreiche) oder schlechte (nicht hilfreiche) „Kommentarliteratur“?
    Abschließend vielleicht die Frage, die am meisten Diskussionsgrund liefert:
    [•]Sollte man sich den großen „Werken“ besser zuerst direkt zuwenden oder sich mithilfe der „Kommentarliteratur“ Schritt für Schritt annähern?


    Den Thread habe ich bewusst in der Rubrik „Buddhistische Bücher“ gestartet. Sollten wir zu den gestellten Fragen allgemein gültige Antworten herausarbeiten können, wäre der Thread vielleicht zum „Anpinnen“ in der Rubrik geeignet. Also strengt Euch bitte an ;)


    Eine weitere Bitte an Euch: Für alle, die keine Angaben Ihrer buddhistischen Richtung im Profil gemacht haben, seid so nett und nennt bei Euren Beiträgen kurz, aus welchen Blickwinkeln Eure Erfahrungen stammen. Dafür meinen Dank im Voraus.


    Es sollen sich ausdrücklich alle Schulrichtungen angesprochen fühlen. Gerne dürfen (als persönliche Meinung ) auch herausragende Werke an „Kommentarliteratur“ empfohlen werden. Eine Diskussion darüber muss aber in einem anderen Thread und Rubrik der entsprechenden Schulrichtung erfolgen.


    Soweit zur Beschreibung dieses Threads.


    Ich bin auch sehr gespannt darauf, ob sich im Verlauf dieses Erfahrungsaustausches herauskristallisiert, welche Schulrichtung, welches Verhältnis zur „Kommentarliteratur“ hat?


    Los geht‘s ... :)

  • Ich fange mal an...


    [•]Was versteht man unter „Kommentarliteratur“?
    Eine schriftliche Form der Auseinandersetzung mit Lehraussagen und Lehrmeinungen, in einer dem Zeitgeist angepassten (moderneren) Weise.


    [•]Welchen Wert, Sinn oder Zweck hat sie für den Praktizierenden?
    Im Idealfall führt sie den Praktizierenden zu einem tieferen Verständnis der Lehre. Sie beleuchtet frühere Lehrreden, Lehrmeinungen und Aussagen, dies im Idealfall abgeglichen mit neuerem Wissen und Erkenntnissen — beispielsweise aus den Sprachwissenschaften. Den Hauptnutzen sehe ich in einer moderneren Sprache und der damit verbundenen Transformation in ein neuzeitlicheres Denken.


    [•]Welche Kriterien sprechen für eine gute (hilfreiche) oder schlechte (nicht hilfreiche) „Kommentarliteratur“?
    Zuerst würde mir da der jeweilige Hintergrund des Autors einfallen. Ein Religionswissenschaftler, der selbst nicht praktiziert, kann mir dennoch zu einem besseren Verständnis verhelfen, wenn ich entsprechendes Faktenwissen vermittelt bekomme. Würde dieser selbst auch noch buddhistische Praxis vorweisen können, wäre das ein mögliches weiteres positives Kriterium.


    Allgemeiner gesprochen, kann man, glaube ich, die gleichen Kriterien einfordern, die ein guter Lehrer auch haben sollte. Zuallererst eine gewisse soziale Kompetenz, dann natürlich eine gewisses Maß an eigener buddhistischer Praxis und eine gute Ausbildung bei einem anerkannten Lehrer. Für mich ist das Hauptkriterium das „Renomee“ des Autors.


    [•]Sollte man sich den großen „Werken“ besser zuerst direkt zuwenden oder sich mithilfe der „Kommentarliteratur“ Schritt für Schritt annähern?
    Als ganz unbedarfter Neuling war ich der Meinung, dass ich mich direkt mit dem jeweiligen „Original“ beschäftigen könnte/müsste. Das war sehr naiv von mir. :)
    Die vorherrschenden Denkweisen zu jener Zeit, Einflüsse anderer Religionen/Philosophien und generell der kulturelle und sprachliche Kontext — all das bedarf meiner Meinung nach einer genauen Beleuchtung und Erläuterung. Erst danach ist ein tieferes Verständnis möglich.

  • Zunächst: alle Schriften sind auf die eine oder andere Art Kommentar. Das gilt selbst für den Palikanon, dem man, aufmerksam gelesen, schnell anmerkt, dass daran mehr als nur wenige Leute rumgestrickt haben, ganz abgesehen davon, dass, wenn man darin das Wort Buddhas verortet, dieses selbst Kommentar zu den damaligen Auffassungen ist, bisweilen auch überaus polemisch, wie mir grad wieder aufgefallen ist. Für die Mahayana-Sutras gilt das natürlich auch, und alle klassische Zen-Literatur ist natürlich Kommentar.
    OK, aber das war jetzt nicht von Dir gemeint, anyway, ich wollts trotzdem mal loswerden.
    Gute Kommentarliteratur wird, sofern sie originell und authentisch ist, irgendwann selbst zum Klassiker - betrifft natürlich nur einen Bruchteil der verschwendeten Worte.


    Mein erster Kontakt zum (Zen-)Buddhismus war ein sehr persönlicher und so intensiv, dass es überhaupt ca 2 Jahre gebraucht hat, ehe ich mich für die ¨religiösen¨ Hintergründe zu interessieren begann. Das was gesagt wurde - oder bessser das, wie es gelebt wurde, war mir Original und Kommentar (zum Leben) genug.


    Um so erstaunter war ich, als ich vllt 3 Jahre nach dessen Tod erstmalig Kontakt zur deutschsprachigen buddhistischen Szene bekam, via Internet und, haha, mindestens einer von diesen guten Leuten ist auch heute hier noch zugange - das ist fast 18 Jahre her!


    Eigentlich nix von dem was da gesagt wurde, schien mir zu meinem damaligen Bild von ¨Buddhismus¨ zu passen, das galt auch für die zitierte Originalquellen und für die Kommentare sowieso. Aber ich hab halt n Hang zum Nerdigen, also den PK vorgenommen, in verschiedenen Übersetzungen und dabei blieb es auch nicht aus, en passant mit Kommentaren, vllt auch nur in Form von Fußnoten in Berührung zu kommen. Das Erste was mir auffiel war, dass die vorherrschende Kommentar-¨Stimmung¨, keineswegs als zwingend gelten konnte, einfach nur Interpretation und Meinung war, klar, oft über Jahrhunderte verfestigt, Argumentation meistens aber außerordentlich schwach, man merkt geradezu, dass die Leute meist nur in der eigenen Blase ihr Süppchen gekocht haben, immer mit dankbarem Publikum und nie die wirkliche Notwendigkeit bestand, darüber hinaus jemanden Rede und Antwort stehen zu müssen.
    Einmal bei der Sache, wurden mir natürlich auch die Übersetzungen suspekt, also hab ich die Sprache gelernt, passiv ist das bei Pali jetzt kein so aufregendes Ding, tägliche Beschäftigung vorausgesetzt, schafft man in 2-3 Jahren locker halbwegs flüssig zu lesen, den Rest erledigt man mit nem guten Wörterbuch und immer n scharfes Auge auf grammatische Ausnahmeregeln. Inzwischen hab ich natürlich wieder viel vergessen, weil ich es schon seit Jahren nicht mehr jeden Tag mache, reicht aber bei Bedarf immer noch, um schnell zu checken, ob das, was da übersetzt und kommentiert wird, überhaupt stimmt.


    Muss natürlich nich jeder machen, aber für mich ist das ein Teil meiner Übung, einfach ein Teil von sati, den auszusparen käme mir völlig absurd vor. Aber ebenso absurd erscheint es mir, wenn sich die Leute auf Kommentare oder vorherrschende Auslegungen verlassen, ohne sich mit dem Original (zumindest in einer Übersetzung) beschäftigt zu haben - eben weil Kommentar gefärbte Meinung ist. Es geht dabei nicht darum, ob dieser oder jener Kommentar (also auch der meinige) ¨wahrer¨ als ein anderer ist, es geht einfach darum, ob er so zwingend ist und das ist wiederum ist eine Weg sich vom Kommentar und von der Schrift ganz allgemein zu lösen, sein Leben selbst in die Hand zu nehmen, selbst für Klarheit zu sorgen und nicht nach örnundörnzig Jahren immer noch an den Lippen des jeweiligen Lehrers und an den Glaubensgrundsätzen ¨der Gemeinde¨ zu kleben.
    Leider ist Kenntnis von Originalen aber nicht sehr verbreitet, das betrifft besonders die Mahayana-Sutras, klar, auch das Zen-Zeugs, und, wie mir scheint, in noch größerem Umfang das Tibetische; mir vollkommen unverständlich, weil grade die immer so mit ihren Geshes und der Ausbildung an den Klosterschulen versuchen zu reüssieren.


    Insofern war deine Frage vllt schon obsolet, es werden nach meiner Erfahrung halt vorwiegend Kommentare konsumiert.

  • mkha':

    [•] Was versteht man unter „Kommentarliteratur“?
    Unter Kommentarliteratur als Sachbuch im Bereich der Tibetisch–buddhistischen Philosophie fällt jede Abhandlung großer Meister, die a.) die Worte des Buddha beleuchtet und dem Leser näherbringt, so wie b.) Kommentare zu den Werken der großen Meister.

    Zuerst ein Dankeschön für Deinen Beitrag, liebe mkha‘. Deine darin zum Ausdruck gebrachte Sichtweise kann ich gut nachvollziehen.
    Du schreibst von den „Werken großer Meister“. Moosgarten hat in seinem darauffolgenden Beitrag von „Klassikern“ gesprochen. Diesen Punkt möchte ich hiermit ein wenig hervorheben. Ausgewählte „Werke“ erlangen aufgrund ihres Inhalts eine Art „Eigenständigkeit“ und gelten als „großes Werk/Klassiker“. Diese ziehen dann nach einer Weile auch wieder weitere Kommentarliteratur nach sich, könnte man wohl als Gesetzmäßigkeit formulieren? Wobei, das muss nicht für alle Schulrichtungen stimmen, fällt mir gerade ein.
    Darf ich Dich konkret nach einem „großen Meister“ im tibetischen Buddhismus fragen? Und im Hinblick auf den Dalai Lama - gibt es Kommentarliteratur zu seinen Werken oder verbietet sich das, weil man das „geistige Oberhaupt“ dadurch in Frage stellen würde?
    Entschuldige meine sehr unbedarfte Frage, aber ich bin mit dem tibetischen Buddhismus nicht sehr vertraut.


    mkha':

    Anmerkung mkha': es ist, (für diejenigen, die sich umfassender informieren möchten), hilfreich, sich einen Überblick zu verschaffen - sich auch der Geschichte der buddhistischen Philosophie im Allgemeinen, ihres Weges von Indien, in weitere Länder, so wie der Entstehungsgeschichte der jeweiligen Schulen in ihrem jeweiligen Umfeld, den Besonderheiten des Landes, in dem sie entstanden, dessen Historie und kulturellen Eigenschaften etc. …, zu widmen. Der so Belesene ist besser informiert, sitzt nicht so leicht irreführendem Denken auf und riskiert (möglicherweise) eher einen Blick über den eigenen Tellerrand. ;)

    Deiner Aussage stimme ich uneingeschränkt zu. Folgt man diesem Rat, dann tuen sich jedoch unendliche Ozeane an Informations- und Wissensgebieten auf, die es zu erkunden und zu verstehen gilt. Man kann hier ohne Übertreibung von einer Lebensaufgabe sprechen. ^^ Dies soll Deine Aussage nicht schmälern, sondern dem eifrigen Schüler mehr Klarheit darüber geben, was auf ihn zukommt.

  • Moosgarten:

    Zunächst: alle Schriften sind auf die eine oder andere Art Kommentar. Das gilt selbst für den Palikanon, dem man, aufmerksam gelesen, schnell anmerkt, dass daran mehr als nur wenige Leute rumgestrickt haben, ganz abgesehen davon, dass, wenn man darin das Wort Buddhas verortet, dieses selbst Kommentar zu den damaligen Auffassungen ist, bisweilen auch überaus polemisch, wie mir grad wieder aufgefallen ist.

    Auch Dir lieben Dank für Deinen Beitrag. Das von mir hervorgehobene, ist ein sehr wichtiger Punkt, den Du da benannt hast: Buddhas Worte zum Teil selbst als Kommentar zu damaligen Denk- und Sichtweisen zu betrachten.
    Die, die sich im Frühbuddhismus verorten, werden hier wohl Widerspruch einlegen und Buddhas Worten generell einen Absolutheitsanspruch verleihen, könnte ich mir vorstellen. :?
    Bin ohnehin gespannt, welchen Wert die sogenannten „Frühbuddhisten“ der „Kommentarliteratur“ beimessen?


    Moosgarten:

    Gute Kommentarliteratur wird, sofern sie originell und authentisch ist, irgendwann selbst zum Klassiker - betrifft natürlich nur einen Bruchteil der verschwendeten Worte.

    mkha‘ schrieb bereits von den „Werken der großen Meister“. Eine Ausdrucksweise, die man wohl auch im Zen als geläufig bezeichnen kann. Die Frage, die sich daraus ergibt: Wer oder was macht aus der „einfachen Kommentarliteratur“ das „große Werk eines Meisters“? Du nennst als Kriterien eine gewisse Authentizität, die sich aus der Praxis und Textstudium zusammensetzt? Was muss das „große Werk“ noch beinhalten, um als solches anerkannt und gewürdigt werden zu können? Neue Sichtweisen aufzeigen, anderen Aspekten der Lehre mehr Wert zuordnen (Werteverschiebung)? Könnten das weitere Zutaten sein, die ein „großes Werk“ bräuchte?


    Moosgarten:

    Mein erster Kontakt zum (Zen-)Buddhismus war ein sehr persönlicher und so intensiv, dass es überhaupt ca 2 Jahre gebraucht hat, ehe ich mich für die ¨religiösen¨ Hintergründe zu interessieren begann. Das was gesagt wurde - oder bessser das, wie es gelebt wurde, war mir Original und Kommentar (zum Leben) genug.

    Das klingt jetzt nach einer praktischen Erfahrung, nicht nach Texten, die das „Feuer entfacht haben“? Habe ich Dich da richtig verstanden?


    Moosgarten:

    Eigentlich nix von dem was da gesagt wurde, schien mir zu meinem damaligen Bild von ¨Buddhismus¨ zu passen, das galt auch für die zitierte Originalquellen und für die Kommentare sowieso. Aber ich hab halt n Hang zum Nerdigen, also den PK vorgenommen, in verschiedenen Übersetzungen und dabei blieb es auch nicht aus, en passant mit Kommentaren, vllt auch nur in Form von Fußnoten in Berührung zu kommen. Das Erste was mir auffiel war, dass die vorherrschende Kommentar-¨Stimmung¨, keineswegs als zwingend gelten konnte, einfach nur Interpretation und Meinung war, klar, oft über Jahrhunderte verfestigt, Argumentation meistens aber außerordentlich schwach, man merkt geradezu, dass die Leute meist nur in der eigenen Blase ihr Süppchen gekocht haben, immer mit dankbarem Publikum und nie die wirkliche Notwendigkeit bestand, darüber hinaus jemanden Rede und Antwort stehen zu müssen.

    Wichtiger Punkt, wieder von mir hervorgehoben. Die subjektive „Interpretation“ und „Meinung“ kann sich über „Jahrhunderte verfestigt haben“ - dennoch kann sie irgendwann an Kraft und „Richtigkeit“ verlieren. Große „Meister“ können sich dann dadurch auszeichnen, Fehlentwicklungen erkannt und korrigiert zu haben (beispielsweise „Meister“ Hakuin, der den Rinzai wieder „auf Vordermann gebracht hat“).


    Moosgarten:

    Einmal bei der Sache, wurden mir natürlich auch die Übersetzungen suspekt, also hab ich die Sprache gelernt, passiv ist das bei Pali jetzt kein so aufregendes Ding, tägliche Beschäftigung vorausgesetzt, schafft man in 2-3 Jahren locker halbwegs flüssig zu lesen, den Rest erledigt man mit nem guten Wörterbuch und immer n scharfes Auge auf grammatische Ausnahmeregeln.

    Das überrascht mich. Als Zen-Praktizierender, hätte ich da eher an das Erlernen der japanischen Sprache gedacht? Aber so wie ich Dich verstehe, erfolgte Dein Einstieg über den Palikanon.


    Moosgarten:

    Aber ebenso absurd erscheint es mir, wenn sich die Leute auf Kommentare oder vorherrschende Auslegungen verlassen, ohne sich mit dem Original (zumindest in einer Übersetzung) beschäftigt zu haben - eben weil Kommentar gefärbte Meinung ist. Es geht dabei nicht darum, ob dieser oder jener Kommentar (also auch der meinige) ¨wahrer¨ als ein anderer ist, es geht einfach darum, ob er so zwingend ist und das ist wiederum ist eine Weg sich vom Kommentar und von der Schrift ganz allgemein zu lösen, sein Leben selbst in die Hand zu nehmen, selbst für Klarheit zu sorgen und nicht nach örnundörnzig Jahren immer noch an den Lippen des jeweiligen Lehrers und an den Glaubensgrundsätzen ¨der Gemeinde¨ zu kleben.

    Okay, Du appellierst an die Eigenverantwortung. Da stimme ich Dir ausdrücklich zu.
    Zu meiner Frage, ob man eine Reihenfolge empfehlen kann bezüglich was man zuerst (großes Werk/Klassiker oder die dazugehörige Kommentarliteratur) lesen sollte, würde ich aus Deinen Worten ableiten: Die Reihenfolge ist egal, wichtiger ist beides/alles zu lesen und zu „vergleichen“. Kannst Du dem so zustimmen?


    Moosgarten:

    Leider ist Kenntnis von Originalen aber nicht sehr verbreitet, das betrifft besonders die Mahayana-Sutras, klar, auch das Zen-Zeugs, und, wie mir scheint, in noch größerem Umfang das Tibetische;

    Woran meinst Du liegt das?

  • Baika:

    Die, die sich im Frühbuddhismus verorten, werden hier wohl Widerspruch einlegen und Buddhas Worten generell einen Absolutheitsanspruch verleihen, könnte ich mir vorstellen. :?
    Bin ohnehin gespannt, welchen Wert die sogenannten „Frühbuddhisten“ der „Kommentarliteratur“ beimessen?


    Hier noch eine Ergänzung: zwar lesen die sog. ¨Frühbuddhisten¨ wenigstens das Öriginal, sprich den PK, es gibt sogar welche, die historisch-kritischen Kommentare ihrer eigenen Mönchs-¨Gelehrten¨ zur Kenntnis nehmen, aber was an den richtigen Universitäten, also bei den Indologen abgeht, das fürchten sie offenbar wie der Teufel das Weihwasser.
    Es ist wohl nicht übertrieben zu sagen, dass sich der Buddhismus, und zwar in nicht sehr vorteilhaften Gemeinsamkeit mit dem Islam, in einer voraufklärerischen Phase befindet.
    Ich bin gerade auf Johannes Bronkhorst aufmerksam genacht worden, wirklich ein Gewinn mal reinzuschauen - was ich auch nicht jeden Tag tue - aber dabei bekommt man ein gutes Gefühl, in welchem Umfang der ¨normale Buddhist¨ mit garadezu kindlicher Naivität geschlagen ist. Ich meine das in keinster Weise despektierlich, es zeigt einfach den Grad des persönlichen Leidens an, und wie sehr man den Ort, der dieses Leiden zu lindern scheint, unbewußt zu schützen sucht.


    Zitat

    Wer oder was macht aus der „einfachen Kommentarliteratur“ das „große Werk eines Meisters“? Du nennst als Kriterien eine gewisse Authentizität, die sich aus der Praxis und Textstudium zusammensetzt? Was muss das „große Werk“ noch beinhalten, um als solches anerkannt und gewürdigt werden zu können? Neue Sichtweisen aufzeigen, anderen Aspekten der Lehre mehr Wert zuordnen (Werteverschiebung)? Könnten das weitere Zutaten sein, die ein „großes Werk“ bräuchte?


    Große Werke sind an den aktuellen Diskussionen ihrer Zeit orientiert, die aber zugleich zeitlos sind, also über die Jahrhunderte immer wieder auftreten. Sie finden einen Weg mit inhaltlicher und sprachlicher Originalität aktuellen und immer wieder drohenden Fehlentwicklungen zu entgegnen. Sie haben dabei relativ wenig Erbauliches zu liefern - was ihre Rezeption idR nicht grad einfach macht.


    Zitat

    Das klingt jetzt nach einer praktischen Erfahrung, nicht nach Texten, die das „Feuer entfacht haben“? Habe ich Dich da richtig verstanden?


    Richtig, wäre mir nicht im Traum eingefallen, in irgendwelchen religiösen Texten, überhaupt in Religion nach Antworten zu suchen, die ich schon nicht im Weltlichen nicht gefunden habe.
    Nur das persönliche Beispiel hat mich angezogen und das war auch völlig ausreichend.


    Zitat

    Das überrascht mich. Als Zen-Praktizierender, hätte ich da eher an das Erlernen der japanischen Sprache gedacht? Aber so wie ich Dich verstehe, erfolgte Dein Einstieg über den Palikanon.


    Nein, der früheste literarische Einstieg war das Hekiganroku in der Übersetzung von W.Gundert, das zu diesem Zeitpunkt schon 15 Jahre ungelesen im Bücherregal verstaubt war. Ziemlich irre als ich später erfuhr, dass meinem Ordensgründer zugeschrieben wird, es von China nach Japan gebracht zu haben.
    Das war mir vom sprachlichen Ausdruck natürlich erstmal völlig fremd, aber hatte aber irgendwie das Gefühl inhaltlicher Resonanz.
    Das Pali-Ding hab ich allein wegen der scheinbar inhaltlichen Dissonanz gemacht. Ich bin da so ein ¨Dr.House-Typ¨, der erst zur Hochform auflaufen kann, wenn es genügend Widerspruch gibt.
    Die meisten Zen-Klassiker sind übrigens in Chinesisch, das Shobogenzo in Alt-Japanisch - man merkt schnell, das ist einfach ne völlig andere Liga, als das zur indoeuropäischen Sprachfamilie gehörende Pali.


    Zitat

    Zu meiner Frage, ob man eine Reihenfolge empfehlen kann bezüglich was man zuerst (großes Werk/Klassiker oder die dazugehörige Kommentarliteratur) lesen sollte, würde ich aus Deinen Worten ableiten: Die Reihenfolge ist egal, wichtiger ist beides/alles zu lesen und zu „vergleichen“. Kannst Du dem so zustimmen?


    Meine Empfehlung: sich wirklich mit den Originalen zu befassen, oder eben zumindest mit den Werken ¨alter Meister¨ und sich dabei nicht auf die Einlassungen moderner Kommentatoren zu verlassen, die es einem nur scheinbar einfacher machen, sich da durchzufitzen.
    Man kann sich da zunächst ruhig auf ein kleines Stückchen konzentieren, vielleicht ist das auch gut genug für ein ganzes Leben. Bei mir ist es der Genjokoan, aber ich konnte mich darin schon halbwegs frei bewegen, bevor ich den genialen Kommentar meines ersten Lehrers dazu las.
    Man kann natürlich grundsätzlich fragen, ob man das überhaupt braucht - nein selbstverständlich nicht. Mein jetziger Lehrer meinte bei unserer ersten Begegnung vor ca 10 Jahren ¨Ja, auch das Shobogenzo braucht kein Mensch¨ - und jetzt hat er dazu ein ¨Handbuch¨ geschrieben ;) . Man kann auch nur einfach seine ¨Praxis¨ machen und gucken, wohin das führt. Aber wirklich gucken! Ich mein, wenn man nach 10 Jahren oder so im Grunde noch ebenso empfindsam, ablehnend oder ausblendend also im Wentlichen angepißt, auf die drängende Welt mit all ihrem Widerspruch zu den eigenen Wunschvorstellungen reagiert, sollte es zu der Erkenntnis führen, das irgendwas wirklich schief gelaufen ist und läuft. Tuts aber meistens auch nicht.


    Zitat

    Woran meinst Du liegt das?

    Am Leiden. Gewissermaßen eine Flucht ins magische Denken.

  • Moosgarten:
    Zitat

    Woran meinst Du liegt das?

    Am Leiden. Gewissermaßen eine Flucht ins magische Denken.

    Ich kann nicht viel dazu sagen, aber das ist mein Weg durch die Worte die mir jemand/niemand geschrieben oder gesagt hat. Ich hab mich mit Kommentarliteratur auf einem anderen Gebiet beschäftigt. Der Esoterik mit einigen ihrer "Schulen/Techniken". Nach einigen Zweifeln, in Begleitung der "Meditation", eigentlich Zazen, und dem prüfen auf Wirklichkeit mit dem Leben das mir begegnet. Wenn mir jemand sagte das ich doch bestimmte Dinge fühlen müsste und da war nichts hab ich nie versucht dieses Fühlen zu erzeugen, da war nichts also ist da nichts und in meinem Leben war das auch nicht, nur in der Esoterik sollte es sein???


    Irgendwann hat sich dieses Hobby durch eine entscheidende Sache ganz aufgelöst. Dieses hat mir dieses Glauben und das Glauben erzeugende Denken genommen. Wie Buddha schreibt mit Stumpf und Stiel ausgerissen.


    Das Begegnen mit einem Rätsel, ich rätsel gerne, hat einen neuen Glaubensbaum wachsen lassen. Es war Koan, das naive Glauben das ich die löse. Das begann 2000 und Zen.de begann 2001, ich fand meine Meister im Internet und das reichte mir, seit 2010 hier. Und vor kurzem ist auch ein Ereignis geschehen das das Ausreißen des Glaubensbaumes begonnen hat. Ich weiß nicht was es war, wohl die ganz einfache Erfahrung da nicht nur ich dem Leben begegne sonder zeitgleich mein Leben mir begegnet. Er hat noch Wurzel in der Erde. Ich habe eine gewisse Angst das ich den Buddhismus auch verliere. Vielleicht ist er schon verloren? Andererseits ist da ein Gefühl der Freiheit die ich nicht durch einen neuen Glauben gefährden möchte.


    Kommentarliteratur und Kommentare ist wichtig für mich, auf dem Weg Glaubensbäume auszureißen. Heute sind es eher die die ich bewusst pflanze, hege und pflege sie beschneide, ihnen Form gebe, meine Bonsai, in einer Schale der Chance beraubt sich auszuwachsen. Manchen hab ich einfach kein Wasser mehr gegeben und sie bleiben stehen als mahnende Wächter meiner Sinnestore. So gestorben wie sie waren und durch das von mir begonnene Sterben in der Form geblieben die mir immer deutlich macht: Wenn Du das weiter machst geht der über seine Schale rüber. Sein Skelett zeigt mir immer: Ab jetzt kein Wasser mehr geben bei einem Bonsai der ähnliche Ambitionen hat.


    Im Moment hab ich die Daseinsmerkmale und das Nei Yeh in Pflege. Das werden mal "schöne" Skelette.


    Edit: Der Buddhismus war doch tatsächlich ein Baum der noch in der Erde stand :eek: . Hab ihn gerade in eine Schale gesetzt so kann ich ihn Pflegen und wachsen lassen und sehen wann er kein Wasser mehr bekommen möchte.

  • Moosgarten
    Danke für die Antworten - mit denen ich mich noch genauer auseinandersetzen muss.


    Noreply
    Dankeschön für Deinen Beitrag. Ich hätte direkt dazu eine Verständnisfrage.


    Ellviral:

    Ich habe eine gewisse Angst das ich den Buddhismus auch verliere. Vielleicht ist er schon verloren?

    Unterscheidest Du für Dich persönlich zwischen „Buddhismus“ und „Zen“? Beinhaltet ersteres für Dich eher religiöse Aspekte/Glauben, während Zen von Dir zunehmend als Lebensphilosophie aufgefasst wird?

  • Buddhismus, allgemein ist ein Glaubensprinzip. Die Lehre Buddha ist eine genaue Beschreibung wie Leiden mit der Wurzel, der Glaube, ausgerissen werden kann. Zen ist für mich ein Philosophischer Wegweiser aus Lehre Buddha und dem Leben wie ich ihm begegne und wie mir mein Leben begegnet. Zen ist fast frei von Buddhismus.


    Schon der Satz: Ichbin ist das Selbst das das Selbst das Selbst sein lässt. ist schon einer der von der Geburt bis zum Zerfallen reicht um alle buddhistische Literatur zu dieser Weisheit durchzuackern. Das Esoterische, einschließlich Scientology, hat mich zum ersten erkennen diese Form gebracht und Buddha mit allen seinen Folgern hat das bestätigt, meinen Unglauben beseitigt.