Amida und Vajrayana-Praxis

  • Hallo, ich praktiziere Vajrayana und habe vor fünf Jahren einen Amitabha-Sadhana zum Üben bekommen, der mich sehr anspricht, und den ich vertiefen will. Dieser Tage habe ich etwas über den Amida-Buddhismus gelesen und könnte mir vorstellen, dass eine Beschäftigung mit dieser Richtung mich zu dem, was Amitabha bedeutet näher bringt. Andererseits lese ich immer wieder, dass die Amida-Schulen exklusiv sind und nicht offen für Leute, die dem Vajrayana folgen. Kann da jemand etwas dazu sagen? Was sollte ich zuerst lesen, damit ich den Amida-Buddhismus verstehe?

  • Du kannst verschieden vorgehn. ;)


    So aus Neugierde: Hast du ne tantrische oder ne sutrische Sadhana? (Oder anders: ist darin ein Mantra (Om Ami Dewa Hri z.B.) oder Namensrezitation (Namo Amitabha Buddha z.B.) enthalten?


    Als erstes vielleicht etwas aus der Vajrayana-Tradition zu lesen, allerdings aus der japanischen: http://www.buddhaland.de/viewtopic.php?f=24&t=4571


    Ansonsten hab ich ja schon oft den Namandabu-Blog empfohlen. Also hier mal wieder. https://shinbuddhismus.wordpress.com/


    Ansonsten ist es sicher sinnvoll, die Amida-Sutren zu lesen. Das müsste eh die Basis sein. http://www.buddhaland.de/viewtopic.php?f=24&t=11406
    Ich glaube aber, das das Meditationssutra nur im chinesischen Kanon da ist. Die anderen müsstest du aber im tibetischen Kanon auch finden.


    Ansonsten vielleicht noch ein Hinweis auf ein paar Unterschiede zumindest der Jodo Shinshu-Schule bzw. von Shinran zum Vajrayana.
    Manchmal wird im Vajrayana Amida als ein Wesen gesehn (genau genommen sogar als zwei Amitabha und Amitayus), sein reines Land oft als ein wirklicher Ort. Und der Weg dorthin ein Weg der Bemühung und der Meditation.
    Im Shin ist das nicht so. Shinran sagt, daß Amida kein Wesen ist, und das reine Land kein Ort, sondern der (symbolische Ausdruck für) Nirvana. Und es geht um Anvertrauen und nicht um Eigenbemühen (Nochmal Shinran: Alles was ich tue, bringt mich nur in die Hölle. Eigenbemühung als Verstärkung des Ich-Vorstellung. Shin-Buddhismus liegt im Nembutsu-Praxis, nicht in Meditation. "Das Nembutsu ist weder eine fromme Übung, noch ein gutes Werk. Es ist ganz einfach das Wirken des Nicht-Selbst." Und der Lehrer ist ein Weggefährte auf dem Weg, hat aber nicht die hohe (für mich überhöhte) Stellung wie im Vajrayana. Und es gibt keine Vorbereitung, keine Stufen und so was. Eigentlich gerade keine Exklusivität. Ein Weg auch für die Scheiternden.
    Es sind zwei Ansätze, die sich an einigen Punkten berühren, an anderen aber auch auseinandertriften. Ich denk, das ist gut zu sehn, damit es nicht zu Verwirrung führt. Es hat also nichts mit Nicht offen für Leute, die dem Vajrayana folgen zu tun, eher damit, das einige Schwerpunkte anders gesetzt sind. Aber sich über verschiedene Ansätze von verschiedenen buddh. Schulen zu beschäftigen, ist erstmal ein guter Ansatzpunkt.


    Sehr schöne Texte findest du hier immer wieder von Benkei aus verschiedenen Amida-Traditionen z.B. http://www.buddhaland.de/viewtopic.php?f=24&t=831.


    Auch gerade empfohlen einen Blick auf Amida-Buddhismus aus wissenschaftlicher Sicht.
    Der Amida-Kult Japans: Pseudo-Buddhismus, Travestie des Christentums oder Gipfelpunkt des Mahayana?
    und wenn du englisch kannst:
    Life and Light, the Infinite: A Historical and Philological Analysis of the Amida Cult
    Wo es bis zu vorbuddh. Einflüssen zurück geht.


    So das reicht für den Anfang, hoff ich, zum Weiterstöbern. Einer meiner Lieblingsartikel zum Thema gibts hier. Nur ist die Schrift zu klein. ;)

  • Namaste!


    Hallo Khyungpo,


    neben den von Jinen empfohlenen Links und Texten empfehle ich vor allem Meister Hônen, mit seinem Isshi Koshôsoku und seinem Ichimai Kichomon. Wie Jinen schon empfahl - am Besten zuerst Kakuban's "Amida Hishaku" lesen, da wird aus meiner Sicht auch ganz gut das grundlegende Verständnis der japanischen Sichtweise auf Amitabha Buddha und seine Praxis verdeutlicht, und dann die anderen Texte. Shinran und die Jôdo Shin-Tradition, die er gründete, bauen sozusagen auf diese Sichtweise und auf Meister Hônens Interpretation der Amitabha-Lehre auf; sie gehen aber dann noch einen Schritt weiter, wie Jinen ja auch in Bezug auf die Vorstellungen der Jôdo Shinshû schon ausführte.


    Hônen's Amida-Lehren können wohl mittlerweile als allgemeiner japanischer Glaubenskonsenz in Bezug auf Amida Buddha angesehen werden, und sie gelten so nicht nur für die sich direkt auf Hônen zurückbeziehenden Schullinien der Jôdo Shû, sondern wohl auch für die breitere Maße der "volksreligiösen" Laienanhänger der Jôdo Shinshû und die meisten anderen Amida-Anhänger in anderen japanischen Traditionen (Tendai Shû, Shingon Shû, Zen-Schulen, etc.). Shinran's spätere offene teilweise Abkehr von der Vorstellung von Amida als Einzelwesen-Entität [man könnte hier vielleicht auch den Begriff "Sambogakaya" bemühen] ist nach meiner Empfindung zwar als "höhere Sichtweise" seinen Lehren immanent, aber seine Nachfolger "ruderten" da teilweise wieder etwas zurück und sprechen dann doch wieder oft von "Amida in einem Reinen Land" und von "Nachtodlicher Wiedergeburt", anstatt von "Dem ganz Anderen und der "Hingeburt".



    Was die Exklusivität der (japanischen) Amida-Schulen angeht [in Deutschland ist ohnehin nur die Jôdo Shinshû vertreten], so stehen deren Tempel und Zentren, so wie ich es erlebt habe, für alle offen. Da kann man dann auch als Zennie an den Andachten und Gesprächsrunden teilnehmen, und das gilt bestimmt auch für andere "Gläubige". [Eigentlich wird man da erstmal gar nicht nach gefragt ;) ]
    Problematischer, in Bezug auf die Ausübung von anderen Praktiken neben dem Nenbutsu [kann man auch "Nembutsu" schreiben], wird es dann wohl erst, wenn man sich entscheidet, diesen WEG auch "hochoffiziell", also als anerkanntes Mitglied der Jôdo Shinshû-Nishi Honganji-ha [das ist der größte Zweig dieser Tradition überhaupt, und der ist auch in Deutschland vertreten], zu gehen und die Kikyoshiki Zeremonie anzunehmen.


    < gasshô >


    Benkei


    Namu-Amida-Butsu

    "Allmorgendlich beginne ich meinen Tag damit, den Spiegel zu polieren;
    Täglich türme ich neue Staubschichten auf;
    Allabendlich beende ich meinen Tag damit, weiter zu polieren;
    Und scheinbar wirbelt auch ein Schlafender noch Staub auf."
    HôShin