buddhismus menschenunwürdig?

  • Wie erklärt ihr euch, dass in östlichen ländern hilfestellung wie z.b. sozialarbeit oder andere hilfen in materieller art häufig missgünstig betrachtet wird nach dem motto: Sie sind doch selber schuld, schlechtes karma bzw. es ist ihre eigene verantwortung sich in leidhafte situationen gebracht zu haben. Das kastensystem als vorbuddhistische Auffassung von Gesellschaft beschreibt diesen Umstand noch drastischer.
    Ich sehe das mit der Theorie der Aufhebung des Leides und der Nicht-Getrenntheit der Menschen aufgrund von anatta als eigentlich unvereinbar mit der buddhistischen Lehre, dennoch herrscht diese Auffassung in Ländern mit buddhistischer oder hinduisticher Tradition vor. Wie seht ihr das, wie erklärt ihr euch das?


    Einer meiner Diplomarbeitsleser hat sehr ungehalten auf diesen Umstand reagiert, nach dem Motto: Buddhismus festigt Gesellschaftliche Ungleichheiten.

    "In der Melancolie liegt die Trauer über das Ende, und die Freude des Anfangs als zarte Blüte - so ist sie der Begriff einer dauernden Veränderung"

  • erstaunlich was die leute alles für "buddhismus" halten...


    ich kann nur sagen, dass solches verhalten, wenn es denn so vorkommt, nichts mit dem zu tun hat was ich buddhismus nenne :D


    liebe grüße, acinteyya

  • Solche Auffassungen haben wirklich nichts mit Buddhismus zu tun. Wenn man für sich selbst verantwortlich ist, ist man auch "Herr seiner selbst". Man kann selbst entscheiden, wie man mit sich umgeht. Zur Freiheit gehört nun mal Selbstverantwortung. Wer das nicht erkennt, braucht Mitgefühl- sei es materieller Art oder in Form von Lehren.


    mfg Walter

    DRACO DORMIENS NUNQUAM TITILLANDUS

  • birth:

    ... nach dem motto: Sie sind doch selber schuld, schlechtes karma bzw. es ist ihre eigene verantwortung sich in leidhafte situationen gebracht zu haben.


    Hallo birth, das Thema hatten wir schon hier:
    http://www.buddhaland.de/viewtopic.php?f=22&t=1646


    birth:

    Das kastensystem als vorbuddhistische Auffassung von Gesellschaft...


    Das System ist 3000 Jahre alt und hat mit dem Buddhismus nichts gemeinsam. Buddhismus ist kein politisches System und fördert auch keines. Wer beides vermischt, geht nicht den richtigen Weg.


    birth:

    Einer meiner Diplomarbeitsleser hat sehr ungehalten auf diesen Umstand reagiert, nach dem Motto: Buddhismus festigt Gesellschaftliche Ungleichheiten.


    ... entweder falsch informiert worden oder nichts begriffen.
    ;)
    Grüße, Isis

    _()_
    Das aber verkünde ich, o Freund: in eben diesem klafterhohen, mit Wahrnehmung und Bewusstsein versehenen Körper, da ist die Welt enthalten, der Welt Entstehung, der Welt Ende und der zu der Welt Ende führende Pfad.
    BUDDHA


  • Oder sowohl als auch.
    Auf welchen merkwürdigen Grundlagen sowas wohl entsteht ?
    So schwer kann das mit der Auffassung der inhärenten Existenz, Leerheit(Subjektiv/Subjektiv-Objektiv doch gar nicht sein, oder ?
    Grausam aber so steht's an erster Stelle in diesem thread geschrieben.
    Und dann auch noch eine Vermischung vedischer mit buddhistischen Lehren, also bei gewissen Kulturellen Aspekten könnte ich das ja noch verstehen aber die Lehren sollte man doch bitte nicht vermengen oder gar eventuell vertauschen. Danke !


    and please,


    open your heart and !!!MORE BODHICITTA!!!


    Mit Ganz lieben und freundlichen Grüssen
    Dorje Sema


    OMMANIPADMEHUNG

  • Ja, das ist so fern von den Realitäten, was du da fragst, birth, dass ich mich auch nur wundern kann. Habt Ihr da irgendwelche Texte diagonal durchgeblättert und Euch daraufhin ein Urteil gebildet?


    a) Das Kastensysthem hat mit dem Buddhismus so viel zu tun wie Stonehenge mit dem Christentum. In Indien konvertieren viele Parias vom Hinduismus zum Buddhismus, um dem Kastensystem endlich zu entrinnen.


    b) Trotz des im Hinduismus bestehenden Kastensystems ist in ganz Asien die Vorstellung den Armen zu helfen nicht unbekannt, soweit ich das mitbekommen habe. Gerade aufgrund des Karmaglaubens fühlen sich Reiche verpflichtet zu spenden, damit sich ihre Karten für's nächste Leben günstig mischen.
    Ist nur die Frage, wie effizient die Hilfe ist. Dazu kann ich nichts sagen.
    Gut, die Hilfe wird dort vielleicht nicht "Nächstenliebe" genannt, weil das ein christlicher Begriff ist, aber sie existiert doch.


    c) So gibt es natürlich auch buddhistische Hilfsorganisationen.


    Nach hinduistischen Hilforganisationen muss man ziemlich suchen und sie sind schwer zu finden. Das hat aber mit dem Thema Buddhismus nichts zu tun und müsste, will man fair bleiben, auch viel differenzierter diskutiert und betrachtet werden.


    birth:

    ... dennoch herrscht diese Auffassung in Ländern mit buddhistischer oder hinduisticher Tradition vor. ...


    Das "diese Auffassung" (Sozialarbeit missgünstig zu betrachten) "vorherrschen" würde - kann ich nicht nachvollziehen. Welche Informationen führen Dich zu dieser Einschätzung?


    Ich meine, Neid, Dummheit und Ignoranz gibt es in westlichen wie in östlichen Ländern. Daran trägt ja weder das Christentum noch der Buddhismus die Schuld, oder?

    :rainbow: Gute Wünsche für jede und jeden. :tee:


  • birth:

    ... nach dem Motto: Buddhismus festigt Gesellschaftliche Ungleichheiten.


    Vielleicht steht da folgender unausgesprochener Zusammenhang (in Abwandlung einer bekannten Aussage von Karl Marx kritisch zu Religionen im allgemeinen) im Raum:
    Wenn jemand innere Harmonie findet in seiner Religion (z.B. auch durch innerliche Anpassung an leidvolle Umwelteinflüsse), dann fehlt die treibende Kraft etwas verändern zu wollen (auf der Seite der Umwelteinflüsse bzw. gesellschaftlichen Bedingungen). Unzufriedenheit ist ja auch eine Triebfeder, eine Motivation zum Handeln.

    Einmal editiert, zuletzt von Naqual ()

  • bevor hier diskutiert werden könnte: "buddhismus menschenunwürdig?"
    solltet man sich im klaren darüber sein was genau jeder hier für "buddhismus" hält!?
    sonst sind alle worte vergebenens aneinander vorbeireden


    liebe grüße, acinteyya

  • Offen gesagt, das Thema "Buddhismus menschunwürdig" ist nicht nur eine unschöne Formulierung, die grundlos provoziert, sie ist auch wenig zweckmäßig um auch nur zu irgendeinem Ziel finden zu können.


    Dem Eröffnungsbeitrag entnehme ich, dass der Autor dies dem Buddhismus auch gar nicht unterstellen will, ja sogar Geschildertes unvereinbar mit der Lehre Buddhas hält.
    Gleichwohl sieht er in der gesellschaftlichen Praxis in Ländern mit einem hohen Anteil der dem Buddhismus Nahestehenden anscheinend eine Tendenz, die Lehre Buddhas in eine Art lieblose gesellschaftliche Praxis überführt zu haben oder besser diese Verhältnisse zuzulassen (Ähnliche Entwicklungen haben wir ja, oftmals viel, viel krasser, bei anderen Religionen).
    Und wenn ich ihn richtig verstanden habe, fragt er nach, ob hier Ursachen für zu orten sind.


    Die Frage die ich dann hätte wäre die (als Nichtbuddhist und wenig bewandert): Wo sind in der ursprünglichen Lehre der Buddhisten die Eckpunkte für sagen wir mal "Liebe in der Gesellschaft"? Der Buddhismus wird ja kaum so flach sein zu sagen, "naja, die anderen brauchen ja nur ihre Einstellung zum Leid überprüfen".

  • birth:

    Sie sind doch selber schuld, schlechtes karma


    Selber schuld, kein Mitleid? Sorry, aber wenn der Buddha DAS jemals gesagt haben sollte, fress ich einen Besen und ihr dürft mir alle dabei zuschauen ;).


    birth:

    dennoch herrscht diese Auffassung in Ländern mit buddhistischer oder hinduisticher Tradition vor


    Genauso gut kann man "DEM Christentum" die vielen gierigen christlichen Konzernchefs und Banker, den christlich geprägten westlichen Imperialismus, den christlichen Antijudaismus samt der Rolle der christlichen Kirchen im sog. "Dritten Reich" und die zahlreichen blutrünstigen Glaubenskriege, Zwangsmissionierungen, Ketzerverfolgungen und Hexenverbrennungen der Vergangenheit zum Vorwurf machen.


    birth:

    Ich sehe das mit der Theorie der Aufhebung des Leides und der Nicht-Getrenntheit der Menschen aufgrund von anatta als eigentlich unvereinbar mit der buddhistischen Lehre


    Exakt. Deshalb gibt es auch viele buddhistische Hilfsorganisationen (wie von Jyotsna' bereits erwähnt), auch wenn diese im Westen eher unbekannt sind. Zur Illustration hier z.B. eine Liste der Hilfsorganisationen des Engagierten Buddhismus: http://www.buddhanetz.org/projekte/projekte.htm


    birth:

    Buddhismus festigt Gesellschaftliche Ungleichheiten.


    Inwiefern? Der Buddha war doch nun wirklich kein Freund des Kastensystems ...


    Liebe Grüße
    Think

    4 Mal editiert, zuletzt von think ()

  • Jyotsna':
    Naqual:

    ...
    Die Frage die ich dann hätte wäre die (als Nichtbuddhist und wenig bewandert): Wo sind in der ursprünglichen Lehre der Buddhisten die Eckpunkte für sagen wir mal "Liebe in der Gesellschaft"? ...


    http://www.buddhaland.de/viewtopic.php?f=22&t=709
    ;)


    :roll:


    Also in der Knappgrundlage mit dem Achtfachen Weg ist dies nicht enthalten. Das Vermeiden von Töten und Diebstahl ist ein wenig arg wenig um das gesellschaftliche Leben als von Liebe und gegenseitiger Verantwortung sowie Respekt zu kennzeichen.

  • Naqual:

    ...
    Also in der Knappgrundlage mit dem Achtfachen Weg ist dies nicht enthalten. Das Vermeiden von Töten und Diebstahl ist ein wenig arg wenig um das gesellschaftliche Leben als von Liebe und gegenseitiger Verantwortung sowie Respekt zu kennzeichen.


    Gut, tut mir leid, dass ich zu faul bin, das für Dich nun im Internet explizit zu recherchieren, wo und wie genau "Liebe" im Buddhismus vorkommt.
    Liebe in der Gesellschaft ist ja auch echt gleich ziemlich hoch gegriffen - wenn doch erstmal wenigstens einige bei sich selber anfangen würden, oder?
    Nur ein Buchtipp fällt mir ein: "Mitgefühl und Liebe" von Jeffrey Hopkins


    Interessierst Du Dich für Buddhismus?

    :rainbow: Gute Wünsche für jede und jeden. :tee:


  • Naqual:

    Das Vermeiden von Töten und Diebstahl ist ein wenig arg wenig um das gesellschaftliche Leben als von Liebe und gegenseitiger Verantwortung sowie Respekt zu kennzeichen.


    Das könnte man von den Zehn Geboten aber auch sagen ;). Aber im Ernst - Mitgefühl und liebende Güte nehmen im Buddhismus eine ganz zentrale Rolle ein, das wird ja wohl keiner bestreiten. Metta - selbstlose, nicht-anhaftende Liebe und Güte. Karuna - Erbarmen und Mitgefühl. Mudita - Mitfreude und Wohlwollen. Das sind doch ganz zentrale Begriffe, oder nicht?


    Liebe Grüße
    Think

  • Jyotsna':

    Interessierst Du Dich für Buddhismus?


    Ich interessiere mich für die Erkenntnis der Wahrheit. Warum sollte der Buddhismus nicht über Weisheit verfügen?
    Dies ist am leichtesten zu Erkennen in persönlichen Gesprächen und sei es in einem Forum.
    Denn ich habe meine Gedanken und Erkenntnisse, ein anderer hat andere, in dem ich mich darum bemühe, den anderen zu verstehen, den ich nicht kenne, lerne ich dazu.


    PS. Danke für den Buchtipp.

  • think:
    Naqual:

    Das Vermeiden von Töten und Diebstahl ist ein wenig arg wenig um das gesellschaftliche Leben als von Liebe und gegenseitiger Verantwortung sowie Respekt zu kennzeichen.


    Das könnte man von den Zehn Geboten aber auch sagen ;). Aber im Ernst - Mitgefühl und liebende Güte nehmen im Buddhismus eine ganz zentrale Rolle ein, das wird ja wohl keiner bestreiten. Metta - selbstlose, nicht-anhaftende Liebe und Güte. Karuna - Erbarmen und Mitgefühl. Mudita - Mitfreude und Wohlwollen. Das sind doch ganz zentrale Begriffe, oder nicht?


    Es ist richtig, auch von den Zehn Geboten könnte man dies sagen. Aber auch, dass in der Bibel die Liebe eine zentrale Rolle spielt. Aber korrumpiert von antiken Gottesvorstellungen, bei denen ein Gott sowohl gerecht grausam sein kann wie ein jemand der Liebe. Leider sind große Teile des Christentums noch ein wenig zäh drauf um sich hier weiterzuentwickeln. Wie alle Religionen, die bestimmte Schriftstücke für unanfechtbar der letzten Weisheit Schluss halten (was nicht heißt, dass man diese nicht mit Hochachtung behandeln sollte!)


    Freut mich, dass es Metta, Karuna und Mudita gibt. Beim Surfen zu diesen Begriffen hat mir die Karuna-Beschreibung besonders gefallen. Voraussetzung dieser ist die Erfahrung der Einheit alles Seienden. Nun: ich definiere Liebe so: wenn der andere Teil von mir ist (wenn ich seine Freude und sein Leid in mir spüre und hieraus für ihn da bin). Damit ist es aber vor allem ein Geben in der Konsequenz. Aber der Gedanke des Karuna impliziert auch das erfahrbare Leid für den anderen im Selbst.
    Denke, dass der Buddhismus hier sogar viel konkreter über Liebe redet und diese will (auch im Handeln) als so manche andere (nichtbuddhistische) Religionsvertreter, die dies proklamativ auf ihre Fahnen schreiben, auch wenn der Buddhismus den Begriff "Liebe" selbst nicht unbedingt zu mögen scheint.


    Wo seht ihr im Buddhismus die Liebe: als Voraussetzung für Erleuchtung oder als Folge?

  • Naqual:

    Freut mich, dass es Metta, Karuna und Mudita gibt. Beim Surfen zu diesen Begriffen hat mir die Karuna-Beschreibung besonders gefallen. Voraussetzung dieser ist die Erfahrung der Einheit alles Seienden.


    Im Buddhismus ist die Voraussetzung dafür, das Erkennen der 4 edlen Wahrheiten und der Natur aller Phänomene. :)


    Naqual:


    Wo seht ihr im Buddhismus die Liebe: als Voraussetzung für Erleuchtung oder als Folge?


    Eine Bedingung für Mitgefühl und dieses wiederum ist die Bedingung für Bodhicitta.

    Die Ausdrucksweisen der Buddhas sind ohne Grenzen, vielfältig ihre Sprachen.

  • Moin Naqual,


    Zitat

    Denke, dass der Buddhismus hier sogar viel konkreter über Liebe redet und diese will (auch im Handeln) als so manche andere (nichtbuddhistische) Religionsvertreter, die dies proklamativ auf ihre Fahnen schreiben, auch wenn der Buddhismus den Begriff "Liebe" selbst nicht unbedingt zu mögen scheint.


    Im Mahayana gibt es das Ideal des Bodhisattva
    http://de.wikipedia.org/wiki/Bodhisattva

      .....Mahayana-Buddhismus werden Bodhisattvas als nach höchster Erkenntnis strebende Wesen angesehen, die auf dem Wege der „Tugendvollkommenheit“ (sanskrit: paramita) die „Buddhaschaft“ anstreben bzw. in sich selbst realisieren, um sie zum Heil aller lebenden Wesen einzusetzen. Diese Ausgangsmotivation wird „Erleuchtungsgeist“ (bodhicitta) genannt. Praktizierende verschiedener Traditionen des Mahayana rezitieren Bodhisattva-Gelübde und bekunden damit ihren Willen auch selbst diesen Weg zu gehen.


      Kern der Bodhisattva-Philosophie ist der Gedanke, nicht selbst und allein für sich Erleuchtung zu erlangen und damit in das Nirwana einzugehen, sondern statt dessen zuvor allen anderen Wesenheiten zu helfen, sich ebenfalls aus dem endlosen Kreislauf der Reinkarnationen (Samsara) zu befreien......


    Im Zen meiner Traditionslinie werden die Bodhisattvagelübde täglich rezitiert.


    Wichtig in diesem Zusammenhang ist auch der von Melong genannte Begriff Bodhicitta


    Alles Liebe,
    Ji'un Ken

  • Naqual:

    hat mir die Karuna-Beschreibung besonders gefallen.


    Mir auch ;). Obwohl ich denke, dass Metta, Karuna und Mudita auch einfach drei Aspekte der Liebe beschreiben. Die mitfühlende, erbarmende Liebe, die mitfreuende, wohlwollende Liebe und die selbstlose Liebe, die nicht "besitzen" oder "festhalten" will.


    Naqual:

    auch wenn der Buddhismus den Begriff "Liebe" selbst nicht unbedingt zu mögen scheint.


    Ich denke, dabei geht es wohl auch darum, dass der Begriff "Liebe" emotional sehr stark besetzt ist und im allgemeinen Sprachgebrauch nicht unbedingt immer mit Selbstlosigkeit assoziiert wird. Der Begriff "Liebe" ist ja meistens mit starken Gefühlen (wie z.B. Verliebtheit) verbunden, oft auch mit "haben wollen" oder mit parteiischer Liebe - man liebt seine Freunde, seine Kinder etc., die anderen Menschen und anderen Lebewesen werden von dieser Liebe aber ausgeschlossen. Und das würde Metta ja zutiefst widersprechen, deshalb ist man wohl vorsichtig mit der Verwendung dieses Begriffes.


    Und eigentlich muss ich sagen, dass der Begriff "liebende Güte" (wie Metta ja m.W. meistens übersetzt wird) den Kern der Sache meiner Meinung nach fast besser trifft, da "liebende Güte" eher eine Geisteshaltung als ein starkes Gefühl bezeichnet und außerdem gefühlsmäßig weniger Platz für egoistische Tendenzen lässt als der (leider oft ziemlich inflationär gebrauchte) Begriff "Liebe".


    Allerdings stimmt es m.E. nicht so ganz, dass Buddhisten den Begriff "Liebe" nicht mögen - Thich Nhat Hanh spricht in seinen Büchern z.B. sehr oft und ausführlich über die Liebe ... an dieser Stelle möchte ich dir das Buch "Liebe handelt" von Thich Nhat Hanh empfehlen (du siehst, da findet sich das Wort "Liebe" bereits im Titel - und nicht nur dort ;)).


    Naqual:

    Wo seht ihr im Buddhismus die Liebe: als Voraussetzung für Erleuchtung oder als Folge?


    Meiner Meinung nach beides.


    Liebe Grüße
    Think

  • think:

    .... Aber im Ernst - Mitgefühl und liebende Güte nehmen im Buddhismus eine ganz zentrale Rolle ein, das wird ja wohl keiner bestreiten. Metta - selbstlose, nicht-anhaftende Liebe und Güte. Karuna - Erbarmen und Mitgefühl. Mudita - Mitfreude und Wohlwollen. Das sind doch ganz zentrale Begriffe, oder nicht?


    Liebe Grüße
    Think


    Richtig, so zentral, dass es mir schwerfällt, auf solche Fragen ernsthaft zu antworten. Sorry, sorry, Naqual.
    Mir war, als hättest Du gefordert: "Beweis mir, dass in diesem Muffin Mehl enthalten ist!!" *Stutz* :P


    Kann sein, das ich jetzt Quatsch erzähle (?), aber ich sehe "im Buddhismus" "die Liebe" als Nebeneffekt einer Öffnung des Herzens. Nicht das letztendlich große Ziel. Meine ich. Oder?

    :rainbow: Gute Wünsche für jede und jeden. :tee:


  • Zitat

    Eines aber gehört zur Sittlichkeit, wie der Duft zur Rose, wie der Glanz zum Golde, die reine Güte. Nicht die Liebe ist das Höchste auf dieser Erde, die ist immer Affekt-gebunden, ist Leid-schaffend, ist egoistisch und anspruchsvoll, ist wählend, sondernd, ausschließend und Besitz-heischend, sondern die Güte ist das Höchste, denn sie ist völlig rein, selbstlos, ohne Hintergedanken, völlig frei von allen Bindungen und sie beansprucht nichts. Die Güte will nichts für sich, sie will nur helfen, lindern, trösten und verstehen. Die wahre Güte umfaßt alle Wesen, alles Lebendige steht unter ihrem Schutz und sie kennt nichts anderes als die Förderung des Glückes und der Leidfreiheit.


    Güte wächst empor aus tiefer Einsicht in das Leidvolle des Daseins, in die Leidensverstrickung der Wesen und in die Glückssehnsucht alles Lebendigen. Wo sie auftritt, weicht das Kalte, Fröstelnde, Unbehagliche, das Niedrige und Gemeine, denn sie durchstrahlt die Herzen mit den wärmenden Strahlen des Wohlwollens, sie gibt Zuversicht und Vertrauen, Milde und Beruhigung, Hoffnung und Gerechtigkeit; sie hemmt den Zorn und den Haß und sie spornt an zur Humanität, zu barmherziger Tat, zu beglückender Rede und zu erfreuenden Gedanken.


    http://www.palikanon.de/diverses/max_ladner/m_ladner02a4.htm
    8)
    Liebe Grüße, Isis

    _()_
    Das aber verkünde ich, o Freund: in eben diesem klafterhohen, mit Wahrnehmung und Bewusstsein versehenen Körper, da ist die Welt enthalten, der Welt Entstehung, der Welt Ende und der zu der Welt Ende führende Pfad.
    BUDDHA

  • Jyotsna':
    think:

    .... Aber im Ernst - Mitgefühl und liebende Güte nehmen im Buddhismus eine ganz zentrale Rolle ein, das wird ja wohl keiner bestreiten. Metta - selbstlose, nicht-anhaftende Liebe und Güte. Karuna - Erbarmen und Mitgefühl. Mudita - Mitfreude und Wohlwollen. Das sind doch ganz zentrale Begriffe, oder nicht?


    Richtig, so zentral, dass es mir schwerfällt, auf solche Fragen ernsthaft zu antworten. Sorry, sorry, Naqual.
    Mir war, als hättest Du gefordert: "Beweis mir, dass in diesem Muffin Mehl enthalten ist!!" *Stutz* :P


    Das erstaunt mich jetzt ein wenig. Die Ausgangsfrage im Thread (nicht von mir) war in anderen Worten gewesen, wie es denn sein könnte, dass in buddhistisch dominanten Ländern, trotz der Lehre des Buddhismus Sozialarbeit und tätige Hilfe im Volk sehr geringes Ansehen haben.
    Die erste Frage, die sich mir dann stellt ist natürlich, wie ist die Lehre des Buddhismus beschaffen, dass dies nicht so die große Rolle zu spielen scheint. Als jemand, der keine Buddhisten im realen Leben näher kennt und diese Lehre nur von einigen philosophischen Eckpunkten her bekannt ist, halte ich die Frage für völlig natürlich. Aber offen gesagt, auf der gefühlsmäßigen Ebene Dein "sorry Naqual" nicht. Wenn die Liebe im Buddhismus zentral ist (und die Beiträge einiger haben dies für mich ausreichend belegt) was ist dann Dein innerer Widerstand dafür das Zentrale, das dann für Dich einfach ist, kurz wiederzugeben?
    Ich vermute jetzt einfach, dass Du für Deine religiöse Haltung schon oft herablässig behandelt worden bist.



    Zitat

    Kann sein, das ich jetzt Quatsch erzähle (?), aber ich sehe "im Buddhismus" "die Liebe" als Nebeneffekt einer Öffnung des Herzens. Nicht das letztendlich große Ziel. Meine ich. Oder?


    Naja, nach den erhaltenen Hinweisen auf Bodhicitta, hat der Weg zwei Apsekte: primär der Wunsch anderen zu helfen und sekundär die Erleuchtung.
    Das ist okay. Wäre es andersherum, würde die "Liebe" ad absurdum geführt in der Praxis, denn der Buddhist könnte dann dem Klisché mancher (oberflächlicher Gegner) entsprechen: meditierend sitzen und sich selbst genug sein.

  • think:

    Ich denke, dabei geht es wohl auch darum, dass der Begriff "Liebe" emotional sehr stark besetzt ist und im allgemeinen Sprachgebrauch nicht unbedingt immer mit Selbstlosigkeit assoziiert wird. Der Begriff "Liebe" ist ja meistens mit starken Gefühlen (wie z.B. Verliebtheit) verbunden, oft auch mit "haben wollen" oder mit parteiischer Liebe - man liebt seine Freunde, seine Kinder etc., die anderen Menschen und anderen Lebewesen werden von dieser Liebe aber ausgeschlossen. Und das würde Metta ja zutiefst widersprechen, deshalb ist man wohl vorsichtig mit der Verwendung dieses Begriffes.


    Und eigentlich muss ich sagen, dass der Begriff "liebende Güte" (wie Metta ja m.W. meistens übersetzt wird) den Kern der Sache meiner Meinung nach fast besser trifft, da "liebende Güte" eher eine Geisteshaltung als ein starkes Gefühl bezeichnet und außerdem gefühlsmäßig weniger Platz für egoistische Tendenzen lässt als der (leider oft ziemlich inflationär gebrauchte) Begriff "Liebe".


    Gut nachvollziehbar, danke!

  • Ji'un Ken:

    Kern der Bodhisattva-Philosophie ist der Gedanke, nicht selbst und allein für sich Erleuchtung zu erlangen und damit in das Nirwana einzugehen, sondern statt dessen zuvor allen anderen Wesenheiten zu helfen, sich ebenfalls aus dem endlosen Kreislauf der Reinkarnationen (Samsara) zu befreien.[/i].....[/list]


    Ein extrem schöner Gedanke und ich begrüße die Aussage von ganzem Herzen.
    Es ist auch ein Punkt, wo das Christentum (leider) wenig konsequent ist: da wollen welche in den "Himmel" und merken gar nicht, wären sie in der "Liebe", sie dieses Reich gar nicht genießen könnten durch das Leid derer, die nicht da sind.


    So, schönes Wochenende!