Tägliche Meditation im tibetischen Buddhismus

  • Hallo,
    ich wollte euch fragen, ob es im tibetischen Buddhismus eigentlich auch so eine Standart-Meditation gibt, die man einfach einmal in der Früh und am Abend macht, so wie im Zen halt Zazen.
    Ich mag den tibetischen Buddhismus, aber ich weiß irgendwie nicht, was ich da meditieren soll.

  • Nein, so etwas gibt es nicht. Das hängt erstmal von der Tradition ab, in der man praktiziert und dann davon, was einem der Meister/die Meisterin übertragen hat.
    In der Nyingma-Tradition wird sehr häufig das 7-Zeilen-Gebet an Guru Rinpoche verwendet, aber auch da gibt es verschiedene Varianten. Einer meiner Kagyü-Meister hat mir mal empfohlen, morgens zuerst Zuflucht zu nehmen und (relatives) Bodhicitta zu entwickeln. Andere empfehlen in der Tat eine Form von Shine (wobei es auch da in der Nyingma-Tradition in Verbindung mit Dzogchen Semde eine spezielle Variante gibt, Shine ohne Lhagtong hat ja allgemein nur begrenzten Wert).


    Viel Erfolg!
    Yeshe

    Wenn ich eine Frage stelle, ist das immer als echte Frage gemeint! :vajra:

  • Wenn man auf Tantra-Ebene meditiert kann es sein, dass gerade ein bestimmter Yidam dran ist (meist vom Lehrer gegeben) dann hält man die Verbindung zu diesem Yidam den ganzen Tag und dann macht es natürlich Sinn, diese Verbindung morgens in der Meditation einzuleiten.


    Wenn man Ngöndro macht, steht vielleicht die spezielle Ngöndro-Praxis im Vordergrund.


    Sehr oft wird man in den tibetischen Linien allgemein Guru-Yoga als Kernpraxis haben, wenn man keine spezielle Praxis macht. Also die Meditation auf einen erleuchteten Meister wie Guru Rinpoche, Karmapa usw.


    Wenn Du ohne Verbindung zu einer Schule oder einem Lehrer was machen willst, sind die Möglichkeiten etwas eingeschränkt. Aber es gibt schon einige Sachen, die man erstmal nach Buch o.ä. einfach mal ausprobieren kann. Einfache Meditationen auf die Grüne Tara, Chenrezig, Medizinbuddha, Manjushri usw. z.B. - also friedliche Formen, wenn sie in der Meditation "Aussen" bleiben, also man sich nicht selbst in diese verwandelt.


    kilaya

  • kilaya:

    Wenn man auf Tantra-Ebene meditiert kann es sein, dass gerade ein bestimmter Yidam dran ist (meist vom Lehrer gegeben) dann hält man die Verbindung zu diesem Yidam den ganzen Tag und dann macht es natürlich Sinn, diese Verbindung morgens in der Meditation einzuleiten.
    kilaya


    Was meinst Du mit "gegeben"? Und welche (echte) Yidam-Praxis soll praktiziert werden können, ohne dass sie "gegeben" wurde?


    Das Hevajra-Tantra meint dazu im Kapitel "Die Grundlage aller Tantras":


    "Dann sprach der Diamentene zu den Yoginis über Mittel, die Grundlage aller Tantras. Die Vereinigung, die Einweihung, (...)."

    Wenn ich eine Frage stelle, ist das immer als echte Frage gemeint! :vajra:

  • Mit "Gegeben" meine ich, dass ein Lehrer eine Praxis-Einweihung gegeben hat. Oder sogar, wenn die Beziehung zwischen Lehrer und Schüler so nah ist, eine ausdrückliche Praxisanweisung (z.B. "mach mal 1.000.000 Chenrezig gegen Deine Angst(zustände)") die natürlich mit einer formellen Einweihung verbunden ist.


    Dass man bestimmte Übungen ohne formelle Einweihung machen kann, schliesst so ein Zitat wie Deines nicht zwangsläufig aus. Einige Lehrer sind z.B. der Ansicht, dass bestimmte einfache Meditationen die nötige Einweihung implizit beinhalten. Man könnte das auch "Selbsteinweihung" nennen. Wobei es eher so gemeint ist, dass die Gottheit selbst bzw. das damit verbundene Kraftfeld die Einweihung gibt, nicht dass man sich die Einweihung selbst gibt. Letztere Vorstellung ist zu fehleranfällig.


    kilaya

  • kilaya:

    Mit "Gegeben" meine ich, dass ein Lehrer eine Praxis-Einweihung gegeben hat. Oder sogar, wenn die Beziehung zwischen Lehrer und Schüler so nah ist, eine ausdrückliche Praxisanweisung (z.B. "mach mal 1.000.000 Chenrezig gegen Deine Angst(zustände)") die natürlich mit einer formellen Einweihung verbunden ist.


    Dass man bestimmte Übungen ohne formelle Einweihung machen kann, schliesst so ein Zitat wie Deines nicht zwangsläufig aus. Einige Lehrer sind z.B. der Ansicht, dass bestimmte einfache Meditationen die nötige Einweihung implizit beinhalten. Man könnte das auch "Selbsteinweihung" nennen. Wobei es eher so gemeint ist, dass die Gottheit selbst bzw. das damit verbundene Kraftfeld die Einweihung gibt, nicht dass man sich die Einweihung selbst gibt. Letztere Vorstellung ist zu fehleranfällig.


    kilaya


    Ok. Das ist dann aber keine echte Yidam-Praxis, wie man sie üblicherweise nach dem Ngöndro ausführt, sondern so etwas wie "Kryia-Tantra-Light". Wie das funktionieren soll ist mir allerdings schleierhaft. Denn als normaler Mensch können wir keine direkte Erfahrung mit dem Sambhogakaya aufbauen. Also brauchen wir einen Mittler auf der Ebene des Nirmanakaya, und das ist eben der Guru. Alles andere (ohne Einweihung) würde ich eher unter Verbindung aufbauen rechnen, von mir aus in der Erwartung, das mal in echt praktizieren zu können.


    Alles Liebe
    Yeshe


    P.S.:
    "Selbsteinweihung" kenne ich als Begriff für etwas, das man in manchen Praktiken machen kann, nachdem man die Einweihung erhalten hat.

    Wenn ich eine Frage stelle, ist das immer als echte Frage gemeint! :vajra:

  • Ich kenne die Meditationen, bei denen das geht, unter dem Begriff "Äußeres Tantra". Es ist ausdrücklich keine Yidam-Praxis, denn Yidam-Praxis beinhaltet ja das, was jemand mal eingedeutscht als "Selbstvergöttlichung" bezeichnet hat. ;) Also dass man sich selbst in der Form der Gottheit meditiert. Im äußeren Tantra bleibt die Gottheit aussen; auch wenn ich nicht sicher bin, dass es deswegen so heisst, kann man sich das doch so recht gut merken...


    Den Begriff "Selbsteinweihung" verwende ich mitunter sehr in einem eigenen Sinne...

  • Ok, dann sind wir uns ja einig :)


    Ich habe Dich anfangs an dieser Stelle "dass gerade ein bestimmter Yidam dran ist (meist vom Lehrer gegeben)" etwas anders verstanden, daher mein Nachbohren. Ich finde es nämlich gerade für Anfänger wichtig klar zu machen, dass es kein Vajrayana ohne LehrerIn gibt. Ich habe schon ein paar Kandidaten getroffen, die da anderer Meinung waren (und tlw. immer noch sind) und von den Resultaten von deren Praxis war ich nicht begeistert (die sie in der Folge betreuenden Psychiater und Psychologen auch nicht, Stichwort: Kundalini-Syndrom).

    Wenn ich eine Frage stelle, ist das immer als echte Frage gemeint! :vajra:

  • Ja, es gibt eine Menge Übungen, die man tunlichst nicht einfach so mal ausprobieren sollte. Speziell natürlich dann, wenn es um die Yogas von Naropa o.ä. geht.


    kilaya