Im Forum "Allgemeines" machte Moderatorin monikamarie folgenden richtigen und wichtigen Einwurf:
Zitatist nur die Frage, ob dieser Erwachte mir und/oder anderen das Leben durch sein eventuell doch leider noch vorhandenes Ego erschwert oder hilfreich zur Seite steht mit Aufmerksamkeit/Achtsamkeit, Gelassenheit, Geduld, Mitgefühl. Ich mache das daran fest, inwieweit sich dieser Erwachte noch in alles Mögliche hineinziehen lässt, sich aufbläht, sein Recht fordert ...
Die genannten Eigenschaften sind wünschenswert, insbesondere, wenn sie sich im Miteinander mit anderen Menschen zeigen. Im (Mahayana-)Buddhismus gibt es freilich auch upaya, die geschickten Mittel, die im Bewusstsein ihrer letztlichen Leerheit gewissen Zwecken dienen können, etwa, falsche Vorstellungen vom Dharma zu beseitigen oder auf den Kern der Lehre hinzuweisen. Es ist verständlich und angemessen, dass diese Mittel immer wieder der Kritik ausgesetzt sind.
In dem anderen Forum wurde somit auch die Frage gestellt, ob es denn nun recht sei oder nicht, vom eigenen Erwachen zu sprechen. Dies beinhaltet nämlich so einige Fallstricke, vor denen auch in den Schriften immer wieder gewarnt wird. Der Obaku-Zen-Meister Tetsugen Dôkô, mit dem ich mich gerade beschäftige, hat hierzu einen schönen Text hinterlassen, den ich im Folgenden übersetzen möchte. Es ist ein Rat an uns alle, wie wir auf dem Weg weiter voranschreiten und "darüber hinaus gehen" sollten - über alles, was wir glauben erreicht zu haben, festhalten und in Worte und Konzepte gießen zu können.
"Das ist wie mit dem Licht, das in der Nacht auftaucht, noch bevor die Sonne aufgegangen ist. Obwohl die Dunkelheit der Nacht bald schon verschwunden sein wird, erkennst du nicht, dass die Welt schon bald im Licht erstrahlt. Wenn du die Dunkelheit vertrieben findest und diese Tatsache noch immer ignorierst, wirst du die Sonne nicht sehen können. Wenn Dunkelheit und Täuschung aufgehoben sind und du erkennst, dass dein Herz vollkommen strahlend und klar ist, und du dennoch die Tatsache ignorierst, erwacht zu sein, dann kannst du die Sonne von prajna nicht sehen.
[Jedoch ist es auch so:]
Du nimmst also die Erleuchtung nicht hin und genießt sie nicht. Du denkst, das sei noch nicht der Geist der Erleuchtung, sondern nur Nicht-Gedanke und Nicht-Geist, und konzentriert machst du weiter. Plötzlich erscheint wahre Erleuchtung, und die zehntausend dharmas werden allesamt erleuchtet, als wären hunderttausend Sonnen im gleichen Augenblick aufgegangen. Wir nennen dies 'die eigene ursprüngliche Natur sehen und ein Buddha werden', 'Große Erleuchtung und Großes Durchdringen' und 'Nirwana der Freude'."
(Helen J. Baroni: Iron Eyes. New York 2006)