Was ist die "Mind Ground" Doktrin?

  • In dem Buch Record of Linji wird auf einer Seite die Mind Ground-Doktrin erwähnt (s.u.). Ich finde wenig über sie im Netz und auch Verweise in Schriften, die sich in anderen Mahayana-Schulen beschäftigen. Kann jemand das zusammenfassen? Wie heißt dieser Begriff im Deutschen? Welche Bedeutung spielt er im Chan?

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    „Den Dingen geht der Geist voran; der Geist entscheidet:
    Kommt aus getrübtem Geist dein Wort und dein Betragen.
    So folgt dir Unheil, wie dem Zugtier folgt der Wagen.“

  • Schueler:

    In dem Buch Record of Linji wird auf einer Seite die Mind Ground-Doktrin erwähnt (s.u.). Ich finde wenig über sie im Netz und auch Verweise in Schriften, die sich in anderen Mahayana-Schulen beschäftigen. Kann jemand das zusammenfassen? Wie heißt dieser Begriff im Deutschen? Welche Bedeutung spielt er im Chan?


    Mind-ground wird im Deutschen mit Geist-Grund übersetzt und meint das Namenlose, den Ursprung, das Ungeborene u.ä. wie auch Nicht-Geist.
    Wenn du die Erläuterungen dazu in dener Ausgabe zu Ende liest, dann gibt es da ein paar Hinweise auf Huangpo und Matzu.


    Vielleicht hier auch ein Text
    http://docplayer.org/22389903-…mmag-dr-hashi-hisaki.html

    • Offizieller Beitrag
    Tychiades:

    Mind-ground wird im Deutschen mit Geist-Grund übersetzt und meint das Namenlose, den Ursprung, das Ungeborene u.ä. wie auch Nicht-Geist.


    Es gibt ja viele Begriffe die man für eine solche Grundlage verwenden kann. Dharmakaya fällt mir ein oder prajna paramita. Oder tatagata garbha oder Nicht-Geist( 無 心, mu-geist) wie in dem von dir verlinkten Text. Das Namenlose scheint verdammt viele Namen zu besitzen.


    Aber was ist da das besondere an 心地? Welcher Aspekt wird da herausgestellt?


      Contemplation on the Mind-Ground Sutra [心地観経] (Chin Hsin-ti-kuan-ching; Shinjikan-gyō): A sutra translated by the Indian monk Prajnā, who went to China in 781. The eighth and last volume says that the states attained by Buddhas, bodhisattvas, cause-awakened ones, voice-hearers with nothing further to learn (arhat), and voice-hearers still in the process of learning—all originate from the minds of ordinary people. Thus it compares the mind to the ground, which produces grain. The sutra also defines the four debts of gratitude—those owed to one’s parents, to all living beings, to one’s sovereign, and to the three treasures of Buddhism—and extols the benefit of observing the mind in a quiet and remote place.
      Contemplation on the Mind-Ground Sutra


    Da scheint der Witz der zu sein, dass der Geist mit dem Erdboden
    (地) verglichen wird, dem Feld aus dem Getreide oder Blumen wachsen.

  • Schueler:

    Wie heißt dieser Begriff im Deutschen? Welche Bedeutung spielt er im Chan


    Zunächst einmal gibt es keinen Grund(sic!), xindi 心地 anders als 'Geistgrund' zu übersetzen, das ist ziemlich wörtlich. Die Bedeutung im Chan ist zentral - der Begriff spielt eine wichtige Rolle im Zusammenhang mit der Definition von Huinengs Lehre als 'dreifaches Studium (von sīla, prajñā und samādhi) ohne Form' (無相三学, wuxiang sanxue / musō sangaku) und damit als subitistische Lehre ('Lehre der plötzlichen Erleuchtung', 頓教 dunjiao / dongyo). Findest Du in der Unterweisung von Shenxius Schüler Zhicheng, wo Huineng den Unterschied beider Lehren (der subitistischen und graduellen) mit Hilfe des Begriffs xindi erläutert. Allerdings findet sich im Plattform-Sutra keine nähere Erläuterung des Begriffs Geistgrund / xindi. Dafür eine Art Definition in der Biografie von Huinengs wichtigstem Schüler Nanyue Huairang, als dieser seinen Dharmanachfolger Mazu Daoyi belehrt:

    Zitat

    Mazu [Daoyi] verbeugte sich vor dem Meister [Nanyue Huairang] und fragte: 'Was sollte ich mit meinem Geist tun, um den Zustand des formlosen samādhi zu erlangen?' Der Meister antwortete: 'Du solltest die Doktrin des Geistgrundes verstehen, die lehrt, dass dieser Geistgrund ist, als wäre er mit Samen bepflanzt. Wenn ich dir das Wesen des Dharma darlege, wird es sein, als ob Regen auf diesen Grund fällt. Weil die Umstände deiner Beschaffenheit sich mit dem Regen vereinen, bist du in der Lage den Weg zu sehen.'
    (Zutang ji 祖堂集 K.1503)


    Konzeptuell sehe ich da eine enge Verwandtschaft mit dem āśraya ('Grundlage, Basis, Stütze') des Yogācāra. Die 'Manifestation des Geistgrundes', von der Huineng im Plattform-Sutra spricht, ist nichts andres als das āśrayaparāvṛtti der Yogācārin - nur eben subitistisch aufgefasst.


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  • Sudhana:

    Zunächst einmal gibt es keinen Grund(sic!), xindi 心地 anders als 'Geistgrund' zu übersetzen, das ist ziemlich wörtlich. Die Bedeutung im Chan ist zentral - der Begriff spielt eine wichtige Rolle im Zusammenhang mit der Definition von Huinengs Lehre als 'dreifaches Studium (von sīla, prajñā und samādhi) ohne Form' (無相三学, wuxiang sanxue / musō sangaku) und damit als subitistische Lehre ('Lehre der plötzlichen Erleuchtung', 頓教 dunjiao / dongyo).


    Ich danke allen für die Antworten.


    Ich habe noch eine letzte Frage: Spielt dieser Begriff auch in den anderen Richtungend es Zen eine genauso zentrale Rolle?


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    „Den Dingen geht der Geist voran; der Geist entscheidet:
    Kommt aus getrübtem Geist dein Wort und dein Betragen.
    So folgt dir Unheil, wie dem Zugtier folgt der Wagen.“

    • Offizieller Beitrag
    Sudhana:

    Zunächst einmal gibt es keinen Grund(sic!), xindi 心地 anders als 'Geistgrund' zu übersetzen, das ist ziemlich wörtlich.


    Ich finde, dass das Englische Wort "ground" noch den Erdboden als Grundbedeutung hat, während ich beim detschen Wort "Grund" eher an den Grund eines Brunnen denke. Nicht den Boden zu unseren Füßen, sondern etwas tief unter uns.

  • void:
    Sudhana:

    Zunächst einmal gibt es keinen Grund(sic!), xindi 心地 anders als 'Geistgrund' zu übersetzen, das ist ziemlich wörtlich.


    Ich finde, dass das Englische Wort "ground" noch den Erdboden als Grundbedeutung hat, während ich beim detschen Wort "Grund" eher an den Grund eines Brunnen denke. Nicht den Boden zu unseren Füßen, sondern etwas tief unter uns.


    Im deutschen wird auch Ursprung mit Grund bezeichnet. Und da meine ich, dass das auch der Bedeutung von Geistgrund entspricht - was in der Frage z.B. nach dem Ursprung von Mu oder nach dem Kommen des Patriarchen aus dem Westen zum Ausdruck kommt.

  • Wenn ich mich ganz um meine Fußsohlen kümmere, genau betrachte wie der Grund meines Körpers auf den Grund der Erde trifft erscheint sofort der Grundgeist und lässt alles Denken verschwinden. Was kann ich dann sagen auf eine gestellt Frage, ich hänge mit den Zähnen an einem Ast über einem Abgrund, na und?

  • void:

    Ich finde, dass das Englische Wort "ground" noch den Erdboden als Grundbedeutung hat, während ich beim detschen Wort "Grund" eher an den Grund eines Brunnen denke. Nicht den Boden zu unseren Füßen, sondern etwas tief unter uns.

    Auch im Deutschen spricht man beispielsweise von 'Grund und Boden' - und im Englischen kann 'ground' ebenso für 'Ursache' stehen. Im Chinesischen steht 地 zunächst für 'Erdboden', für das Element 'Erde' oder auch für 'Feld'. Dazu gehört die Konnotation des Erzeugens, also der 'Grundlage' für Dinge, die entstehen und wachsen - nicht notwendig nur Pflanzen, sondern auch im übertragenen Sinn. Das wäre dann 'Grund' im Sinne von Ursache.


    Übrigens steht 地 auch für bhūmi, also die 'Stufe' oder das 'Level' eines Bodhisattva; es ist gewissermaßen sein 'Boden' - das Substrat, aus dem heraus er wächst und existiert. Das sind "the states attained" in dem oben von void angeführten Zitat über das Geistesgrund-Sutra.


    Die Metapher 心地 steht also für einen 'Grund und Boden'; ein Substrat, aus dem der Geist 'erwächst'. Das ist ein Bild für den ālayavijñāna, der als āśraya (Basis) durch buddhistische Praxis zur Spiegelweisheit ādarśajñāna (鏡智, jingzhi / kyōchi) 'gewendet' wird - das bereits erwähnte āśrayaparāvṛtti. In diesem Aspekt manifestiert sich der 'Geistgrund' ohne Irrtümer, ohne Torheit und ohne Verirrung, was nach Huineng die formlose dreifache Praxis von sīla, prajñā und samādhi ist - die wiederum sīla, prajñā und samādhi des "eigenen Wesens" sind, die Qualitäten dieses "eigenen Wesens". Dieses "eigene Wesen" oder "ursprüngliche Wesen" (本性, ben xing / honshō) ist nichts anderes als die Buddhanatur (佛性, fo xing / busshō) in ihrem dharmakāya-Aspekt.


    Als Doktrin formuliert und ausführlich erläutert findet man diese Verschmelzung von Yogacara-Ideen und Tathagathagarbha-Theorie insbesondere im Dasheng qixin lun (大乘起信論, *Mahāyānaśraddhôtpāda-śāstra) und im Foxing Lun (佛性論, *Buddhadhātu-śāstra) - beide Werke werden nicht ganz zufällig zwei indischen Patriarchen des Chan / Zen (Aśvaghoṣa und Vasubandhu) zugeschrieben.


    Dharma Buddy: es existieren keine "anderen Richtungen des Zen". Alle - ob Chan, Zen, Seon oder Thien - gehen auf den 6. Patriarchen Huineng zurück und alle sind subitistisch.


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