Zen-Kunst und Zen-Übung

  • Hallo,


    ein paar Fragen an alle, die neben Zazen noch eine (Zen-)Kunst üben und vielleicht ihre Erfahrungen dazu teilen möchten:


    • was praktiziert ihr und wie
      (z.B. Kalligraphie oder Ikebana ... oder Jazz-Gitarre, täglich vor/nach dem Zazen)
    • wo und wie habt ihr es gelernt
      (Selbststudium oder mit Lehrer/in, vor Ort oder irgendwo weit weg)
    • welchen Einfluss hat diese Übung auf euer Zazen
      (ergänzt, lenkt ab, vertieft, kostet zu viel Zeit/Energie ...)
    • welchen Einfluss hat Zazen auf eure (Zen-)Kunst
      (vertieft, hilft bei der Konzentration, fördert/behindert Kreativität, gar keine Wechselwirkung, ...)
    • Was hat euch motiviert, damit anzufangen, und was, weiter zu machen?
    • ...


    Mich interessieren auch Erfahrungen von Leuten, die so etwas einmal probiert aber dann aus irgend einem Grund (welchem?) wieder aufgegeben haben. Selbst übe ich neben Zazen intensiv Hitsuzendo (Zen-Kalligraphie), Shakuhachi, Aikido und Iaido ... meine Erfahrungen damit schildere ich später.


    Schönes Wochenede,
    -joerg


    P.S.: Eine große Bitte: ich wünsche mir einen Austausch über praktische Erfahrungen zwischen Leuten, die ganz unterschiedliche (Zen-)Künste üben oder geübt haben, falls irgendwie möglich keine Grundsatzdiskussion zum uralten Thema ob das Praktizieren von Zen-Kunst eine Zen-Übung oder sinnloser Zeitvertreib verblendeter Schöngeister ist!

  • Ich frage mich gerade, ob ich hier auch als nicht Zen-Praktizierende antworten darf............. :?:


    Ich züchte und gestalte Bonsai, die ja eher in den Zen-Bereich passen als zu meiner tibetischen Praxis.


    Bonsai-Kunst lerne ich sowohl aus Büchern, als auch von einem Bonsai-Lehrer, den ich einmal im Monat in einem Arbeitskreis treffe. Mein besonderes Interesse haben dabei die "Shohin" erweckt, d.h. die Bäume dürfen ab Schalenoberkante nicht mehr als 20 cm hoch sein. Das Gestalten der Bäume nehme ich fast schon meditativ wahr. Ich muss spüren, wohin der Baum wachsen will und seine Bestrebungen lenken, um eine natürlich Wiedergabe eines Baumes in der Landschaft in eine kleine Schale zu projizieren. Das Resultat soll schließlich klar und harmonisch wirken. Dazu sitze ich tatsächlich oft ganz in Ruhe vor dem Bäumchen und warte bis es zu mir "spricht".

  • Kalligraphie (Chinesisch/Koreanisch), bei einem kor. Lehrer, vor Ort. Is halt ne Übung wie ne andere auch, aber da es auch die Übung meine Lehrers war, was hatte ich schon für ne Wahl :). Was ich da lerne? Zuerst mal: genau Hingucken.
    Ich würd aber nich auf die Idee kommen, daß als eigenständige, spezielle Zen-Übung zu nehmen.

  • Syia:

    Ich frage mich gerade, ob ich hier auch als nicht Zen-Praktizierende antworten darf............. :?:


    klar ;) ... ich wollte das Thema nur möglichst genau fassen, damit wir nicht gleich 10 parallele threads laufen haben, danke für deine Antwort!


    Interessant, dass du eine japanische Kunst übst und eine tibetische Praxis hast! Siehst du da Gemeinsamkeiten (über den "meditativen Aspekt" hinaus, den du schon beschrieben hast) oder Konflikte? Ich finde diese interkulturelle Kombination ziemlich spannend!

  • dorakuan:

    Interessant, dass du eine japanische Kunst übst und eine tibetische Praxis hast! Siehst du da Gemeinsamkeiten (über den "meditativen Aspekt" hinaus, den du schon beschrieben hast) oder Konflikte? Ich finde diese interkulturelle Kombination ziemlich spannend!


    Ich sehe da überhaupt keine Konflikte. Mein Arbeitskreis trifft sich in einem Theravada-Zentrum. Dort dürfen wir den Meditationsraum des Zen-Kreises benutzen. Soviel zu Multi-Kulti ! ;)


    Ich habe mich schon oft gefragt, ob ich ohne mein Shine-Training in der Lage wäre die Ruhe und Geduld aufzubringen, mich mit Bonsai eingehend zu beschäftigen. Ich glaube nicht. Vielleicht liegt da eine Parallele zum Zazen?


    Alle anderen Bonsai-Verrückte, die ich kenne sind übrigens keine Buddhisten. Wieso interessieren sich so wenige Zennies dafür ?

  • bel:

    Kalligraphie (Chinesisch/Koreanisch) [...]
    Ich würd aber nich auf die Idee kommen, daß als eigenständige, spezielle Zen-Übung zu nehmen.


    Da interessiert mich natürlich, warum nicht? Welche Aspekte in deiner Kalligraphie-Übung fehlen, die notwendig für eine Zen-Übung sind?


    Und ... hat deine Kalligraphie-Übung irgendeinen speziellen Einfluss oder Wechselwirkung mit deiner Zen-Übung, oder nur so weit wie jede andere Alltagshandlung (Kochen, Wäsche waschen etc.) auch?


    Ich frage so neugierig nach, weil ich selbst Hitsuzendo übe (das oft als eigenständige Zen-Übung praktiziert wird), und diese Übung sehr intensiv mit meiner Zen-Praxis wechselwirkt.

  • Syia:

    Mein Arbeitskreis trifft sich in einem Theravada-Zentrum. Dort dürfen wir den Meditationsraum des Zen-Kreises benutzen. Soviel zu Multi-Kulti ! ;)


    Klasse!


    Syia:


    Ich habe mich schon oft gefragt, ob ich ohne mein Shine-Training in der Lage wäre die Ruhe und Geduld aufzubringen, mich mit Bonsai eingehend zu beschäftigen. Ich glaube nicht. Vielleicht liegt da eine Parallele zum Zazen?


    Ein spannender Punkt: die Ruhe und Geduld aus der Übung hat positiven Einfluss auf die Kunst.


    Syia:


    Alle anderen Bonsai-Verrückte, die ich kenne sind übrigens keine Buddhisten. Wieso interessieren sich so wenige Zennies dafür ?


    Ich kenne auch keine (und Bonsai nur vom Anschauen). Vielleicht wäre eine hingebungsvolle Übung mit etwas so vergänglichem wie einem Bäumchen gar keine schlechte Zen-Praxis?

  • dorakuan:


    Ich frage so neugierig nach, weil ich selbst Hitsuzendo übe (das oft als eigenständige Zen-Übung praktiziert wird), und diese Übung sehr intensiv mit meiner Zen-Praxis wechselwirkt.


    das kann ich mir gut vorstellen, ich hab es ab und zu bei gelegenheit mal ausprobiert. es ist wohl eben die "achtsamkeit in der bewegung erhalten" und das "trainiert" gut für alltägliche momente. es hat vielleicht rückwirkend was mit der geschmeidigkeit und flexibilität der konzentration ( vs. betrachtung ) zu tun.


    bonsai hab ich mal ausprobiert, aber ich habe ne hemmung an pflanzen rumzuschneiden und die in formen zu zwingen.
    ikebana war mir ein bischen zu.. naja... dekolastig .


    eine zeitlang habe ich raku gemacht. das liegt mir von den zen-künsten am ehesten. leider hat unsere gruppe dann die freifläche für verloren, die braucht man da.


    ansonsten üb ich dann und wann - außerhalb der stadt - bogenschießen mit einem englischen langbogen. beides hat, hatte, schon recht unterstützende wirkung . irgendwie ist es samu, nur halt "spannender" ?... keine ahnung :D


    liebe grüße

    Einmal editiert, zuletzt von Anonymous ()

  • dorakuan:
    bel:

    Kalligraphie (Chinesisch/Koreanisch) [...]
    Ich würd aber nich auf die Idee kommen, daß als eigenständige, spezielle Zen-Übung zu nehmen.


    Da interessiert mich natürlich, warum nicht? Welche Aspekte in deiner Kalligraphie-Übung fehlen, die notwendig für eine Zen-Übung sind?


    Nicht sinnlos genug - jedenfalls für meine Verhältnisse.


    dorakuan:

    Und ... hat deine Kalligraphie-Übung irgendeinen speziellen Einfluss oder Wechselwirkung mit deiner Zen-Übung, oder nur so weit wie jede andere Alltagshandlung (Kochen, Wäsche waschen etc.) auch?


    Na ja, ich mach das mit meinem Lehrer gemeinsam - das wars aber auch schon.


    dorakuan:

    Ich frage so neugierig nach, weil ich selbst Hitsuzendo übe (das oft als eigenständige Zen-Übung praktiziert wird), und diese Übung sehr intensiv mit meiner Zen-Praxis wechselwirkt.


    Hör diesen Begriff erstmalig, is wohl eher n Rinzai-Ding?

  • Jikjisa:

    irgendwie ist es samu, nur halt "spannender" ?


    Das ist ein guter Punkt glaube ich ... also Zen-Kunst (vielleicht im Gegensatz zu "künstlerischer Kunst", die ein Kunst-Objekt zum Ziel hat) als eine Übung, die zwar irgendwo einen Zweck verfolgt (nach dem samu ist es meistens sauberer als vorher) aber diesen Zweck nicht als oberstes oder wichtiges Ziel verfolgt (meistens war es auch schon vor dem samu sauber).


    "Spannend" ist auch ein Aspekt ... man kann Interesse bei Leuten wecken (wenn man so etwas möchte), die auf dem Kissen sitzen erst einmal sehr langweilig finden ... Zen-Kunst als Einstieg?

  • Judo, Jiu-Jitsu, dann Shotokan-Karate bis zum 2.Braungurt. Als Einstieg in den Zen. Dann war das nicht mehr wichtig.
    _()_c.d.

    Tag für Tag ein guter Tag

  • dorakuan:

    ... Zen-Kunst als Einstieg?


    Als ich meine Bonsai-Freunde informiert habe, dass ein buddhistisches Zentrum uns auf Dana-Basis einen Raum zur Verfügung stellt, haben sich einige ein Lächeln verkniffen. Buddhisten in Natura hatten sie bisher nicht auf dem Zettel. Inzwischen gibt es aber einen regen Austausch zwischen Buddhisten und Bonsai-Gestaltern, wenn wir im Zentrum sind. Ganz beiläufig wird da jetzt schon mal ein Probe-Sitzen auf dem Kissen gemacht oder sich in der Küche informiert, was Buddhisten denn eigentlich so machen. Den Bonsaianern gefällt die Atmosphäre im Zentrum auf jeden Fall.


    Ob das ein Einstieg wird weiß ich nicht, aber es nimmt definitiv die Hemmschwelle mal etwas Neues zu probieren.

  • Weder übt ein Künstler noch übt er aus. Wenn da überhaupt Übung als Begriff einen Sinn macht, dann ist er selbst eins mit der Übung.
    Kunst ist auch nicht an einem Objekt orientiert, sondern arbeitet mit dem Stoff und bringt einen Ausdruck hervor.


    Sicherlich kann Zazen für einen Künstler sinnvoll sein - aber es ist nicht notwendig. Insofern gibt es keine "Zen-Kunst". Es gibt Künstler der verschiedenen Genre - wie Tusche, Shô - oder Rakû - Keramik - . Das hat aber alles nichts mit Zen zu tun, außer dass es in einer bestimmten Kultur sich entwickelt hat, wobei es sich um höfische Praktiken handelte. Und es hat eine bestimmte Ästhetik hervorgebracht, die gerne mit "wabi-sabi" bezeichnet wird.
    Wer kein Künstler ist, wird es auch nicht durch Übung. Es bedarf einfach einer Freiheit, um zu diesem Ausdruck zu kommen, der in jeder Kunst sichtbar ist. Das kann Baukunst, Malerei, Bildhauerei, etc. sein.


    Und diese Freiheit kommt nicht durch die Übung, sondern durch das sich Lösen von jeglicher Übung.

  • bel:
    dorakuan:


    Da interessiert mich natürlich, warum nicht? Welche Aspekte in deiner Kalligraphie-Übung fehlen, die notwendig für eine Zen-Übung sind?


    Nicht sinnlos genug - jedenfalls für meine Verhältnisse.


    "Nicht sinnlos genug" in dem Sinne, dass man Gefahr läuft etwas "schönes" oder "wertvolles" oder "beständiges" schaffen zu wollen? Also an Stelle der Übung sich auf eine Vorstellung oder ein Objekt konzentriert, das man herstellen möchte? Falls es das war ... wir lösen das Problem, indem wir auf alten Zeitungen üben, die dann im Altpapier landen. Die "künstlerische Ausbeute" von 3-4 Tagen Sesshin ist eine volle blaue Tonne ...


    bel:
    dorakuan:

    Und ... hat deine Kalligraphie-Übung irgendeinen speziellen Einfluss oder Wechselwirkung mit deiner Zen-Übung [...]?


    Na ja, ich mach das mit meinem Lehrer gemeinsam - das wars aber auch schon.


    Ich frag' nochmal nach ... du machst das nur, um etwas mit deinem Lehrer zu machen, aber außer der gemeinsam verbrachten Zeit kommt nichts bei rum? Von der Art, wie er schreibt, von der Konzentration beim Schreiben, oder wenn ihr gemeinsam das geschriebene anschaut? Und du übst auch nicht alleine?


    bel:
    dorakuan:

    Ich frage so neugierig nach, weil ich selbst Hitsuzendo übe


    Hör diesen Begriff erstmalig, is wohl eher n Rinzai-Ding?


    Ja, das haben Rinzai-Leute entwickelt, Hitsuzendo ist ziemlich unbekannt. Der englische Wiki-Artikel ist ganz gut (den deutschen gibt es nicht mehr, da es nach Auffassung der Wiki-Polizei kein Hitsuzendo gibt). Vor ein paar Jahren habe ich mal einen kurzen Film von meinem ehemaligen Lehrer gemacht, Hitsuzendo sieht man darin (auf youtube) ab 3:30: https://www.youtube.com/watch?v=FBIE64f9lSg

  • dorakuan:

    "Nicht sinnlos genug" in dem Sinne, dass man Gefahr läuft etwas "schönes" oder "wertvolles" oder "beständiges" schaffen zu wollen? Also an Stelle der Übung sich auf eine Vorstellung oder ein Objekt konzentriert, das man herstellen möchte? Falls es das war ... wir lösen das Problem, indem wir auf alten Zeitungen üben, die dann im Altpapier landen. Die "künstlerische Ausbeute" von 3-4 Tagen Sesshin ist eine volle blaue Tonne ...


    Das hebste damit auch nicht auf. Aber mal n Tip: Glasplatte drunter und mit Wasser schreiben - da muß der Lehrer freihlich flitzen :lol:


    dorakuan:

    Ich frag' nochmal nach ... du machst das nur, um etwas mit deinem Lehrer zu machen, aber außer der gemeinsam verbrachten Zeit kommt nichts bei rum? Von der Art, wie er schreibt, von der Konzentration beim Schreiben, oder wenn ihr gemeinsam das geschriebene anschaut? Und du übst auch nicht alleine?


    Was dabei "rumkommt" hab ich schon geschrieben. Ich übe schon allein, eben mit Wasser.

  • Also, ich mach das auf bayerisch …
    Stricken, Häkeln, Zeichnen, Knödelrollen und Plätzchenbacken.
    Dazu kunstvolles Besenschwingen und Geschirrspülen. Mit Bügeln geht es nicht.
    Die bayerische Übersetzung für Zen heißt Lebm (das B wird nicht ausgesprochen)...

    Der Sinn des Lebens besteht darin, Rudolph, dem Schwurkel, den Schnabel zu kraulen.

  • crazy-dragon:

    Judo, Jiu-Jitsu, dann Shotokan-Karate bis zum 2.Braungurt. Als Einstieg in den Zen. Dann war das nicht mehr wichtig.


    Darf ich fragen, hast du in der Zen-Übung das gefunden, was du vorher in Judo, Jiu-Jitsu und Karate gesucht (aber nicht gefunden) hattest, oder hast du durch die Zen-Übung das Interesse daran verloren?

  • Doris Rasevic-Benz:


    Stricken, Häkeln, Zeichnen, Knödelrollen und Plätzchenbacken.[...]
    Die bayerische Übersetzung für Zen heißt Lebm (das B wird nicht ausgesprochen)...


    Alltag(s-Kunst) als Zen-Kunst in einem Zen-Lebm. Als Exil-Franke wird mir ganz wehmütig (von hier aus verwischt sich die ansonsten so äußerst wichtige Grenze zwischen Franken und Bayern) ... und ich frage mich gerade, ob nicht Herbert Achternbusch der erste (und vielleicht einzige) Zen-Meister war, dem ich in meinen jungen Jahren andächtig gelauscht habe? Ist vielleicht was er macht "Zen-Kunst"?

    • Offizieller Beitrag
    dorakuan:
    Doris Rasevic-Benz:


    Stricken, Häkeln, Zeichnen, Knödelrollen und Plätzchenbacken.[...]
    Die bayerische Übersetzung für Zen heißt Lebm (das B wird nicht ausgesprochen)...


    Alltag(s-Kunst) als Zen-Kunst in einem Zen-Lebm. Als Exil-Franke wird mir ganz wehmütig (von hier aus verwischt sich die ansonsten so äußerst wichtige Grenze zwischen Franken und Bayern) ... und ich frage mich gerade, ob nicht Herbert Achternbusch der erste (und vielleicht einzige) Zen-Meister war, dem ich in meinen jungen Jahren andächtig gelauscht habe? Ist vielleicht was er macht "Zen-Kunst"?


    Irgendwo zwischen Zen und Zenzi.
    In einer Rede zum 70zigsten Geburtstag von Achternbusch schreib Ingrid Zimmermann, dass der alte Grantler mal Bilder zu den 10 Ochsenbildern gemalt hat:


      Als der Film ( das Gespenst ) fertig war, das habe ich vorhin schon zitiert, war für ihn auch das Thema fertig. Ohne großes Aufhebens und gewiss nicht der gegenwärtigen Strömung entsprechend, bewegte er sich er, in einigen Texten ausgesprochen, in Richtung auf den Buddhismus. 1988 beschäftigte er sich mit der alten Zen-Geschichte „Der Ochs und sein Hirte“. Malend folgte er den Irrwegen, die der Mensch geht auf der Suche nach seinem Selbst. In wenigen Stunden malte er eine Serie sanftfarbener Bilder, schön und weich und ohne alle Revoluzzerei. Jahre später entstand die letzte größere Arbeit nach einem berühmten Koan der Zen-Lehre. Der Schüler wird vom Meister gefragt: „Hörst du das Klatschen einer Hand?“. Er konnte antworten, denn er hatte begriffen, was Leben eigentlich ist, Schwingung von Energien. Einer wie Achternbusch nimmt diese Schwingungen auf.



    Wobei man sich da fragt, wie tief das geht. Es gab ja vor allem unter den 68igern viele Künstler, die im Zen vor allem das Unkonventionellen, Anarchitische sahen, mit dem sie sich sie mit ihrem Kampf gegen die engen Koventionen ihrer Zeit identifizieren konnten. (Ihren "Schwingungen von Energie"?)


    Auf der anderen Seite ist diese Berührung zwischen dem Absurden und dem Buddhitischen aber auch nicht zufällig. Die Normalität mit ihren Bahnen und ihrer Sprache drückt ja das Westliche nicht aus. Künstler wie Achterbusch (oder Beckett) verweisen da auf eine tiefere Ebene, die so so etwas Schutzloses, Rohes, Frühkindlich, Sprachlosese hat. Eben - vor den Worten. Von der Sprache und der Normalität und dem erwachsenen Denken her gesehen, ist das die gleiche Richtung, in die auch der Buddhismus weist. Aber vom Buddhismus aus gedacht, ist das einfach nur eine tiefere Ebene der Verblendnung. Etwas was auftaucht, wenn man ein paar Tage und Nächte durchmeditiert und das Alltagsdenken mit seinen Worten wegfällt, aber drunter halt der ganze Schotter auftaucht, der die Psychoanalyitiker und Künstler wie die Surrealisten beschäftigt. Es ist eine gute Frage, ab wann man da von Zen-Kunst reden sollte. Oder eine reichlich sinnlose.


    Achterbusch begann ja seine Karriere mit Werner Herzogs Film Herz aus Glas in dem es über dem bayrischen Seher "Mühlhiasl" geht. In diesem Film wurden alle Schauspieler hypnotisiert. Achternbusch hat diese verschobene Welt so beinflusst, dass er diese hypnotische Sprechweise dann in seine eignen Film mit aufgenommen hat. (Ich habe gehört, dass Sigmund Freud eine zeitlang schwankte, ob er seine Therapiemethode auf der Hypnose oder dem freien Assoziieren aufbauen sollte.) Diese unterbewusste Traumwelt kommt dem sehr nahe, was in der Zen-Meditation als Makyo bezeichnet wird.

  • dorakuan:


    Das ist ein guter Punkt glaube ich ... also Zen-Kunst (vielleicht im Gegensatz zu "künstlerischer Kunst", die ein Kunst-Objekt zum Ziel hat) als eine Übung, die zwar irgendwo einen Zweck verfolgt (nach dem samu ist es meistens sauberer als vorher) aber diesen Zweck nicht als oberstes oder wichtiges Ziel verfolgt (meistens war es auch schon vor dem samu sauber).


    ja, stimmt . ein wichtiger punkt ist die natürlichkeit, ohne anspannung des bewusstseins und sich in harmonie mit den umständen bewegen. mit dem ganzen körper halt. eigentlich drücken diese künste das rechte handeln aus.


    dorakuan:

    "Spannend" ist auch ein Aspekt ... man kann Interesse bei Leuten wecken (wenn man so etwas möchte), die auf dem Kissen sitzen erst einmal sehr langweilig finden ... Zen-Kunst als Einstieg?


    auf jeden fall. mich hat immer das minimalistische und reduzierte in diesen künsten angezogen. kein schnickschnack, das naturgetreue, die arbeit mit naturmaterialien. der mensch hat ja ein bedürfnis nach gestaltung und bewegung. der prozess des entstehens ist spannend. und vielleicht ist es auch spannend zu merken, daß beim achtsamen tun, beim entfalten der fähigkeiten keine langeweile aufkommt, sondern freude, gleichmut ? da fällt auch der leistungsdruck und perfektionsanspruch weg, der sonst in den künsten so weit verbreitet ist. ich fand das alles einfach immer nur schön. die zen gärten z.b. oder raku. es gibt ja immer auch das unvollkommene darin, das roh lassen, unberührt. die behutsamkeit. man kann nur tun was das material zulässt, die natürlichen umstände und wenn man nicht bei der sache ist findet sich der "goldenen schnitt" nicht.


    allerdings sind die künste wohl eher was für feinsinnige, leute die eher sehr agil sind und sehr körperbetont, die kraft spüren wollen können warscheinlich nichs damit anfangen. die hacken lieber holz oder machen kung fu oder graben den garten um. das auspowern. dann kriegen sie das vielleicht auch auf dem kissen hin ;)


    *

  • void:
    dorakuan:

    ... und ich frage mich gerade, ob nicht Herbert Achternbusch der erste (und vielleicht einzige) Zen-Meister war, dem ich in meinen jungen Jahren andächtig gelauscht habe? Ist vielleicht was er macht "Zen-Kunst"?


    Irgendwo zwischen Zen und Zenzi.
    [...]
    Wobei man sich da fragt, wie tief das geht. Es gab ja vor allem unter den 68igern viele Künstler, die im Zen vor allem das Unkonventionellen, Anarchistische sahen, mit dem sie sich sie mit ihrem Kampf gegen die engen Konventionen ihrer Zeit identifizieren konnten. (Ihren "Schwingungen von Energie"?)


    Es ist bestimmt 20 Jahre her, dass ich das letzte Mal etwas von Herbert Achternbusch gelesen oder gesehen habe, ich glaube, es lohnt sich, dass ich nochmal genauer hinschaue. Tiefe oder nur oberflächlicher Zen-Klamauk?


    Mich haben seine Bücher und Filme (seine Bilder waren damals glaube ich kaum bekannt .... obwohl, ich erinnere mich an etwas im "Föhnforscher") begeistert und irritiert, weil es nicht so gewirkt hat als würde Achternbusch da nur einen Stoff verarbeiten, eine Geschichte erzählen oder irgend etwas spielen. Ich glaube, es war das erste Mal dass mir da jemand begegnet ist, bei dem ich den Eindruck hatte, er spielt mir keine Rolle vor sondern ist einfach. Vielleicht verklärt sich das nach der langen Zeit, aber ganz bestimmt war das jemand, der mir die Option einfach zu "sein" aufgezeigt hat ... in einer Zeit, als man zwischen konventionellen Konventionen (Eltern, Schule,...) und anti-konventionellen Konventionen (gegen Autoritäten, gegen Nachrüstung, gegen nicht-Alu-sammeln ...) immer gezwungen war, irgendwelche Rollen zu spielen, Meinungen über alles und jeden zu haben und für seine Positionen verbissen zu kämpfen. Einfach nur "dasein"? No way! Und dann kommt da dieser Typ und man schaut ihm auf der Leinwand minutenlang zu, wie Fliegen in seinem Bierglas ertrinken ...


    Zen-Kunst als sichtbares Zen in Aktion?

  • Vielen Dank, void.
    Hier die Quelle deines Zitats:
    http://www.kunstraeume-am-see.de/pdf/achternbusch_rede.pdf :grinsen:


    Zen-Kunst ist schlechte Kunst und schlechtes Zen, um mal diese Wertung zu nehmen.
    Man kann eine Vielzahl von Künstlern aufzählen, die entweder auch Zen praktiziert haben, es nur für kurze Zeit taten oder durch die Ästhetik sich haben inspirieren lassen. Oder, die das Material aus den anderen Kulturen aufnehmen und es mit ihren Mitteln und ihrer Qualität formen. Gerade die Ochsenbilder haben ja unzählige Anwender, z.B. Max Gimblett. Im übrigen auch ein großer Tuschekünstler.
    Andere Künstler kommen aus der japanischen Tradition, wie Tatsuhiko Yokoo und praktizieren ganz selbstverständlich Zazen
    http://www.youtube.com/watch?v=OZ5LTfdRNzo

  • Ich denk, der Herbert Achternbusch macht einfach, was er gerade will.
    Das muss nicht eingeordnet werden. Man darf sich einfach an ihm ergötzen und lachen oder sich das Lachen im Hals ersticken lassen.


    Der künstlerische Prozess ist frei von Schubladen. Es ist die Handlung an sich, nicht der theoretische Überbau. Der funktioniert höchstens wie ein Werkzeug, ein Rahmen. Deshalb kann jeder Stil "Zen" sein – relevant scheint mir die Haltung des Künstlers im Moment des Schaffens.
    Wenn ich einen Zen-Kreis male, dann muss das nichts mit Zen zu tun haben, so wie der Zenkreis auf einem T-Shirt, das ich mal vor Jahren besessen habe. Der Siebdrucker hatte vielleicht nicht einmal eine Ahnung, was das darstellen soll. Umgekehrt kann ein detailreiches Bild, gemalt in einem bestimmten Stil, Zen sein. Das kann man auf alle Künste anwenden.
    Deshalb kann Knödelrollen und Salz auf Brezn streuen Zen sein und das Malen einer Kalligraphie nur die Herstellung einer Tuschzeichnung.


    Ob Reduzierung was mit Zen zu tun hat? Wenn das so wäre, dann tu ich besser gar nichts, denn schon der Kreis wäre mir persönlich dann zuviel.
    Beim Sehen und beim Hören findet ja das Gegenteilige statt, je konzentrierter ich bin: Das Erblicken und Erlauschen von mehr und mehr Details. Ich selbst sehe für mich zwei Möglichkeiten dies auszudrücken: Als Wiedergabe der Details und dem Wissen nie mit der Abbildung fertig werden zu können, außer indem ich selber einen Punkt setze oder den Punkt gleich setzen und diesen alles aussagen zu lassen. Und natürlich das Unterlassen von allem.
    Aber das sind meine Möglichkeiten. Andere mögen das anders betrachten.
    Man sollte die Eigendynamik der künstlerischen Tätigkeit nicht unterschätzen: Es macht einfach Freude auszudrücken und abzubilden und mit den Materialien, dem Handwerkszeug, den Fähigkeiten zu spielen und sie zu erweitern, das Ergebnis für sich alleine zu genießen. Kunst genügt sich auch selber.


    Liebe Grüße
    Doris

    Der Sinn des Lebens besteht darin, Rudolph, dem Schwurkel, den Schnabel zu kraulen.

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