22. Das Gleichnis von der Schlange - Alagaddūpama Sutta

  • >>So habe ich es gehört:


    Einst weilte der Erhabene in Anāthapindikas Bhikkhuheim im Jetahain bei Sāvatthi. Damals hatte ein Bhikkhu namens Arittha, der früher Geier abgerichtet hatte, folgende irrige Ansicht: «Ich verstehe die Lehre des Erhabenen so, daß die vom Erhabenen als verderblich bezeichneten Handlungen dem Täter nicht unbedingt zum Verderben gereichen.» Das hörten viele Bhikkhus. Sie suchten deshalb Arittha auf, fragten ihn, ob er wirklich dieser Ansicht sei, und da er es bestätigte, sprachen sie zu ihm: «Rede nicht so, Arittha, sage nichts Falsches über den Erhabenen, denn es ist nicht gut, über den Erhabenen etwas Falsches zu sagen. Der Erhabene würde nicht so reden, er hat schon mehrfach dargelegt, daß die Handlungen, die er als verderblich bezeichnet, dem Täter zum Verderben gereichen. Er hat gelehrt, daß die Sinnenfreuden unbefriedigend sind und viel Leid und Unruhe mit sich bringen, daß das Nachteilige dabei überwiegt. Er hat sie verglichen mit einem abgeschabten Knochen, mit einem Stück Fleisch, mit einem brennenden Strohbündel, mit glühenden Kohlen, mit einem Traum, mit geliehenem Gut, mit Baumfrüchten, mit einem Schlachthaus, mit einem scharfen Schwert, mit einem Schlangenkopf. Er hat immer wieder gelehrt, daß die Sinnenfreuden viel Leid und Unruhe mit sich bringen, daß das Nachteilige dabei überwiegt.» Trotz dieser Belehrung durch seine Mitbrüder hielt Arittha an seiner irrigen Ansicht fest. Da die Bhikkhus ihn nicht davon abbringen konnten, berichteten sie dem Erhabenen darüber. Da ließ der Erhabene den Bhikkhu Arittha zu sich rufen, fragte ihn, ob es wahr sei, daß er jene irrige Ansicht habe, und da er es bestätigte, sprach der Erhabene zu ihm: «Von wem hast du Wirrkopf denn gehört, daß ich solches gelehrt hätte? Habe ich nicht mehrfach dargelegt, daß die Handlungen, die ich als verderblich bezeichne, dem Täter zum Verderben gereichen? Unbefriedigend sind die Sinnenfreuden, sie bringen viel Leid und Unruhe mit sich, das Nachteilige überwiegt dabei. Die Bhikkhus haben dir schon gesagt, womit ich die Sinnenfreuden verglichen habe[1]. Infolge deines Mißverständnisses sagst du Falsches über uns. Damit gräbst du dir selbst das Grab und lädst schwere Schuld auf dich. Das wird dir für lange Zeit zum Unheil und Leiden gereichen.» Dann wandte sich der Erhabene an die Bhikkhus und fragte: «Meint ihr, daß dieser Bhikkhu Arittha in unserem Orden etwa Brand gestiftet hat?» Sie erwiderten: «Wie wäre das möglich! Nein, Herr!» Nach diesen Worten saß der Bhikkhu Arittha schweigend, niedergeschlagen, mit herabhängenden Schultern und gesenktem Kopf, schamrot und ratlos da. Als der Erhabene das sah, sprach er zu Arittha: «Es wird sich zeigen, daß du mit deiner irrigen Ansicht allein stehst. Ich will nun die Bhikkhus fragen.» Und zu den Bhikkhus sprach er: «Versteht ihr die Lehre auch so wie Arittha?» - «Nein, Herr! Denn der Erhabene hat ja schon mehrfach dargelegt, daß die Handlungen, die er als verderblich bezeichnet, dem Täter zum Verderben gereichen.» (Sie wiederholen, was sie Arittha gesagt haben.) - «Gut, meine Bhikkhus, ihr habt meine Lehre richtig verstanden. (Buddha wiederholt, was er dem Bhikkhu Arittha gesagt hat, und schließt:) Dem Arittha wird es für lange Zeit zum Unheil und Leiden gereichen, und es ist nicht möglich, daß er außer den Sinnenfreuden, die er wahrnimmt und über die er nachdenkt, noch andere Freuden genießen wird.» Weiter sprach der Erhabene:


    «Manche unverständigen Leute lernen die Lehrsätze auswendig, erforschen aber nicht weise den Sinn. Dann gewähren die Lehrsätze ihnen keine Einsicht. Sie erlernen sie nur, um darüber reden und Meinungen äußern zu können, aber den Zweck, zu dem man die Lehren lernt, begreifen sie nicht. Ihnen werden die falsch aufgegriffenen Lehren für lange Zeit zum Unheil und Leiden gereichen, weil sie sie falsch aufgegriffen haben. Das ist so, wie wenn ein Mensch eine Schlange fangen möchte und eine große Schlange findet und sie am Leib oder am Schwanz greift; dann würde sich die Schlange umwenden und ihn in die Hand oder in den Arm oder in ein anderes Glied beißen, und er würde den Tod oder tödliche Schmerzen erleiden, weil er sie falsch aufgegriffen hat. Verständige Leute lernen die Lehrsätze auswendig, dann erforschen sie weise den Sinn; darauf gewähren die Lehrsätze ihnen Einsicht. Sie erlernen sie nicht nur, um darüber reden und Meinungen äußern zu können, sondern sie begreifen den Zweck, zu dem man die Lehren lernt. Ihnen werden die richtig aufgegriffenen Lehren für lange Zeit zum Heil und Glück gereichen, weil sie sie richtig aufgegriffen haben. Das ist so, wie wenn ein Mensch eine Schlange fangen möchte und eine große Schlange findet, sie mit einem ziegenfußartigen Stock festhält und sie dann mit festem Griff am Halse ergreift. Wenn dann die Schlange seine Hand oder seinen Arm oder ein anderes Glied mit ihrem Leib umringelt, so erleidet er deswegen doch nicht den Tod oder tödliche Schmerzen, weil er sie richtig aufgegriffen hat. Darum, meine Bhikkhus: was ihr von meinen Reden versteht, das haltet fest; was ihr aber nicht versteht, das muß ich mit euch noch ausführlich durchsprechen, damit es wohl ausgebildete Bhikkhus gebe.


    Nun will ich euch eine Lehre geben mit dem Gleichnis vom Floß, das zum Hinüberkommen, aber nicht zum Aufbewahren da ist. Höret zu und merkt es euch gut!


    Ein Wanderer sieht auf seinem Wege vor sich eine große Wasserflut, das diesseitige Ufer unsicher und gefährlich, das jenseitige Ufer sicher und gefahrlos. Es ist aber kein Schiff zum Übersetzen da und keine Brücke zum anderen Ufer. Da denkt er: Vielleicht könnte ich mir Schilfrohr und Holzstämme, Zweige und Blätter sammeln, mir daraus ein Floß bauen und auf diesem Floß, mit Händen und Füßen arbeitend, heil an das andere Ufer gelangen. Diesen Plan führt er aus und kommt heil an das andere Ufer. Dort angelangt, denkt er: Dieses Floß ist mir von großem Nutzen gewesen, ich will es mir auf den Kopf und auf die Schultern laden und mitnehmen, wohin ich gehen will.


    Meint ihr, meine Bhikkhus, daß dieser Mann mit dem Floß richtig handelt?» - «Nein, Herr!» - «Wie aber würde er richtig handeln! Er würde denken: Dieses Floß ist mir zwar von großem Nutzen gewesen, jetzt aber will ich es auf trockenen Boden setzen oder ins Wasser versenken und (unbelastet) gehen, wohin ich will. So würde er mit dem Floß richtig handeln. So habe ich euch mit dem Gleichnis vom Floß, das zum Hinüberkommen, aber nicht zum Aufbewahren da ist, eine Lehre gegeben. Versteht ihr das Gleichnis vom Floß, dann gebt (ans Ziel gelangt) sogar die rechten Lehren auf, noch mehr aber die unrechten.


    Unrechte Lehren gibt es sechs: Ein unbelehrter Weltling, der die Lehre der Edlen nicht kennt, betrachtet (erstens) die Körperlichkeit, (zweitens) die Empfindung, (drittens) die Wahrnehmung, (viertens) die unbewußten Tätigkeiten so: Dies ist mein, ich bin dies, dies ist mein Ich; ebenso betrachtet er (fünftens) alles, was er sieht, hört, denkt und erkennt, was er erlangt oder wünscht und worüber er nachdenkt; er glaubt (sechstens): Die Welt und das Ich (der Atman) sind ein und dasselbe[2] nach dem Tode werde ich beständig, ewig, immerwährend und unvergänglich sein, als immer derselbe werde ich fortleben. Auch diesen Glauben betrachtet er so: Dies ist mein, ich bin dies, dies ist mein Ich.


    Dagegen betrachtet ein wohlunterrichteter Edeljünger, der die Lehre der Edlen kennt, die Körperlichkeit, die Empfindung, die Wahrnehmung, die unbewußten Tätigkeiten so: Dies ist nicht mein, ich bin dies nicht, dies ist nicht mein Ich, und alles, was er sieht, hört, denkt und erkennt, was er erlangt oder wünscht und worüber er nachdenkt, so: Dies ist nicht mein, ich bin dies nicht, dies ist nicht mein Ich. Und auch den Glauben: Die Welt und das Ich sind ein und dasselbe, nach dem Tode werde ich beständig, ewig, immerwährend und unvergänglich sein, als immer derselbe werde ich fortleben, - auch diesen Glauben betrachtet er so: Dies ist nicht mein, ich bin dies nicht, dies ist nicht mein Ich. Wenn er es so betrachtet, beunruhigt er sich nicht über etwas, das es nicht gibt.»

    Darauf fragte ein Bhikkhu den Erhabenen: «Kann man sich auch über etwas beunruhigen, das es außerhalb nicht gibt?» - «Ja», erwiderte der Erhabene, «es kann z. B. jemand denken: Das hatte ich doch, und jetzt habe ich es nicht mehr, ich möchte es haben, aber ich bekomme es nicht. So trauert er und klagt, schlägt sich an die Brust und verzweifelt. Auf solche Weise kann man sich über etwas beunruhigen, das es außerhalb nicht gibt.» Der Bhikkhu fragte weiter: «Kann man auch ruhig bleiben, wenn es außerhalb etwas nicht gibt?» - «Ja», erwiderte der Erhabene, «es kann z. B. jemand denken: Das hatte ich doch und jetzt habe ich es nicht mehr, ich möchte es haben und bekomme es nicht. Er trauert aber nicht, klagt nicht, schlägt sich nicht an die Brust und verzweifelt nicht. Auf solche Weise kann man ruhig bleiben, wenn es außerhalb etwas nicht gibt.» - «Kann man sich beunruhigen über etwas, das es im Innern nicht gibt?» - «Ja, es hat z. B. jemand den Glauben: Die Welt und das Ich sind ein und dasselbe, usw. Der hört die Lehre des Vollendeten oder eines seiner Jünger von der Entwurzelung aller Vorliebe und Neigung für Theorien aller Art, vom Zurruhekommen aller Lebensvorgänge, vom Verzicht auf alle weltlichen Dinge, von der Vernichtung des Lebensdurstes, vom Schwinden der Leidenschaften, vom Aufhören, vom Nirwana. Dann denkt er: Ach, ich soll zerstört und vernichtet werden, ich soll nicht existieren! So trauert er und klagt, schlägt sich an die Brust und verzweifelt. Auf solche Weise kann man sich beunruhigen über etwas, das es im Innern nicht gibt.» - «Kann man auch ruhig bleiben, wenn es etwas im Innern nicht gibt?» - «Ja, es hat z. B. jemand nicht den Glauben: Die Welt und das Ich sind ein und dasselbe, usw. Der hört die Lehre des Vollendeten vom[3] Nirwana. Dann denkt er nicht: Ach, ich soll zerstört und vernichtet werden, ich soll nicht existieren, und er trauert nicht und klagt nicht, schlägt sich nicht an die Brust und verzweifelt nicht. So kann man ruhig bleiben, wenn es im Innern etwas nicht gibt.


    Meine Bhikkhus, möchtet ihr euch einen Besitz aneignen, der beständig, ewig, immerwährend und unvergänglich wäre und immer derselbe bliebe? Kennt ihr einen solchen Besitz?» - «Nein, Herr!» - «Gut, meine Bhikkhus, auch ich kenne einen solchen Besitz nicht. Bekennt ihr euch zu einem Ich-Glauben, bei dem für den Gläubigen Kummer, Jammer, Schmerz, Gram und Verzweiflung nicht aufkommen? Kennt ihr einen solchen Ich-Glauben?» - «Nein, Herr!» - «Gut, meine Bhikkhus, auch ich kenne einen solchen Ich-Glauben nicht. Möchtet ihr an religiöse Dogmen glauben, bei denen für den Gläubigen Kummer, Jammer, Schmerz, Gram und Verzweiflung nicht aufkommen? Kennt ihr solche religiösen Dogmen?» - «Nein, Herr!» - «Gut, meine Bhikkhus, auch ich kenne solche religiösen Dogmen nicht.


    Wenn ein Ich (ein Atman) da wäre, würde dann nicht auch etwas da sein, das dem Ich (dem Atman) gehört?» - «Ja, Herr!» - «Oder wenn etwas da wäre, das dem Ich gehört, würde dann nicht auch mein Ich da sein:?» - «Ja, Herr!» - «Da nun aber ein Ich und etwas, das dem Ich gehört, in Wahrheit und Wirklichkeit nicht zu finden ist, ist dann nicht die Theorie: Die Welt und das Ich sind ein und dasselbe, nach dem Tode werde ich beständig, ewig, immerwährend und unvergänglich sein und immer als derselbe fortleben, - ist diese Theorie dann nicht eine ganz und gar närrische Lehre?» - «Herr, wie sollte das nicht eine ganz und gar närrische Lehre sein!»


    «Was meint ihr, meine Bhikkhus, ist die Körperlichkeit beständig oder unbeständig?» - «Unbeständig.» - «Was unbeständig ist, ist das unbefriedigend oder beglückend?» - «Unbefriedigend.» - «Was aber unbeständig, unbefriedigend und veränderlich ist, kann man das so betrachten: Dies ist mein, ich bin dies, dies ist mein Ich (mein Atman)?» - «Nein, Herr!» - «Was meint ihr, ist die Empfindung, die Wahrnehmung, sind die unbewußten Tätigkeiten, ist das Bewußtsein beständig oder unbeständig?» - «Unbeständig.» - «Was unbeständig ist, ist das unbefriedigend oder beglückend?» - «Unbefriedigend.» - «Was aber unbeständig, unbefriedigend und veränderlich ist, kann man das so betrachten: Dies ist mein, ich bin dies, dies ist mein Ich?» - «Nein, Herr!» - «Darum, meine Bhikkhus: alles, was es an Körperlichkeit, Empfindung, Wahrnehmung, unbewußten Tätigkeiten und Bewußtsein in Vergangenheit, Zukunft und Gegenwart gibt, mag es im Innern oder außerhalb sein, mag es grob oder fein, niedrig oder erhaben, fern oder nah sein, alles das müßt ihr, wie es wirklich ist, wenn ihr es richtig verstanden habt, so betrachten: Dies ist nicht mein, ich bin dies nicht, dies ist nicht mein Ich.


    Ein belehrter Edeljünger, der das einsieht, wendet sich von Körperlichkeit, Empfindung, Wahrnehmung, unbewußten Tätigkeiten und Bewußtsein ab. Indem er sich abwendet, verlangt er nicht mehr danach. Verlangt er nicht mehr danach, dann wird er frei; ist er frei geworden, so wird er sich der Befreiung bewußt. Er weiß dann, daß ihm keine Geburt mehr bevorsteht, daß der Reinheitswandel erfolgreich war, daß er getan hat, was zu tun war, und daß er zu dieser Welt nicht mehr zurückkehren wird. Von einem solchen sagt man, er habe die Hindernisse weggeräumt, den Graben zugeschüttet, die Zaunpfähle herausgezogen, Erfolg erzielt, den Kampf als Edler überstanden, die Bürde abgeworfen und den Harnisch abgelegt. Die Hindernisse weggeräumt, heißt: die Unwissenheit vernichtet, mit der Wurzel ausgerottet, wie eine Palme entwurzelt, ihr Dasein zerstört, so daß sie nicht wieder aufkeimen kann. Den Graben zugeschüttet, bedeutet: die Wiedergeburt vernichtet. Die Zaunpfähle herausgezogen, bedeutet: den Lebensdurst vernichtet. Erfolg erzielt, bedeutet: die fünf an das Irdische bindenden Fesseln vernichtet. Den Kampf als Edler bestanden, die Bürde abgeworfen den Harnisch abgelegt, bedeutet: Den Ich-bin-Dünkel vernichtet, mit der Wurzel ausgerottet, wie eine Palme entwurzelt, sein Dasein zerstört, so daß er nicht wieder aufkeimen kann.


    Einen auf solche Weise geistig frei gewordenen Bhikkhu können die Götter des Indra-, des Brahma- und des Prajapati-Himmels, wenn sie ihn suchen, nicht finden, so daß sie sagen könnten: Hierauf beruht das Bewußtsein des Vollendeten. Denn in der Erscheinungswelt, sage ich, ist ein Vollendeter unauffindbar.


    Weil ich dies sage und erkläre, beschuldigen mich manche Samanas und Brahmanen fälschlich, lügenhaft und unwahr, ich sei ein Nihilist, ich lehrte die Zerstörung, die Vernichtung, die Nichtexistenz des wahren Wesens. Dessen, was ich nicht lehre, beschuldigen mich manche Samanas und Brahmanen fälschlich, lügenhaft und unwahr. Nach wie vor lehre ich nur, was Leiden oder Übel ist und wie es aufhört.


    Wenn jemand den Vollendeten beleidigt, beschimpft und belästigt, dann ärgert er sich nicht, ist nicht ungehalten, nicht aufgebracht, und wenn jemand ihm Ehren erweist, ihm huldigt, ihn hochschätzt und verehrt, dann freut er sich nicht, ist nicht besonders gut gelaunt und fröhlich, sondern er denkt: Weil dies einmal richtig verstanden wurde, darum erweist man mir jetzt Ehren. Auch ihr, meine Bhikkhus, sollt, wenn euch jemand beleidigt, beschimpft und belästigt, euch nicht ärgern, nicht ungehalten und aufgebracht sein, und wenn euch jemand Ehren erweist, euch huldigt, euch hochschätzt und verehrt, sollt ihr euch nicht freuen, nicht besonders gut gelaunt und fröhlich sein, sondern denken: Weil man dies einmal richtig verstanden hat, darum erweist man uns Ehren.


    Was nicht euer ist, meine Bhikkhus, das gebt auf! Das Aufgeben wird euch für lange Zeit zum Heil und Glück gereichen. Was aber ist nicht euer? Körperlichkeit, Empfindung, Wahrnehmung, unbewußte Tätigkeiten und Bewußtsein sind nicht euer. Dies alles gebt auf! Das Aufgeben wird euch für lange Zeit zum Heil und Glück gereichen.


    Was meint ihr: wenn in diesem Jetahain ein Mann Reisig und Blätter zusammenkehrt, verbrennt oder sonst etwas damit macht, würdet ihr dann denken: Uns kehrt er zusammen, uns verbrennt er, mit uns macht er sonst etwas?» - «Nein, Herr, denn das sind ja nicht wir, das gehört nicht uns.» - «Ebenso gebt das auf, was nicht euer ist! Das Aufgeben wird euch für lange Zeit zum Heil und Glück gereichen. Körperlichkeit, Empfindung, Wahrnehmung, unbewußte Tätigkeiten und Bewußtsein sind nicht euer; alles dies gebt auf! Das Aufgeben wird euch für lange Zeit zum Heil und Glück gereichen.


    So habe ich euch, meine Bhikkhus, die Lehre verkündet, klar gemacht und offen dargelegt. Hiernach gibt es für diejenigen Bhikkhus, die Heilige geworden sind, keine Wiederkehr zur Welt; diejenigen, welche die fünf an die niedere Welt bindenden Fesseln[4] vernichtet haben, werden in höherer Welt wiedererscheinen und dort zum Nirwana eingehen, ohne zu dieser Welt noch einmal zurückzukehren; diejenigen, welche die drei ersten Fesseln vernichtet haben und bei denen Begierde, Haß und Verblendung schwach geworden sind, werden nur noch einmal wiederkehren und dann dem Leiden ein Ende machen; diejenigen, die nur die drei ersten Fesseln vernichtet haben, sind in den Strom eingetreten, können nicht mehr in niedrige Zustände hinabsinken und werden einst voll erwachen, diejenigen, welche vertrauensvoll der Lehre folgen, werden auch einst voll erwachen; und alle, die mir vertrauen und mich lieben, werden in das Himmelreich kommen.»


    So sprach der Erhabene. Die Bhikkhus nahmen seine Rede mit Freude und Dank an.


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    [1]Hier werden im Text alle Vergleiche, wie oben, wiederholt. Ausführlich stehen sie im 54. Sutta.


    [2]Dies ist die Lehre der Upanishaden, z. B. Brhad. 4, 3, 23-30; 4, 4,19 und Chand. 3, 14, 3. Die folgenden Abschnitte sind Auseinandersetzungen Buddhas mit der Atman-Lehre der Upanischaden, die er bei Alara Kalama und Uddaka Ramaputta neben den Yoga-Versenkungsübungen studiert und als unbefriedigend erkannt hatte. Die Upanischaden lehren, daß der Atman, das Ich, immanent, d. h. in der Welt und im Menschen enthalten sei; dagegen erklärt Buddha, daß alles in der Welt und im Menschen nicht der Atman, nicht das Ich ist. Diese Lehre wurde fälschlich so verstanden, daß er damit die Existenz des Ich überhaupt verneinte, und diesem Mißverständnis, dieser <falschen Beschuldigung> tritt er im folgenden scharf entgegen, wobei er ausdrücklich betont, daß <in der Erscheinungswelt> (ditthe dhamme, wörtlich: in der sichtbaren Ordnung) der Vollendete - nach dem Vorhergehenden gleichbedeutend mit dem Ich des geistig Freigewordenen - unauffindbar ist. Die Existenz des <wahren Wesens) (sato sattassa) hat er damit nicht verneint.


    [3]Das vorher Gesagte wird wiederholt.


    [4]Die Fesseln sind: 1. die Neigung zu glauben, daß die Individuation das Ich sei, 2. Zweifelsucht, 3. die Neigung zu glauben, daß durch Ausübung religiöser Gebräuche oder Riten das Heil zu erreichen sei, 4. die Neigung zum Begehren sinnlicher Lust, 5. die Neigung zu Übelwollen und Ärger.<<
    Quelle

  • Was ich mich nun frage ist: Wo soll ich da was Besprechen?
    Was ist daran unklar, das es im Bereich "Sutrenbesprechung" steht?


    In diesem Sutra wird nichts gesagt das ich nicht lebe.
    Das ist mein Besprechen.
    liebe Grüsse
    Helmut

  • Übersetzer:

    [2]Dies ist die Lehre der Upanishaden, z. B. Brhad. 4, 3, 23-30; 4, 4,19 und Chand. 3, 14, 3. Die folgenden Abschnitte sind Auseinandersetzungen Buddhas mit der Atman-Lehre der Upanischaden, die er bei Alara Kalama und Uddaka Ramaputta neben den Yoga-Versenkungsübungen studiert und als unbefriedigend erkannt hatte. Die Upanischaden lehren, daß der Atman, das Ich, immanent, d. h. in der Welt und im Menschen enthalten sei; dagegen erklärt Buddha, daß alles in der Welt und im Menschen nicht der Atman, nicht das Ich ist.


    Ja, das trifft es ganz gut. Hier nochmal ein Zitat aus der Chandogya-Upanishad, eine der ältesten und wichtigsten:



    Bereits hier wird zwischen Seele (âtman, Pali: atta) und "Ich-Macher" (ahamkâra) unterschieden. In dieser alten vorbuddhistischen Upanishad werden beide allerdings mit den gleichen Eigenschaften charakterisiert. Dennoch wird auch im Dhamma zwischen beiden unterschieden:


    Zitat

    "Aber, ehrwürdiger Herr, auf welche Weise entsteht die Persönlichkeitsansicht (sakkāya-diṭṭhi) nicht?" "Bhikkhu, ein wohlunterrichteter edler Schüler, der die Edlen beachtet und in ihrem Dhamma bewandert und geschult ist, der aufrechte Menschen beachtet und in ihrem Dhamma bewandert und geschult ist, betrachtet Form nicht als Selbst (atta), oder Selbst als Form besitzend, oder Form als im Selbst enthalten, oder Selbst als in Form enthalten. Er betrachtet Gefühl nicht als Selbst ...
    ...
    "Ehrwürdiger Herr, auf welche Weise weiß man, auf welche Weise sieht man, damit es in Bezug auf diesen Körper mit seinem Bewußtsein und allen äußeren Zeichen kein Ich-Machen, kein Mein-Machen und keine Neigung zum (Ich-)Dünkel (ahaṃkāra-mamaṃkāra-mānānusayā) gibt?" "Bhikkhu, man sieht jegliche Art von Form, ob vergangen, zukünftig oder gegenwärtig, innerlich oder äußerlich, grob oder subtil, niedrig oder hoch, entfernt oder nah, man sieht alle Form mit angemessener Weisheit der Wirklichkeit entsprechend: 'Dies ist nicht mein, dies bin ich nicht, dies ist nicht mein Selbst (atta).' Man sieht jegliche Art von Gefühl ...
    (http://www.palikanon.com/majjhima/zumwinkel/m109z.html)


    Erst später - womöglich durch buddhistischen Einfluss - wurde auch in brahmanisch-orthodoxen philosophischen Texten dem ahamkâra eine vom âtman verschiedene Rolle zugeschrieben:


    Zitat

    Der Begriff [Buddhi] wird erstmals in einem der mittleren Upanishaden, dem Katha Upanishad (vermutlich einige Jahrhunderte vor Christus) in Vers 3,10 erwähnt. In diesem Upanishad werden die Weltprinzipien so geordnet, dass an der Spitze alles Existierenden der Purusha steht. Unter diesem befindet sich das „Unoffenbare“, das Avyakta. Tiefer als das Avyakta steht dann – nach dieser Aufzählung – „das große Selbst“ (mahan atman), der in der Welt sich manifestierende Geist und auf dieses folgt das feinstofflich vorgestellte, höhere Erkenntnisvermögen Buddhi. Als nächstes in dieser Aufzählung folgt Manas, der Verstand, das niedere Erkenntnisvermögen. Die unterste Stufe nehmen dann die Sinnesorgane (indriya) ein.[1]


    Im Shvetashvatara Upanishad schiebt sich der Begriff des „Ichmacher“ (Ahankara) zwischen Buddhi und Manas. Es soll dies das dinglich vorgestellte Bewusstsein des Individuums sein, alles auf sich zu beziehen und sich als Einzelwesen zur Geltung zu bringen. [2](http://de.wikipedia.org/wiki/Buddhi)


    Viele Grüße
    Elliot

    Viele Grüße

    Elliot

  • Danke dir Elliot für die Einführung. Finde ich hoch interessant.
    Dadurch kann man Buddhas Wurzeln und seine Genialität erkennen,
    nämlich ALLES als Nicht-Ich betrachtend und auf einer anderen Dimension,
    die schwer zu erkennen ist, hinzuweisen.


    _()_

  • Das wirklich Erstaunliche an dieser Rede ist für mich der Vergleich zwischen der Lehre und einer Schlange.
    Bei falschem Umgang mit der Lehre kann sie zu einer Schlange mit tödlichem Biss werden.
    Auch die Lehre schwebt nicht absolut gültig im luftleeren Raum. Heilsam ist sie erst bei Rechter Praxis und Rechter Einsicht.


    LG
    Onda

  • Lauscher:

    Danke dir Elliot für die Einführung. Finde ich hoch interessant. Dadurch kann man Buddhas Wurzeln und seine Genialität erkennen, nämlich ALLES als Nicht-Ich betrachtend und auf einer anderen Dimension, die schwer zu erkennen ist, hinzuweisen.


    Am Beispiel der Brihadaranyaka-Upanishad (entstanden ca. 700 v.Chr) zeigt sich, dass aber auch nicht alles aus den brahmanischen Lehren verworfen wurde. Im Gegenteil, einiges wurde sogar bestätigt, wenn auch anders - und oft sogar stringenter - als ursprünglich dargestellt.


    Die Nichtauffindbarkeit des Atman:


    Zitat

    „Das Selbst (Atman) ist wahrhaftig Brahman, aber aus Unwissenheit identifizieren es die Leute mit dem Verstand, dem Geist, den Sinnen, Leidenschaften und den Elementen Erde, Wasser, Luft, Raum und Feuer. Das ist der Grund, weshalb das Selbst (Atman) aus diesem und jenem bestehen soll und überhaupt alles zu sein scheint." – Brihadaranyaka-Upanishad, IV.4.5 (http://de.wikipedia.org/wiki/Upanishaden)


    "neti neti (नेति नेति neti neti) »Nicht so, nicht so!« aus der Brihadaranyaka Upanishad. Dieses Mahavakya besagt, dass das Brahman nicht beschrieben werden kann." (http://de.wikipedia.org/wiki/Mahavakya)


    "Auf diese Weise, Aggivessana, bilde ich meine Schüler aus und auf diese Weise wird meine Anleitung für gewöhnlich meinen Schülern vorgetragen: 'Ihr Bhikkhus, Form ist vergänglich, Gefühl ist vergänglich, Wahrnehmung ist vergänglich, Gestaltungen sind vergänglich, Bewußtsein ist vergänglich. Ihr Bhikkhus, Form ist Nicht-Selbst, Gefühl ist Nicht-Selbst, Wahrnehmung ist Nicht-Selbst, Gestaltungen sind Nicht-Selbst, Bewußtsein ist Nicht-Selbst. Alle Gestaltungen sind vergänglich; alle Dinge sind Nicht-Selbst. Auf diese Weise bilde ich meine Schüler aus und auf diese Weise wird meine Anleitung für gewöhnlich meinen Schülern vorgetragen." (http://www.palikanon.com/majjhima/zumwinkel/m035z.html)


    Das Karmagesetz:


    Zitat

    "Wie ein Mensch handelt, so wird er im Leben. Jene, die Gutes tun, werden gut; jene, die Schaden verursachen, werden schlecht. Gute Taten machen einen rein; schlechte Taten machen einen unrein." – Brihadaranyaka-Upanishad, IV.4.5 (http://de.wikipedia.org/wiki/Upanishaden)


    "Student, die Wesen sind die Eigentümer ihrer Handlungen, Erben ihrer Handlungen; sie entspringen ihren Handlungen, sind an ihre Handlungen gebunden, haben in ihren Handlungen ihre Zuflucht. Es ist die Handlung, die die Wesen in schlechtergestellte und bessergestellte unterscheidet." (http://www.palikanon.com/majjhima/zumwinkel/m135z.html)


    Das Begehren als Ursache für Wiedergeburt:


    Zitat

    "Darum sagt man, dass wir sind, was unser Begehren ist. Wie unser Begehren ist, so ist unser Wille. Wie unser Wille ist, so sind unsere Handlungen. Wie wir handeln, so werden wir.“ – Brihadaranyaka-Upanishad, IV.4.5 (http://de.wikipedia.org/wiki/Upanishaden)


    "Freund Visākha, es ist das Begehren, das zum Wiederwerden führt, das von Ergötzen und Begierde begleitet ist, das sich an diesem und jenem ergötzt; das heißt, das Begehren nach Sinnesintensität, das Begehren nach Dasein und das Begehren nach Daseinsmöglichkeit. Dies wird vom Erhabenen Ursprung der Persönlichkeit (sakkaya) genannt." (http://www.palikanon.com/majjhima/zumwinkel/m044z.html)


    Viele Grüße
    Elliot

    Viele Grüße

    Elliot