Ud.VIII.8 Visākhā


  • Ud.VIII.8 Visākhā http://www.palikanon.com/khuddaka/ud_seidenst/ud_08.htm


    Eure Meinung dazu? Ist hier mit "lieb haben, Liebes, geliebte Wesen" das gemeint, wofür wir die Begriffe heute verwenden würden?

  • Ja genau das ist gemeint was da steht. Es ist vollkommen klar. Es ist der Weg zur bedingungslosen Liebe, Mitgefühl, Metta. ETWAS lieben, vorziehen, heißt Dukkha erzeugen, Bedingungen die irgendwann in unzureichend umschlagen. Buddha geht es aber nicht darum nicht etwas zu lieben sonder darum dieses in etwas lieben verfallen zu wissen. Wenn ich weiß das ich etwas liebe dann berühre ich dieses doch es entsteht keine Anhaftung.

  • Aber haftet man nicht in jedem Fall, wenn man jemanden liebt?


    Ich liebe meine Frau, hafte also an "ihr". Würde der Inhalt der Sutte nicht bedeuten, dass es besser wäre, meine Frau nicht zu lieben bzw. niemanden zu lieben?


    Solche Sutten verunsichern mich seit Jahrzehnten. Ich komme damit nicht wirklich klar. Einerseits das Mettâ-Sutta mit dem Wunsch nach einer Liebenden Güte, "wie eine Mutter ihr einziges Kind mit ihrem Leben schützt", andererseits in einigen Sutten wie diesem hier, beinahe eine "Warnung" vor der Liebe.


    Oder aber: Wie liebt man, ohne zu haften? Wie kann man lieben, und dann, wenn z.B. das Kind oder der Partner stirbt, keinen Schmerz empfinden?


    Rätselhaft...


    LG


    W.

  • Ich liebe auch doch wenn ich es merke mich zu verlieben werde ich vorsichtig. Ich liebe meinen Partner und doch kann ich mich auf die bedingungslose Liebe zurückziehen wenn sie sich in Liebe, unbemerkt, wandelte. Unsere erarbeitete Basis, bedingungslose Liebe, wird uns nicht vor Trauer schützen doch wird sie helfen zu Trauern wenn es Zeit ist zu Trauern wie er uns hilft in Zeiten in der es Zeit ist zu lieben zu lieben.
    Buddha redet immer von Gefühlen die als bedingungslos erfahren werden, frei von Gier, Hass, Verblendung/Glauben wollen und macht das mit gebundenen Gefühlen.

  • Danke, aber ich glaube, das habe ich nicht verstanden, Ellviral.


    Konkret: Ich liebe meine Frau seit 44 Jahren, seit 43 Jahren sind wir verheiratet. Und wenn ich sage, ich LIEBE sie, dann meine ich nicht "verliebt sein", auch nicht "routiniert zusammen sein", sondern: sie so lieben, wie sie ist, sie so lassen wollen, wie sie ist, glücklich sein, wenn ich z.B. abends aufschaue und sie in ihrem Sessel sitzen und lesen sehe, und mir ein Schauer des Glücks über den Rücken läuft.


    Was sollte "besser" daran sein, sie NICHT zu lieben? Natürlich wird diese grosse Liebe irgendwann man in grosses Leid "kippen", nämlich dann, wenn sie stirbt oder wenn ich sterbe. Aber deshalb, als Konsequenz, besser nicht lieben???


    LG

  • Waldler:

    Was sollte "besser" daran sein, sie NICHT zu lieben? Natürlich wird diese grosse Liebe irgendwann man in grosses Leid "kippen", nämlich dann, wenn sie stirbt oder wenn ich sterbe. Aber deshalb, als Konsequenz, besser nicht lieben???


    Da kann man wieder einmal sehen wie die Hormone so arbeiten
    und zu welchen Fragen sie führen können.

  • Glaub mir, die Zeit der Hormone ist für mich vorbei.


    Aber wenn Liebe für Dich primär eine Sache der Hormone ist, okay. Für mich ist Liebe Vertrauen, Halt, Nähe, Freundschaft, Verlässlichkeit, Freude, gemeinsam alt werden, usw.


    W.

  • Waldler:

    Aber wenn Liebe für Dich primär eine Sache der Hormone sind, okay. Für mich ist ist Liebe Vertrauen, Halt, Nähe, Freundschaft, gemeinsam alt werden, usw.


    Ach.. - es hätte also auch ein Mann für dich sein können?
    Die Sache mit den Hormonen mit ihren Folgen in den
    Ansichten und Gefühlen scheinen noch nicht vorbei zu sein.

  • Ja, es hätte auch ein Mann sein können, selbstverständlich.


    Aber lassen wir das. Ich muss mich dafür nicht rechtfertigen, dass ich einen Menschen liebe.

  • Waldler:

    Ja, es hätte auch ein Mann sein können, selbstverständlich.


    Aber lassen wir das. Ich muss mich dafür nicht rechtfertigen, dass ich einen Menschen liebe.

    Ich meinte mit dem kleingeschriebenen lieben das anhaftende lieben, besser nicht lieben heißt dann das es besser ist auf diese Art der Liebe zu verzichten weil diese Form mit Sicherheit mehr Leiden bereitet als das bedingungslose Lieben das ja einen eventuellen(sicheren) Verlust schon von Geist her einschließt. Heißt auch das die Gefühle des Körpers bei eingetretenen Verlustes eines Wesens das bedingungslos geliebt wurde nicht wirklich verhindert werden, aus eigener Erfahrung, aber wesentlich besser ver-ertragen werden können.
    Da ich annehme das bei Dir in diesem Fall bedingungslose Liebe zu deiner Frau vorliegt ist der Hinweis: besser nicht zu lieben, für die bestimmt die nicht wissen was Liebe ist.

  • Waldler:

    Ja, es hätte auch ein Mann sein können, selbstverständlich.
    Aber lassen wir das. Ich muss mich dafür nicht rechtfertigen, dass ich einen Menschen liebe.


    Um Rechtfertigung ging es ja auch
    gar nicht sondern um die Motive.
    Irgendein Motiv muß es doch geben und
    da bieten sich Hormone an wenn es sich
    um Partner handelt.
    Was soll daran Rechtfertigung sein.


  • Lieben ohne zu haften, wieso sollte das nicht möglich sein. Geben ohne Gegenleistung zu fordern oder zu erwarten, anderen das Beste wünschen oder gar mit dem eigenen Leben schützen, ohne irgendetwas von ihnen herausholen zu wollen zur eigenen Freude. Wäre das nicht eigentlich wirkliche Liebe? Wenn es auch wie ein unerreichbares Ideal scheinen mag, schier übermenschlich. Die Brahmaviharas werden ja auch himmlische oder göttliche Verweilungszustände genannt.


  • Ich war unachtsam und habe das wohl missverstanden.


    Schönen Gruss


    W.

  • Hallo Fotost,

    fotost:

    Eure Meinung dazu? Ist hier mit "lieb haben, Liebes, geliebte Wesen" das gemeint, wofür wir die Begriffe heute verwenden würden?


    Jhanakla. Wie sollte es sont gemeint sein?


    Freundliche Grüße

  • Wie soll es möglich sein, nichts "Liebes" zu haben???
    Daher lese ich den Text anders als es die meisten hier wohl tun.


    Da es unmöglich für Menschen ist nichts "Liebes" zu haben (außer im Falle von extrem bindungsgestörten Menschen, die außerordentlich selten vorkommen), ist es unmöglich keine Trauer zu empfinden, dem Verlust und damit verbundenen Schmerz zu entkommen. Es ist die andere Seite der Medaille, dafür dass wir soziale Wesen sind. Und nein, Bindung ist nicht gleichbedeutend mit krankhaftem Anhaften.

    Der Sinn des Lebens besteht darin, Rudolph, dem Schwurkel, den Schnabel zu kraulen.

  • Lieber fotost,


    weiter geht es …
    Für mich zeigt die Sutra, dass es eben nicht möglich ist, ohne Bindung zu leben. Zumindest ein Elternteil oder die Person, die uns als Kind genährt und versorgt hat, bedeutet Bindung und Liebe. In Fällen wo das fehlt, gibt es die schwersten psychischen Schäden bis hin zum Tod schon im Säuglingsalter. Wir brauchen einander, wir brauchen Bindung, Verlässlichkeit, Solidarität, Gemeinschaft, Zärtlichkeit. Damit geht Verlust einher. Wie mit allem anderen auch. Sich dagegen zu wehren, beendet das Problem nicht und schafft nur zusätzliche Probleme. Ein Teil dieser zusätzlichen Probleme entsteht durch übermäßiges Anhaften. Daran kann man arbeiten. Das macht Beziehungen dann auch besser und befriedigender. Der Rest ist immanent und unvermeidlich, gehört zum Bauplan dazu.
    Ich finde, das einfach zu akzeptieren, macht alles einfacher. Also Vergänglichkeit, Veränderung zu akzeptieren, auch dass das Gegenüber einen anderen Weg einschlägt. Damit ist das Anhaften beendet.


    Ich weiß nicht, ob das ein Dauerzustand ist oder ob das so ist wie bei den meisten Dingen: Man muss immer wieder neu loslassen. Von mir selbst weiß ich, dass es "Liebesobjekte" gibt, an die ich kaum mehr anhafte. Da ist nur Mitfreude und große Liebe. Da geht es nicht um mich und meine Vorstellungen. Aber ich bin mir nicht sicher, ob das generell möglich ist.


    Ich habe mal meinen Lehrer gefragt, wenn doch Liebe Anhaften bedeutet, ob dann Beziehungen schlecht sein. Sein Antwort darauf war, dass es ein Anhaften sei, das Menschen miteinander verbinde, und das sei gut.


    Wie ich in dem anderen Thread schon schrieb, ich finde, Trauer und Schmerz gehören zum Leben. Meiner Erfahrung nach stellt das keinen Mangel dar, egal wie weh es tut. Viel wichtiger ist für mich, dass ich mit diesen Menschen ein Stück des Weges gehen durfte. Das überwiegt allen Schmerz. Das ist was übrig bleibt, wenn der Schmerz verblasst. Trauer und Schmerz haben eben auch ihre Zeit.



    Kohelet 1–3


    Liebe Grüße
    Doris

    Der Sinn des Lebens besteht darin, Rudolph, dem Schwurkel, den Schnabel zu kraulen.

  • Liebe Doris,


    ich muß eigentlich nicht antworten, weil ich Dir in allem zustimme.
    (Den religiösen Part hätte ich natürlich weggelassen, aber das ist nur mein Problem :grinsen: )


    Hat Buddha Schmerzen gehabt, wenn er bei seinen Wanderungen mal auf einen spitzen Stein getreten ist? Sicher. Ich halte nichts von übernatürlichen Zuständen. Ein Erleuchteter wird durch Achtsamkeit viel seltener so etwas erleben, aber auch dieser kann nicht durch eine Pflanzendecke sehen etc.


    War Buddha traurig, wenn ihm nahestehende Jünger gestorben sind? Sicher. Erleuchtung bedeutet doch nicht die Verwandlung in einen Roboter. Sie eröffnet den Zugang zur völligen Breite des Erlebens und dazu gehören eben auch unangenehme Momente.


    Darum geht es im Text mE aber nicht. Es geht um Leiden am/im Gernhaben.
    Leiden besteht dann, wenn die Realität nicht angenommen werden kann. Zur Realität gehören Unterschiede, zur Realität gehört Trennung, zur Realität gehört Tod.


    Feiern wir das Leben :sunny:

  • Lieber Doris,


    Doris Rasevic-Benz:

    Wie soll es möglich sein, nichts "Liebes" zu haben???
    Daher lese ich den Text anders als es die meisten hier wohl tun.


    Da es unmöglich für Menschen ist nichts "Liebes" zu haben (außer im Falle von extrem bindungsgestörten Menschen, die außerordentlich selten vorkommen), ist es unmöglich keine Trauer zu empfinden, dem Verlust und damit verbundenen Schmerz zu entkommen. Es ist die andere Seite der Medaille, dafür dass wir soziale Wesen sind. Und nein, Bindung ist nicht gleichbedeutend mit krankhaftem Anhaften.


    es ist so möglich, nichts Liebes zu haben, indem du den Impuls zum 'Lieb-haben', zum Mögen, zum Haben-Wollen erkennst und loslässt, bevor daraus die große Geschichte entsteht.


    Das hat nichts mit Bindungsgestörtheit zu tun, das ist ein Ergebnis der buddhistischen Übung und bedeutet große Freiheit.


    Es bedeutet aber nicht, gefühllos zu werden. Da sind Wohlwollen, Mitgefühl, Freude und Gleichmut.


    Das gewöhnliche, leidbringende Identifizieren aber findet nicht mehr statt. Dieses Lieb-haben ist gemeint.


    Freundliche Grüße