Gedulla Sutta: Die Hundeleine

  • Bei Savatthi. "Bhikkhus, dieses Samsara ist ohne erkennbaren Anfang. Ein Anfangspunkt ist nicht auszumachen von Wesen, die herumlaufen und wandern, gefesselt durch Unwissenheit und Verlangen.


    "Es kommt eine Zeit, Bhikkhus, wenn der große Ozean austrocknet und verdunstet und nicht mehr existiert; aber dennoch, sage ich, ist da kein Ende des Leids ist für jene Wesen, die herumlaufen und wandern, gefesselt durch Unwissenheit und Verlangen.


    "Es kommt eine Zeit, Bhikkhus, wenn Sineru, der König der Berge, verbrennt und untergeht und nicht mehr existiert; aber dennoch, sage ich, ist da kein Ende des Leids für jene Wesen, die herumlaufen und wandern, gefesselt durch Unwissenheit und Verlangen.


    "Es kommt eine Zeit, Bhikkhus, wenn die große Erde verbrennt und untergeht und nicht mehr existiert; aber dennoch, sage ich, ist da kein Ende des Leids für jene Wesen, die herumlaufen und wandern, gefesselt durch Unwissenheit und Verlangen.


    "Angenommen, Bhikkhus, ein Hund, an eine Leine gekettet, würde an einen starken Pfosten oder an eine Säule gebunden werden: er würde nur weiter um denselben Pfosten oder dieselbe Säule laufen und keisen. Genauso, Bhikkhus, betrachtet der ununterrichtete Weltling - der keine Achtung für die Edlen hat, nicht bewandert oder geschult in ihrem Dhamma ist; der keine Achtung für Leute mit Integrität hat, nicht bewandert oder geschult in ihrem Dhamma ist - die Form als Selbst, oder das Selbst als Form besitzend, oder das Selbst als in der Form.


    "Er betrachtet Gefühl als Selbst ...


    "Er betrachtet Wahrnehmung als Selbst ...


    "Er betrachtet willentliche Gestaltungen als Selbst ...


    "Er betrachtet Bewusstsein als Selbst, oder das Selbst als Bewusstsein besitzend, oder das Selbst als im Bewusstsein.


    "Er läuft und kreist nur weiter um die Form herum, um Gefühl, um Wahrnehmung, um willentliche Gestaltungen, um Bewusstsein herum. Während er weiter um sie läuft und kreist, wird er nicht frei von Form, nicht frei von Gefühl, nicht frei von Wahrnehmung, nicht frei von willentlichen Gestaltungen, nicht frei von Bewusstsein. Er nicht wird frei von Geburt, Alter und Tod; nicht frei von Leid, Kummer, Schmerz, Unwohlsein und Verzweiflung; nicht frei von Leid, sage ich.


    "Aber der unterrichtete edle Schüler - der Achtung für die Edlen hat, bewandert und geschult in ihrem Dhamma ist; der Achtung für Leute mit Integrität hat, bewandert und geschult in ihrem Dhamma ist - betrachtet die Form nicht als Selbst, oder das Selbst als Form besitzend, oder das Selbst als in der Form.


    "Er betrachtet Gefühl nicht als Selbst ...


    "Er betrachtet Wahrnehmung nicht als Selbst ...


    "Er betrachtet willentliche Gestaltungen nicht als Selbst ...


    "Er betrachtet Bewusstsein nicht als Selbst, oder das Selbst als Bewusstsein besitzend, oder das Selbst als im Bewusstsein.


    "Er läuft und kreist nicht weiter um die Form herum, nicht um Gefühl, nicht um Wahrnehmung, nicht um willentliche Gestaltungen, nicht um Bewusstsein herum. Da er nicht weiter um sie läuft und kreist, wird er frei von Form, frei von Gefühl, frei von Wahrnehmung, frei von willentlichen Gestaltungen, frei von Bewusstsein. Er wird frei von Geburt, Alter und Tod; frei von Leid, Kummer, Schmerz, Unwohlsein und Verzweiflung; frei von Leid, sage ich."


    SN 22.99


    Trage nicht das Weltgetöse in die stille Einsamkeit
    Such den Wald, daß er Dich löse von der Krankheit unsrer Zeit.

  • Ich versuche mal das zu verstehen:


    Der Pfosten oder die Säule das sind die fünf Skhandas, und die Leine ist die Unwissenheit. Im Kreis laufen ist Samsara, Der Kreislauf von Geburt und Tod. Der Hund ist der unbelehrte Weltling.
    Das "Ich", der arme Hund ist an die Skhandas gebunden weil er sie für "Mein", meine Form, mein Gefühl usw. hält. Wenn er sich nun losmachen will, dann versucht er das mit dem Denken, oder dem Fühlen usw. aber er kreist dadurch nur weiter um das Denken, Fühlen usw. Daher kann er sich nicht selber losmachen, sondern benötigt Hilfe von aussen. Es ist so schwer diese Illusion zu durchschauen, dass es anscheinend nur einer in einem Weltzeitalter schafft.


    Das Gleichnis mit dem Hund taucht in einem anderen Zusammenhang auch in MN 102 auf:


    Zitat

    Jene guten Mönche und Brahmanen, die die Vernichtung, Zerstörung und Auslöschung eines existierenden Wesens (zum Zeitpunkt des Todes) beschreiben, rennen und kreisen aus Angst vor der Persönlichkeit und aus Abscheu vor der Persönlichkeit immer weiter um eben jene Persönlichkeit herum [6]. So wie ein Hund, der mittels einer Leine an einen festen Pfosten oder Pfeiler gebunden wurde, immer weiter um eben jenen Pfosten oder Pfeiler herumrennt und kreist; ebenso rennen und kreisen jene guten Mönche und Brahmanen aus Angst vor der Persönlichkeit und aus Abscheu vor der Persönlichkeit immer weiter um eben jene Persönlichkeit herum.


    Nicht-Ich ist also nur eine angenehme Vorstellung für das angewiderte Ich, führt nicht zur Befreiung. Wenn man erkennt, dass die Anatta-Lehre ein so tiefgründiges Wissen ist, dass sie die Unwissenheit beenden und das Begehren entwurzeln kann hat man Achtung für die Edlen die darin geschult sind, und öffnet so den Pfad für die Befreiung.