A.X.95 Werden alle erlöst - 5. Uttiya Sutta
Uttiya, der Wanderasket, sprach zum Erhabenen:
»Sage, Herr Gotama: ist die Welt ewig? Und ist nur dies allein wahr, alles andere aber Unsinn?«
»Darüber, Uttiya, habe ich nichts erklärt.«
»Dann sage mir, Herr Gotama: ist die Welt nicht ewig? - ist sie endlich? - oder unendlich? - sind Leib und Leben eines? - oder sind Leib und Leben zweierlei? - besteht der Tathāgata nach dem Tode? - oder besteht er nicht nach dem Tode? - oder besteht er und besteht nicht nach dem Tode? - oder weder besteht noch besteht er nicht nach dem Tode? Und ist nur dies allein wahr, alles andere aber Unsinn?«
»Auch darüber, Uttiya, habe ich nichts erklärt.«
»Wie denn aber, Herr Gotama? Auf alle meine Fragen antwortest du, dass du darüber nichts erklärt hast. Was hat denn der Herr Gotama überhaupt erklärt?«
»Die von mir durchschaute Lehre, Uttiya, weise ich meinen Schülern, die die Wesen zur Läuterung führt, zur Überwindung von Sorge und Kummer, zum Aufhören von Schmerz und Trübsal, zur Gewinnung des rechten Weges, zur Verwirklichung Nibbānas.«
»Dadurch aber, dass der Herr Gotama seinen Schülern die von ihm durchschaute Lehre weist, die die Wesen zur Läuterung führt, zur Überwindung von Sorge und Kummer, zum Aufhören von Schmerz und Trübsal, zur Gewinnung des rechten Weges, zur Verwirklichung Nibbānas, wird wohl dadurch die ganze Welt oder die Hälfte oder ein Drittel der Welt Erlösung finden?«
Auf diese Worte schwieg der Erhabene. Da aber dachte der ehrwürdige Ānanda: Möchte doch der Wanderasket Uttiya nicht eine üble Ansicht bekommen und denken: 'Von mir um das Allererhabenste befragt, hat der Asket Gotama versagt und antwortet nicht. Er ist wohl dazu nicht imstande!' Das würde dem Wanderasketen Uttiya lange zum Unheil und Unglück geraten.« Und der ehrwürdige Ānanda sprach zum Wanderasketen Uttiya:
»So will ich dir denn, Freund Uttiya, ein Gleichnis geben; denn auch durch ein Gleichnis mag manch verständiger Mann der Worte Sinn erfassen. Angenommen, Freund Uttiya, es ist da eine königliche Grenzfestung, mit starken Grundmauern, umgeben mit einem starken mit Zinnen versehenen Wall und mit einem einzigen Tor versehen. Dort befindet sich ein verständiger, erfahrener, kluger Torwächter, der alle Unbekannten zurückweist und die Bekannten einläßt. Während er auf dem Rundwege rings um die Stadt herumgeht, bemerkt er in dem Walle keine Bresche, kein Loch, nicht einmal so groß, dass eine Katze hindurch kriechen könnte. Zwar hat er keine Kenntnis davon, wie viele Lebewesen in die Stadt hereinkommen oder aus ihr hinausgehen; wohl aber weiß er, dass alle großen Lebewesen, die diese Stadt betreten oder sie verlassen, sämtlich durch dieses eine Tor ein- und ausgehen.
Ebenso auch, Freund Uttiya, beunruhigt sich der Tathāgata nicht darüber, ob durch seine Lehre die ganze Welt oder die Hälfte oder ein Drittel der Welt Erlösung finden wird. Von allen denen aber, die der Welt entronnen sind, entrinnen und entrinnen werden, da weiß der Tathāgata, dass beim Entrinnen aus der Welt bei allen diesen die fünf geisttrübenden und weisheitlähmenden Hindernissen überwunden sind; dass ihr Geist gut gefestigt ist in den vier Grundlagen der Achtsamkeit und sie die sieben Erleuchtungsfaktoren der Wirklichkeit gemäß entfaltet haben. Die Frage, Freund Uttiya, die du bereits dem Erhabenen vorgelegt hattest, dieselbe Frage hast du nun auf eine andere Weise dem Erhabenen gestellt. Darum hat sie dir der Erhabene nicht beantwortet.«