Buddhistische Volksmärchen aus Kambodscha

  • Mit Volksmärchen haben Mönche Jahrhunderte lang versucht der einfachen Bevölkerung Ursache und Wirkung zu erklären und sie von Aberglauben abzuhalten. Die Geschichten sich oft aus den Jataka Geschichten entnommen und an die örtlichen Gegebenheiten angepasst. Viele dieser Geschichten sind heute in Kambodscha nicht mehr bekannt.
    In den 60er und 70er Jahren, mit der Welle von kambodschanischen Studenten in der DDR sind einige deutsche Bücher entstanden. Sie sind außerordentlich gut geschichtlich und buddhistisch aufgearbeitet und ein Juwel der nun in Deutschland schlummert. Ich erlaube mir einige dieser Geschichten hier zu erzählen.


    HASENMÄRCHEN


    Die Märchen der Gruppe "Hasenmärchen" sind deshalb von kulturgeschichtlichem Wert, weil sie einerseits uraltes Gedankengut der Menschen bewahren, andererseits auch beweisen, daß sehr alte Interpredationen von Naturerscheinungen von jüngeren Kulturepochen übernommen und deren Vorstellungen angepaßt werden. Es ist daher notwendig, die Hasenfigur bis hinein in eine Zeit zu verfolgen, da sie noch keine Märchenfigur war, sondern den Menschen als Sinnbild ganz bestimmter Naturvorgänge diente.
    Hasenmärchen sind Astralmärchen, denn bei den alten Völkern symbolisierte der Hase den Mond. Und noch heute sieht der Kambodschaner in den Mondflecken eine Hasenfigur.


    Die Geschichte vom Richter Hase


    Das erzählt man über den Hasen seit der Zeit, als er vom Brunnen bis in die Nähe eines Dorfes rannte. Da kam eine Alte. Sie trug Bananen auf dem Kopf und ging, um sie zu verkaufen. Der Hase sah die Alte und dachte: "Ich bin so kraftlos, was könnte ich nur machen, um zu den Bananen zu kommen. Das beste ist, ich stelle mich tot." Gedacht, getan, und so egte er sich auf den Weg. Die Ate, die die Bananen auf dem Kopf trug kam näher, sah den Hasen, dachte, er wäre wirklich tot, und rief aus: "Nanu, da komme ich meine Bananen kaufen und habe heute solches Glück! Ich werde den Hasen mitnehmen. Er gibt ein gutes Essen." Und so hob sie ihn vom Wege auf, legte ihn in den Korb mit den Bananen und ging weiter. Der Hase aber, kaum , dass ihn die Alte in den Korb gelegt hatte, begann die Bananen zu fressen und fraß und fraß. Mitterweile war die Alte an ein Haus gekommen, wo sie die Leute hereinriefen, um Bananen zu kaufen. Sie hob ihren Korb vom Kopf, und der Hase lief weg. Die Alte sagte: "Meine Güte, der Hase lebte also noch, und ich dachte, er wäre tot. Aus ist's mit dem Bananen verkaufen!"
    Der Hase aber lief aus dem Dorf in den Wald. Er stieg in einen Teich und wollte gerade trinken, als eine Schnecke im Teich es ihm verbot: "He, dummer Hase, wie kannst du mein Wasser trinken!" Der Hase fragte: "Wem gehört denn dieses Wasser?" "Ei, das ist mein Wasser", sagte die Schnecke. Da schlug der Hase vor: "Also schließen wir eine Wette ab. Ich werde auf dem Land laufen, du schwimmst im Wasser. Wenn du schneller schwimmst, als ich laufe, dann werde ich in diesem Teich nie mehr Wasser trinken." Die Schnecke war mit der Wette einverstanden und beriet sich mit den anderen Schnecken. Sie beschossen: "Wir werden uns der Reihe nach um den Teich ans Ufer setzen. Wenn der Hase ruft, so muß immer die Schnecke antworten, die gerade vor ihm sitzt, die anderen dürfen nichts sagen." Als sie das beschlossen hatten, sagten sie zum Hasen: "Lauf los, Hase!" Und der Hase lief und lief, dann rief er die Schnecke, und die vor ihm antwortete: "Ich bin hier!" Der Hase wunderte sich: "Meine Güte, wie schnell die alberne Schnecke doch schwimmt", und lief wieder los, rief wieder, und die Schnecke vor ihm antwortete wieder. Der Hase wusste nicht, wie er die Schnecke einholen sollte, und er wurde endlich von der Klugheit der Schnecken besiegt. Nie wieder wagte er, Wasser aus dem Teich zu trinken. Er trank von jetzt an nur mehr Tau.
    Der Hase verließ diesen Ort und beschloß, einen Fluß zu durchqueren. Er wusste aber nicht, wie er daß anstellen sollte. In dem Fluß lebte ein Krokodil, es schwamm im Wasser hin und her. Der Hase sah es und dachte:"Was kann ich tun, um das dumme Krokodil zu bewegen, mich hinüberzubringen?" Er faßte einen Plan und verstellte sich: "Bruder Krokodil, was hast du gemacht, dass dein Körper so rauh ist?" Das Krokodil erzählte ihm, man sage, es habe eine Flechte. Der Hase sagte: "Bruder, wenn du mich ans andere Ufer trägst, dann werde ich dich von der Flechte heilen." Als das Krokodil das gehört hatte, war es sehr froh, es kam aus dem Wasser heraus, legte sich auf die Erde und sprach: "Ich werde Sie erst durch den Fluß tragen, dann machen sie mich gesund!" "Sorge dich nur nicht", sagte der Hase. Er selbst ekelte sich vor dem Krokodil, deshalb riß er Blätter von den Bäumen, um sich darauf zu setzen. Das Krokodil fragte: "Was machen sie mit den Blättern?" "Lieber Bruder, du bist so gut zu mir, aber ich fürchte, ich werde dich beschmutzen." Der Hase stieg auf den Kopf des Krokodils, und das Krokodil glaubte, daß alles wahr sei, und schwamm auch tüchtig, bis sie zum anderen Ufer kamen. Der Hase stieg ab, sprang auf die Erde und rief: "Du dummes Krokodil, so eine Flechte hatten schon deine Vorväter, wer kann sie denn heilen!"
    Das Krokodil war sehr böse, daß der Hase es so getäuscht hatte. Es wußte aber nicht, wie es den Hasen im Zuschnappen erwischen sollte und so ließ es sich im Wasser treiben, als ob es ein Holzklotz wäre.
    Der Hase lief fort und sah beim Vorbeirennen einen toten Büffel am Ufer eines Teiches liegen. Die Geier hatten seinen Leib schon ausgehöhlt. Der Hase kroch hinein, aber der Büffelleib schrumpfte in der Hitze zusammen, so dass der Hase nicht wieder heraus konnte. Er drehte und wendete sich in dem Büffel bis zum Nachmittag. Da kamen Leute, um Wasser zu schöpfen. Der Hase sagte: "Oh, liebe Leute, habt, habt Mitleid, schöpft Wasser und begießt das Hinterteil des Büffels! Ich flehe euch an, rettet mich. Wer mich rettet, erwirbt sich große Verdienste!" Als die Leute beim Wasserschöpfen diese Worte viele Male gehört hatten, gossen sie Wasser auf das Hinterteil des Büffels. Es spannte sich und quoll auf, so daß der Hase herauskriechen konnte. Dann verschwand er und schrie nach: "Ihr habt überhaupt keine Verdienste und keinen Nutzen von eurer Tat. Ich habe euch etwas vorgemacht, um mir selbst zu helfen."
    Der Hase lief weiter, da sah er das Krokodil, das sich im Wasser treiben ließ. Er zweifelte, ob es auch ein Krokodil sei, und sagte sich: "He, ist das nun ein Krokodil oder irgend ein Klotz?" Dann rief er: "Wenn du ein Krokodil bist, so lasse dich weiter vom Wasser treiben. Wenn du jedoch ein Klotz bist, so schwimme gegen die Strömung!" Das Krokodil hörte den Hasen so reden und dachte: "Ich habe mich doch schon verstellt und so getan, als sei ich ein Klotz. Nun sagt der da, wenn du ein Klotz bist, so schwimme gegen die Strömung." Und so schwamm es gegen die Strömung. Als der Hase das gesehen hatte, sagte er: "Nanu, sieh einer das dumme Krokodil! Du willst mich nur täuschen? Aber mit mir geht das nicht." Das Krokodil hörte die Worte und dachte: "Ich werde werde den schlauen Hasen schon noch besiegen", und überlegte weiter: "Ich werde ans Land kriechen und mich tot stellen, das wird leicht zu machen sein."
    Also kam das Krokodil an Land, legte sich hin und öffnete das Maul, als wäre es tot. Der Hase lief am Ufer auf und ab, und als er das Krokodil so liegen sah, dachte er, es wäre tot. Er kroch dem Krokodil ins Maul und spielte an seinen Zähnen. Er sagte sich: "Aus dem großen Zahn hier könnte ich einen Griff für mein Buschmesser fertigen, aus den kleinen einen Griff für das Fruchtmesser meiner Frau." Während er im Krokodilrachen so vor sich hinredete, schnappte das Krokodil zu. Der Hase rutschte schnell in den Bauch und schrie: "Oh, hier ist so viel! Ich wollte deine Eingeweide verspeisen, deshalb bin ich in deinen Bauch gekrochen. Jetzt wickle ich all deine Gedärme auf, ich will sie alle auffressen." Er rieb die Zehen aneinander, das es sich anhörte, als würde er die Därme zerreißen. Das Krokodil hörte dies und bekam große Angst. Es bettete: "Bruder Hase, hab Mitleid und komm aus meinem Bauch wieder heraus, ich werde nicht wagen, dich zu beißen." Der Hase sagte: "Weil du mich so bittest, habe ich Mitleid mit dir." Darauf öffnete das Krokodil sein Maul, und der Hase sprang heraus.
    Er sprang weiter und immer weiter. Da kam er an einen Teich, dort stand ein Baumstumpf. Der Hase ging hin und setzte sich drauf. In der Heißen Tageszeit schmolz aber das Harz, so daß der Hase mit dem Hintern am Baumstumpf festklebte. Da kam eine Elefantenkind an den Teich, weil es trinken wollte. Als der Hase den kleinen Elefanten sah, rief er: "He du, wie kannst du mein Wasser trinken! Die Götter haben mich hierhergesetzt, um es zu bewachen." Der kleine Elefant bekam große Angst, rannte weg und erzählte das eben Erlebte seiner Mutter. Als die Mutter ihr Kind so reden hörte, wurde sie sehr böse. Sie suchte den Platz, wo der Hase saß und fragte ihn: "Warum läßt du mein Kind nicht trinken?" Der Hase Sagte: "Ich lasse es nicht trinken, weil die Götter mir aufgetragen haben, das Wasser zu bewachen." Die Elefantenmutter wurde Zornig, riß den Hasen von seinem Sitz und lief weg. Der Hase war sehr zufrieden, daß er freigekommen war. Er lief schnell davon und kam auf das Feld eines alten Mannes. Der Großvater hatte das ganze Feld mit Melonen bepflanzt. Jeden Tag stahl ihm der Hase von den Melonen. Da wurde der Alte ärgerlich und stellte eine Falle auf. Eines Nachts kam der Hase wieder und geriet in die Falle. Da wurde ihm angst, weil er dachte, der Großvater käme und würde ihn erwischen. Zur selben Zeit kam eine Kröte angehüpft. Der Hase freute sich, als er sie sah. Er fragte zum Schein: "Liebe Kröte, was hast du?" Die Kröte antwortete: "Ich habe eine Flechte." Da sagte der Hase: "Oh, wenn du mich aus der Falle ziehst, so werde ich dich von deiner Flechte heilen, sorge dich nur nicht!" Als die Kröte hörte, daß sie der Hase gesund machen wollte, war sie sehr zufrieden. Sie zog kräftig, bis der Hase frei war. Als der Hase aber aus der Falle heraus war, sagte er: "Deine Flechte hast du von deinen Vorvätern, wer kann sie schon heilen!" Darüber wurde die Kröte sehr böse, sie hüpfte hinter dem Hasen her, konnte ihn aber nicht einholen.
    Jetzt sprechen wir wieder von dem Großvater. Er stand am Morgen auf, nahm seinen Betel und ging schnell fort, um nach den Melonen zu sehen. Da entdeckte er die Hasenfährte. Der Alte bedauerte das sehr. Er schlug sich auf Brust und Schulter und sagte: "Ich habe einen Hasenbraten verpaßt!" Er stellte die Falle von neuem auf, und in der Nacht hatte der Hase wieder Appetit auf Melonen. Er lief zum Feld und weil sein Hunger nach Melonen so groß war, hatte er die Falle vergessen. So geriet er mit der Pfote hinein und hatte große Angst, weil er nicht wüßte, wie er sich befreien sollte. Als die Kröte sah, daß der Hase gefangen war, freute sie sich sehr, sie hüpfte heran, kitzelte ihn an seinen Pfoten und sagte: "Das letzte Mal hast du mich betrogen, jetzt bist du wieder in der Falle und machst ein hilfloses Gesicht, wer wird dir den dieses Mal helfen?" Der Hase war über die Schadenfreude sehr ärgerlich. Weil er aber ein kluges Tier war, tat er, als wäre dies gar nicht verdrießlich, und sanft sprach er zur Kröte: "Ich habe dich betrogen, weil mir die Medizin unbekannt war, mit der man deine Flechte heilen kann. Jetzt lüge ich nicht mehr. Ich kenne ein junges Mädchen, es ist schön wie eine Rose. Ich werde hingehen und für dich um ihre Hand anhalten. Beunruhige dich nicht, denn ich war schon einmal dort. Das Mädchen sagte, er wäre einverstanden, deine Frau zu werden. Wenn du mir aus der Falle hilftst, dann werde ich für dich schon werben gehen, du brauchst dir keine Sorgen machen." Weil die Kröte ein geiles Tier war, war sie mit der Rede des Hasen über das junge Mädchen sehr zufrieden. Sie dachte nur noch an das Mädchen, sie konnte die Hochzeit kaum erwarten. Sie sagte: "Bruder Hase, sprich diesmal die Wahrheit und betrüge mich nicht wieder!" Der Hase erwiderte: "Aber nein, ich habe nur deshalb so oft gelogen, weil ich keinen anderen Weg mehr wußte. Jetzt ist es leicht, denn es gibt in Angkor viele junge Mädchen. Selbst wenn ich nicht für dich werben ginge, würde man dir eine Frau auch ohne Werber geben, weil die Mädchen jetzt billig geworden sind. Man bekommt zehn Mädchen für einen Sleng." Es gibt ein altes Lied, das die Leute noch heute singen. Es heißt: "Zehn Mädchen für einen Sleng", weil man die Kröten nach Angkor schwimmen sieht, die sich dort eine Frau nehmen wollen.
    Die Kröte half dem Hasen wieder aus der Falle. Kaum war er frei, so rannte er weg. Er reif der Kröte zu: "Du hast eine ekelhafte Flechte, wer sollte dir wohl seine Tochter geben? Ich habe dich nur belogen!" Die Kröte war sehr gekränkt über diese Worte und wollte sich am liebsten selber auf der Erde zu Tode schmeißen. Aber sie verlangte noch sehr nach einem jungen Mädchen von Angkor. Und sie ging, um sich eines zu suchen. Unterwegs sah sie einen Mistkäfer auf einem Scheißhaufen sitzen. Der Käfer fragte: "Liebe Kröte, wohin gehst du?" Die Kröte antwortete: "Ich gehe mir eine Frau in Angkor suchen." "So spät? Schaffst du es heute noch nach Angkor?" fragte der Käfer weiter. Weil die Kröte so sehr nach einer Frau verlangte, erzählte sie: "Ja, ich schaffe es noch, zum Frühstück werde ich wieder zurück sein." Da sah die Kröte, wie der Käfer in der Luft herumsummte."Was machst du?" "Ich drechsle eine Wagenachse", sagte der Käfer. "Warum machst du sie denn so kurz?" fragte die Kröte. Der Käfer antwortete: "Zu kurz! Ich will sie sogar noch in zwei Stücke teilen, dann habe ich gleich ein ganzes Paar." Der Mistkäfer redete deshalb so, um die Kröte mit ihrer Prahlerei, daß sie zum Frühstück von Angkor wieder zurück sei, aufzuziehen. Die Kröte schwamm nun vom Srok Tonle Thom weg und wollte so bis Angkor gelangen. Wenn sie ein Tier traf, das sie nach ihrem Weg fragte, dann antwortete sie jedesmal: "Ich will mir in Angkor eine Frau suchen." Einmal traf sie einen Fisch, der zur Familie der Schmutzfresser gehörte, der schnappte zu und verschluckte sie.
    Jetzt sprechen wir wieder vom Hasen. Als er aus der Falle des Großvaters freigekommen war, lief er davon und versteckte sich im Schilf. Das sah ein Tiger. Er schlich sich heran und wollte den Hasen fressen. Aber als der Hase merkte, was der Tiger vorhatte, stellte er sich ganz heiser: "Äh, nun habe ich schon fünf Elefanten gegessen und bin immer noch nicht satt! Was könnte ich tun um einen Tiger anzulocken, damit ich ihn verspeißen kann.?" Da der Tiger den Hasen so reden hörte, bekam er Angst und wagte nicht, zuzubeißen. So ging er weg, um sich mit dem Affen zu beraten. Als der er den Affen gefunden hatte, erzählte er ihm: "Ein kleines Tier hat gesagt, >nun Habe ich schon fünf Elefanten gefressen und bin immer noch nicht satt. Was könnte ich tun, um einen Tiger anzulocken, damit ich auch ihn verspeißen kann<. Ich bekam Angst, als ich das hörte." Der Affe hörte sich alles an. "Wie sieht das Tier den aus?" Der Tiger erklärte: "Es ist klein, ungefähr so groß wie mein Handgelenk, es hat lange Ohren und einen kurzen Schwanz." "Ach so", sagte der Affe, "das Tier nennt man Hase, es ist großmaulig, du brauchst dich nicht vor ihm zu fürchten." "Aber nein, Bruder Affe, ich habe die Stoßzähne gesehen, die es von den Elefanten übriggelassen hatte, es hat alle Elefantenkörper verzehrt." Der Affe berühigte den Tiger: "Nein, nein, so ist es nicht! Geh mit mir hin, Bruder Tiger, ich werde dir zeigen , wie es wirklich ist!" Der Tiger aber lamentierte: "Ich fürchte mich vor diesem Tier, es hat gesagt, daß es meine Leber fressen will. Wenn wir hingehen, wird es uns verfolgen. Du kannst auf einem Baum klettern, aber mich wird es erwischen und fressen." "Oh, Bruder Tiger, wie dumm bist du! Wenn du mir nicht glaubst, so nimm eine Liane und binde dich an mir fest. Wenn alles in Ordnung ist, dann können wir gehen." Der Tiger nahm eine Liane, und nachdem er sich und den Affen daran festgebunden hatte, gingen sie beide weg. Der Hase saß gerade auf einem Erdhügel. Er sah, daß der Tiger und der Affe an eine Leine gebunden waren und näherkamen. Er murmelte: "Na, na, der dumme Affe schuldet mir schon zwei, drei Jahre einen Tiger. Jetzt bringt er mir diesen alten und mageren!" Der Tiger hörte das und dachte: "Der Affe will mit meiner Haut seine Schulden bezahlen!" Er bekam große Angst und rannte los, dabei riß er den Affen um. Der öffnete sein Maul, brachte aber keinen Ton heraus. Der Tiger rannte und rannte, in der Eile schleuderte er den Affen gegen einen Baumstümpf, so daß er starb. Sein Maul war ganz verzerrt. Der Tiger rannte weiter weg. Einmal drehte er sich um, da sah er, daß am anderen Ende der Affe das Maul so verzerrte. Weil der Tiger dachte, der Affe lache über ihn, riß er sich mit aller Gewalt von der Leine los und rannte alleine weiter.
    Als die Nacht hereingebrochen war, bekam der Hase Appetit auf junge Reispflänzchen. Er ging in einen Srok, sah dort schöne grüne Pflänzchen, sprang ins Feld hinein und aß sich satt. Dann ging er wieder in den Wald. Am Morgen kam der Bauer auf sein Feld, er entdeckte die Hasenspur und sah, daß alles kahl und zerstört war. Da wurde er sehr zornig und stellte eine Falle auf den Weg, auf dem der Hase gekommen und wieder weggelaufen war. In der Nacht kam der Hase aus dem Wald, um abermals Reispflänzchen zu fressen, und er geriet in die Falle. Der Hase wußte nicht wenn er diesmal bitten sollte, ihn herauszuziehen. Er kam auf den Gedanken so zu tun, als ob er steif und tot wäre. Am nächsten morgen stand der Bauer, der die Falle gestellt hatte, früh auf. Er zog sich eilig an und ging, nach seiner Falle zu sehen. Da sah er den Hasen tot und steif darin liegen und war sehr zufrieden. Er zog ihn heraus, stellte die Falle wieder auf und ging nach Hause zurück. Als der Hase merkte, daß er wieder auf der Erde lag, sprang er auf, lief davon und verschwand im Wald. Der Bauer sah den Hasen davon laufen und war darüber sehr erstaunt. Er schlug sich an die Brust und sagte: "Oh, der Hase dieser Räuber, er hat mich betrogen! Er lebte doch noch und ich dachte, er sei tot. Diesmal ist er mir entwischt, aber eines Tages wird er ganz sicher in der Falle sitzen." Am nächsten Tag hatte der Hase wieder Appetit auf junge Reispflänzchen. Er rannte in das Feld und hatte dabei die Falle ganz vergessen, denn er dachte immer nur an die Reispflänzchen. Und so lief er wieder in die Falle. Als sie zuschnappte wurde ihm angst, und er wußte nicht, was er anstellen sollte, um wieder frei zu kommen. Diesmal fiel ihm gar nichts ein. Am Morgen wollte der Bauer sehen, ob der Hase in der Falle saß. Er sprang vor Vergnügen in die Luft, als er ihn gefangen sah. Der Bauer zog den Hasen heraus und sagte: "Gestern hast du dich tot gestellt. Was willst du denn diesmal machen, daß ich dich wieder laufen lasse? Ich werde dich einsperren als einen, der sich so gut tot stellen kann." Er ging mit dem Hasen nach Hause. Als sie angekommen waren, holte er eine Fischreuse und sperrte den Hasen hinein. Am Morgen hatte der Bauer eine Moräne gefangen. Er holte den Fisch und steckte ihn in eine Schüssel. Diese stellte er neben die Fischrause, in der der Hase saß. Dann fiel ihm ein, daß man sich von einem Mönch im Koster erzählte, er könne gut wahrsagen. Der Bauer dachte: " Ich will hingehen und sehen, ob das auch stimmt." Zu seiner Frau sagte er: "Sieh nach dem Hasen und nach dem Fisch!"", dann ging er ins Kloster. Er betrat die Zelle, hob die Hände zum Gruß und sagte: "Verzeiht, ich habe gehört, daß Ihr für Euer Wahrsagen berühmt seid." Der Mönch antwortete: "Das ist wahr, ich kam wahrsagen. Ob ich genau voraussage oder nicht genau, das kann ich nicht wissen. Ich selbst wage nicht mich zu loben." Der Mann sagte darauf: "Ich wünsche nur wenig. Sag mir doch, werde ich heute an diesem Morgen etwas zu essen haben?" Der Meister antwortete: "Nein, ich wage nicht wahrzusagen." Da bat ihn der Mann noch einmal: "Ich bitte Euch, sagt mir nur das eine, ich möchte wissen, ob ich an diesem Morgen etwas zu essen haben werde." "Ich sage nichts", erwiderte der Mönch, "denn ich fürchte, du wirst gekränkt sein." Da dachte der Mann bei sich: "Also, wenn er richtig wahrsagt, werde ich ihm das Hasenfleisch und den Fisch bringen. Wenn er falsch wahrsagt, werde ich ihm nichts geben. Ich werde dann mit meiner Frau beides essen." Zu dem Mönch aber sagte er: "Nein ich werde nicht gekränkt sein." Da nahm der Mönch die Magische Tafel, sah darauf und sagte: "Du wirst nichts zu essen haben." Der Mann verabschiedete sich und ging wieder nach Hause. Unterwegs überlegte er: "Der Mönch kann gar nicht wahrsagen, und ich hatte doch vor, ihm ein gutes Essen zu bringen, wenn es alles richtig voraussagte. Weil er nun alles falsch gesagt hat, kann ich mit meiner Frau die beiden Tiere essen." Er sann so hin und her und war auch bald zu Hause. Er trug seiner Frau auf, das Essen zu breiten.
    Der Hase und der Fisch überlegten mittlerweile, wie sie sich aus ihrer Gefangenschaft befreien könnten. Der Hase entwarf einen Plan: "Bruder Fisch, du legst dich mit dem Bauch nach oben und stellst dich tot, wenn einer kommt und dich einfängt, um dich zu schlachten. Wenn man dich ans Ufer legt, dann springst du ins Wasser und tust, als würdest du ein bißchen schwimmen. Springt man dir dann nach, um dich wieder zu fangen, dann schwimmst du ein bißchen weiter, dann tust du, als lägst du wieder nur mit dem Bauch nach oben, damit man die Fischreuse holen muß, in der ich eingesperrt bin. Wenn du siehst, daß man die Reuse holen geht, dann schwimmst du fort."
    Jetzt zu den beiden Leuten, dem Mann und derFrau. Als die den Reis fertig gekocht hatte, wollte der Mann den Fisch holen, um ihn vorm Haus am Ufer des Teiches zu schuppen. Der Fisch streckte seinen Bauch nach oben und bewegte sich nicht, so stellte er sich tot. Der Mann glaubte auch, daß er tot wäre, er fing ihn ein und legte ihn ans Ufer. Darauf sprang der Fisch ins Wasser und befolgte genau die Worte des Hasen. Der Mann sah den Fisch im Wasser schwimmen, er sprang ihm nach und wollte ihn fangen. Der Fisch aber schwamm ein bißchen weiter, streckte seinen Bauch nach oben, dann schwamm er wieder ein Stück weg. Er rief seiner Frau und hieß sie, schnell die Fischreuse herzubringen. DIe Frau dachte aber nicht an den Hasen. Sie nahm die Fischreuse und brachte sie ihrem Mann, der im Teich stand und sich abmühte, den Fisch zu fangen. Alle beide waren nun bis aufs Hemd durchnäßt. Als der Fisch die Reuse sah, tauchte er tief ins Wasser hinein und schwamm fort. Mann und Frau waren sehr ärgerlich darüber, aber den Fisch konnten sie nicht fangen. Sie froren sehr, denn es war die Zeit der kalten Nordwinde und noch sehr früh am Morgen. Ihre Hände und Füße zitterten, und die Zähne schlugen ihnen aufeinander. Sie liefen schnell ins Haus und wärmten sich am Feuer, auf dem sie den Reis gekocht hatten. Sie setzten sich einander gegenüber und dachten an den Mönch. Nun sahen sie daß er recht gehabt hatte zu sagen: "Es gibts nichts zu essen." Man soll eben den Wahrsagern glauben; was sie sagen, das trifft auch ein. Nun glauben die beiden wirklich, daß dieser Mönch gut wahrsagen kann.


    *Sowohl dem Fisch als auch dem Hasen ist geholfen.*


    Das war die Geschichte wie der Hase Richter wurde, er Ursache und Wirkung verstand und allen später dienlich nützte.
    Der Hase gilt in Kambodscha als Symbol der Schäue aber auch der Weisheit.

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  • Der zahme Büffel und der wilde Büffel


    Vor langer Zeit lebten zwei Büffel, der eine war zahm und der andere wild. Sie mochten sich sehr, schliefen und fraßen gemeinsam und waren unzertrennlich. Der Hase wusste das und suchte eine passende Gelegenheit, um die beiden auseinanderzubringen. Eines Tages kam er zu ihnen und sprach: "O Brüder, ihr solltet nicht zusammenbleiben. Wenn man euch beide sieht, wird man euch bestimmt für die Arbeit einfangen." Als der wilde Büffel den Hasen so reden hörte, bekam er große Angst, daß ihm ein solches Unglück widerfahren könnte. Von diesem Tage an lebte er getrennt von dem zahmen Büffel. Aber beide sehnten sich sehr nacheinander, denn sie waren doch vorher immer zusammen gewesen.
    Viel Zeit war vergangen, und sie hatten einander vergessen. Auch das wußte der Hase. Er suchte den wilden Büffel auf und sprach zu ihm: "Ei Bruder! Ich habe einen Büffel von sich sagen hören, daß er sehr stark sei und jemanden suche, mit dem er seine Kraft erproben könne." Der wilde Büffel wurde zornig darüber und antwortete: "Wisse Bruder Hase, unterm Himmel und auf der Erde bin nur ich allein stark. Und jetzt wagt einer zu behaupten, stärker zu sein als ich! So bringe ihn her, daß wir miteinander kämpfen!" Darauf hin ging der Hase zum zahmen Büffel und sagte ihm: "Bruder, der wilde Büffel ist sehr böse auf dich und fordert dich zum Kampf heraus!" Der Hase stieg auf den Rücken des zahmen Büffels und führte ihn zum Treffen mit dem wilden Büffel. Als beide Büffel sich erblickten, stürzten sie sich aufeinander los. Nachdem sie lange erbittert miteinander gekämpft hatten, ohne daß einer den anderen besiegt hätte, gingen sie auseinander, der eine ins Dorf, der andere in den Wald. So leben sie noch heute getrennt voneinander.

  • Märchen über Ehe und Familie


    Die kambodschanischen Märchen über "Ehe und Familie" spiegeln die Sitten und Gebräuche der Kultur, die sich bis heute, vorallem am Land erhalten haben wieder. Sie beschreiben die Fehler, die im Verhalten entgegen der Sitten entstehen und unterstreichen die Wichtigkeit Ethik, die in der Familie beginnt. Auch versuchen diese Geschichten immer wieder von der Klassengesellschaft Abstand zu halten. Die Wurzeln, der noch heute angewendeten (wenn auch nur mehr selten verstandenen) Sitten und Gebäuche Spieleln sich gut im "Mangala Sutta Uannana" (Link zu einer englischen Fassung von Ven. K. Gunaratana) wieder.


    Ein gieriger Mensch


    Aus alter Zeit ist uns diese Geschichte überliefert:
    Es war einmal ein Mädchen von vierzehn Jahren, das sollte für seine Mutter Bataten ausgraben. Das Mädchen bereitete alles vor und ging, um Bataten zu suchen. Es kam in einen großen Wald, dort war ein Hügel mit einem großen Loch. Am Fuße diese Hügels grub das Mädchen Bataten aus, und plötzlich fiel ihm die Schaufel in das Loch. Das Mädchen wußte nicht, was es tun sollte, und in seiner Ratlosigkeit rief es: "Wer mir hilft und meine Schaufel zurückholt, dem will ich auch einen großen Dienst erweisen!" Als es so rief, kam ein alter Tiger aus dem Wald. Er hatte am Kopf eine Wunde, und er kratzte sich mit den Pfoten, weil die Würmer ihn juckten, die in der Wunde waren. Er sagte: "Mädchen, ich kann dir deine Schaufel wiederholen, aber ich brauche deine großen Dienste nicht, sondern für die Schaufel sollst du mich lausen, das würde mir schon genügen." Das Mädchen entgegnete: "Ja, Großvater. Wenn Ihr mir nur helft, dann bin ich mit allem einverstanden." Da holte der Tiger die Schaufel aus dem Loch und gab sie dem Mädchen. Nun forderte er es auf, ihn zu lausen. Das Mädchen holte einen Dorn und entfernte damit die Würmer aus der Kopfwunde. Der Tiger fragte immer wieder: "Mädchen, stinkt meine Wunde oder riecht sie gut?" Die Wunde stank sehr, aber das Mädchen antwortete jedesmal: "Sie riecht gut, Großvater." Das Mädchen sagte nichts anderes, sooft der Tiger auch fragte. Als sie die Wunde gereinigt hatte, war der Tiger gesund, und auch das Jucken hatte aufgehört. Er sagte: "Mädchen, hole einen Korb, ich will ihn dir mit Bataten füllen!" Das Mädchen holte einen Korb, und der Tiger füllte ihn bis obenhin mit Gold und Silber. Er band ihn fest zu, gab ihn dem Mädchen und sagte: "Trage ihn nach Hause, rufe deine Geschwister herbei, und bevor ihr den Korb öffnet, verschließt die Tür!" Das Mädchen verabschiedete sich vom Tiger und ging nach Hause. Es rief seine Geschwister herbei, und sie öffneten den Korb. Als sie das Gold und Silber sahen, teilten sie es unter sich auf.
    Nach einiger Zeit erfuhr eine Frau davon, die ebenfalls eine junge Tochter hatte. Sie beschimpfte ihr eigenes Kind und sagte: "Du dummes Ding, sieh die das andere Mädchen an! Sie geht Bataten ausgraben und kommt mit Gold und Silber zurück, das sie nun mit den Geschwistern geteilt hat. Wenn du Bataten holen gehst, dann bringst du Nichtsnutz immer nur Bataten!"
    Am nächsten Tag schickte die Mutter ihre Tochter nach Bataten. Weil sie auch gern den Tiger treffen wollte, tat sie, als ob sie die Schaufel in das Loch fallen gelassen hätte, und rief: "Wer mir hilft und meine Schaufel zurückholt, dem will auch ich einen großen Dienst erweisen!" Der Tiger holte sie ihr, dann ließ er sich von dem Mädchen die Würmer aus der Wunde entfernen. Er fragte wie beim ersten Mal: "Mädchen, stinkt meine Wunde oder riecht sie gut?" Das Mädchen antwortete: "Sie stinkt sehr." Als der Tiger das hörte, sagte er: "Hole einen Korb, ich will ihn dir mit Gold und Silber füllen." Das Mädchen holte einen Korb, und der Tiger füllte ihn bis obenhin mit Kobraschlangen. Als er dem Mädchen den Korb zurück gab, sagte er: "Geh nach Hause, rufe eine Geschwister, aber verschließe die Tür gut, bevor ihr den Korb öffnet!" Als das Mädchen zu Hause war erzählte es der Mutter alles. Die Mutter freute sich sehr. Sie rief ihre Kinder herbei, ließ die Tür verschließen, dann öffneten sie den Korb, um zu sehen, was drin wäre. Da krochen die Kobraschlangen heraus, sie die Menschen, die im Haus waren, und alle starben.
    Wer unbedingt Glück haben will,
    der verliert alles.


    In diesem Märchen können zwei Motive wiedergefunden werden: 'Androklos (Sohn des Kodros) und der Löwen Typ' sowie 'Gier' Motiv des Frau Hölle Märchens.
    Das Anliegen dieses Märchens ist die vom Buddhismus beeinflußte Polemik gegen die Gier und ein versteckter Hinweis auf die Wirkung unheilsamer Absichten.

  • Der faule Mann, der eine vollkommene Frau hatte


    Eine alte Geschichte erzählt:


    Es lebte einmal ein Mann, der hatte eine tugendhafte Frau. Sie hatte gute Sitten und wusste ihren Mann zu schätzen und zu verehren. Seitdem sie Mann und Freu waren, tat der Mann nichts. Er war faul, schlief immer und stand nur auf, wenn er Hunger verspürte. Dann aß er, und nachdem er sich satt gegessen hatte, ging er wieder schlafen. Wenn er rauchen wollte, drehte seine Frau Zigaretten für ihn.


    Da die Frau ihren Mann schätzte und verehrte, sagte sie niemals ein schlechtes Wort zu ihm. Sie gab ihm zu essen und zu trinken und alles, was er benötigte, und dazu noch ihre Verehrung. Nach einiger Zeit waren sie sehr arm geworden. Die junge Frau fand nichts mehr, womit sie sich ernähren konnten.


    Eines Tages suchte die Frau fünf Betelblätter und fünf Zigaretten aus. Dann ging sie zu ihrem Mann, hob die Hände zum Gruß und Sprach: „Ich bitte um Vergebung, lieber Mann. Weil wir jetzt sehr arm sind und nichts mehr zu essen haben, bitte ich Euch, geht in dem Wald, schlagt Holz und fertigt daraus Pflug und Egge. Dann geht mit den anderen aufs Feld, denn jetzt ist die Zeit, wo man die Felder bestellt!“ Der Mann meinte, er würde gehen, wenn es so notwendig sei. Sie sollte Reis kochen und ihn einpacken, dann wollte er in den Wald gehen, Holz schlagen und Pflug und Egge daraus fertigen. Es war bereits Nacht. Die Frau stand auf, kochte Reis, packte ihn ein und legte das Paket zusammen mit Axt und Hacke bereit.


    Der faule Mann schlief bis in den hellen Tag. Seine Frau wagte nicht, ihn zu rütteln. Sie wartete, bis er von alleine erwachte. Als er aufgestanden war, schöpfte die Frau Wasser und wusch ihm das Gesicht. Dann übergab sie ihm die gedrehten Zigaretten, den Betel, das Reispäckchen und die Werkzeuge. Der Mann stieg vom Haus herunter und ging in den Wald. Dort sah er sich nach geeigneten Bäumen um. Da entdeckte er einen Baum, dessen Äste kühlen Schatten spendeten. Er legte sich schließlich auch hin, schlug die Beine übereinander, sah nach oben und redete mit sich selber: „Aus diesem Ast hier werde ich das Streichbrett des Pfluges fertigen, aus dem dort die Grindel, aus dem den Griff, aus dem das Joch, und aus dem da fertige ich die Egge.“


    Obwohl er nur dalag und nichts tat, stand er zur Essenszeit auf, packte den Reis aus und aß. Nach dem Essen legte er sich wieder hin und schlief. Am Nachmittag ging er nach Hause zurück.


    Als seine Frau ihn sah, lief sie ihm entgegen und nahm ihm die Werkzeuge ab. Dann führte sie ihn ins Haus, holte Wasser und wusch ihm die Füße. Danach fragte sie: „Habt Ihr etwas geschafft?“ „ich bin noch nicht fertig. Warte bis Morgen, dann gehe ich noch mal“, antwortete der Mann. Als er am nächsten Tag wieder unter dem Baum lag, hörte der Geist, der darin wohnte, den Faulen so reden wie am Vortage und bekam Angst, den er fürchtete, er würde keinen anderen Platz mehr finden, an dem er sich aufhalten könnte. So überlegte es mit den anderen Geistern und beschloss, den Faulen zu töten. Er wollte ihn an der Treppe seines Hauses erschlagen, damit er nicht wiederkomme, um diesen Baum zu fällen.


    Der Mann ging nach Hause. Der Geist folgte ihm bis an den Zaun. Da sah er, wie die Frau ihrem Mann entgegenlief, ihn an der Treppe empfing und seine Füße wusch. Der Glanz dieser vollkommenen Frau hielt den Geist davon ab, einzutreten, und er wagte nicht zuzuschlagen. Der Mann war gerettet. Er ging ins Haus, und als die Frau nach seiner Arbeit fragte, antwortete er: „Morgen früh werde ich den Baum fällen.“ Der Geist bekam Angst und dachte: „Dieser Mann wird am nächsten Morgen den Baum ganz bestimmt schlagen“. So ging er zu ihm und bettelte: „Bitte, fälle diesen Baum nicht!“ Der Mann entgegnete: „Nein, morgen früh werde ich den Baum fällen.“ Da überfiel dem Geist eine große Angst, und so begann er, den Mann zu bestechen, indem er ihm sagte, er wolle ihm Plätze verraten, an denen Gold und Silber begraben liegt. Der Mann fragte sogleich: „Wie viel Verstecke verrätst du mir?“ „Zwei“, erwiderte der Geist. Der Mann sagte: „Das ist zu wenig. Wenn du mir vier Verstecke nennst, dann bin ich einverstanden. Aber du musst mir mit Holzklötzen die Stellen bezeichnen.“ Der Geist war bereit, alles zu tun, was der Mann wollte, wenn er nur seinen Baum nicht fällte. „Nu, wenn das so ist, dann werde ich morgen den Baum stehen lassen und dafür Verstecke ausgraben.“, erklärte sich der Mann einverstanden. Der Geist sagte: „Geh nur! Ich bezeichne dir jeden Platz mit einem Stück Holz.“


    Am nächsten Morgen gingen Mann und Frau zu den Verstecken, die ihnen der Geist gezeichnet hatte. In jedem Versteck fanden sie so viel Gold und Silber, dass sie drei Tage lang zu tragen hatten. Endlich war das ganze Haus damit angefüllt. Die junge Frau legte es in Koffer und Kästen, aber zeigte es niemandem.


    Sie mietete einen Goldschmied, der Schmuck daraus anfertigte, den sie verkaufte. Dieser Handel brachte ihnen großen Reichtum, und so wurde der Mann eines Tages Sethej. Viele Menschen kamen von da an in das Haus der beiden, wenn sie einmal Hilfe brauchten. Es wurden so viele, dass man sie bald nicht mehr zählen konnte.


    "Eine gute Frau weiß den Reichtum zu wahren und ein großes, behagliches Haus zu führen."



    Hintergrundbemerkung:
    Dieses ist in der französischen Ausgabe "Sonne Kambodschas" unter dem Titel "Histoire du peresseux à l'épouse vertueense" (S.161-165) enthalten. (kein Autor genannt). In dieser Fassung wird der faule zwar reich aber kein Sethej. Die Geschichte enthält budhhistische Polemik gegen den Aberglauben: Der Mensch verdrängt dumme, nichtmenschliche Wesen aus dem Einfußbereich. Am Schluß werden neue ökonomische Verhältnisse, die sich im Schoße des Feudalismus herausbilden, angedeutet: Der Reichtum des Sethej entsteht durch das Manufakturwesen. Der Spruch am Ende formuliert die Aufgabe für die bürgerliche Frau. Das Geistmotiv bildet den Schluß des Monmärchens "Ataplem". Das Motiv vom Baumgeist, der verhindern will, dass sein Baum gefällt wird, ist indischer Herkunft (Aarne/Thompson 1168 B)
    Aus dem Buch: Märchen der Khmer, Herausgegeben von Ruth Sacher, 1979 (Insel-Verlag Leipzig)

  • Geschichte von dem Mann, der ein Mittel gegen Schlangengift kannte


    Eines Tages machte sich ein Man namens Sokh auf den Weg in den Wald, um Holz zu schlagen. Als er im Wald an der Stelle, wo er das Holz schlagen wollte, angekommen war, sah er am Fuße eines Hügles neben dem Weg einen toten Tiger liegen. Chaov Sokh forschte nach der Ursache und sah, dass dieser Tiger an einem Schlangenbiss gestorben war, denn unter dem Tiger war ein Schlangenloch.


    Chaov Sokh hatte ein wohltätiges Herz für diese Tierleiche, öffnete sein Bündel, nahm eine Salbe und rieb sie damit ein. Im nächsten Augenblick kam der Tiger zu sich. Er sah seinen Körper mit Salbe bestrichen, da empfand er Ärger über den Mann, der ihn mit Salbe bestrichen hatte, und sagte: „Was ist der Grund, dass du wagst, meinen Körper mit irgendetwas so zu beschmieren?“


    „Ich kam hierher, sah, dass du tot warst durch einen Schlangenbiss, und bestrich dich mit Salbe, damit du lebst, nicht wahr.“


    Der Tiger sagte: „Wieso war ich tot, wann soll mich eine Schlange gebissen haben? Ich habe doch geschlafen. Unter diesen Umständen muss ich dein Leben haben und dich zu meiner Nahrung machen.“


    Chaov Sokh hatte große Angst vor dem Tode und flehte den Tiger an: „Bruder, habe Mitleid mit mir! Töte mich nicht gleich, warte, dass ich jemanden mit Weisheit hole, um Gericht zu halten. Wenn ich im Unrecht bin, dann nimm mir das Leben, wenn ich im Recht bin, laß mir mein Leben.“


    Der Tiger war mit der Bitte von Chaov Sokh einverstanden. Chaov Sokh ging zurück und traf auf dem Weg ein Pferd und einen Büffel.


    Da sagte er: „Ihr beiden, bitte helft mir, am Leben zu bleiben. Denn ein Tiger, den eine Schlange gebissen hatte, kam wieder zu Leben, weil ich ihn mit Salbe bestrichen hatte. Aber er will mich töten. Er sagt, ich habe ihn aufgeweckt und seinen Körper beschmiert.“


    Die beiden Tiere kannten nun die ganze Geschichte, dachten nach und erkannten: Der Wahrheit gemäß müsste dieser Mann in dem Fall über den Tiger gewinnen. Aber wenn wir den Mann gewinnen lassen, wird sich der Tiger unweigerlich an uns rächen und uns fressen.


    Dann sagten sie zu Chaov Sokh:


    „Unser Bruder ist im Unrecht, soll der Tiger ihn fressen.“


    Chaov Sokh fürchtete sich noch mehr und verließ das Pferd und den Büffel. Schnell ging er weiter, bis er den Richter Hase traf. Chaov Sokh berichtete ihm von dem Vorgefallenen. Richter Hase kannte nun die ganze Geschichte und sagte zu Chaov Sokh: „Geh und flehe den Tiger weiter an, ich komme dir dann zu Hilfe.“


    Als der Mann noch mit dem Tiger stritt, kam Richter Hase an, tat, als wisse er von nichts und fragte: „Brüder, ihr beide, worüber streitet ihr euch?“


    Der Tiger und Chaov Sokh erzählen ihm da die Geschichte, jeder auf seine Weise.


    Der Hase entschied: „Wenn das so ist, musst du, Bruder Tiger, dich genau an dieselbe Stelle zum Schlafen hinlegen, so lange wie beim ersten Mal. Wenn es Zeit ist, dich zu wecken, und du bist nicht tot, dann magst du diesen Mann töten und zu deiner Nahrung machen.“


    Der Tiger legte sich schlafen, wie ihm geheißen. Die Schlange aber kam aus ihrem Loch und biss den Tiger, dass er starb. Richter Hase sah, dass der Tiger tot war, da sagte er zum dem Mann: „Bruder, bestreiche ihn nicht wieder mit Salbe, dass er lebendig wird.“


    Das sagte er, verließ Chaov Sokh und ging zurück zu seiner Wohnung.

  • Der Hund sucht einen Freund


    Eine Geschichte erzählt:
    Anfangs war der Hund ein Tier des Waldes, keineswegs ein Tier des flachen Landes, das mit dem Menschen zusammen leben wollte wie in unseren Tagen. Er wohnte alleine im Walde. Als er gegangen und gegangen war, traf er einen Hasen. Der Hase sah den Hund und machte sich bereit davonzulaufen, doch der Hund rief ihm sogleich zu:
    "He, Bruder Hase, bleib stehen! Ich möchte dich zum Freund nehmen und denke wirklich nicht, dir etwas zu Leide zu tun."
    "Na gut! Wenn du wirklich so denkst, bin ich einverstanden, dass wir zwei versuchen miteinander zu leben."
    Hase und Hund gingen zusammen, einen Ort zum Wohnen zu suchen. Als die Nacht gekommen war, lag der Hase ruhig und schlief sofort ein. Der Hund dagegen lag und konnte nicht schlafen, weil er ständig Blätter fallen hörte, den Wind in den Zweigen und die herumfliegenden Tiere hörte. Er war aufmerksam und bellte laut., so dass der Hase oftmals vom Schlafe auffuhr. Der Hase wurde zornig und sagte:
    "Hör doch auf zu bellen! Wenn das der Schakal hört, weiß er, dass wir hier sind; bestimmt kommt er dann und frisst uns."
    Der Hund hörte auf zu bellen und dachte: Mein Freund ist doch ein feiges Tier. Ich kann nicht mit ihm zusammen leben, ich muss gehen und den Schakal suchen.
    Der Hund ging, den Schakal zu suchen, ließ den Hasen alleine an jenem Ort liegen. Als er ein wenig gegangen war, traf er den Schakal und sagte:
    "Bruder Schakal! Ich wünsche dich sehr zum Freund, denn ich bin einsam und habe niemanden."
    "Na gut! Wir können ja mal versuchen, zusammen zu leben."
    Am Tage befanden sich Hund und Schakal zusammen gut und in Frieden, aber als die tiefe Nacht kam, fing der Hund wieder zu bellen an.
    Der Schakal wurde wütend und sagte zum Hund:
    " Hör doch auf zu bellen! Wenn das der Bär hört, kommt er bestimmt her und frisst uns alle beide."
    Der Hund hörte auf zu bellen und dachte: Der Schakal hat doch keine Kraft, dieser fürchtet den Bär. So ist es gut, dass ich gehe, den Bären suchen und ihn zu meinem Freund zu machen.
    Der Hund lief heimlich fort vom Schakal, ging zum Bären und sagte:
    "He! Bruder Bär, ich möchte dich zu meinem Freunde machen, denn ich bin einsam und habe niemanden."
    "Na gut! Wir können ja einmal versuchen, zusammen zu leben."
    Der Bär führte den Hund zur Höhle, um sich dort auszuruhen, aber der Hund verhielt sich nicht ruhig, bellte ohne Unterlass. Der Bär wurde wütend und sagte zum Hund:
    "Hör doch auf zu bellen! Wenn das der Mensch hört, kommt man bestimmt hierher, uns alle beide töten."
    Der Hund hörte auf zu bellen und dachte: Dieser Bär fürchtet den Menschen. Wo ist er den stärker als der Hase und der Schakal? So sollte ich den Menschen suchen gehen und zu meinem Freund machen, dann wird es besser sein.
    Der Hund verließ die Höhle des Bären und ging, den Menschen zu treffen.
    "He! Bruder Mensch, ich höre rühmen, dass du der Stärkste von allen bist. Deshalb bitte ich, sei mein Freund, den ich bin einsam und habe niemanden."
    Der Mensch führte den Hund zu seinem Haus. Als die Nacht halbwegs um war, fing der Hund wieder zu bellen an. Der Mensch wachte auf und rief dem Hund zu:
    "He, Hund! Hast du dich nicht satt gegessen, oder was? Bellst du deshalb? Wenn du Hunger hast, geh dorthin und friss!"
    Der Hund hörte auf zu bellen und dachte: Der Mensch fürchtet wirklich niemanden, ich sollte ihn weiterhin zum Freund behalten.
    Darauf legte sich der Hund nieder und schlief wie der Mensch. Seit dieser Zeit lebt der Hund mit dem Menschen zusammen bis in unsere Tage.

  • Der Tiger, der Affe und der Hase



    Es war einmal ein Tiger, der war auf Nahrungssuche, aber er hatte kein Glück. Er lief und lief, da bemerkte er einen Fischadler, der am Ufer eines Teiches auf einem Baum saß und schrie: „Ok o, ok o!“ Der Tiger dachte bei sich: „Was könnte ich tun, um den zu fangen, der so weit oben sitzt? Wenn ich hinaufklettere, wird er mich sehen und fortfliegen. Wann wäre die rechte Zeit, ihn zu erhaschen?“ Und der Tiger setzte sich und beobachtete den Fischadler. Der Vogel aber richtete seine wachsamen Augen auf das Wasser, bereit zum Fang, wenn ein Fisch sich zeigen würde. Nach kurzer Zeit stieß er herab, schnappte einen Fisch und hielt seine Mahlzeit. Als das der Tiger sah, dachte er: „Oho, der faule Adler tut weiter nichts als stumm dazusitzen, wenn ein Fisch an die Oberfläche kommt, schnappt er zu und hat ihn sofort. Er braucht sich nicht so anzustrengen wie ich. Ich muß solange laufen und suchen, bis ich nicht mehr kann, ich habe es schwer. Aber der braucht sich nicht anzuschleichen und nicht zu verstecken. Ich werde es genauso machen wie er, dann habe ich es leichter.“


    Der Tiger lief weiter, um einen stillen Teich mit vielen Fischen zu suchen. Bald kam er an einen Teich, an dessen Ufer große Bäume standen, die genug Schatten gaben, so daß er sich ausruhen konnte. Aber vor dem Tiger war schon ein Mann an den Teich gekommen, der dort seine Angeln ausgelegt hatte. Weil die Angeln sehr lang waren, konnte er sie vom Land aus nicht gut beobachten. Deshalb stieg er auf einen hohen Baum und blieb dort ruhig und schweigsam sitzen.


    Der Tiger machte einen Satz hiehin und einen Satz dorthin, denn er suchte einen Baum, auf den er klettern konnte, um dem Beispiel des Fischadlers zu folgen. Der Angler hörte den Lärm und bemerkte einen Tiger, der auf einen Baum kletterte, sich im Geäst der Baumkrone niederließ und dabei Laute wie ein Fischadler ausstieß. Der Angler wagte nicht sich bemerkbar zu machen. Er blieb ruhig sitzen und beobachtete den Tiger.


    Nach einiger Zeit steckte ein Fisch den Kopf aus dem Wasser. Sofort sprang der Tiger in den Teich. Er kam prustend wieder hoch, und der Mann hörte sein „Khak Khak“. Darüber müßte der Mann lachen, er rief laut: „So stirb du doch, du dummes Gespenst! Was willst du nun tun, um dich umzubringen?“


    Als der Tiger das hörte, blickte er sich um und gewahrte den Mann auf dem Baum. Er starb fast vor Scham, denn noch nie hatte er sich so dumm benommen wie jetzt. Er dachte: „Dieser Mann hat mich gesehen. Er ist zwar allein, aber wenn er wieder zu Hause ist, wird er es den anderen erzählen und meine Schande noch vergrößern. Ich muß mir den Mann kaufen, damit er niemanden etwas sagt.“ Da wandte sich der Tiger flehend an den Angler. „oh“, sagte er, „ich wollte es dem Fischadler gleichtun und nach seiner Methode Fisch fangen. Aber dabei wäre ich fast ertrunken. Ich schäme mich sehr, und ich bitte dich, habe Mitleid mit mir und erzähle es keinem. Ich will mich dafür auch erkenntlich zeigen.“ Der Mann fragte: „Was gibst du mir dafür?“ „Ich verspreche dir, jeden Morgen ein Tier für dich zu fangen. Du kannst es täglich hier an dieser Stelle holen.“ Der Man war zufrieden und kehrte nach Hause zurück.


    Am nächsten Morgen ging er zur gleichen Stelle, um sich vom Tiger das Wild zu holen, und der Tiger brachte von da an täglich ein Tier, er blieb es ihm kein einziges Mal schuldig. An vielen Tagen hatte der Mann nun schon ein Tier nach Hause gebracht, da begann seine Frau, sich darüber zu wundern. In der Nacht fragte sie ihn: „Wie machst du es, daß du jeden Tag ein Tier nach Hause bringst? Jedesmal ist es ein anderes, manchmal ein Wildschwein, manchmal ein Hirsch und manchmal ein Reh.“ „Ich lege Fallen“, antwortete der Man. „Was sind daß für Fallen, die niemals einen Fehler machen? Laß mich mitkommen, damit ich sie mir ansehen kann!“ Da vergaß der Mann sein Versprechen, das er dem Tiger gegeben hatte, denn er war sicher, daß der Tiger jedesmal wiederkommen würde. Er erzählte seiner Frau die ganze Geschichte, und die Frau glaubte ihm auch alles.
    Am nächsten Morgen wollte sich der Mann wieder sein Tier vom Tiger holen. Als er zur gewohnten Stelle kam, saß der Tiger sprungbereit da und wartete auf ihn. Er sagte: „Ei, Mann, ich habe auf dich gewartet, denn nun werde ich dich fressen. Hatte ich dir nicht verboten, mit jemanden zu sprechen? Dafür habe ich dir doch jeden Tag ein Tier gebracht. Warum hast du gesprochen?“
    Der Mann bekam ganz verstörte Augen, solche Angst hatte er. Er widersprach nicht, sondern bettelte: „Bruder Tiger, friß mich nur, ich sage nichts dagegen. Ich weiß ich habe gesprochen. Aber bevor ich sterbe, laß mich meine Frau benachrichtigen.“


    Der Tiger willigte ein. „Nungut, so geh, aber beeile dich! Ich warte, solange mein Maul noch feucht vom Speichel ist. Wenn es trocken wird, dann folge ich dir und fresse dich und deine Frau. Denn wie sollte ich einen Mann am Leben lassen, der nicht schweigen kann!“


    Der Mann ging traurig davon. Er bereute sehr, sein Wort nicht gehalten und gesprochen zu haben. Als er bei seiner Frau war, erzählte er ihr alles. Dann sagte er: „Ich kann nicht länger bleiben, denn der Tiger wartet. Wenn er lange warten muß, kommt er her und frißt uns beide!“ Die Frau begann zu weinen, und sie bedauerte sich und bereute die gemachten Fehler. Der Mann nahm Abschied von seiner Frau und lief weinend zum Tiger zurück. Unterwegs traf er den Hasen, der ihn fragte: „Wohin gehst du und warum weinst du so?“ Da erzählte der Mann dem Hasen von seinem Unglück, und er erzählte alles von Anfang an. „Oh“, sagte der Hase, „habe keine Angst! Hole mir zuerst einen Bund Bananen. Warum fürchtest du diesen dummen Tiger?“


    Der Mann freute sich sehr. Er lief schnell davon, um die Bananen zu holen. Als er sie dem Richter Hase übergab, sagte er: „Nehmt, Herr und rettet mir mein Leben, denn bald wird der Tiger kommen und mich fressen!“ „Ei“, antwortete der Hase, „wir bleiben jetzt zusammen und beobachten den Tiger.“ Der Hase suchte einen Hügel, dann setzte er sich, um die Gegend weit überblicken zu können.
    Der Tiger, der schon lange auf den Mann gewartet hatte, machte sich nun auf den Weg. Er hatte nichts weiter im Sinn, als den Mann und seine Frau zu fressen, denn für ihn waren nun beide schuldig.
    Als er am Fuße des Hügels angelangt war, entdeckte ihn der Mann und meldete dies dem Hasen: „Er ist da Herr!“ Richter Hase sagte: „Sprich kein Wort, warte bis er nahe heran ist!“ Als der Tiger ganz nah vorbeiging, stopfte sich der Hase eine Banane in den Mund und rief mit heiserer Stimme: „Hem, hem“ Nun habe ich schon fünf Tiger gefressen und bin immer noch nicht satt. Ich habe auch eine Aubergine, dick wie mein kleiner Finger, gefressen, die brennt mir nun so im Hals, daß er fast auseinanderspringt, hem, hem!“


    Als der Tiger dies hörte, sprang er in großen Sätzen davon. Richter Hase aber wiederholte seine Rede noch mehrmals. Der Tiger rannte was er konnte, er sah nicht zurück und als er schon weit weg war, traf er auf einem Affen, der auf einem Baum saß. Der Affe rief herunter: „Bruder Tiger, warum rennst du so?“ Der Tiger hielt an und antwortete: „Oh, wie groß muß der doch sein! Er frißt fünf Tiger und ist immer noch nicht satt! Ich hatte Angst und bin weggelaufen, weil ich fürchtete, er würde mich auch noch fressen.“ „Hast du ihn gesehen, Bruder?“ fragte der Affe. „Nein, ich habe nur seine Stimme gehört.“ Der Affe fragte wieder: „Wo hast du die Stimme gehört?“ „In der Nähe eines Hügels, der mit Pongro-Bäumen bewachsen ist.“ Da sagte der Affe: „Ich glaube, das war Richter Hase. Wir wollen von hier oben aus den Hügel beobachten.“ „Aber nein“, sagte der Tiger, „Daß war nicht die Stimme eines Hasen.“ „Doch, es war bestimmt der Hase. Laß uns zurückgehen und sehen wer dort ist.“ Aber der Tiger sträubte sich. „Ich habe Angst, Bruder Affe, daß du mich verläßt. Denn wenn es gefährlich wird, kannst du schnell auf einen Baum klettern, und ich muß dann allein sterben.“


    Der Affe beruhigte den Tiger: „Wenn du Angst hast, daß ich dich verlassen könnte, so wollen wir unsere Schwänze aneinanderbinden. Dann kann ich nur mit dir zusammen auf einen Baum klettern.“ „Nun, so will ich gerne mitkommen“, sagte der Tiger, „also, gehen wir! Aber keiner darf den anderen verlassen!“ Der Tiger und der Affe banden darauf ihre Schwänze fest zusammen und liefen zu dem Hügel. Der Mann sah sie kommen und berichtete des Richter Hase. „Oh, Herr! Er kommt zurück. Aber diesmal bringt er einen Affen mit! Ich habe Angst Herr!“ „Beunruhige dich nicht!“, sagte der Richter Hase. „Bleib nur still und warte, bis sie ganz nahe heran sind!“ Der Hase legte sich eine Banane zurecht, die er sich zur rechten Zeit wieder in den Mund stopfen wollte.


    Als die beiden ganz nahe heran waren, fragte der Affe: „ Wo war es, Bruder Tiger?“ „Hier“, sagte der Tiger. „Die Stimme kam von da.“ Jetzt stopfte sich der Richter Hase die Banane in den Mund und rief: „Hoho, der Affe mit den Krallen ist da! Schon vier, fünf Jahre hast du Schulden bei mir und bringst mir nur diesen abgemagerten Tiger. Das ist gemein von dir, Affe!“


    Als der Tiger das hörte, machte er einen Sprung und wollte weglaufen. Der Affe versuchte, ihn zurückzuhalten, aber der Tiger hörte nicht. Er dachte nur: „Oh, der Affe will mit meinem Körper seine Schulden bezahlen!“ Der Affe rief: „Bruder Tiger, halt an! Bruder Tiger, halt an!“ Aber der Tiger hörte nicht, denn er glaubte, daß ihn der Affe hierhergeführt habe, um ihn auszuliefern und sich selbst zu befreien. Der Tiger lief weit, bis der Affe an einen Baum geschleudert wurde . Sein zerschlagener Körper fiel zu Boden, und er starb ganz ohne Grund.


    Verschließe deinen Mund, wie du eine Flasche verkorkst.

  • Geschichte von den sieben tauben Verwandten


    Es waren einmal ein Mann und eine Frau, die gingen, ihre Geschwister im Dorf Prey Sandaik – Bohnen Wald – zu besuchen.
    Sie gingen und gungen, da trafen sie auf einen von sieben tauben Verwandten. Der spannte gerade die Ochsen ein, um das Feld zu bestellen.
    Der Mann und die Frau fragten:
    „Mann, aey, Mann! Welcher Weg führt zum Drof Prey Sandaik? Wir sind nämlich schon lange Jahre nicht hier gewesen und wissen den Weg nicht mehr genau.“
    Der Taube wurde wütend und antwortete:
    „Dieses mein Ochsenpaar, das sind Kinder aus meinem Stall. Den roten da, den hat mir meine Schwiegermutter gegeben; den mit den auseinanderlaufenden Hörnern, den hat mir mein Vater gegeben. Ich habe die Ochsen niemandem gestohlen, um sie anzuschirren.“
    Der Mann und die Frau, die nach dem Weg gefragt hatten, hörten das und sagten zueinander: „Wir fragen den Mann nach dem Weg, und er redet von seinen Ochsen und kommt uns auch nich grob dabei. Wir wollen ihn nichts weiter fragen, wir müssen ja bald auf das Haus unserer Geschwister stoßen.“
    So gingen sie weiter.
    Was den Tauben betrifft, der pflügte eifrig das Feld ohne Pause. Gegen Mittag brachte ihm ein taubes Weib, das seine Frau war, Reis zum Essen. Als sie ankam, stellte sie den Korb mit dem Reis in den Schatten eines Baumes am Rande des Feldes.
    Der Mann sah die Frau mit dem Reis kommen, da hörte er auf mit dem Pflügen, um zu essen. Dabei sagte er voller Zorn zu seiner Frau:
    „Da waren ein Mann und eine Frau, die kamen irgendwoher und behaupteten, ich hätte ihre Ochsen gestohlen. Dieses Ochsenpaar aber haben mir in Wahrheit Vater und Mutter gegeben.“
    Die Frau sah den Mund ihres Mannes schweratmend sprechen und dachte, er meinte sie. Da wurde sie zornig und erwiderte ihm:
    „Ich denke, der Mann plügt denn ganzen Vormittag das Feld, ich halte mich dazu, ihm Reis zum Essen zu bringen, und jetzt heißt es, ich hätte einen Geliebten. Wie soll denn der Geliebte heißen? Den mußt du mir erst zeigen!“
    Der Mann stopfte sich Reis in den Mund, ein ganzes Körbchen, und hörte nicht, daß seine Frau etwas sagte. Als der mann zu Ende gegessen hatte, raffte die Frau den Korb auf. Der Mann fragte:
    „Was gibt es denn zu Hause, daß du es so eilig hast?“
    Die Frau sagte: „Ich muß das unbedingt den Eltern erzählen.“ Und sie nahm den Korb auf und ging nach Hause zurück. Dort traf sie die Mutter. Mit zronrotem Gesicht sagte sie zu ihr:
    „Dein Schwiegersohn ist vielleicht gut! Ich bringe ihm Reis zum essen, und kaum habe ich den Korb hingestellt, behauptet er ich hätte einen Geliebten.“
    Was die Mutter betrifft, die bebte vor Zorn und sagte: „Ach, so ist das, deshalb bist du so rot! Ich nenne dich Tochter und Enkelin, ich hüte hier dein Haus, und jetzt sagts du, ich hätte deinen Tabak gestohlen und ihn gegen Kokosnuß eingetauscht, du Schlamoe. Sag das ja nicht wieder! Nicht eine Prise Tabak habe ich genommen, und selbst wenn es so wäre, brauchts du mich nicht vor den Leuten zu schelten. Warte bis dein Vater kommt! Ich erzähle es ihm, und er wird dich windelweich schlagen.“
    Wenige später kam ihr Mann. Er hatte Pfosten für den Zaun geschlagen, damit die Büffel nicht eindringen und die Setzlinge fressen konnten. Ihm berichtete die Frau:
    „Unsere Tochter nahm Reis und brachte ihn ihrem Mann, ich hütete ihr Haus. Als sie zurückkam, sagte sie, ich, die Mutter, hätte ihren Tabak gestohlen und gegen Kokosnuß eingetauscht. Das bringt mich in Wut.“
    Der Mann verstand nichts, ärgerte sich über seine Frau und schimpfte:
    „Du Diebsgesicht! Was bist du eifersüchtig! Ich putze mich heraus und besuche irgendein Weib! Ich habe Bäume gefällt für Pfosten zu einem Zaun! So ist das! Wenn du mir nochmal mit deiner Eifersucht kommst, dann gebe ich dir einen Tritt.“
    Nachdem es so seine Frau zurechtgewiesen hatte, aß er. Dann ging er angeln, fing Fische und kam wieder nach Hause. Am Abend bereitete ihm die Frau aus einigen Fischen ein Essen, einige bewahrte sie für den Morgen auf, um sie einem jungen Mönch im Kloster zu geben, einem kleinen Sohn, der dort das schreiben lernte.
    Als der Morgen kam, kochte die Mutter Reis und legte ihn in die Schüssel zusammen mit der Zuspeise vom Abend vorher, um alles ins Kloster zu tragen und dem Sohn Mönch zu geben. Sie sagte:
    „Ich denke sehr an dich Kind, wie lernst du denn so?
    Der Sohn Mönch antwortete:
    „Es geht vorwärts, Mutter! Heute gefällt mir das ruhige Mönchsleben, ich verlasse das Kloster nicht mehr.“
    Die Mutter rief dem Kind, das den Mönch diente, zu: „Jungchen, verlaß die Mönche und komm für einen Tag nach Hause, denn der vater sehnt sich sehr nach dir.“
    Das Kind sagte zur Mutter:
    „Zwei Trockenfische haben die Mönche in der Zelle. Am Abend nehme ich sie, bereite sie zu und esse sie mit Reis, der am Morgen übriggeblieben ist, als die Mönche gegessen haben.“
    Die Mönche nun, die in der Nähe der Zelle saßen, so viele es waren, die hörten Mutter und Knd miteinander sprechen, die sich nicht einig wurden. Da konnten sie nicht an sich halten und brachen in Gelächter aus.
    Die Frau verabschiedete sich von dem Kind und ging nach Hause. Dort baugte sie das Knie vor dem Gatten und sagte:
    „Ich grüße dich!“
    Der gatte antwortete:
    „Ach, ich sah Reis, Suppe, Zuspeise im Behälter, das habe ich alles aufgegessen.“
    Die Frau sah den Mann an, der Mann sah die Frau an, sie blinzelten sich an. Wenig später kam die jüngere Schwester des Mannes an, die in einem entfernten Dorf wohnte. Sie brachte einen Topf Früchte und ein Bündel Ingwer, das gab sie dem Bruder, und sie fragte ihn:
    „Bruder, wieviel Fled hast du gepflügt, geeggt und bepflanzt?“
    Der Mann und die Frau antworteten beide der jungen Schwester:
    „Ach ja, du! Es ist angebracht, daß du deine Tochter verheiratest, daß sie einen Mann hat. Aber paß gut auf, daß er nicht nur Karten spielt, daß er nicht nur Schnaps trinkt und Opium raucht.“
    Die jüngere Schwester hörte und verstand auch nichts, und sie sagte zu den beiden Leuten:
    „Es tut mir leid, meine Melonenkürbisse standen gut, schon zeigten sich Blüten und Fruchtknoten. Plötzlich kam eine Muttersau, hat sie ausgewühlt, und alle sind eingegangen.“
    Die beiden Leute sagten:
    „Ach, du! Geh nur wieder nach Hause. Es ist schon spät, und vielleicht weint dein Kind und sucht dich.“
    Und die jüngere Schwester kehrte nach Hause zurück.


    ***


    „Wenn man nicht richtig verstanden hat, soll man nicht die Brauen heben (eine Meinung äussern).“


    Aus dem Buch: Kambodschanische Volkmärchen, Herausgegeben von Rüdiger Gaudes (Akademie-Verlag Berlin 1987)

  • Die Geschichte von Bhikkhu Sok


    Vor vielen Jahren war eine Hungersnot in Kampuchea (Kambodscha). Ein Phnong (Bergvolk) Namens Chow Phnong Kruu kam er aus seinem Bergdorf in die Stadt Senmonorom um Nahrung für seine zu finden. Als er nach einiger zeit wieder nach Hause zurückkehrte, fürchteten sich die abergläubischen Dorfbewohner vor ihm, da er es gewagt hat das abgeschiedene Dorf zu verlassen und kühn mit den fremden in der Ebene gelebt hat.


    Während der nächsten Wochen begann Chow Phnong Gruu seiner Famile einige neue Dinge über Essenszubereitung und Konservierung, die er gelernt hatte, beizubringen. Diese neuen Wege missfielen den einfach lebenden Phnongs stark. Sie begannen untereinander zu flüstern, dass Chow schwarze Magie betreibt.
    Eines Tages wurde das kleine Kind des Nachbarn krank und starb. Die Dorfbewohner beschuldigten Chow Phnong Gruu’s Zauber als Grund für den Tod des Kindes und verlangten vom Anführer der Phnongs, ihn zu bestrafen. Nun hatte der Anführer der Phnongs sein Leuten schon immer verboten schwarze Magie zu praktizieren. Er war außer sich vor Zorn, als er von Chow hörte, dass dieser seine Anordnung ignoriert hatte. So ließ der Anführer der Phnongs unverzüglich nach einer Gruppe von Jägern aus dem Dorf rufen um Chow Phnong Gruu und seine Familie mit sieben scharfen Degen töten zu lassen.


    Die Jäger erfüllten ihre Aufgabe gut. In nur wenigen Stunden war Chow Phnong Gruu und seine ganze Familie tot. Alle bis auf den kleinen Jungen Chow Sok. An diesem Morgen war Chow Sok auf das am Rande des Walde liegende Reisfeld geschickt worden um dort die Frucht zu beobachten bis das Korn zu ernten sein. Am späten Nachmittag als er sich dort lagerte, hörte er eine Gruppe zorniger Jäger die hinter den Bäumen vorüber ging. Er hörte mit Horror wie sie vom Mord an seiner Mutter, seinem Vater, seiner Großeltern und seiner Bruder und Schwester, seinen Tanten und Onkel –seiner gesamten Familie, sprachen. Er zitterte vor Angst als er die Jäger ungeduldig murrten hörte, dass noch ein kleiner Junge am Leben war und ihn keiner finden konnte.


    Als die Jäger weg waren, kletterte Chow Sok schnell auf in die Krone eines Baumes um sich im Gewirr der Lianen zu verstecken. Aus der Baumkrone beobachtete der wie die Jäger durch die Reisfelder stapften und jeden Winkel des Tales und jeden Haufen Buschholz durchsuchten um den vermissten Jungen zu finden. Als die Sonne unterging, kehrten die entmutigten Jäger zurück und gingen zurück in ihre Dörfer in den nahen Bergen.


    Krank vor Trauer und Angst saß Chow Sok in dem sichern Dickicht der Schlingpflanzen bis Mitternacht. Dann kletterte er langsam herunter und machte sich vorsichtig auf den Weg durch die Reisfelder, in den Wald und hinunter in ein anderes Phnong Dorf, dass in den unteren Bergen angesiedelt war.
    Am Ende des Dorfes war eine kleine Hütte neben dessen Eingang dicht verwobenen Körben mit Früchten lehnten. Chow Sok war kalt und er war müde und hungrig. Er saß dann ein paar Früchte rollte sich zwischen den Körben ein und schlief ein.


    Am nächsten Morgen sah der alte Mann, der alleine in dieser Hütte wohnte den schlafenden Jungen. Er wusste sofort, dass er das Kind sein mußte, das die Jäger aus den oben gelegenen Dörfern suchten. Der alte Mann bemitleidete das Kind. Denn Jungen aufweckend und warnend, dass er still sein solle, nahm ihm der Mann mit in die Hütte und versteckte ihn unter Strohmatten.


    Später an diesem Mörgen kämen die Jäger in dieses unten gelegene Dorf um abermals nach dem Jungen zu suchen. Als sie den alten Mann vor dem Eingang seiner Hütte und den Früchten sitzen sahen, rannte Chow Sok schnell die Straße hinunter um den Händler von Kratieh zu finden.


    Bald sah er den Händler mit seinen Ochsenwagen schwer mit Buschholz und getrocknetem Fisch beladen. Zu scheu um mit dem Händler der aus einem fremden Land kam zu sprechen, ging Chow Sok für eine lange Zeit weit hinter dem Wagen hinterher. Als er sich müde fühlte, kam er näher und sprang hoch um sich auf den Praeks des Wagen zu legen. Der Ochsenkarren schwangte und der Handler drehte sich schnell um und sah wie der kleine Phnong Bub hinter den Rädern hing.


    “Na hallo! Wer bist du Junge? Wo sind deine Eltern? Warum hängst du auf meinem Ochsenwagen”, rief er dem Buben in der Sprache der Phnong zu.
    Das verlegene Kind krabbelte schnell von dem hölzernen Preak hinunter. Schluchzend erzählte er die traurige Geschichte seiner Familie, dem Jägern des Anführers und dem freundlichen alten Mann.


    Der Handelsmann verstand alles und bemitleidete den verschreckten Jungen. „Ay, mein armer Junge“, sagte er, „du mußt mit mir mitkommen, weg von den Phnong Dörfern. Du kannst mit mir in Kratieh leben. Ich wollte schon immer einen Sohn. Komm, komm jetzt. Spring 'rauf zu mir auf die Holzdeichsel und lass uns diesen Platz schnell verlassen.“


    Ihre gemeinsame Reise war sicher und er erreichte Kratieh in einer guten Zeit.


    Die Liebe des Handelsmann wuchs und er kümmerte sich innig um Chow Sok als wäre es sein eigener Sohn. Er lehrte Chow Sok die Khmer Sprache und die Gebräuche des Landes. Im Gegenzug war Chow Sok vollkommen hingebungsvoll zu seinem neugefundenen Vater. Er lernte mit großer Umsicht und half dem Handelsmann fleißig bei all seiner Arbeit.


    Ein paar Jahre später sendete der Handelsmann Chow Sok ins Kloster von Kratieh um zu studieren. Die Mönche waren beeindruckt vom scharfen Geist und dem guten Charakter des Buben. Als Chow Sok fünfzehn Jahre alt war ordinierte er als Novize. Als er einundzwanzig war, ordinierten ihn die Mönche zur vollen Ordination, einem Bhikkhu. Er wurde nun Bhikkhu Sok genannt.


    Bhikkhu Sok wurde ein edler und geehter Mönch. Seine Weisheit und Urteilsvermögen wurden im ganzen Land respektiert.


    Anmerkung: Phnong sind ein indigenes Bergvolk im Norden von Kambodscha (Ratanakiri, Mondolkiri)
    Gruu kommt von Guru und dient als Bezeichnung für einen Lehrer, aber auch für Schamane oder Arzt.


    Aus dem Buch: Cambodian folk stories from the Gatiloke- by Muriel Paskin Carrison, Chhean Kong