Vedanta, Samkhya und Upanishaden vs. Sutta-Piṭaka

  • mukti:

    Ahaṃkāra ist sowohl im Vedanta als auch im Buddhismus die irrige Annahme eines Ich. Der Vedanta lehrt ebenfalls dass keine Identität mit Körper/Geist besteht, genau wie der Buddha es anhand seiner Einteilung des Daseins in 5 Gruppen lehrt (Das bin ich nicht usw.) Der Vedanta lehrt aber darüber hinaus ein ewiges beständig gleichbleibendes, ursachloses Selbst - Atman. Und zwar der Dvaita Vedanta als eine separate Individualität und der Advaita Vedanta als Brahman, das unpersönliche Eine, was der Buddhalehre näher kommt. Im Palikanon steht auch dass Nibbana das Ungeborene, Ungeschaffene ist, aber es gibt dazu keine Definition als das Eine (alles ist Brahman), das der Vielfalt zugrunde läge. Der Buddha lehrt keine wie auch immer geartete Identität, im Gegensatz zum Vedanta: "Tat Tvam Asi" (das bist du).


    In diesem Strang soll versucht werden zu klären, woher der Begriff "Ahaṃkāra" stammt, was er in Vedanta, Samkhya und Upanishaden bedeutet(e), was er im Sutta-Piṭaka bedeutet und wer eventuell von wem abgeschrieben hat.


    Viele Grüße
    Elliot

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    Elliot

  • Ahaṃ bedeutet Ich und kāra bedeutet machend, bewirkend, Ahaṃkāra wäre dann vielleicht übersetzbar als "das als Ich Wirkende". Es gibt mehrere Systeme des Vedanta, die sich jeweils auf bestimmte Upanishaden berufen. Samkhya (=aufzählen) ist eine Analyse der Elemente des Daseins, darunter sind auch metaphysische Vorstellungen (begründet von Kapila). Demnach wird der Ursprung von Ahaṃkāra auf jeweils verschiedene Weise dargestellt. Im Dvaita Vedanta ist es eine individuelle ewige Seele die sich irrtümlich mit Körper/Geist identifiziert, im Advaita Vedanta ist es das Brahman, das mittels Illusion (Maya) diese Ich-Auffasung hervorruft. Samkhya wird dabei von beiden Richtungen verschieden ausgelegt, wobei sich die wieder in mehrere Schulen aufgezweigt haben.


    Jetzt wäre interessant ob, wie und wo der Begriff Ahaṃkāra im Palikanon auftaucht, weiß ich noch nicht. Es hat ihn dann aber vermutlich schon vor dem Buddhismus gegeben.

  • mukti:

    Jetzt wäre interessant ob, wie und wo der Begriff Ahaṃkāra im Palikanon auftaucht, weiß ich noch nicht.


    Also, ich meine, er taucht hier auf:



    mukti:

    Es hat ihn dann aber vermutlich schon vor dem Buddhismus gegeben.


    Tja, was ist "Buddhismus"?


    Es gibt Ahamkara jedenfalls auch in den Upanishaden:



    Bleibt die Frage: Sind diese Upanishaden vor oder nach dem Sutta-Piṭaka entstanden.


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    Elliot

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    Elliot

  • Ich stimme mukti zu das Ich ist das "Bin" das durch Maya aus Brahman hervorgeht.
    Der Atman ist die gierfreie, hassfreie, anhaftungsfreie Seele. Das Selbst.
    Das EGO ist das gierige, hassende, anhaftende Ich.

    Gier durch Verlassenangst.
    Hass durch Versagensangst.
    Anhaftung durch Verlustangst.


    Gier, Hass und Anhaftung durch Vergehensangst.


    Vergehensangst durch Unwissenheit.


    Unwissenheit ist Unwissenheit von Unvergänglichkeit.


    Nicht brennen, nicht dörren, nicht schneiden könne man den Atman, denn er sei ewig.


    Gier ist gekoppelt an Schmerzerfahrung.
    Hass ist gekoppelt an Ohnmacht.
    Anhaftung ist gekoppelt an Verstörung.


    Das Ich ist schmerzempfindlich.
    Das Ich ist ohnmachtsanfällig.
    Das Ich ist verstörungsanfällig.


  • Ach ja, hattest du im Visuddhi-Magga Strang schon mal erwähnt. Sehr interessant.


    Elliot:
    mukti:

    Es hat ihn dann aber vermutlich schon vor dem Buddhismus gegeben.


    Tja, was ist "Buddhismus"?


    Ich vermute dass der Begriff zu Zeiten des Gautama Buddha bereits bekannt war in Yogikreisen, etwa bei den Beiden bei denen er zuerst gelernt hat.


    Elliot:


    Es gibt Ahamkara jedenfalls auch in den Upanishaden:


    Zitat

    Im Shvetashvatara Upanishad schiebt sich der Begriff des „Ichmacher“ (Ahankara) zwischen Buddhi und Manas. Es soll dies das dinglich vorgestellte Bewusstsein des Individuums sein, alles auf sich zu beziehen und sich als Einzelwesen zur Geltung zu bringen.[2]


    (https://de.wikipedia.org/wiki/Buddhi)


    Ahankara wäre da wohl die individuelle Vereinzelung des allumfassenden Brahman.


    Elliot:


    The concept of ahamkara in Samkhya can be traced back to the notion of ahamkara in chapters 1.2 and 1.4 of the Brihadaranyaka Upanishad and chapter 7.25 of the Chāndogya Upaniṣad.


    (https://en.wikipedia.org/wiki/Samkhya)


    Wobei es verschiedene Versionen des Samkhya gibt.


    Elliot:


    Bleibt die Frage: Sind diese Upanishaden vor oder nach dem Sutta-Piṭaka entstanden.


    Zitat

    Die frühesten Upanishaden dürften nicht vor 1000 v. Chr. niedergeschrieben worden sein, und man setzt das Ende der Upanishaden-Epoche" etwa mit der Zeit um 500 v. Chr. an.
    http://wiki.yoga-vidya.de/Upan…ntstehung_der_Upanishaden


    Vorher hat es angeblich eine jahrhundertelange mündliche Überlieferung der Upanishaden gegeben.

  • Diese drei, in denen von Ahamskara gesprochen wird, könnten durchaus vor dem Sutta-Piṭaka entstanden sein:


    Zitat

    Flood as well as Gorski state that the Svetasvatara Upanishad was probably composed in the 5th to 4th century BCE.[11] Paul Muller-Ortega dates the text between 6th to 5th century BCE.[12]


    (https://en.wikipedia.org/wiki/Shvetashvatara_Upanishad)


    Wenn also im Sutta-Piṭaka auf Ahamskara Bezug geonnem wird, dann scheint es plausibel, dass damit zumindest das Ahamskara aus Brihadaranyaka-Upanishad, Chandogya-Upanishad und vielleicht auch noch aus Shvetashvatara-Upanishad gemeint sein könnte.


    Während ein späteres Ahamskara in den Upanishaden sich wiederum durchaus auf das Ahamskara des Sutta-Piṭaka beziehen könnte. Solche Wechselwirkungen sind gar nicht so selten, es gibt einige spätere Upanishaden, die von buddhistischen Ideen beeinflußt worden sind, die Mandukya-Upanishad zum Beispiel gilt vielen als solche.


    Viele Grüße
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    Elliot

  • Elliot:


    Wenn also im Sutta-Piṭaka auf Ahamskara Bezug geonnem wird, dann scheint es plausibel, dass damit zumindest das Ahamskara aus Brihadaranyaka-Upanishad, Chandogya-Upanishad und vielleicht auch noch aus Shvetashvatara-Upanishad gemeint sein könnte.


    Während ein späteres Ahamskara in den Upanishaden sich wiederum durchaus auf das Ahamskara des Sutta-Piṭaka beziehen könnte. Solche Wechselwirkungen sind gar nicht so selten, es gibt einige spätere Upanishaden, die von buddhistischen Ideen beeinflußt worden sind, die Mandukya-Upanishad zum Beispiel gilt vielen als solche.


    Ich denke dass Ahamkara im Grunde überall dasselbe bedeutet, nämlich dass Anhaftung an Körper/Geist ein Ich bewirkt. Ansichten über ein Selbst oder Brahman haben damit insofern zu tun, dass sie die Frage betreffen: was ist, wenn es keine Anhaftung mehr gibt, und damit kein Ahamkara? Die Upanishaden sprechen von einem ewigen oder göttlichen Urgrund, Die Buddhalehre von Nibbana. Dazu gibt es allerhand Beschreibungen und Vermischungen (z.B. "Brahmanirvana").


    Nibbana wird dabei am Wenigsten beschrieben, es bedeutet im Grunde nur das Erlöschen des Ahamkara. Alle Vorstellungen über ein transzendentes Sein, bzw. meditative Erfahrungen die als letztgültiges Sein angesehen werden (jhanas), entspringen demnach dem Durst nach Dasein, ins Metaphysische verschoben. So ungefähr sehe ich das.


    Das mag dann verschieden abgegrenzt werden, wo das Ahamkara aufhört und das "wahre Selbst" beginnt, oder die Annahme eines solchen Selbstes auch als Ahamkara bezeichnet werden, weil eine höhere Erfahrung wie Raumunendlichkeit usw. ja immer noch an Daseinsgruppen gebunden ist, wenn auch in subtilster Art. So sind halt je nach Erfahrung und Ansicht allerlei Systeme entstanden, in einer mitunter verwirrenden Vielfalt.

  • mukti:

    Ich denke dass Ahamkara im Grunde überall dasselbe bedeutet, nämlich dass Anhaftung an Körper/Geist ein Ich bewirkt.


    Hier könnte man mal anfangen, diese Texte waren sicher schon zur Zeit des Buddha "Klassiker":


    Zitat

    The oldest of the major Upanishads (c. 900–600 BCE) contain speculations along the lines of classical Samkhya philosophy.[46] The concept of ahamkara in Samkhya can be traced back to the notion of ahamkara in chapters 1.2 and 1.4 of the Brihadaranyaka Upanishad and chapter 7.25 of the Chāndogya Upaniṣad.[46] Satkaryavada, the theory of causation in Samkhya, can be traced to the verses in sixth chapter which emphasize the primacy of sat (being) and describe creation from it. The idea that the three gunas or attributes influence creation is found in both Chandogya and Shvetashvatara Upanishads.[74] Upanishadic sages Yajnavalkya and Uddalaka Aruni developed the idea that pure consciousness was the innermost essence of a human being. The purusha of Samkhya could have evolved from this idea. The enumeration of tattvas in Samkhya is also found in Taittiriya Upanishad, Aitareya Upanishad and Yajnavalkya–Maitri dialogue in the Brihadaranyaka Upanishad.[75]


    (https://en.wikipedia.org/wiki/Samkhya)


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    Elliot

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  • Tja jetzt müsste man nur mehr die Stellen in diesen zwei Upanishaden finden wo ahamkara vorkommt, und womöglich eine deutsche oder englische Übersetzung dazu haben.

  • Hier ist die Stelle "chapter 7.25 of the Chāndogya Upaniṣad":



    Die zwei Stellen in der Brhadâranyaka-Upanishad habe ich leider noch nicht gefunden.


    Viele Grüße
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  • Ah ja, da ist aber das Ahamkara als das unsterbliche Unbeschränkte bezeichnet, was eigentlich sonst für das Brahman gilt, bzw. die Einheit des Atman mit Brahman :?

  • Ja, es sieht so aus, als würde in der Chandogya Upanishad das Bewusstein als etwas zum Ich-gehörigen verstanden ( "Ich"-Bewusstsein, Ahamkara ) und dabei kein wesentlicher Unterschied zum Atman ( unsterbliche Seele ) gemacht zu werden:



    Dazu heißt es im Sutta-Pitaka:



    Es wird also davon abgeraten, Bewusstseinszustände welcher Art auch immer als "Ich"-Bewusstsein (Ahamkara) oder gar Atman aufzufassen:



    Stattdessen:



    Viele Grüße
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  • Irgendwie merkwürdig, weil "kara" bedeutet ja soviel wie machen, bewirken. Die Seele ist aber nach dieser Philosophie nichts Gemachtes oder Bewirktes, sondern ohne Ursache. Wieso wird sie dann mit "ahamkara" gleichgesetzt?


    Hm, vielleicht hängt es damit zusammen dass die Welt gemacht ist als eine Umwandlung von Brahman, nach der Philosophie dass es zwei Arten von Brahman gäbe, Nirguna und Saguna Brahman. "Ich bin diese ganze Welt" würde dann Saguna Brahman meinen.

  • Vielleicht wird der Unterschied zwischen Atman/Brahman und Ahamskara etwas klarer, wenn wir die Verwendung von Ahamskara in der Brhadâranyaka-Upanishad gefunden haben:


    Zitat

    The oldest of the major Upanishads (c. 900–600 BCE) contain speculations along the lines of classical Samkhya philosophy.[46] The concept of ahamkara in Samkhya can be traced back to the notion of ahamkara in chapters 1.2 and 1.4 of the Brihadaranyaka Upanishad


    (https://en.wikipedia.org/wiki/Samkhya)


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    Elliot

  • Habe ich noch nicht gefunden, aber diese Stelle ist mir aufgefallen:



    Demnach könnte sich Ahankara sowie Atman als "Ich bin die ganze Welt" auf das gestaltete Brahman beziehen. Ahankara wäre dann auf das ungestaltete Brahman nicht mehr anwendbar, Atman eher schon: "Der Atman ist Brahman".


    Aber ich weiß nicht genau wie die sich das im Einzelnen gedacht haben.

  • Finde ich auch nicht, aber unter 1.4 gibt's einen Atman:



    Allerdings ist das eine sehr mythologische Angelegenheit.

  • In Abschnitt 1.4. geht es neben Atman immerhin auch um "Ich" (aham):


    Zitat

    âtmaivedam agra âsît purushavidhah so 'nuvîkshya nânyad âtmano 'pashyat so 'ham asmîty agre vyâharat tato 'ham nâmâbhavat tasmâd apy etarhy âmantrito 'ham ayam ity evâgra uktvâthânyan nâma prabrûte yad asya bhavati


    Am Anfang war diese Welt allein der Âtman, in Gestalt eines Menschen. Der blickte um sich: da sah er nichts andres als sich selbst. Da rief er zu Anfang aus: "Das bin ich!" Daraus entstand der Name Ich. – Daher auch heutzutage, wenn einer angerufen wird, so sagt er zuerst: "Das bin ich!" und dann erst nennt er den andern Namen, welchen er trägt. –


    (http://12koerbe.de/hanumans/brhad-1.htm)


    Aber von Ahamskara steht da leider nichts.


    Nichtsdestotrotz rät der Buddha laut Sutta-Piṭaka in jedem Fall:



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