Suche: Kerntexte/Grundlagen des Zen- und Chan-Buddhismus

  • Hallo zusammen,


    ich plane gerade eine Studienarbeit mit Fokus auf die Bedeutung des Ich und des Selbst im Zen-Buddhismus und suche hierfür grundlegende Texte.
    Die Arbeit selbst fertige ich für ein Modul mit dem Thema Persönlichkeitsbildung und Selbstsuche an, mein Studium hat keine direkte Verbindung zu Buddhismus und asiatischer Kultur, von daher fehlt mir Grundwissen um eine sinnvolle Ordnung der Fülle an Literatur zu dem Thema leisten zu können.


    Ich wäre euch sehr dankbar, wenn ihr mir helfen könntet eine kleine Auswahl von grundlegenden Werken zusammenzutragen, welche sich speziell mit dem Thema ich und Selbst beschäftigen.
    Besonders die verschiedenen Strömungen des Buddhismus erschweren es mir zu verstehen, welche Texte denn nun in Verbindung zu den mir einigermaßen bekannten Kerngedanken des Zen stehen.
    Ist beispielsweise der Pali Kanon des Theravāda-Buddhismus ein Quelle welche als Grundlage der späteren Ausrichtung des Zen herangezogen werden kann (und wenn ja welche Sutren lassen sich zum Thema Selbstsuche heranziehen), oder stellt die spätere Entstehung des Chan- und Zen-Buddhismus eher so etwas wie einen Bruch in der Entwicklung des Buddhismus dar?


    Ich wäre euch sehr Dankbar wenn ihr mir einen Wink in die richtige Richtung geben könntet!


    Liebe Grüße,
    Niklas

  • GAU-LEM:

    ich plane gerade eine Studienarbeit mit Fokus auf die Bedeutung des Ich und des Selbst im Zen-Buddhismus und suche hierfür grundlegende Texte.
    Die Arbeit selbst fertige ich für ein Modul mit dem Thema Persönlichkeitsbildung und Selbstsuche an, mein Studium hat keine direkte Verbindung zu Buddhismus und asiatischer Kultur, von daher fehlt mir Grundwissen um eine sinnvolle Ordnung der Fülle an Literatur zu dem Thema leisten zu können.


    Faule Socke ;)
    Nein, aber im Ernst: Schreib lieber eine Arbeit über was, wovon du wenigstens so minimal Ahnung hast, dass du die Literatur dazu grundlegend einordnen kannst. Oder wo dein Dozent dir dabei helfen kann, die richtige Literatur zu finden.

  • Byung-Chul Han - Philosophie des Zen-Buddhismus, von reclam, ISBN 9783150181850

    Einmal nur noch möcht ich wandern, in der großen Wanderschaft,
    Einsam, ohne einen andern, bis verhaucht die letzte Kraft.
    Sterbend möcht den Blick ich lenken auf das Schneeland himmelhoch,
    Sterbend noch des Lehrers denken und der Lehre, die nie trog.

  • Zitat

    Ist beispielsweise der Pali Kanon des Theravāda-Buddhismus........


    Der Palikanon des Theravada ist der selbe wie der des Zen ...deswegen heißt er ja ...-Kanon :P
    Einen richtigen Bruch kann ich in keiner buddhistischen Strömung erkennen. Es ist eher so, dass das Vorhandene den Buddhismus einfach ...implementiert, oder integriert.


    Die Lektüre, die ich dir gepostet habe, beschäftigt sich eingehend damit was du suchst. Byung-Chul zieht auch Vergleiche mit den Ansichten Heideggers, Hegels, Leibniz, Meister Eckharts usw. - somit kannst du den Unterschied als von westlicher Philosophie geprägter Mensch ziemlich gut nachvollziehen, find´ ich zumindest.

    Hier eine Spur im Wörterbuch des Online-Palikanons: http://www.palikanon.com/wtb/anatta.html


    Machst du das im Rahmen eines Psychologie-Studiums?

    Einmal nur noch möcht ich wandern, in der großen Wanderschaft,
    Einsam, ohne einen andern, bis verhaucht die letzte Kraft.
    Sterbend möcht den Blick ich lenken auf das Schneeland himmelhoch,
    Sterbend noch des Lehrers denken und der Lehre, die nie trog.

  • GAU-LEM:

    Studienarbeit mit Fokus auf die Bedeutung des Ich und des Selbst im Zen-Buddhismus und suche hierfür grundlegende Texte. (...))
    Ich wäre euch sehr dankbar, wenn ihr mir helfen könntet eine kleine Auswahl von grundlegenden Werken zusammenzutragen, welche sich speziell mit dem Thema ich und Selbst beschäftigen.
    Besonders die verschiedenen Strömungen des Buddhismus erschweren es mir zu verstehen, welche Texte denn nun in Verbindung zu den mir einigermaßen bekannten Kerngedanken des Zen stehen.
    Ist beispielsweise der Pali Kanon des Theravāda-Buddhismus ein Quelle welche als Grundlage der späteren Ausrichtung des Zen herangezogen werden kann (und wenn ja welche Sutren lassen sich zum Thema Selbstsuche heranziehen), oder stellt die spätere Entstehung des Chan- und Zen-Buddhismus eher so etwas wie einen Bruch in der Entwicklung des Buddhismus dar?


    Das Thema hat mich dann doch nicht losgelassen.
    Erich Fromm: Zen-Buddhismus und Psychoanalyse. Ist ziemlich alt, und man weiß nicht, ob das, was er da im Gefolge von Daisetz Suzuki über Zen schreibt, stimmt, und ob die Konzepte der Psychoanalyse, die er verwendet, noch aktuell sind, aber einen Versuch ist es wert. Diese Suhrkamp-Ausgabe kommentiert das Buch vielleicht in aktueller Weise.
    http://www.suhrkamp.de/buecher…se-erich_fromm_36537.html


    Das Buch hier finde ich auch interessant, es bezieht sich aber auf den Pali-Kanon und hat mit Zen nicht viel zu tun:
    Miri Albahari: Analytical Buddhism: The Two-Tiered Illusion of Self
    http://www.misterdanger.net/bo…s/Analytic%20buddhism.pdf


    Was das Verhältnis von Pali-Kanon und Zen betrifft, oder welche Texte des Chan/Zen sich mit dem Konzept von Ich und Selbst befassen, da müssen die Gelehrten hier aus dem Forum ran.


    Ich würd mal sagen, das ist Stoff für eine Doktorarbeit. Schon allein die westliche Definition von Ich und Selbst dürfte ein paar Seiten kosten. Ich würde so eine Doktorarbeit gerne schreiben, ein bisschen beneide ich dich.

  • GAU-LEM:

    Ist beispielsweise der Pali Kanon des Theravāda-Buddhismus ein Quelle welche als Grundlage der späteren Ausrichtung des Zen herangezogen werden kann


    Nicht der Pali-Kanon, aber der entsprechende Sanskrit-Kanon (der alten Schulen) ist in den chinesischen/koreanischen/japanischen Kanon eingeflossen, wird dort als "Agama" bezeichnet. Chan/Zen ist dann weiter wesentlich von zwei späteren indischen Stömungen geprägt worden: Cittamātra ("Nur-Geist", Lankavatara-Sutra) und Madhyamaka (Nagarjuna, z.B. Mulamadhyamakakarika "MMK", Herzsutra,...).
    Wesentlich war aber die prinzipielle Neubestimmung (als Rückbesinnung) des Verhältnisses von Schrift und Praxis.
    Alle heutige Zen-Schulen sehen sich in der Nachfolge des 6.Patriachen Huineng (Plattform-Sutra)
    Im letzte Jahrtausend ragen (rückblickend) zwei Autoren besonders heraus : Chinul (Korea) und Dōgen (Japan, "Shobogenzo").
    Aus dem letzten Jahrhundert: Kodo Sawaki


    Für ne Studienarbeit mußt Du dich schon auf ein sehr sehr enges Thema beschränken, wenn das Ergebnis denn was taugen soll.

    • Offizieller Beitrag


    Oje, das wird schwer.


    Vor allem weil es im Buddhismus nie explizit darum geht, ein Selbst zu suchen, da dieser Begriff ja im Buddhismus negativ belegt ist - das Anhaften an einem aus sich bestehenden Selbst ja sogar als das größte Übel gilt. Das ist dann wenn man explizit nach "Selbstsuche" forstet leicht so, als sucht man in einem vegetarisches Buch das Kapitel über die Fleischgerichte.


    Von daher würde ich das eher von hinten aufrollen. Beispielsweise anhand des Satzes von Dōgen aus dem Shōbōgenzō (Kapitel Genjokoan)


    „Den Weg zu studieren heißt sich selbst zu studieren, sich selbst zu studieren heißt sich selbst vergessen. Sich selbst zu vergessen bedeutet eins zu werden mit allen Existenzen.“
    (ich erinnere mich lose daran, dass diese Übersetzung nicht gut ist)


    Und von da aus in der Zeit rückwärts gehen. Also bei den älteren Texten nicht mehr zu schauen, wo sie einem sagen, wie man "sich selber sucht" (solche Stellen werden rar und untypisch sein) sondern was genau dieses "sich selbst vergessen" in den früheren Schulen des Buddhismus aussah und sich entwickelte.


    Ein Schlüsseltext, der sich mit der "spirituellen Suche" beschäftigt, sind die "Zehn Ochensbilder"(Ten oxherdings pictures) zu denen es eine ganz Überlieferungsgeschichte klassicher Kommentare gibt, zu denen es dann wieder Kommentare und Bücher gibt (z.B v Yamada Mumon Roshi, D.T Suzuki und vielen anderen )


    Schaut man sich die Bilder an wird die Oarallele und der Kontrast zu westlichen Formen der "Selbstsuche" klar. Dort wo das bei uns als ein mehr, als ein Gewinn, als ein Wachsen ( eine Entwicklung und ein Reifungsprozess wie im klassischen Bildungsromang) gesehen wird, ist es im buddhitischen Denken ein Abschütteln, Vergessen und Leichterwerden. Das Vokabular ist also sehr verschieden.

  • void:

    Von daher würde ich das eher von hinten aufrollen. Beispielsweise anhand des Satzes von Dōgen aus dem Shōbōgenzō (Kapitel Genjokoan)


    Gute Idee. "


    http://web.archive.org/web/201…ogen-zen.de/deu/gen.shtml
    Du findest da auch noch weitere Shobogenzo-Kapitel übersetzt.
    Dazu vllt noch Sekundär: "Dogen's Genjo Koan, Three Commentaries" (Counterpoint, Berkeley)


    Falls Du was mit dem Shobogenzo machen solltest, vergiß die deutsche Übersetzung, die auf Nishijima zurückgeht, seine Kommentare und die Kommentare von J. Seggelke.


    Hervorragende Seite hier:
    http://web.stanford.edu/group/…ogenzo/sbgz_contents.html

  • GAU-LEM (Niklas): Wenn du zum "Selbst" im Buddhismus schreiben willst, kommst du an den Sutren nicht vorbei, die Tathagatagarbha (Buddha-Natur) verhandeln, allen voran das (Mahayana) Mahaparinirvana-Sutra. Mit diesen Stichworten wirst du auf einschlägige akademische Literatur stoßen (z. B. http://www.nanzan-u.ac.jp/SHUB…hi%20tree/Pruning%209.pdf).


    Zitat

    Falls Du was mit dem Shobogenzo machen solltest, vergiß die deutsche Übersetzung, die auf Nishijima zurückgeht


    Das Lebenswerk Nishijimas würde ich nicht vergessen. Aber es ist wichtig, über den Tellerrand Dôgens hinauszuschauen, der nach einschlägiger akademischer Meinung (etwa Steven Heine) im Übrigen nicht immer mit Hui-neng, dem 6. Patriarchen, konform geht. Was die beiden eher eint ist ihre Ansicht zur inhärenten Buddha-Natur (s.o., jap. hongaku).


    Diese wurde wiederum vom "Kritischen Buddhismus" heftig attackiert, der darin vor allem einen Widerspruch zur Lehre des bedingten Entstehens sieht und damit eine Abkehr vom eigentlichen Buddhismus, wie er sich etwa im Palikanon darstelle (siehe etwa die beiden Sôtô-Zen Adepten Hakamaya Noriaki, Matsumoto Shiro, z.B. in "Zen is not Buddhism": http://www.academia.edu/231541…ritiques_of_Buddha-Nature).


    Was will ich damit sagen, ohne dich zu verwirren? Halte dich unbedingt an wissenschaftliche Schriften, um Dein Bild zu vervollständigen.


    Zitat

    stellt die spätere Entstehung des Chan- und Zen-Buddhismus eher so etwas wie einen Bruch in der Entwicklung des Buddhismus dar


    Eindeutig ja, auch wenn die Selbstdarstellung, etwa mit der Rückführung der Patriarchen auf einen historisch gedachten Shakyamuni, dort nicht unwichtig ist. Ich würde eher von einer Weiterentwicklung als einem Bruch sprechen. Aber auch für mich kann Zen so verstanden werden, dass es kein Buddhismus ist, wobei ich die Idee der eingeborenen Buddha-Natur (als etwas, das uns alle erst mal gleich macht) nicht als Widerspruch zu einer Übung sehe, in der diese erst erkannt, offenbart und verwirklicht werden soll, und auch nicht als Widerspruch zur Tradition, in der Zen steht, und den dieszgl. Sutren, also z.B. dem Mahaparinirvana-Sutra. Die Abwehrhaltung der o.g. "kritischen Buddhisten" beruht wohl darauf, dass sie selbst vor allem im Dôgenschen Sinn (Sôtô-Schule) gelehrt wurden und von daher übersahen, dass hongaku (Buddha-Natur) tatsächlich etwas mit (nicht-personalem, ewigem) Selbst zu tun haben kann. Mit anderen Worten, sie lehnen die Korrektur der nach dem Palikanon entstandenen Tathagatagarbha-Sutren an einer dortigen einseitigen anatta (Nicht-Selbst)-Lehre gleich mit ab.

  • Wow, okay erstmal vielen Dank euch allen!
    Das ist ja wirklich schon eine Große Auswahl an verwendbaren Werken.
    Leider handelt es sich bei meiner Studienarbeit um eine Arbeit im Rahmen von 15-20 Seiten, so dass ich auch nicht viel mehr Zeit investieren kann als ca einen Monat. Dadurch eben auch die Schwierigkeiten passende Texte in der Zeit herauszufiltern.


    Ich verstehe die Problematik, die zum Beispiel Void anführt, im Buddhismus überhaupt nach einer Rolle des "Ich", oder "Selbst" zu suchen und glaube ich muss genauer erläutern, was ich eigentlich meine. Die Vortragsreihe, die ich besuche und zu der ich die Arbeit schreibe, beschäftigt sich mit Selbstsuche und Lebenskunst. Eine Selbsterfahrung wurde als ein Vertiefungszustand beschrieben, der über die Oberflächlichkeit des "Ich" hinausgeht und sich durch Affirmation / Be-ja-ung zu sich und dem Rest der (momentan erfahrenen) Welt auszeichnet. Beispielsweise wurden hier Flow-Erfahrungen angeführt, also das totale Verschmelzen mit einer Handlung. Ich denke jetzt ist deutlicher, warum ich direkt dachte: "Zen!".


    Ich plane auf der Vergleichbarkeit einer solchen Selbsterfahrung mit den Phänomenen auf denen Chan- und Zen-Buddhismus beruhen, aufzubauen, um dann später aber durchaus tiefer in die Problematik des Selbst im Buddhismus einzugehen. Hier ist es dann auch gar kein Problem, wenn Widersprüche zu unserem Selbstbegriff auftauchen.


    Ich habe gerade angefangen mit dem "The blue cliff record" zu arbeiten. Es ist für mich wichtig viel mit Orginalquellen zu arbeiten, die nah am Zeitgeschehen und möglichst deutungsfrei sind. Anhand dessen werde ich kurz die Rolle von Texten, Koans / Kung ans in Zen und Chan beschreiben (auch schon sehr ergiebig für meine Thematik: Die Koans eben als Meditationsmittel / Werkzeug für eine Unterbrechung des Verstandes [die als Selbsterfahrung gedeutet werden kann]) und je nachdem was ich es den einzelnen Fällen ziehen kann dann eine Überleitung zum Thema Selbst / Buddha-Natur formulieren. Hierzu lesen ich mir jetzt mal ein Kapitel eben zum dem Thema aus dem von Jojo vorgeschlagenen Buch durch.


    Nochmal Vielen, vielen Dank und weitere Ergänzungen zu dem Thema sind mir sehr willkommen!! (wie gesagt ein paar Woche werde ich noch dran arbeiten).


    Liebe Grüße,
    Niklas

  • Hallo GAU-LEM



    Zitat

    .... Eine Selbsterfahrung wurde als ein Vertiefungszustand beschrieben, der über die Oberflächlichkeit des "Ich" hinausgeht und sich durch Affirmation / Be-ja-ung zu sich und dem Rest der (momentan erfahrenen) Welt auszeichnet. .....
    Ich denke jetzt ist deutlicher, warum ich direkt dachte: "Zen!".


    "Es wird später zu zeigen sein, dass das buddhistische Nichts eine Gegenfigur zu Innerlichkeit (Anm. von mir: respective "Selbsterfahrung im Vertiefungszustand") ist. ...(paar Seiten weiter...). Das zen-buddhistische Nichts ist nämlich das Sich, der Innerlichkeit ganz entleert. ". Byung-Chul beschreibt das ziemlich klar - das Büchlein ist dünn, günstig, flüssig und somit ganz gut verdaulich. Der Hinweis zu den Ochsenbildern, finde ich, ist auch großartig! Ein paar Blicke dort hin lohnen ungemein.


    Dein Thread nützt auch mir. Danke für die Lektüre/-Hinweise, liebe Leut´!

    Einmal nur noch möcht ich wandern, in der großen Wanderschaft,
    Einsam, ohne einen andern, bis verhaucht die letzte Kraft.
    Sterbend möcht den Blick ich lenken auf das Schneeland himmelhoch,
    Sterbend noch des Lehrers denken und der Lehre, die nie trog.

    • Offizieller Beitrag

    Die Rahmenbedigungen sind also, dass es kurz (15-20 Seiten) und dass es eben gut zu der Ebene "Selbstsuche und Lebenskunst." passt.


    Das ist ja ein Rahmen, in dem Zen im buddhitischen Sinne - also als "Weg zur Befreiung vom Leid" nicht so die zentrale Rolle spielt. Sondern eher die (von Puristen berünmfpten) Randbereiche, wo es um die Zen-Kultur geht, die sich in Japan in den Künsten/Wegen(Do) wie Teezeremonie, Kampfkunst, Bogenschiessen, Kalligraphie ausdrückt. D.T Suzuki: Zen und die Kultur Japans Es ist gerade diese Idee des "Weges", der sich für andere Projekte und Anwendugnsfälle (Zen und die Kunst, ein Motorrad zu warten: Roman Taschenbuch (Robert M. Pirsig) ) öffnet.


    Dazu würde ich zwei Punkte herausgreifen:


    Im frühen Buddhismus war und ist von der Idee der Entsagung geprägt. Die die Welt und ihre Begierde sollen überwunden werden. Dies führte zu einer Polarität von Samsara (Welt der Begierde) und Nirvana (Verlöschen der Begierde ) In einer späteren Entwicklung (Mahayana) wurde diese Polarität kritisch gesehen, weil ja auch das "Streben nach Befreiung" eine Begierde ist. Eine zentrale Persönlichkeit in dieser Entwicklung ist der südindische Philisoph Nagarjuna(2. Jahrhundert) der deswegen als Vorläufer/Patriarch des Zen-Buddhismus gilt. Das Denken von Nagaarjuana, in dem Befreiung und Welt eben nicht getrennt gedacht wurde, sondern eines als Ausdruck des anderen gilt, war für Zen prägend. Am komprimiertesten drückt sich das im einige Jahrhunderte später enstandenen http://de.wikipedia.org/wiki/Herz-Sutra aus. Dieses kurze Sutra ist eines der zentralen Rezitationstexte im Zen.


    Das ist der philosophische Hintergrund vor dem die Idee eines Koan möglich wird. Also das etwas konkretes ( weltliches, alltägliches ) zur Ausdrucksform von Leerheit/Befreiung wird:



      Der Mönch Joshu fragte einmal seinen Meister Nansen:
      "Was ist der Weg, unabhängig davon, was vor mir liegt?"
      Der Meister erwiderte darauf :
      "Dein alltäglicher Geist ist der Weg."


    Aber es gibt noch einen weiteren wichtigen Punkt: Indem der Buddhismus von Indien nach China kam erschloss er sich eine neue Denkweise mit ihren ganz eignen Bilder. Während das indische Denken eher unkörperlich/philsophisch ist, gibt es in der chineischen Sprache und Philosophie ein Tradition, die sich auf Bilder aus der natur ebsitzt. Wo der Inder alles systematisiert und ausformuliert, deutet der Chinese an. Als buddhitische Texte ins chinesischer übersetzt wurden verwendet man ganz selbstverständlich Worte, die auch in Daosimus und Konfuzianismus verwendet werden und übernahm dadruch ganze Denkstränge.


    Wu-Wei das "anstrengungslose Handeln" ist daoistisch und kommt beispielsweise in Zhuangzi Beschreibung des Schlachter Ding vor. Dieser zerteilt "spielend" ohne einen bewussten Gedanken einen Ochsen , indem er ganz natürlich dessen Struktur folgt, so dass sein Messer niemals stumpf wurde. Weil er dem Dao, der natürlichen Struktur der Welt folgt. Die Lebenskunst besteht hier darin, wie Wasser zu werden und sich spielend der Struktur der Welt anzupassen. Eben auch beim schlachten und Töten, einer Sache, die Buddha inhaltlich nicht gutgeheissen hätte. (Natürlich gibt es viele Bücher, den zusammenhang zwische diesem Denken und "Flow" aufzeigen.)


    Stark vereinfacht könnte man also sagen, dass Zen dadurch entstand, dass bestimmte indische Gedankeströumung (Nagaarjuna und Co) beim Übergang in die chensische Kultur, bestimmte von Doaismus und Naturliebe geprägte Bilder und Denkweisen vorfanden, in denen sie sich gut ausdrücken konnten.

  • Hi


    Nagakawa hat in seinem Buch
    Zen - weil wir Menschen sind. Theseus-Verlag, Berlin 1997. 3. Aufl. 2010.
    sehr schön klar und für mich nachvollziehbar dargelegt warum es im Frühbuddhismus durch die im alten Orden schon vorhandene Strömung der später sg. Mahayani genannten- in Abgrenzung zu den Theravadin - kam, wie sich das darstellte, und wie und warum es in China zum Zen-Buddhismus in der Folge kam. Beides wird als Rückbesinnung auf die Praxisweise des Buddha verstanden, nicht als Weiterentwicklung. Ich schreibe euch das vielleicht die Tage mal auf, da es sehr aufschlussreich ist. Hier gehört es nicht hin. Man findet aber in vielen Texten oder gesammelten Teisho der Meister für gewöhnlich Aussagen zur historischen Entstehung von Mahayana und Zen, finde ich, nur sind sie, glaub ich, für Zen Leute nicht immer von vordergründigen Interesse, so dass diese Abschnitte eventuell übersprungen werden.

  • Ich wäre bei der Deutung des frühen Zen (Chan) durch Japaner erst mal vorsichtig, zumal, wenn sie in einer Organisation wie der Sotoshu verankert sind. Im Chan gab es ja zunächst nicht mal die Vorstellung der Dharma-Erben und der Linie, wie sie viele Zenpraktizierende heute als normal ansehen und historisch rückprojezieren. Die Legendenbildung begann ja vor allem während der Sungdynastie. Ähnliche Legitimierungsversuche findet man dann auch, wenn man behauptet, eigentlich ginge es im Zen darum, den rechten Buddhismus von annodazumal zu extrahieren. Dabei steht schon im Palikanon, dass es der Buddha ganz anders machte, statt nämlich eine personale Nachfolge mit dem üblichen japanischen Zenkult zu empfehlen riet er zum Gegenteil. Aber das hatten wir alles schon.

  • Ich wüsste jetzt nicht warum ich der SotoShu wie auch "den Japanern" nicht trauen könnte was die Erläuterungen zur Historie betrifft. Ich trau ihnen schon deswegen, weil die Japaner, die Chinesen und die Koreaner diesbezüglich wirklich alle dasselbe kundtun ohne sich dabei auch nur ansatzweise zu streiten. :)

  • Das tun sie ganz sicher nicht. Deshalb zweifelt S. Heine ja auch an, dass Dôgen überhaupt irgendeine Übertragung oder Nachfolge eines chinesischen Meisters bekam - weil man z.B. keine entsprechenden Unterlagen fand.


    Ansonsten sagte ich schon, dass die Herleitung einer "Linie" ein Phänomen ist, dass erst ein paar Hundert Jahre nach dem Entstehen des Chan in China aufkam. Genau wie die Koan etc. Und natürlich gab es da auch schon Streit, wer da in welcher Linie zu sehen ist. Die ganze Linienhuldigung nach Bodhidharma entbehrt der historischen Überprüfbarkeit. Natürlich wird so etwas auch an guten Unis der Rinzei und Soto gelehrt, aber in deutschen Dojos wird wahrscheinlich eher drüber weggegangen, wie man hier immer wieder aus Kommentaren herauslesen kann.


    Lesetipp: Wendy L. Adamek: The Mystique of Transmission: On an Early Chan History and Its Contexts

  • GAU-LEM:

    Hallo zusammen,


    Ist beispielsweise der Pali Kanon des Theravāda-Buddhismus ein Quelle welche als Grundlage der späteren Ausrichtung des Zen herangezogen werden kann (und wenn ja welche Sutren lassen sich zum Thema Selbstsuche heranziehen), oder stellt die spätere Entstehung des Chan- und Zen-Buddhismus eher so etwas wie einen Bruch in der Entwicklung des Buddhismus dar?


    Niklas


    Hallo GAU-LEM,


    von einem Bruch würde ich nicht sprechen. Allerdings beziehen sich die Zen-Meister der alten Zeit meines Wissens - wenn überhaupt - dann eher auf spätere Sutren, allen voran das Diamant-Sutra und das Lotus-Sutra. Auch ist, besondes in heutigen Schulen, viel von der als Herz-Sutra bekannten Zusammenfassung die Rede.


    In erster Linie würde ich dir daher das Studuim des Diamant-Sutras empfehlen, ein klassisches Sutra, auf das sich z.B. der 6. Patriarch des Zen, Hui Neng, aber auch der "Zen-Gründer" Boddhidarma bezieht. Die Vorstellung von einem Ich/Selbst wird darin als eine von vier grundsätzlichen Arten des gedanklichen Verstehens beschrieben, die wegen des illusionären Charakters aller Vorstellungen dem Erleben des von Buddha beschriebenen Erleuchtungszustandes als reine Soheit im Wege stehen. In englischen Übersetzungen ist hier z.B. von den vier "notions" die Rede, die ein Bodhisattva nicht aufkommen lassen sollte: Die Vorstellung von einem Selbst (Ich, Innen), vom anderen (Außen), von einer Person (bzw. räumlichen Entität) und von einer Lebensspanne (Zeit).


    Außerdem empfehle ich dir die Lehren von Meister Huang Po (Geist des Zen, Fischer-Verlag, ISBN: 3 596 13256 8) und Meister Lin Chi, jap. Rinzai (Lin Chi Lu, Kristkeitz Verlag, ISBN: 3921508 39 8). Im Anschluss noch zwei Zitate aus Huang Pos Geist des Zen:


    "Dieser Dharma ist ohne jede Unterscheidung, sein Name ist Bodhi. Es ist der reine Geist, die Quelle von allem. Mag er als Ding, Lebewesen, Buddha oder auch als etwas Formloses, Alles-Durchdringendes erscheinen - er ist vollkommen unterschiedslos, denn es gibt weder Selbst noch andere." (Kapitel 8.)


    "Der Körper ist nicht das Selbst und das Selbst hat kein Wesen. Formen, Gefühle, Gedanken, Impulse und Bewusstsein sind ebenfalls nicht das Selbst und stellen keine Wesenheit dar. Dein Sehen, Hören, Riechen, Schmecken, Fühlen und Denken mit all ihren Objekten und Formen von Bewusstsein sind jedes einzelne für sich und alle zusammengenommen leer. (Kapitel 11.)


    Gerade dieses letzte Zitat zeigt, dass Helmut (von Zen.de) wohl nicht ganz unrecht hat, wenn er darauf hinweist, dass es i.d.R. jahrelanger Zen-Praxis bedarf, um diese Lehre nicht in der einen oder anderen Weise misszuverstehen. Diese Lehre ist keineswegs nihilistisch oder im Sinne einer Negierung von Existierendem (was ihres dualitären Charakters wegen übrigens eine gleichzeitige Anerkennung des Existierenden implizieren würde) zu verstehen. Diese Lehre weist vielmehr auf die Befreiung von einem Selbstverständnis in Identifikation mit dem eigenen Körper bzw. der körperlichen Welt, in Identifikation mit Gefühlen, Gedanken, Impulsen und Bewusstsein, mit Sinneswahrnehmungen, Sinnesobjekten und sinnlichem Bewußtsein hin.


    _()_
    Tai

  • Hier alternative Lesarten aus Huang-po (Huang-po: Geist ist Buddha. Angkor Verlag. ISBN-13: 978-3-943839-28-9):


    Zitat

    „Dieser Dharma ist universell und unparteiisch, darum heißt er Höchstes Erwachen.“ Die vollendete, reine Quelle des [reinen] GEISTES umfängt alle Buddhas, fühlenden Wesen und die Welt der Berge, Flüsse, Formen und Formlosigkeit. In den zehn Richtungen spiegelt alles die Gleichheit des reinen GEISTES wider, der stets alles universell durchdringt und erleuchtet.


    Zitat

    Dharma-Schüler sollten keine Zweifel bezüglich des Körpers hegen und erkennen, dass in seiner Beschaffenheit aus vier Elementen kein Selbst oder Meister gefunden werden kann. Die fünf Anhäufungen (skandha) sind Geist [gedanklich], doch auch dort kann kein Selbst oder Meister gefunden werden.


    Und ergänzend:


    Zitat

    Doch der Ursprüngliche GEIST gehört weder zum Sehen, Hören, Berühren und Denken, noch ist er von diesen getrennt. Der Gedanke, dass da einer sieht, hört, berührt und denkt, entsteht nicht, und doch ist einer nicht verschieden von diesen Aktivitäten.

  • Grashuepfer

    Hat den Titel des Themas von „Kerntexte/Grundlagen des Zen- und Chan-Buddhismus“ zu „Suche: Kerntexte/Grundlagen des Zen- und Chan-Buddhismus“ geändert.