Empfehlung für Misanthrop

  • Hallo ihr Lieben,


    ich habe mich quasi extra für dieses Anliegen hier angemeldet. Es wäre super, wenn ihr mir tatsächlich helfen könnten.
    Und zwar geht es um Bücherempfehlungen für einen Freund, der Misanthrop ist. Er hat sich selbst mal eine Zeit mit Buddhismus beschäftigt, tut dies aktuell aber nicht oder zumindest nicht intensiv. Ich selbst bin auch nur mit den Grundideen und Gedanken vertraut, also noch Anfängerin. Mein Freund weiß da schon ein wenig mehr. Mir geht es also nicht um Bücher, welche die Praktiken (Achtfacher Pfad usw.) erklären. Dazu haben wir schon Literatur da.


    Mir geht es eher um Bücher, welche vielleicht speziell misanthropen Menschen neue Anreize und Denkideen geben. Ich sehe sein Problem darin (und ich finde, das ist wirklich ein Problem), dass er die Menschen verachtet und nicht ausstehen kann. Sein Mitgefühl und Mitleid scheint nicht wirklich stark ausgebildet zu sein. Ja gut, ihr meint jetzt, dass vielleicht jedes Buch solche Themen anspricht und ihm helfen könnte. Ich hoffe eben nur, dass ihr vielleicht etwas konkretere Titel kennt. Ich würde ihm gerne helfen, seine Ansichten indirekt (durch ein Buch, neue Ideen) zu überprüfen und vielleicht zu ändern. Eben mit Ideen, die ihn in seiner Denke auch ansprechen und die er vielleicht besser nachvollziehen kann.


    Ok, das war es auch schon. Im Internet habe ich nix passendes bisher gefunden. Das Thema ist ja auch groß. Ich hoffe, ihr könnt mir helfen.


    Viele Grüße,
    dark

    • Offizieller Beitrag


    Da auch ich schon immer einen Hang zu eine destrutiven und abwertenden Haltung hatte, kann ich deinen Freund gut verstehen. Da mir diese Haltung natürlich immer sehr im Weg stand, habe ich im Laufe der Jahre darüber nachgedacht, woher das so kommt und ich habe vor allem zwei Punkte gefunden.


    Der erste Punkt ist schlicht und einfach eine erhöhte Sensibilität. So wie Leute mit einem sehr feinem Gehör sehr viel leichter unter Missklängen und Lärm leiden so geht es Leuten, die eine hohe Sensibilität für andere haben oftmals so, das schon wenige Leute so viel an geistigen Botschaften aussenden, das sie mich überrollen. In einem Gespräch kriege ich so viel an Untertönen mit, dass mich Gespräche sehr herausfordern und bei mehr als zwei Leuten wurde es richtiggehend schrecklich. Einfach ein "zuviel" an Mensch. So wie man sich an einem einzelnen Marienkäfer erfreuen kann, aber Beklemmungsgefühle bekommt, wenn sie einen zu Hunderten umschwirren und auf einem herumkrabbeln, so erzugten bei mir grosse Ansammlungen von Menschen dem Impuls zur Flucht oder wenn das nicht geht Abenigung . Diese Empfindung der anderen Menschen als eines "hässlichen Zuviel" führt leicht zu einem misanthropen Weltbild und von daher kann ich Autoren (Burroughs, Sartre, Mishima, Ernst Jünger, Claude Lévi-Strauss) bei denen dieser "Ekel" vor Zvilisation Und Mensch bis hin zur Menschenverachtung anklingt, noch immer sehr gut nachvollziehen. Aber inzwischen ist es so, dass ich die Sache, dass mich ein "Zuviel an Mensch" wegen meiner ererbten Sensibilität überordert ,nicht mehr den Leuten anlaste. So wie bei einer Lebensmittelallergie ist es einfach eine Art von Unverträglichkeit, also eine Behinderung meinerseits und kein Fehler auf der anderen Seite. So wie ja auch eine Erdnussalergie einfach ein Fehler des eigenen Körpers ist und kein Beweis dafür, dass Erdnüsse irgendwie diabolisch sind. Was mir da sehr geholfen hat waren nicht irgendwelche Lehren sondern schlicht und einfach die Praxis der Meditation. Es ist das "Zu wenig" das das Gegenmittel für das "Zu viel" ist. Sensibilität für allerlei Reize schlägt Wogen und Meditation glättet sie. Inzwischen hat sich das so weit normalisert, dass es den meisten nicht mal mehr auffällt.


    Der zweite Punkt ist mit dem ersten verwandt. Sensibilität bedeutet ja, dass die Warnsignale zu früh klingeln. Anders augedrückt bedeutet das, dasss man die Realität an einem unerreichbaren Ideal misst an dem sie dauernd versagt. Im Bezug auf den Menschen bedeutet dass, das da im Hintergrund ein Ideal lauert, "wie der Mensch zu sein habe" und an dem sowohl die Menscheheit als auch der konkrete Mensch beständig versagt. So wie Zyniker oft enttäuschte Idealisten sind sind Misanthrophen oft enttäuschte Humanisten. Man muss sie also nicht davon überzeugen, dass der eigentlich Mensch gut ist, sondern dass er eben auch liebenswert ist, wenn er schwach und unvollkommen ist. Das man ihn auch mögen kann, wenn er das Ökosystem schrottet, idiotische Politiker wählt, Völkermorde und Reality TV veranstatltet. Ich fand dazu das Buch "Alles oder nichts. Über die Destruktivität von Idealen" des Psychoanalytikers Wolfgang Schmidbauer sehr hilfreich. Wenn man die Destruktivität die da ist gegen die destruktiven Ideale richtet, darf der einzelne Mensch wieder so sein wie er eben ist ohne das alles was er ist oder tut als "ungenügend" abgekanzelt wird.
    .

  • Hallo ihr Lieben,


    void
    Vielen Dank, du hast meinen Freund tatsächlich ziemlich gut erfasst :D Er ist in der Tat auch sehr sensibel und legt viel Wert auf Aufmerksamkeit in allen Bereichen. Er sagt auch oft, dass er ansich nichts gegen Menschen habe. Nur handeln und denken sie meistens eben "falsch" bzw. unkonsequent, zerstörerisch usw. Die Einfachheit ihrer Gedanken nervt und langweilt ihn auch häufig. Mit Philosophie hat er sich schon häufig beschäftigt, er mag z.b. Schopenhauer :roll::) Ich finde oder fände es nur schwierig ihm näherzubringen, dass man Menschen auch mögen kann. Ich meine, er hat ja gute Gründe. Krieg, Unehrlichkeit, Ignoranz usw. In der Tat zerstört der Mensch den Planeten zu einem großen Teil. Wir schänden die Natur und die Tiere. Ich denke, er kann daran einfach nichts gutes sehen. Zumindest ist ihm das gute wahrscheinlich zu gering im Gegensatz zu den schlechten Handlungen. Aber das Buch scheint da ja eine Idee zu sein. Ich werde es mir anschauen und ihm die Meditation empfehlen. Dankeschön!


    Wer möchte, der darf noch ;)


    Viele Grüße,
    dark

  • dark-silence:

    Ich hoffe, ihr könnt mir helfen.


    Hi & willkommen dark-silence


    Der Wunsch deinem Freund zu helfen ist lobenswert, aber ich finde es persönlich keine gute Idee, einen anderen zu bekehren oder moralisieren.


    Was ich an deiner Stelle eher machen würde, ist in dem Fall die guten Seiten an seiner Neigung zur Abgeschiedenheit zu unterstützen.


    Im Toten-Baum-Format wäre z.B. eine Lektüre über das Leben in der 'Wildnis' angebracht oder ansonsten ein Ausflug. Dann klappt es evtl. auch wieder mit dem Menschen.



    Grüße

    Trage nicht das Weltgetöse in die stille Einsamkeit
    Such den Wald, daß er Dich löse von der Krankheit unsrer Zeit.

  • Hallo ihr Lieben,


    nibbuti
    Ja ich weiß, man soll nicht selbst zum Bekehrer werden. Zu einem großen Teil habe auch ich selbst ein Problem mit seiner Einstellung und seinem teils offen gezeigten Hass gegen die Menschen. Aber ich empfinde es auch als Belastung für ihn selbst. Man könnte jetzt nicht sagen, dass er glücklich oder zufrieden wäre. Am liebsten wäre es ihm wohl, wenn die Menschheit nicht da wäre und er alleine und in Frieden sein könnte. Da dies aber natürlich nicht der Fall ist, regt er sich ständig auf. Ich würde gerne sehen, wie er Frieden mit sich und der Welt schließen könnte. Ein Buch über die Wildnis - mag sein, auch wenn es nur theoretisch wäre.


    Vielen Dank soweit.


    Grüße,
    dark

    • Offizieller Beitrag

    Mir fällt beim Thema Misantrophie immer das Album "Music, Martinis and Misanthropy" von Boyd Rice und hier das Lied People ein, in dem der Autor seine Abscheu vor all den hässlichen, dummen und schwachen Menschen betont und wie schön es wäre, wenn man sie irgendwie niedermetzeln oder auslöschen dürfte. Dabei habe ich ganz stark das Gefühl, es geht da um die eigene Schwäche und Unzulänglichkeit, die man so schwer ertragen oder auch nur sehen kann, dass man sie auf alle projiziert, denen man begegnet. Von daher denke ich, dass Misanthrophie immer schon bei einer unfreundlichen Einstellung sich selbst gegenüber beginnt.


    Auch da ist Meditation eine gute Sache, weil da ja die äußeren Reize, denenman sonst gerne die Schuld am eignen Leid gibt, wegfallen. Aber auch dazu kann man jemand anderen nicht bekehren.