Ruhige Weisheits-Meditation nach Vimalaramsi

  • Ruhige Weisheits-Meditation
    nach Bhante Vimalaramsi


    Bevor man zu meditieren beginnt, ist es sehr wichtig,eine feste moralische Grundlage (sila) aufzubauen.Wenn man den fünf Tugendregeln nicht folgt, wird man das Interesse verlieren und die Meditation bald einstellen, weil man die Methode für falsch hält. Die Methode des Buddha funktioniert jedoch sehr gut. Der Meditierende folgt einfach nicht allen Anweisungen und praktiziert auch nicht richtig. Die Tugendregeln einzuhalten, ist für die Entwicklung und für die Reinheit des Geistes unentbehrlich. Wenn man eine dieser Regeln bricht, entstehen viel Rastlosigkeit, Reue und Sorge aufgrund von Schuldgefühlen. Der Geist wird dadurch eng, und die Gedanken werden getrübt.


    Diese Tugendregeln sind absolut notwendig für jede spirituelle Entwicklung. Sie bringen allgemeine Achtsamkeit und Aufmerksamkeit im Geist hervor, sodass er friedlich und frei von Reue durch Fehlverhalten ist. Ein friedlicher und ruhiger Geist ist frei von Spannung und klar. Es ist daher sehr empfehlenswert, sich den Tugendregeln täglich zu verpflichten, nicht als eine Art Zeremonie oder Ritual, sondern als Erinnerung an die Praxis. Die Tugendregeln täglich anzuwenden, hilft, seinen Geist, seine Rede und Handlungen in guter Verfassung zu halten. Manche Menschen rezitieren die Tugendregeln in Pali. Das kann jedoch zu einer leeren Übung werden, wenn man die Pali- Worte nicht vollständig versteht. Für einen ernsthaft Übenden ist es am besten, die Tugendregeln täglich in einer Sprache zu rezitieren, die man versteht, sodass die Bedeutung ohne Zweifel klar ist. Die Tugendregeln lauten:
    1. Ich übe mich darin, keine Lebewesen zu töten.
    Diese Regel schließt auch Lebewesen wie Ameisen, Mücken oder Kakerlaken ein.
    2. Ich übe mich darin, nichts zu nehmen, was mir nicht gegeben wurde.
    Diese Regel umfasst alle Arten von Stehlen, auch ohne Erlaubnis einen Stift von der Arbeit mitzunehmen oder Gegenstände wie Kopierer für persönliche Zwecke zu verwenden.
    3. Ich übe mich darin, kein sexuelles Fehlverhalten zu begehen.
    Das bedeutet im Wesentlichen, nicht mit dem Partner eines anderen oder mit jemandem, der noch unter der Obhut der Familie steht, sexuell zu verkehren. Es bedeutet auch, den sexuellen Gesetzen eines Landes zu folgen. Jede sexuelle Aktivität, die einem anderen unnötigen Schmerz zufügt, wird Reue und Schuldgefühle in einem selbst hervorrufen.
    4. Ich übe mich darin, nicht zu lügen, keine groben Worte zu gebrauchen, andere nicht zu verleumden, nicht zu tratschen und keinen Unsinn zu erzählen.
    Das bedeutet, jede Art von Rede zu vermeiden, die weder wahr noch hilfreich für andere ist. Es bedeutet auch, Ausreden oder Notlügen zu vermeiden.
    5. Ich übe mich darin, Drogen und Alkohol zu vermeiden, die den Geist trüben.


    Viele Menschen glauben, dass ein Glas Bier oder ein Glas Wein in Gesellschaft ihren Geist nicht beeinflusst. Das stimmt aber nicht! Wenn man meditiert, wird man sehr feinfühlig und spürt sogar, wenn man etwas so Harmloses wie eine Aspirin-Tablette eingenommen hat. Sie kann den Geist einen ganzen Tag lang trüben. Um wie viel mehr trifft das für Alkohol und andere Drogen zu! Wenn man jedoch krank ist und der Arzt ein bestimmtes Medikament verschrieben hat, dann soll man es bitte einnehmen. Die Tugendregel bezieht sich auf Drogen und Alkohol, womit man Entspannung oder Flucht vom Tagesstress sucht.


    Sobald man bemerkt, dass man eine Tugendregel verletzt hat, sollte man sich selbst zuerst vergeben und sich eingestehen, dass man nicht perfekt ist. Das hilft, seinen Geist ein wenig zu erleichtern. Dann nimmt man so schnell wie möglich erneut die Tugendregel und trifft den festen Entschluss, sie nicht wieder zu verletzen. Den Regeln wieder zu folgen, hilft, den Geist zu läutern. Auf längere Sicht wird man aufmerksamer und auf natürliche Weise davon absehen, die Regeln zu verletzen, weil man den Schaden davon erkennt.


    Übe bitte nur eine Meditationsmethode zur gleichen Zeit, weil es den Geist verwirrt, verschiedene Techniken zu vermischen oder zu verbinden. Das verhindert nur den Fortschritt. Wie findet man einen guten Lehrer? Am besten ist es, nur einen Lehrer zu wählen, der die Meditation wirklich versteht. Einen guten Lehrer kann man finden, indem man beobachtet, ob seine Schüler liebenswürdig, angenehm, freundlich und hilfsbereit sind. Man sollte dann einige Zeit bei diesem Lehrer bleiben und beobachten, ob der Geist stetig glücklicher und friedlicher wird, und zwar nicht nur beim Meditieren, sondern auch im Alltag. Das ist die allerbeste Art zu wählen.
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    Wird man sich seiner Geisteszustände bewusster und erkennt man sie leichter? Dann kann man sie im Alltag und in der Meditation loslassen. Andernfalls sollte man den Lehrer und die Sutten konsultieren, um zu prüfen, ob das, was der Lehrer sagt, mit den Sutten übereinstimmt. Wenn man Fortschritte macht und die Meditation besser wird, werden die Sutten klarer und leichter verständlich. Das ist immer der Fall, wenn der Lehrer die Sutten als Anleitung verwendet.


    Darüber hinaus ist es sehr wichtig, dass man die fünf Hindernisse zuverlässig erkennt. Die fünf Hindernisse sind: 1. sinnliche Begierde oder Gier, 2. Hass oder Abneigung, 3. Faulheit und Trägheit oder Schläfrigkeit und Stumpfheit, 4. Rastlosigkeit oder Reue, Sorge und Zerstreutheit und 5. Zweifel. Ein Hindernis ist eine Hürde oder eine Ablenkung, weil es einen ganz davon abhält zu meditieren, sei es im Sitzen, bei unseren Alltagsbeschäftigungen oder beim klaren Betrachten der Dinge im Augenblick. Es veranlasst einen auch, einen unpersönlichen Vorgang persönlich zu nehmen. Wenn nämlich diese Hindernisse aufkommen, dann identifiziert man sich stark mit ihnen und nimmt sie persönlich. Man sagt: »Ich bin schläfrig, ich bin rastlos, mir gefällt dies und ich möchte das, mir missfällt dies und ich mag das nicht, ich zweifele.« Die Hindernisse trüben den Geist vollständig und verhindern, dass man klar sieht, was im Moment geschieht – aufgrund der Ego-Beteiligung des »Ich bin das«.


    Wenn man fixierte Konzentration übt, lässt man jede auftretende Ablenkung los und bringt den Geist sofort zum Meditationsobjekt zurück. Bei der Ruhigen Weisheits-Meditation lässt man die Ablenkung auch los (genauso wie bei der fixierten Konzentration), löst dann aber die Spannung im Kopf und fühlt, wie sich der Geist öffnet, erweitert und beruhigt. Erst dann bringt man seine Aufmerksamkeit zum Meditationsobjekt zurück.


    In den letzten zehn Jahren hat der Autor eine Trainingsmethode entwickelt, um seine Schüler bei der Praxis dieser Technik zu unterstützen. Die Methode, die sogenannten sechs R, steht im Einklang mit den Sutten und verbessert die Achtsamkeit sehr. Der kleine Unterschied, den Geist zu entspannen und zu fühlen, wie er offen und ruhig wird, verändert die ganze Meditation von einer fixierten Konzentration zu einer mehr fließenden, achtsamen und ruhigen Form von Aufmerksamkeit, die nicht so tief wie die Absorptionsmethoden geht, aber im Ergebnis zu einer stärkeren Übereinstimmung mit den Sutten führt.


    Sind in Bezug auf die buddhistische Meditation je die Fragen aufgekommen, was Achtsamkeit (sati) wirklich ist, wie man Achtsamkeit genau übt, ob Achtsamkeit unsere Sicht wirklich aufhellen und dazu beitragen kann, Freude, Glück und Ausgeglichenheit in jeden Aspekt des Lebens zu bringen?
    Falls Achtsamkeit Erinnerung daran bedeutet, wie man Schritt für Schritt vorgeht, wenn eine Ablenkung auftritt, die unsere Aufmerksamkeit im Alltag oder in der Meditation abzieht, und unser Leben dadurch einfacher und stressfreier wird, scheint es ein nützliches Hilfsmittel zu sein, das man entwickeln sollte. Meinst du nicht auch?


    Um diesen Zusammenhang genau zu verstehen, müssen wir zuerst die Begriffe Meditation (bhavana) und Achtsamkeit (sati) genau definieren. Das wird auch dazu beitragen, eine neue harmonische Sicht (samma ditthi) von der Funktionsweise des Geistes zu bekommen, und uns zeigen, wie man alte, Leid bringende Gewohnheiten in eine zufriedene und ausgeglichene Lebensweise umwandeln kann. Geht es in allen Lehren des Buddha nicht genau darum?


    Unsere Definition von Meditation: Meditation (bhavana) ist die Beobachtung der Bewegungen der Aufmerksamkeit des Geistes von Augenblick zu Augenblick, um genau zu erkennen, wie der unpersönliche (anatta) Prozess des Bedingten Entstehens (paticcasamuppada) abläuft. Genau zu erkennen und zu verstehen, wie sich die Aufmerksamkeit des Geistes von einem Gegenstand zum anderen bewegt, ist der Kern buddhistischer Meditation. Deshalb ist es so wichtig, das Bedingte Entstehen zu erkennen und zu verstehen. Man entwickelt dadurch eine unpersönliche Sicht aller Erscheinungen und erkennt die wahre Natur der Dinge.
    Warum ist das wichtig? Weil der Buddha in Bezug auf das Erwachen gesagt hat: »Wer Bedingtes Entstehen sieht, sieht den Dhamma; wer den Dhamma sieht, sieht Bedingtes Entstehen.« (Majjhima Nikaya, 28, 28)


    Unsere Definition von Achtsamkeit: Achtsamkeit bedeutet, sich daran zu erinnern, wie man die Bewegungen der Aufmerksamkeit des Geistes von Moment zu Moment beobachtet und wie man mit jeder auftretenden Erscheinung umgeht.


    Erfolgreiche Meditation erfordert eine hoch entwickelte Achtsamkeit. Die sechs R, die am Dhamma-Sukha-Meditationszentrum gelehrt werden, sind ein wieder gewonnenes altes Lehrsystem, das diese Fähigkeit hervorbringt. Das erste R steht für recognize (Erkennen). Doch bevor die Meditation beginnt, ist es erforderlich, sich zu besinnen (recollect) beziehungsweise die Kraft zur Beobachtung (Achtsamkeit) aufzubringen. Achtsamkeit ist der Kraftstoff wie Benzin für einen Motor. Ohne Achtsamkeit kommt alles zum Erliegen! Wenn man die Praxis dagegen beharrlich anwendet, kann man Leiden aller Art abbauen. Um den Zyklus reibungslos zu beginnen, muss man den Motor starten und Benzin (Achtsamkeit) im Tank haben.


    Meditation (bhavana) hilft, unangenehme, auf Täuschung beruhende Zustände wie Angst, Zorn, Spannung, Stress, Sorge, Depression, Traurigkeit, Kummer, Erschöpfung, Schuldzuweisungen, Hilflosigkeit und Anhaftungen aller Art aufzulösen. (»Auf Täuschung beruhend« bedeutet hier, die Dinge persönlich zu nehmen, sich damit zu identifizieren und sie als »Ich«, »mein«, »mir« oder »atta« in Pali anzusehen.) Diese Geisteszustände sind das Leid, das wir uns selbst zufügen. Es rührt von einem Mangel an Verständnis dessen, wie die Dinge wirklich sind.


    Die sechs R sind sechs einzelne Schritte, die sich in eine fließende Bewegung und eine neue heilsame Gewohnheit entwickeln, die jede Last in Geist und Körper abbaut. Der Meditationszyklus beginnt, wenn sich die Achtsamkeit auf die sechs R besinnt (recollect). Die sechs R sind:


    Recognize – Erkennen
    Release – Loslassen
    Relax – Entspannen
    Re-smile – Lächeln
    Return – Zurückkehren
    Repeat – Wiederholen


    Zur Entwicklung von Achtsamkeit (Kraft zur Beobachtung) gehört, sich an jeden Schritt im Zyklus zu erinnern. Sobald man den Zweck von Achtsamkeit versteht, ist es nicht länger schwierig, sie ständig aufrechtzuerhalten. Außerdem wird die Meditation verständlicher und bereitet mehr Freude. Sie wird Teil eines glücklichen Lebens. Das lässt einen lächeln. Sich zu erinnern und zu besinnen, führt zu einem heilsamen und kraftvollen Geist.


    Erinnerung (recollection) beziehungsweise Achtsamkeit ist sehr wichtig. Bevor man mit der Übung der sechs R beginnt, muss man sich daran erinnern, den Zyklus zu starten. Das ist der Trick! Erinnere dich daran, den Tank zu füllen, damit der Motor ruhig laufen kann. Dann beginnen wir mit:


    Erkennen (recognize): Durch Achtsamkeit erinnern wir uns daran, wie wir jede Bewegung der Aufmerksamkeit des Geistes von einem Gegenstand zum nächsten erkennen und beobachten können. Die Beobachtung nimmt jede Bewegung der Aufmerksamkeit des Geistes wahr, die vom Meditationsobjekt, wie dem Atem, der liebenden Güte oder einer Beschäftigung im Alltag, wegführt. Man kann eine leichte Spannung oder Verengung wahrnehmen, sobald die Aufmerksamkeit beginnt abzuschweifen. Ein angenehmes oder unangenehmes Gefühl kann an jedem der sechs Sinnestore auftreten. Jeder Anblick, jedes Geräusch, jeder Geruch, jeder Geschmack, jede Berührung und jeder Gedanke kann diese Empfindung von Spannung oder Verengung auslösen. Mit sorgfältiger, bewertungsfreier Beobachtung kann man eine leichte Verengung spüren. Die Bewegungen des Geistes früh zu erkennen, ist für eine erfolgreiche Meditation entscheidend. Dann folgt:


    Loslassen (release): Wenn ein Gefühl oder Gedanke aufkommt, lässt man sie los und überlässt sie sich selbst, ohne ihnen weitere Aufmerksamkeit zu schenken. Der Inhalt der Ablenkung ist ganz unerheblich, aber es ist sehr wichtig, wie sie entsteht. Lass jede Verengung los, die mit der Ablenkung verbunden ist; lass sie einfach da sein, ohne ihr Aufmerksamkeit zu schenken, denn ohne Aufmerksamkeit verschwindet sie. Achtsamkeit erinnert uns dann an den nächsten Schritt:


    Entspannen (relax): Nachdem wir die Ablenkung losgelassen haben und ihr erlauben, da zu sein, ohne sie kontrollieren zu wollen, gibt es noch eine feine, kaum wahrnehmbare Spannung in Geist und Körper. Darum hat der Buddha in seinen Meditationsanweisungen einen Schritt zur Entspannung oder Beruhigung aufgezeigt. Bitte übergehe diesen Schritt nicht! Das wäre so, als ob man einem Motor kein Öl geben würde, das ihn ruhig laufen lässt. Das entscheidende Pali-Wort ist hier pas’sambaya. Es bedeutet beruhigen und beschreibt in den Sutten eine Handlung, die man ausführen muss. Es beschreibt nicht allgemein ein entspanntes oder beruhigtes Gefühl, das bei anderen Meditationsarten auftreten kann. In manchen Übersetzungen wird das übersehen, was dann zu anderen Ergebnissen führt. Ohne diesen Schritt zur Entspannung wird man das Vergehen der Spannung, die durch Begehren verursacht ist, nicht voll erfahren und die Erleichterung infolge der Entspannung nicht fühlen. Man beachte, dass Begehren sich immer zuerst als Spannung und Verengung in Geist und Körper äußert. Während man die Schritte Loslassen und Entspannen ausführt, hat man augenblicklich Gelegenheit, die wahre Natur und die Erleichterung von Vergehen (der Verengung und des Leids) zu erkennen und zu erfahren. Achtsamkeit führt dann zum nächsten Schritt:


    Lächeln (re-smile):Falls du dir die Vorträge unter www. dhammasukha.org angehört hast, erinnerst du dich vielleicht daran, dass Lächeln ein wichtiger Aspekt der Meditation ist. Lächeln im Geist und leichtes Hochziehen der Mundwinkel hilft, aufmerksam, wach und geistig rege zu sein. Ernsthaftigkeit, Anspannung und finster Dreinschaun machen den Geist schwer, und die Achtsamkeit wird stumpf und langsam. Die eigenen Einsichten werden schwerer erkennbar, und das Verständnis des Dhamma wird verlangsamt. Stell dir einmal für einen Moment den Bodhisatta als Jungen unter dem Rosenapfelbaum vor. Er war weder ernst noch angespannt, als er angenehm (im jhana) verweilte, sondern hatte tiefe Einsichten mit einem leichten Geist. Möchtest du klar sehen? Das ist einfach! Sei locker, hab’ Spaß am Nachforschen und lächle! Lächeln macht die Übung freudvoller und interessanter. Sei nett zu dir, lächle und beginne erneut, wenn du das Loslassen und Entspannen vergessen hast, anstatt dich zu bestrafen oder zu kritisieren. Humor, Spaß haben, Nachforschen und neu ansetzen sind wichtig. Nach dem Lächeln bringt Achtsamkeit den nächsten Schritt ins Gedächtnis:


    Zurückkehren (return oder re-direct): Bringe die Aufmerksamkeit sanft zum Meditationsobjekt (dem Atem und Entspannung oder liebende Güte und Entspannung), deinem Heimathafen, zurück und setze die Meditation mit einem sanften, gesammelten Geist fort. Wurde die Aufmerksamkeit bei einer Alltagsbeschäftigung abgezogen, kehrt man auch hier nach den Schritten Loslassen, Entspannen und Lächeln zur Aufgabe zurück. Manchmal höre ich, dass die Praxis des Zyklus der sechs R einfacher als erwartet ist. Aber im Verlauf der Geschichte können selbst einfache Dinge durch kleine Veränderungen und Auslassungen rätselhaft werden! Die Wiederbelebung der sechs R bewirkt einen effektiveren Fokus auf tägliche Aktivitäten mit weniger Spannung und Verengung. Der Geist wird auf natürliche Weise ausgeglichener und glücklicher. Man wird leistungsfähiger bei allem, was man tut, und entwickelt mehr Freude an allem, was vorher eine Last war. Nun am Ende des Zyklus erinnert uns Achtsamkeit an:


    Wiederholen (repeat): Gehe erneut durch den gesamten Zyklus, um die Ergebnisse zu erzielen, die man dem Buddha zufolge in einem Leben erreichen kann. Altes, gewohnheitsbedingtes Leiden wird schließlich aufgelöst, wenn wir den Zyklus der sechs R immer wieder durchlaufen und erkennen und erfahren, was Leid wirklich ist. Erkenne die Ursache, nämlich die Identifikation mit der Spannung und Verengung. Erlebe das Aufhören davon durch Loslassen und Entspannen. Und entdecke den direkten Weg zum Ende von Leid, das wir uns selbst zufügen. Das geschieht jedes Mal, wenn wir ein Gefühl loslassen, entspannen und lächeln. Fühle die Erleichterung.


    Die Achtsamkeit zu schärfen, ist der Schlüssel zu einer einfachen und ruhigen Meditation. Zusammengefasst ist Achtsamkeit also äußerst wichtig sowohl für die buddhistische Meditation als auch für das tägliche Leben. Erinnerung (recollection) hält die sechs Schritte der Übung am Laufen. Wenn man so nah wie möglich an dieser Anleitung (aus den Sutten) bleibt, werden alle Lebenserfahrungen leichter. Zur Zeit des Buddha wurde höchstwahrscheinlich eine ganz ähnliche Methode gelehrt. Die bemerkenswerten Ergebnisse, die man damit erzielt, sind sofort wirksam, wenn man eifrig und engagiert übt. Wenn ein Problem auftritt, das einen länger festhält, wird diese Übung das Hindernis schließlich beseitigen können, vorausgesetzt, man übt die sechs R ausdauernd und beständig. Weil die Praxis der sechs R im Alltag so wirksam ist, verändert sie unsere Sichtweise und führt zu einer erfolgreicheren, glücklicheren und friedlicheren Lebenserfahrung. Achtsamkeit, Wissen und Weisheit entfalten sich auf natürliche Weise, wenn man durch Erleben des unpersönlichen Vorgangs des Bedingten Entstehens erkennt, wie die Dinge beschaffen sind. Das führt zu einer Form von Glück, die der Buddha Zufriedenheit genannt hat. Zufriedenheit ist ein Nebenprodukt der buddhistischen Praxis, die auch zu Gleichmut, Ausgeglichenheit, Auflösung von Furcht und anderen Beschwerden führt. Weniger Furcht erzeugt neues Vertrauen, und dann wachsen liebende Güte, Mitgefühl, Freude und Gleichmut in unserem Leben.


    Der Erfolg dieser Methode ist direkt proportional dazu, wie gut man Achtsamkeit versteht, den Anweisungen folgt und die sechs R sowohl in der Sitzmeditation als auch im Alltag umsetzt. Das ist der Weg zum Ende des Leidens. Es ist interessant und macht Spaß, auf diese Art zu üben. Und gewiss hilft es einem zu lächeln, wenn man sieht, wie man die Welt um einen herum in einer positiven Art verändert.


    Bei Ruhiger Weisheits-Meditation unterdrückt man nichts. Unterdrückung heißt, bestimmte Erfahrungen und Hindernisse wegzudrücken oder nicht zulassen zu wollen. Stattdessen sollte man daran arbeiten, den Geist zu öffnen, sobald Hindernisse auftreten, und sie deutlich zu erkennen als anicca (Unbeständigkeit: Das Hindernis war nicht zugegen, aber jetzt ist es da), dukkha (Leiden oder Ungenügen: Man erkennt, dass die Hindernisse schmerzhaft sind) und anatta (Nicht-Ich: Man nimmt die Hindernisse nicht persönlich, betrachtet sie als unpersönlichen Vorgang, über den man keine Kontrolle hat, man denkt nicht »Ich bin das«). Dann lässt man sie los, entspannt die Verengung im Kopf, beruhigt den Geist und bringt schließlich die Aufmerksamkeit zur Achtsamkeit auf den Atem zurück.


    Als Ergebnis beginnt man klar zu erkennen, wie der Geist funktioniert, und das führt zu Weisheit. Wenn man sich nicht mit den Hindernissen identifiziert, verschwinden sie auf natürliche Weise, und der Geist wird klarer und aufgeweckter. Immer, wenn man die Ich-Bezogenheit »Ich bin das« aufgibt, wird der Geist auf natürliche Weise weiter, umsichtiger und achtsamer. Ein Hauptanliegen dieses Buches ist es zu zeigen, dass man den Geist nicht läutert oder die Dinge so erlebt, wie sie sind, wenn man etwas unterdrückt. Wenn man etwas unterdrückt, schiebt man einen Teil seiner Erfahrung beiseite oder lässt sie nicht zu, sodass sich der Geist zusammenzieht anstatt sich zu erweitern und zu öffnen. Folglich wird der Geist nicht von Unwissenheit gereinigt. Vielmehr stoppt man den Prozess der Reinigung!


    Es ist unmöglich, den nicht-bedingten Zustand des überweltlichen Nibbana zu erfahren, wenn man nicht alles loslässt und den Geist auf diese Weise von der Ich-Vorstellung »Ich bin das« reinigt. Der Buddha hat nie gelehrt, Erfahrungen zu unterdrücken oder den Geist auf das Meditationsobjekt zu fixieren. Man erinnere sich, dass er jede Art von Konzentrations-Meditation als unkorrekt zurückgewiesen hat. Man muss sogar jede Art von Schmerz, gefühlsmäßiger Verstimmung, körperlicher Beschwerde und sogar den Tod mit Gleichmut, vollem Bewusstsein und starker Aufmerksamkeit hinnehmen und darf sich nicht damit identifizieren und den Schmerz persönlich nehmen.


    Eine echte Veränderung der Persönlichkeit tritt ein, wenn man seinen Geist öffnet und erweitert und alle Arten von Hindernissen, Schmerz und Spannung auch im Alltag loslässt. Das bedeutet, dass man sein Bewusstsein öffnet und erweitert, so dass man alles mit einem ruhigen Geist beobachtet, der frei von Enge und Ich-Anhaftung ist. Man gelangt dann schrittweise zu einem glücklichen und ruhigen Leben ohne viel Geplapper im Geist, insbesondere bei alltäglichen Beschäftigungen.


    Mit der Konzentrations-Methode fühlt man sich während der tiefen Meditation sehr angenehm und glücklich, aber die Persönlichkeit bleibt dieselbe, wenn man aus der Vertiefung herauskommt. Das heißt, man wird von den Hindernissen angegriffen, aber weder erkennt man sie, noch öffnet man den Geist. Also zieht man den Geist zusammen und entwickelt noch mehr Anhaften! Das kann sogar zu Stolz und Kritisieren führen! Die Ursache dafür ist, dass man ein Hindernis, sobald es in der Meditation auftritt, loslässt und sofort zum Meditationsobjekt zurückkehrt, ohne die von der Ablenkung verursachte Verengung zu beruhigen und zu entspannen. Stattdessen tendiert der Geist dazu, sich zu verschließen oder zusammenzuziehen und sich (während der Sitzmeditation) um die Ablenkung herum zu verengen, bis er tiefere Konzentration erreicht.


    Das Ergebnis ist die Unterdrückung des Hindernisses. Man hat also die Identifikation mit der Ablenkung noch nicht vollständig losgelassen. Außerdem ist der Geist auch eng und angespannt, weil man nicht klar erkennt, dass man sich nicht öffnet und zugänglich, sondern verschlossen ist und mit der Ablenkung kämpft. Das erklärt, weshalb sich Meditierende heute über starke Spannung im Kopf beklagen. Wenn man jedoch tatsächlich jede Ablenkung loslässt, wird nie irgendeine Spannung im Kopf auftreten. Unterdrückung führt zu keiner echten Reinigung des Geistes, und folglich verändert sich auch nicht die Persönlichkeit.


    Zum Weiterlesen: Vimalaramsi - Das Anapanasati-Sutta

    ... so habe ich es verstanden.


    Without knowing exactly what is meant by nibbana do not think that you understand the Buddha's teaching. (Nanavira Thera)