Zazen - einfach nur Sitzen

    • Anleitung zum Zazen - einfach nur Sitzen


      Einleitung


      Diese Schrift über Zazen basiert auf Meister Dogens Fukan Zazengi sowie auf Kommentaren und Schriften über Zazen von Kodo Sawaki, Uchiyama Roshi und Gudo Nishijima. Beeinflusst wurde diese des Weiteren von Muho, dem gegenwärtigen Abt von Antaiji, Sodo Yokoyama, Brad Warner sowie meinen bisherigen Zazen-Lehrern.


      Ziel des Textes ist es, eine möglichst klare, ausführliche und verständliche Anleitung für die authentische Zazen-Übung nach Dogen Zenji zu geben. Die Anleitung zum Zazen wurde über Jahre hinweg immer wieder verfeinert und erweitert. Dies ist nun die erste robuste Fassung, was aber nicht bedeutet, dass der Text nun endgültig "fertig" ist.


      Zazen


      Wird Zazen direkt Übersetzt, bedeutet es "Sitzen (Za) im ausgeglichenen Zustand von Körper und Geist (Zen)" oder auch "Sitzen (Za) in (der) Wirklichkeit/Wahrheit (Zen)". Gautama Buddha war vermutlich der erste Mensch, der Zazen in der hier beschriebenen Form praktizierte. Aufgrund dessen, was Buddha in der Zazenübung verwirklichte, entstand später seine Lehre - der Buddhismus.


      Durch das aufrechte Sitzen in Zazen realisierte Gautama Buddha intuitiv, dass er weder in seinen Gedanken und Ideen über die Wirklichkeit, noch in seiner Wahrnehmung dieser, sondern in der Wirklichkeit selbst lebte. Folglich lehrte Buddha seinen Schülern ebenfalls regelmäßig Zazen zu üben, und seine Lehre nicht nur intellektuell zu studieren. Es ist genau dieses Zazen, das von Patriarch zu Patriarch, von Buddha zu Buddha, bis heute als die Essenz des Zen weitergegeben wurde.
      Meister Dogen schreibt hierzu im Zazenshin: "Wenn wir im Allgemeinen davon sprechen, dass der Buddha-Dharma im westlichen Himmel und in den östlichen Ländern überliefert wurde, heißt dies immer, dass das Sitzen als Buddha weitergegeben wurde. Das Wesentliche ist also, als Buddha zu sitzen. Wenn Zazen nicht weitergegeben wird, wird auch der Buddha-Dharma nicht weitergegeben. Allein dieser Sinn des Zazen wurde direkt von einem rechtmäßigen Nachfolger zum nächsten überliefert."


      Zazen praktizieren bedeutet, sich aufrecht in der richtigen Körperhaltung auf ein Kissen zu setzen, alle Gedanken und Gefühle loszulassen und einfach nur zu sitzen. Durch die senkrechte Körperhaltung und die tiefe Atmung kommt unser Autonomes Nervensystem in sein natürliches Gleichgewicht, Körper und Geist werden eins, und wir verwirklichen direkt die Wirklichkeit jenseits unserer Gedanken und Gefühle.


      Durch dieses Tun realisieren wir intuitiv, dass nicht nur Körper und Geist, sondern auch wir selbst und das gesamte Universum, nicht getrennt voneinandern - sondern eins sind.
      Dogen schreibt im Shobogenzo Bendowa, "Zazen ist das wahre Tor zum Dharma." Wenn wir Zazen praktizieren, verwirklichen wir direkt den Dharma - die schlichte Wirklichkeit so wie sie ist - ohne Färbungen und Verzerrungen durch unsere Gedanken, Gefühle, Hoffnungen, Ängste etc. Es handelt sich dabei jedoch nicht nicht um einen speziellen, entrückten, "spirituellen" Geisteszustand. Wir gehen vielmehr einfach einen Schritt zurück - vor alle "Zustände".



      Shikantaza


      Shikantaza bedeutet "nichts anderes tun als sitzen", und stellt die reinste Form des Zazen dar. Meister Dogen legte großen Wert auf diese ursprüngliche, transparente Form der Übung.


      "Einfach nur sitzen" bedeutet vor allem Zazen für Zazen zu tun - ohne irgendetwas zu erwarten. In der Praxis bedeutet dies, sich vollständig Zazen hinzugeben, und nichts anderes zu tun als mit Fleisch und Knochen zu sitzen. Zazen ist weder eine Meditation, noch eine Konzentrationsübung. Zazen ist keine Übung die zum Erwachen führt. Zazen ist das Erwachen - Zazen erwacht zu Zazen. Übung und Erwachen können nicht voneinander getrennt werden: Ohne Erwachen keine Übung, ohne Übung kein Erwachen.


      Shikantaza bedeutet auch, dass Zazen letztendlich die essentielle Übung ist. Dogen sagte, dass "Einfach nur sitzen" genügt und es nicht notwendig ist, Sutren zu rezitieren, Mantras aufzusagen, Räucherwerk zu verbrennen, Zeremonien auszuführen oder irgendwelche Heiligen zu verehren.


      "Nichts anderes tun als sitzen", ist auch im praktischen Sinne wörtlich gemeint. Denn es gibt in der authentischen Zazen-Praxis keine Hilfen oder Stützen. Wir konzentrieren uns nicht auf die Atmung, zählen nicht die Atemzüge, meditieren nicht über etwas, beobachten nicht unsere Gedanken oder versuchen ein Koan zu lösen. Wir sitzen einfach nur mit ganzem Herzen Zazen - ohne etwas hinzuzufügen.



      Zazen und das Autonome Nervensystem


      Da Zazen einen starken Einfluß auf unser Autonomes Nervensystem hat - und diese Tatsache gerade in unserer wissenschaftlich orientierten Zeit recht bedeutend ist - möchte ich hier kurz auf die Grundlagen des Autonomen Nervensystems in Zusammenhang mit der Zazen-Praxis eingehen. Grundlage hierfür ist ein Vortrag von Gudo Nishijima.


      Das Autonome Nervensystem besteht aus zwei Teilen - dem sympathischen und dem parasympathischen Nervensystem. Diese beiden Teile des Autonomen Nervensystems funktionieren auf entgegengesetzte, polare Weise.
      Wenn das sympathische Nervensystem stärker ist als das parasympathische, sind wir angespannt, haben wenig Appetit, leiden an Schlaflosigkeit usw.
      Wenn hingegen das parasympathische Nervensystem stärker ist - sind wir matt, haben einen ausgeprägten Appetit, schlafen viel etc.


      Kurz gesagt sorgt der Sympathikus für Spannung, während der Parasympathikus für Entspannung sorgt. Wenn einer der beiden Teile zu aktiv, und das Autonome Nervensystem nicht im Gleichgewicht ist, ist unser ganzer Körper - und somit auch unser Geist - ebenfalls nicht im Gleichgewicht. Dies hat zur Folge, dass wir uns nicht wohl fühlen und dazu neigen, unausgeglichen und einseitig zu handeln. Gautama Buddha lehrte den Weg der Mitte - den ausgeglichenen Zustand von Körper und Geist zu verwirklichen, und richtig zu handeln. Dies ist nur möglich, wenn unser Autonomes Nervensystem im Gleichgewicht ist. Daher ist dieses für die Zen-Praxis von großer Bedeutung, auch wenn das Autonome Nervensystem vor 2500 Jahren zur Zeit Gautama Buddhas als solches noch nicht bekannt war.


      Es ist nicht möglich, das Autonome Nervensystem willentlich zu steuern, und dieses so wieder ins Gleichgewicht zu bringen, da dieses - wie der Name schon sagt - autonom ist. Gautama Buddha hat jedoch eine Übung entdeckt, durch die unser Autonomes Nervensystem auf natürliche Weise wieder ins Gleichgewicht kommt - Zazen.


      Durch die natürliche, aufrechte Körperhaltung, und die tiefe Atmung beim Zazen, kommen Sympathikus und Parasympathikus ganz automatisch in ihren ausgeglichenen Zustand. Sind beide Teile fast völlig im Gleichgewicht, scheinen sich diese gegenseitig aufzulösen, und "Körper und Geist fallen ab - shinjin datsuraku" wie Meister Tendo Nyojo, der Lehrer von Dogen, dies ausdrückte. Auch hier sei wieder darauf hingewiesen, dass es sich hier nicht um die Beschreibung eines "mystischen", "spirituellen" Zustandes handelt. Es ist nicht so, dass sich unser Körper und Geist beim Zazen plötzlich "auflösen" würden und wir dann nurnoch in irgendeiner "erleuchteten", "spirituellen" Form existieren. "Körper und Geist fallen ab" bedeutet lediglich, dass unsere Konzepte von "Körper und Geist" abfallen, und wir uns so völlig auf das Sitzen selbst einlassen können.


      Zazen praktizieren


      shikantaza Ich will nun die praktischen Aspekte der Zazen-Praxis auf Grundlage von Dogens Fukan Zazengi beschreiben.


      Zazen wird am besten in einer Gruppe geübt, alleine ist es in der Regel schwierig - vor allem am Anfang. Zum einen entsteht in einer Gruppe eine gewisse Gruppendynamik, die verhindert dass wir nach ein paar Minuten sobald wir keine Lust mehr haben gleich wieder mit dem Zazen aufhören. Zum anderen gibt es in einer Gruppe in der Regel Übende, die schon länger praktizieren und uns auf mögliche Fehler aufmerksam machen können. Diese Fehler, wie zum Beispiel eine falsche Körperhaltung, können sowohl geistige wie auch körperliche Schäden verursachen, und so dazu führen, dass die Praxis voreilig wieder aufgegeben wird.

      In fast jeder größeren Stadt gibt es die Möglichkeit, in einer Gruppe oder einem Dojo zu praktizieren. Hierbei sollte es sich um ein Dojo handeln, in dem authentisches Zazen (Shikantaza) praktiziert wird.
      Falls es kein Dojo in deiner Nähe gibt, ist es immernoch besser alleine zu praktizieren, als garnicht. Wenn möglich solltest du aber, auch wenn das nächste Dojo weiter entfernt ist, dieses trotzdem regelmäßig zur Selbstkontrolle aufsuchen.


      Es ist von großer Wichtigkeit, möglichst täglich zu üben. Durch die regelmäßige, tägliche Praxis dehnt sich der ausgeglichene Zustand von Körper und Geist - der sich ganz natürlich in Zazen einstellt - Schritt für Schritt auf den gesamten Alltag aus.


      Normalerweise dauert eine Zazenperiode 30 bis 45 Minuten. Zu Beginn ist dies jedoch für die meisten etwas zu lange, daher ist es besser mit 20-30 Minuten anzufangen, und die Dauer dann langsam auf 30-45 Minuten auszudehnen. Zazen wird am besten früh am Morgen bei Sonnenaufgang, oder abends bei Sonnenuntergang geübt.


      Für Zazen ist ein möglichst ruhiger, sauberer und heller Raum geeignet. Der Raum sollte angenehm warm im Winter, und kühl im Sommer sein, sowie möglichst frische, lebendige Luft enthalten.
      Zwischen einer Mahlzeit, und dem Beginn von Zazen, sollte einige Zeit (mindestens 30 Minuten) vergangen sein - auch sollten weder Alkohol noch sonstige Drogen Körper und Geist trüben.


      Zazen wird mit dem Gesicht zur Wand geübt. Lege hierzu ein Zabuton (Sitzmatte, kann auch ein einfacher Teppich sein) auf den Boden vor die Wand, und auf dieses ein Zafu (schwarzes Sitzkissen, mit Kapok gefüllt) (Bild 1). Zwischen der Sitzmatte und der Wand sollte ein Abstand von ca. 1m liegen.


      In vielen Gruppen und Dojos gibt es bestimmte Regeln zur Art und Weise wie wir uns hinsetzen sollen. Diese können je nach Tradition etwas variieren, daher ist es am besten diese direkt vor Ort zu erfragen. Ich will hier nun eine weit verbreitete Variante beschreiben.


      Bevor du dich hinsetzt machst du eine kleine Verbeugung in Gassho zur Wand hin, drehst dich dann nach rechts um 180 Grad zur Raummitte hin um, und machst nochmals Gassho (Bild 2). Gassho ist hier eine Geste des Respektes und der Wertschätzung der eigenen Übung, sowie der Übung der anderen Praktizierenden. In Gassho werden die Hände so zusammengelegt, dass die Fingerspitzen in Höhe der Nase und die Arme waagerecht sind (Bild 9). Die Hände sollten dabei weder zu nahe am Gesicht, noch zu weit vom Gesicht entfernt sein.


      Die Zazen-Haltung
      Setz dich in Richtung Wand auf den vorderen Teil des Sitzkissens, und kreuze die Beine in der vollen, halben oder viertel Lotushaltung. In der vollen Lotushaltung wird der rechte Fuß auf den linken Oberschenkel und der linke Fuß auf den rechten Oberschenkel gelegt (Bild 3).
      Ist dir das nicht möglich, legst du einfach nur den linken Fuß auf den rechten Oberschenkel, und lässt den anderen Fuß auf dem Boden unter dem linken Oberschenkel ruhen (Bild 4). Es ist natürlich auch möglich, die Füße jeweils umgekehrt zu kreuzen. Die Knie sollten fest auf dem Boden aufliegen, und das Gewicht des Körpers gut auf Knie und Sitzknöchel verteilt sein. Der Schwerpunkt sollte im Unterbauch, unterhalb des Nabels im Tanden, liegen.
      Ist es dir nicht möglich, die Beine im halben Lotussitz zu verschränken, kannst du auch im viertel Lotussitz oder einer anderen, für dich geeigneten Haltung sitzen. Wenn du im halben oder viertel Lotus sitzt, ist es wichtig bei jedem Zazen die Beine zu wechseln.


      Sitze nun mit natürlich gestreckter Wirbelsäule so aufrecht, dass dein Körper so weit wie möglich zwischen Himmel und Erde ausgedehnt ist. Das Kinn wird leicht eingezogen und der Nacken gestreckt (Bild 5). Ist die Haltung zu schlaff wird dein Rücken rund, sitzt du mit zuviel Spannung entsteht ein Hohlkreuz. Beides sollte vermieden werden. Meister Sawaki sagte man solle so sitzen als "ob wir den Himmel mit der Schädeldecke stützen wollen."


      Es ist wichtig, dass du beim Zazen ein Sitzkissen mit der richtigen Höhe verwendest. Dieses sollte es dir erlauben, dein Becken ohne große Anstrengung so weit nach vorne zu kippen, dass du ohne größere Mühe aufrecht sitzen kannst. Die Ursache für die meisten Probleme bei der Zazenhaltung ist eine falsche Position/Neigung des Beckens, daher solltest du diesem entsprechende Beachtung schenken.


      Sitze also weder nach links, noch nach rechts, weder nach vorne noch nach hinten geneigt - sondern möglichst aufrecht und gerade. Dies ist der wichtigste Punkt beim Zazen. Die Ohren sollten in einer Linie mit den Schultern und die Nase in einer Linie mit dem Nabel sein (siehe Bild 5 und 7).


      Ist der Körper aufgerichtet, pendle dich in immer kleiner werdenden, kreisenden Bewegungen langsam von links nach rechts ein, um so das richtige Gleichgewicht in der Senkrechten zu finden (Bild 6). Sitze möglichst im Zuge der Schwerkraft, so dass du nur wenig Kraft benötigtst um die aufrechte Körperhaltung beizubehalten. Lege nun die rechte Hand auf den oberen Fuß, und die linke Hand in die rechte Hand. Die Handkanten berühren dabei den Unterbauch, die Daumenspitzen haben leichten Kontakt zueinander. Die Daumen bilden eine gerade Linie, zeigen weder nach oben noch nach unten, und können leicht am Unterbauch anliegen. Die Hände bilden dabei ein schönes großes Oval (Bild 8). Wenn du nicht im halben- oder vollen Lotus sitzt, kann es hilfreich sein eine kleine Stütze (z.B. ein zusammengerolltes Kleidungsstück) auf die Oberschenkel zu legen, um dann die Hände darauf auflegen zu können.


      Ist der Nacken gestreckt, und das Kinn leicht zurückgezogen, fällt der Blick ganz natürlich um ca. 45 Grad nach unten auf einen Punkt auf dem Boden. Die Augen sollten nicht geschlossen werden, da dies leicht zu einem schläfrigen, dumpfen Zustand führt. Wir ziehen uns während Zazen nicht nach "Innen" zurück, sondern hören auf "Innen" und "Außen" zu fabrizieren - daher sollte der Blick klar und die Augen ganz natürlich geöffnet sein. Der Mund ist geschlossen, die Zunge liegt am oberen Gaumen an, und die Zungenspitze berührt leicht die oberen Schneidezähne.


      Während Zazen ist es von größter Bedeutung, nicht von der Haltung abzuweichen. Sobald du merkst, dass deine Daumen nach unten fallen, dein Kopf nach vorne fällt oder du sonst irgendwie von der Haltung abweichst, korrigiere dich sofort. Dies ist der wichtigste Punkt beim Zazen.



      Atmung und Spannkraft beim Zazen


      Die richtige Atmung stellt sich ganz automatisch mit der richtigen Haltung und Spannkraft des Körpers beim Zazen ein. Ist die Haltung korrekt, und somit unser körperlicher Schwerpunkt im Unterbauch (Tanden), wird die Atmung ganz automatisch tief und ruhig. Atme zu Beginn des Zazen ein oder zwei Mal vollständig mit dem Mund, aus dem Unterbauch, ein und aus. Während Zazen atme einfach ganz natürlich vom Unterbauch aus durch die Nase ein und aus.


      Es ist nicht notwendig, die Atmung während Zazen bewusst zu kontrollieren. Die korrekte Atmung ist keine Sache des Tuns, sondern des Zulassens. Unser Körper reguliert die Atmung ganz von alleine - unser Eingreifen würde diese natürliche Regulierung nur behindern. Auch konzentrieren wir uns während Zazen nicht auf den Atem oder beobachten diesen. Wir achten einfach ein wenig darauf, dass wir vom Unterbauch ausgehend durch die Nase atmen, genauso wie wir darauf achten, dass unser Kopf nicht nach vorne fällt. Es ist wichtig, aus dem Atem kein Konzentrationsobjekt zu machen - den Atem nicht als etwas Getrenntes zu betrachten auf den "wir" uns konzentrieren. Am besten ist es den Atem einfach zu vergessen und sich ganz dem Sitzen zu widmen.


      Die Schultern sollten entspannt werden, jedoch vielmehr so, dass du dich in die Schultern fallen lässt, anstatt diese fallenzulassen bzw. nach unten zu drücken. Bei jedem Entspannen ist es wichtig nicht zusammenzusacken, die aufrechte Haltung beizubehalten. Achte darauf, weder mit zuviel, noch mit zuwenig Spannkraft, zu sitzen. Im Idealfall sitzt du ganz im Zuge der Schwerkraft, brauchst wenig Kraft um aufrecht zu sitzen - aber deine Haltung ist trotzdem aufrecht und voller Energie.


      Kodo Sawaki sagte hierzu, "Erwachen bedeutet reine Klarheit mit dem Körper zu erfühlen. Das bedeutet, dass du über den Geist Buddhas verfügst, wenn deine Muskeln und Sehnen so angeordnet sind wie die Muskeln und Sehnen Buddhas. Zazen zu üben bedeutet sich auf diese Weise mit dem Universum auf gleiche Wellenlänge zu bringen, und das bedeutet wiederum das eigene Barometer, das am Verrücktspielen war, zurück zum exakten Funktionieren zu bringen. Was du als Mensch darstellst hängt von der Spannung und Ordnung deiner Muskeln und Sehnen ab. Erwachen bedeutet das richtige Gleichgewicht in der Spannung von Muskeln und Sehnen zu erfühlen. Wenn der Körper sein natürliches Gleichgewicht erreicht, ist das das Erwachen."


      Bei jeder Anweisung bezüglich der Haltung und Spannkraft ist es notwendig, diese mit Vorsicht und Vernunft umzusetzen. So sollte z.B. das Kinn zwar etwas eingezogen sein, aber eben nur etwas und nicht mit Gewalt. Entsteht ein Doppelkinn, ist das Kinn bereits zu weit eingezogen, oder die Haltung der Wirbelsäule ist nicht korrekt. Auch sollte die Haltung zwar aufrecht sein, aber "aufrecht in der Senkrechten sitzen" bedeutet nicht, die natürlichen Kurven der Wirbelsäule zu korrigieren.
      Ein anderer oft falsch verstandener Punkt ist der Blick beim Zazen. Dieser sollte um ca. 45 Grad nach unten gerichtet sein, aber nicht so, dass du mit Anstrengung den Blick nach unten drückst. Vielmehr sollte sich dieser natürlich und entspannt bei ungefähr 45 Grad niederlassen. Ob dies nun bei 40 oder 50 Grad passiert, macht keinen Unterschied.


      Kurz gesagt sollte beim Umsetzen der Anweisungen der gesunde Menschenverstand nicht ausgeschaltet werden. Am besten ist es, einen guten Lehrer zu finden, der die Haltung regelmäßig überprüft und wenn notwendig korrigiert. Aber auch hier ist Vorsicht notwendig - nicht jeder sonst vielleicht ganz gute Zen-Lehrer hat unbedingt die notwendigen Kenntnisse darüber was denn nun eine richtige Haltung ist und was nicht.



      Die Geisteshaltung beim Zazen


      Sobald wir in der korrekten Zazenhaltung sitzen, stellt sich uns in der Regel die Frage, was wir denn nun tun sollen. Hier kommt wieder der Begriff Shikantaza ins Spiel, "nichts anderes tun als sitzen". Sitze einfach nur Zazen, vollständig mit Körper und Geist. Tue nichts anderes als einfach nur in der korrekten Zazenhaltung zu sitzen. Mit ganzem Herzen zu sitzen, das ist alles.


      Sitzen wir aber in Zazen, fangen wir in der Regel an, zunächst ohne uns dessen bewusst zu sein, über irgendetwas nachzudenken. Zum Beispiel über die Arbeit, die Freundin, einen Film, ans Abendessen, oder wir denken vielleicht darüber nach ob wir denn nun richtig Zazen machen oder nicht. Vielleicht fällt uns auch irgendein berühmter Ausspruch eines Meisters ein, oder wir grübeln darüber nach wieviel Zeit denn nun schon in Zazen vergangen sei.
      Wenn wir dies tun, denken wir aber und machen nicht mehr Zazen. Wir sind getrennt von Zazen, getrennt von unserer Lebenswirklichkeit, getrennt von der Wahrheit, getrennt vom Universum. Daher ist es entscheidend, dass wir, sobald wir merken dass wir von Zazen abgekommen sind, wieder mit Fleisch und Knochen zurückzukehren zur Zazenhaltung und unsere Gedanken loslassen. Dieses mit Fleisch und Knochen ist wörtlich gemeint, denn Zazen machen wir mit dem Körper, und denken es nicht nur. Zu Zazen zurückzukehren bedeutet also nicht zu denken "Ich mache Zazen, ich bin mir dessen bewusst", sondern wir lassen das Denken einfach beiseite und sitzen einfach nur. Zazen ist eine Handlung, und immer wieder zu dieser zurückzukommen, ist es worauf es beim Zazen ankommt. Wenn wir uns in Gedanken verlieren, fällt uns in der Regel der Kopf etwas nach vorne, oder die Daumen fallen nach unten etc. Wenn wir dies merken, korrigieren wir einfach die Haltung und kehren zur korrekten Zazenhaltung zurück. Das ist alles.


      In Zazen kommen wir also immer wieder zu Zazen, zu unserer Lebenswirklichkeit zurück. So können wir intuitiv verstehen, dass unsere Gedanken eben nur Gedanken sind, die meist zufällig entstehen und keine wirkliche Grundlage, keine Substanz besitzen. Diese Gedanken sind nicht als etwas Negatives zu betrachten, aber man muss deren wahren Wert sehen. Es sind lediglich Sekretionen unserer Hirnrinde, es ist also nicht notwendig diesen blindlings zu folgen und uns in sie verstricken zu lassen.


      Dies wird oft missverstanden, und so ist die Idee, Zazen würde bedeuten garnicht mehr zu denken - keine Gedanken mehr zu haben, weit verbreitet. Dem ist aber ganz und garnicht so. Da dieser Punkt sehr wichtig ist, will ich an dieser Stelle kurz auf eine bekannte Begegnung zwischen Meister Yakusan und einem Mönch eingehen: Meister Yakusan machte gerade Zazen als ein Mönch kam und ihn fragte "Was denkt Ihr während Zazen?" Yakusan antwortete "Ich denke aus dem tiefen Grund des Nicht-Denkens." Darauf fragte der Mönch weiter, "Wie kann man aus dem tiefen Grund des Nicht-Denkens denken?" und Meister Yakusan antwortete "Jenseits des Denkens."


      Hishiryo ("Jenseits des Denkens") ist Zazen. Hishiryo bedeutet mit Fleisch und Knochen jenseits des Denkens und des Nicht-Denkens einfach Zazen zu praktizieren. Es ist also weder Denken noch Nicht-Denken sondern geht weit über beides hinaus - Zazen ist ein wirkliches Tun.


      Dies bedeutet völlig im Hier und Jetzt zu sitzen, ohne sich um den Zustand seines Geistes zu kümmern. Wir versuchen weder die Gedanken anzuhalten, noch versuchen wir herauszufinden wo diese herkommen oder unsere Gedanken zu beobachten. Auch folgen wir den Gedanken nicht, sondern kommen einfach immer wieder zu unserer Lebenswirklichkeit, zu Zazen zurück. Es ist hierbei wichtig, die Gedanken nicht als etwas konkretes zu behandeln, sondern diesen einfach keine weitere Beachtung zu schenken. Wir sitzen "jenseits des Denkens", inmitten der Gedanken.


      Die Gedanken anhalten zu wollen ist nicht nur falsch, sondern schlichtweg absurd. Wer seine Gedanken willentlich unterdrückt wird hiervon höchstens krank, aber mit Zazen hat das absolut nichts zu tun. Sobald Gedanken aufsteigen, ist es richtig diesen nicht weiter zu folgen - dann vergehen diese von alleine. Aber auf keinen Fall dürfen wir während Zazen das Aufsteigen der Gedanken verhindern oder unterdrücken wollen. Ganz im Gegenteil - wir sollten während Zazen alles frei aufsteigen lassen, egal was es ist - ohne zu zensieren oder zu bewerten.


      Auch ist unser Zazen nicht nur dann gut, wenn wir einen klaren Geist haben. Denn es ist die Natur unseres Gehirns, dass wir Gedanken haben und uns manchmal von diesen ablenken lassen. Der entscheidende Punkt liegt darin, dies rechtzeitig zu merken, und immer wieder zur Wirklichkeit, zu Zazen aufzuwachen. Auch kann es passieren, dass wir schläfrig sind und vor uns hindösen. Hier ist es ebenfalls notwendig aufzuwachen, und mit Körper und Geist zur Zazen-Wirklichkeit zurückzukehren. Es ist weder notwendig noch hilfreich sich während Zazen darüber zu ärgern, dass man sich nicht konzentrieren kann oder nicht gut sitzt. Ganz im Gegenteil ist es am besten dies einfach zu akzeptieren. Wir sollten nicht zwischen ruhigem und unruhigem Zazen unterscheiden, denn beide sind lediglich verschiedene Seiten ein und derselben Sache.


      Shikantaza bedeutet also einfach in der korrekten Zazenhaltung zu sitzen. Es ist hierbei nicht notwendig, die Atemzüge zu zählen, sich auf den Atem zu konzentrieren, über etwas zu meditieren, oder sich mit einem Koan zu befassen. Denn wenn wir dies tun, ist es nicht mehr Shikantaza, sondern eine Praxis um die Gedanken zu beruhigen, oder einen besonderen Geisteszustand zu erreichen. Sitze einfach in Zazen und lass alles wie es ist. Das essentielle beim Zazen ist die Handlung des Sitzens selbst - das Tun, der Prozess des Sitzens. Wir tun nicht nichts, sondern wir sitzen. Und wenn wir wirklich "nichts anderes tun als sitzen" realisieren wir intuitiv, dass nicht wir, sondern dass das ganze Universum mit dem ganzen Universum durch das ganze Universum im ganzen Universum sitzt. Da gibt es kein "Ich" mehr das sitzt, da ist nurnoch "Sitzen" - Zazen macht Zazen.


      Ich glaube, dass ich hier viel zu viel über Zazen geschrieben habe. Denn es besteht leicht die Gefahr, dass man während Zazen über diese Dinge nachdenkt, anstatt wirklich mit ganzem Herzen Zazen zu üben.


      Anfang und Ende der Zazen-Praxis ist es, die richtige Haltung einzunehmen, diese beizubehalten und einfach mit dem ganzen Sein zu sitzen. Während Zazen sollten wir einfach alles vergessen - jede Unterweisung, jedes Koan, jede Geisteshaltung, jede Zazen-Anleitung.



      Kodo Sawaki über Zazen
      Zum Schluss noch einige erhellende Kommentare und Aussprüche von Meister Kodo Sawaki über Zazen:


      Zazen bedeutet Buddha mit dem menschlichen Körper zu erschaffen.


      Deine Illusionen wirst du nie vollkommen ausrotten: "Ich will ja nicht angeben, aber Illusionen habe ich nun gar keine mehr!" Versuche nicht, Zazen so zu praktizieren, als wolltest du eine Zwiebel schälen. Selbst wenn du auf diese Weise "Satori" oder was auch immer bekommst - das ist nicht echt. Praktiziere Zazen lieber mit diesem Normalbürger-Geist, mit all deinen Illusionen und Trieben. Setz' dich mit diesem Leib, so wie er in den sechs Welten des Leidens herumirrt, einfach in Zazen - wenn du auf diese Weise einfach sitzt, sind dein Affengeist und Pferdewille selbst Undenken, deine Illusionen sind so wie sie sind unbefleckte Wahrheit. Das ist es, was Dogen Zenji im "Eihei Koroku" den "Lotus inmitten des Feuers" nennt.


      Wenn du dich hängen lässt, "hängt" auch dein Geist. Nimmst du eine würdevolle Haltung an, verleiht das auch deinem Geist Würde. Wenn es uns deshalb darum geht, so wie Shakyamuni Buddha zu werden, müssen wir erstmal eine Haltung annehmen, die so fest wie die Shakayamunis ist. Auf diese Weise schalten wir auf die selbe Wellenlänge wie Shakyamuni: Die Form bestimmt den Inhalt.


      Buddha ist kein Begriff. Wenn wir unsere Muskeln und Sehnen ins Gleichgewicht bringen, wird dieser Körper selbst Buddha. Die Übung selbst ist Satori. Die Form ist der Geist. Die Haltung ist der Weg.


      Wieso ist Zazen so erhaben? Weil das Universum erhaben ist. Die kosmische Ordnung ist erhaben. Zazen bedeutet einfach, der kosmischen Ordnung zu folgen. Wenn wir uns in diesem Körper mit dem Universum vereinigen, dann manifestiert sich das in der erhabenen Form des Zazen. Was könnte es deshalb großartigeres für einen Menschen geben als Zazen zu üben?


      Ich vertraue darauf dass Zazen eins ist mit diesem Sawaki. Zazen ist Sawaki, Sawaki ist Zazen. Und dazwischen gibt es nicht die kleinste Lücke. Das ist gar nicht so einfach. Gewöhnlich denkst du in Zazen an das Mädchen, das dir gerade auf der Straße begegnet ist, oder an sonst irgendetwas. Doch eigentlich ist Zazen so hoch und unbeweglich wie der Berg Fuji. Zappel deshalb nicht so herum, und schlaf auch nicht ein in Zazen! Wenn ich sitze wie ein Stein dann zieht Zazen den Sawaki ganz an sich, saugt ihn auf. Das bedeutet Samadhi, und das ist mein wahres Selbst.


      Bei der Übung des Shikantaza (einfachen Sitzens) gibt es nichts hinzuzufügen. Denn Shikantaza allein erfordert bereits unsere ganze Kraft. Shikantaza ist unser Atem. Wir atmen nicht um Satori zu bekommen. Da gibt es keinen "Zweck", da ist nur das Zazen das mit Leib und Seele geübt wird. Das bedeutet nichts anderes als "einfach zu sitzen".


      Samadhi bedeutet das Selbst, für das es keinen Ersatz gibt, zu ergreifen, es bedeutet eins mit dem gegenwärtigen Augenblick zu werden. Wichtig ist, dass wir dieses Samadhi unser ganzes Leben lang fortsetzen. Gestern Zazen, heute Zazen. Tag ein, Tag aus, Jahr für Jahr Zazen üben. Auf diese Weise werden wir vertraut mit uns selbst in Zazen, und dieses Zazen zu ergreifen bedeutet nichts anderes als uns Selbst zu ergreifen.


      Setz' dich erstmal hin. Kein Grund zur Eile. Nimm in Ruhe die richtige Sitzhaltung ein. Hier ist der Startpunkt: Betrachte dein ganzes Leben aus Zazen heraus, mach' dich auf den Weg, Klarheit über dein Leben zu gewinnen.


      Ein Normalbürger, der sich in einen Heiligen verwandelt, ist nur ein karmisches Fabrikat. Die Kunst des Zazen liegt darin, einfach zu sitzen, ohne sich mit irgendetwas anderem abzugeben. Der Wert des einfachen Sitzens liegt in seiner Transparenz und Geschmacklosigkeit.


      Zazen fällt nicht auf. Die Menschen wollen ständig auffallen, deshalb können sie mit Zazen nichts anfangen. Was die Menschen als "Buddhalehre" ansehen, hat mit der Buddhalehre in Wirklichkeit nichts zu tun.


      Du übst Zazen schon seit fünf oder zehn Jahren? Was ist da schon dabei! Du musst jeden Tag ganz von Neuem nach deinem Weg suchen.


      Wenn du im vollen Lotus sitzt, wird es warm um deine Hüften werden, während sich der Blutandrang zu deinem Kopf senkt. Im Zazen geht es darum, diesen Blutandrang zu senken.


      Die Bogensehne loslassen um die Zielscheibe zu treffen: Das hat mit Zazen nichts zu tun. Denn in Zazen stellt das ganze Universum die Zielscheibe dar - es ist unmöglich, sie zu verfehlen. Dafür bekommst du dann aber auch keine Packung Zigarretten, nur weil du das Ziel getroffen hast.


      "Bringt es mir was? Oder bringt es mir doch nichts?" - lass ab von dieser Geisteshaltung und sitz einfach.


      Einsame Stille herrscht nur dort, wo du gemäß der Lehre einfach Zazen übst - ohne die kleinste Abweichung. Da gibt es dann nicht die geringste Erwartung von irgendetwas, keine spirituellen Überraschungen. Von Anfang an spielt es überhaupt keine Rolle, ob das etwas bringt oder nicht. Nichts könnte einfacher sein als das, aber gleichzeitig gibt es auch nichts, das dich in größere Unruhe versetzen würde. Ständig fragst du dich, ob mit deinem Zazen auch alles stimmt. Selbst die Schüler Dogen Zenjis scheinen Schwierigkeiten zu haben, dieses ganz reine Zazen, von dem wir gar nichts zurückbekommen, zu verstehen.


      Du übst Zazen - und das ist alles. Jede einzelne Handlung ist, als diese eine Handlung, genau diese eine Handlung. Und das ist alles.


      Shikantaza (einfach sitzen) bedeutet, mit einem Eimer ohne Boden Wasser aus dem Brunnen zu schöpfen.


      Was hat wirklich Realität? Die Haltung deines Körpers! Wie es um dein Bewusstsein steht ist nicht das Problem. Das wirkliche Problem löst sich in dem Moment, in dem du dich der richtigen Form des Sitzen überlässt.


      Deine Praxis des Shikantaza darf nicht oberflächlich sein. Du musst bis ans Ende gehen - alles ausschöpfen. "Einfach sitzen" bedeutet nicht, einfach nur so herumzusitzen. Dein ganzes Leben muss davon abhängen, dass die Richtung deiner Praxis stimmt.


      Wenn du Zazen praktizierst, ist das in Wirklichkeit gar nicht "du", der da Zazen praktiziert. Da ist nur unbegrenzte Weite, die unbegrenzte Weite praktiziert. Diese unbegrenzte Weite ist die Bedeutung des Glaubens an Zazen.


      Dein Zazen darf keine halbe Sache sein. Kein Mittel zum Zweck. Zazen muss deine Welt sein: Wenn du den Weg bis ganz ans Ende gehst, kehrst du heim an diesen Ort, hier und jetzt, ganz du selbst.


      Das Unergründliche, mit einem Wort ausgedrückt, heißt: Kein Gewinn. Und in der Umgangssprache: Zazen bringt nichts!


    Dieser Artikel stammt von der Seite http://dogen-zen.de/zazen.html. Hier findet ihr auch die dazugehörigen Bilder

  • Hier noch eine weitere Einführung aus der Soto Richtung.
    Ich hoffe, dass ich für Rinzai Zen auch noch was finde.


      Praxis des Sitzens


      Nach DOGEN ZENJI ist der Übungsweg eines Zenschüler’s eine spiralförmige Entwicklung in vier Phasen. ‚Die erste ist die Erweckung des Bodhi-Geistes; es wird der Wunsch nach Erleuchtung geweckt. Mit anderen Worten, wir geloben uns und anderen, den Weg zu vollenden, Erkenntnis dessen zu erlangen, was wir sind, zusammen mit allen fühlenden Wesen. Die zweite Phase ist Schulung. Wir setzen all unsere Kraft ein, um das zu verwirklichen, was wir gelobt haben, erfüllen unsere Gelübde mit Leben, indem wir nach der Vollendung des nicht zu Vollendenden streben. Die dritte Phase ist Erkenntnis; mit Hilfe der Kraft unserer Gelübde und unserer Entschlossenheit, den Weg zu vollenden, führt diese beharrlich fortschreitende Schulung schließlich zur Erkenntnis, Einsicht und Verstehen. Die vierte Phase ist Nirvana; wir machen uns frei von dem, was wir erkannt haben, erneuern unser Gelübde, den Weg wiederum zu vollenden, zu üben, zu erkennen und loszulassen. Diese spiralförmige Entwicklung kennt kein Ende; stetig nimmt sie an Tiefe und Weite zu, sie umfasst alle Dinge.’ (Tetsugen Glassman)


      Jeder Tag bietet uns in jedem Augenblick einen neuen Anfang für unsere Übungen. Die klassische Form der Übung für einen Zenschüler ist, die eigentliche Praxis des Buddha Shakyamuni, nämlich das Sitzen.


      Im Zen nennen wir das ZAZEN – das bedeutet wörtlich‚ sitzen in Versunkenheit.‘ Nach DOGEN ZENJI ist Sitzen das Verweilen in einem Zustand gedankenfreier, hellwacher Aufmerksamkeit, die auf kein Objekt gerichtet ist und an keinem Inhalt haftet. DOGEN lehrte uns: ,ZEN zu studieren bedeutet, sich selbst zu studieren, sich selbst studieren bedeutet, sich selbst vergessen. Sich selbst vergessen bedeutet, in Harmonie zu sein mit allem, was uns umgibt. Zen ist weder eine Theorie, eine Idee, noch ein intellektuelles Wissen, sondern eine Praxis: nämlich die des ‚richtigen Sitzens‘. Die innere Revolution wird von der Praxis des ZAZEN erzeugt. Tiefe Weisheit entwickelt sich, deren Essenz wir nicht allein mit dem logischen Denken erreichen können, wie uns Buddha lehrte.


      Nimm also über deine Unterschenkel Kontakt zum Boden auf - deine Füße sind angewinkelt, fühle so deine Sitzbeinhöcker – prüfe, ob dein Gewicht auf beiden Höckern gleichmäßig verteilt ist – spüre, ob deine Wurzel in die Einheit deines Körpers hineingenommen ist. Dein Becken ist leicht nach vorne gekippt, Körper und Kopf sind aufgerichtet und soweit als möglich entspannt. Das Kinn wird zurückgezogen, der Nacken gestreckt, die Schultern sind ganz natürlich entspannt.


      Deine Augen sind halb geschlossen, der Blick ist ein Meter vor dir auf den Boden gesenkt. Die Zungenspitze legst du unter deinen Gaumen. Dein Gesicht lächelt. Die linke Hand liegt in der rechten mit den Handflächen nach oben. Die Daumen sind waagrecht, berühren sich sanft, und die beiden auf den Oberschenkeln aufliegenden Hände berühren deinen Unterbauch etwa zwei Fingerbreit unterhalb deines Nabels.


      Jedes Detail der Haltung hat eine tiefe Bedeutung. Denn alle Teile des Körpers hängen wechselseitig voneinander ab und beeinflussen sich gegenseitig. Die Haltung ist von einer großen Stabilität. Bei nachlassender Haltung richtet euch ganz zart wieder auf. Während der ganzen Übung bleibe in der Beobachtung deines Körpers.


      Lass deinen Atem geschehen. Schaue zu, wie er kommt und geht. Manipuliere nicht. Es reicht hinzuschauen, wie der Atem durch deinen Körper fließt. Spüre wie sich dein Bauchraum, deine Bauchdecke und dein Brustraum - verändern. Wenn ihr euch der Ausatmung hingebt und euch von der Einatmung anfüllen lasst, in einem harmonischen Kommen und Gehen, dann bleibt von euch nicht mehr als ein Kissen unter dem leeren Himmel, mit dem Gewicht einer züngelnden Flamme. .


      Genauso wie die richtige Atmung nur aus einer richtigen Haltung entstehen kann, ergibt sich die Geisteshaltung ganz natürlich aus einer tiefen Konzentration auf Haltung und Atmung. Sitze in Freiheit ohne ein Gefühl von Zwang. Sei geistig präsent, d.h. achte darauf, dass du nicht ins Träumen oder Dösen verfällst. Habe nicht den Ehrgeiz deinen Geist zur Ruhe zu bringen, bzw. keine Gedanken zu haben. Sitze, um zu sitzen. Es ist wichtig, alles anzunehmen was kommt: Gedanken, Gefühle gleich welcher Art. Annehmen, betrachten und heimfinden zur Übung, z.B. zählen des Atems, beobachten des Atems, Arbeit mit einem Koan usw. Stelle dir ein Boot vor, das an einem Fluss mit der Strömung antreibt. Das ist dein Gedanke. Du musst dich nicht in das Boot hinein setzen. Vielleicht gibst du ihm einen Namen: Ärger, Enttäuschung oder Vergangenheit, Zukunft usw. Schau ihm nach und kehre zurück zu deiner Übung.


      Laß immer wieder Vertrauen zu deinem Weg in dir entstehen und sei gewiss, dass dein Üben etwas bewirkt in dir und für den ganzen Kosmos. ZAZEN beeinflusst das ganze Wesen, Körper und Geist. Durch eine regelmäßige Praxis vertieft sich das Verständnis für unser eigenes Leben. Dieses Verständnis spiegelt sich dann in jeder unserer täglichen Handlungen wider. Wenn in jeder Handlung unseres Lebens der Geist derselbe ist, sind die Handlungen auf natürliche Weise richtig.


      Wie im ZAZEN können wir vollkommen gegenwärtig im Augenblick sein, in der Fülle des Hier und Jetzt. Unser Geist ist friedlich, ohne Komplikationen, ohne Berechnung, ohne Angst. Der Egoismus nimmt ab, und wir folgen natürlicher dem Fluss des kosmischen Lebens. So werden unsere Beziehungen zu den anderen Menschen einfacher und durchsichtiger. Das Mitgefühl zeigt sich in deinen alltäglichen Handlungen, die Weisheit des Boddhisattvas Manjushri erscheint in deinem Leben. Dann können wir von ganz alleine zum Wesentlichen und zum einfachen Leben finden. ZAZEN ist die erwachsene Form unseres Lebens. Es ist das wahre Glück, die echte Freiheit. Wenn jemand fragt, was das wahre Zen ist, braucht ihr nicht euren Mund öffnen, um es zu erklären. Stellt alle Aspekte eurer Zazenhaltung dar. Dann wird der Fühlingswind wehen und die wunderbare Blüte des Kirschbaumes aufgehen lassen... & Ihr werdet Buddha!


      Eine Theorie des Zazen für drei Arten von Personen


      (Sankon Zazen Setsu von Keizan Jokin)


      Die Person, die gewöhnliches Zazen ausübt, erwägt die zehntausend Bindungen und durchbricht günstige und ungünstige Bedingungen. Der Geist ist Ausdruck der grundlegenden Natur aller Buddhas; Buddha steht an dem Ort, wo ihre Füße sind und so entsteht kein falsches Handeln. Die Hände formen das Wirklichkeits-Mudra, sie halten kein Sutra. Der Mund ist fest geschlossen, die Lippen versiegelt. Nicht ein Wort der Lehre wird gepredigt. Die Augen sind geöffnet, weder weit noch wenig. Die zehntausend Dinge werden nicht geschieden; gute und schlechte Worte bleiben ungehört. Die Nase unterscheidet nicht Geruch von Gestank. Der Körper stützt sich auf nichts. Abrupt endet alles täuschende Tun. Da keine Täuschung den Geist aufrührt, erscheinen weder Sorge noch Freude. Wie bei einem aus Holz geschnitzten Buddha harmonieren Substanz und Form natürlich mit dem Wahren. Auch wenn weltliche Gedanken aufsteigen, ergreifen sie nicht Besitz, denn der Geist ist ein blanker Spiegel ohne die Spur eines Schattens. Die fünf Gelöbnisse, die acht Gelöbnisse, die Bodhisattva- Gelöbnisse, die Gelübde der Mönche, die dreitausend Verhaltensregeln, die achzigtausend Lehren, der höchste Dharma der Buddhas und erwachten Patriarchen – all diese entstehen ungehindert aus dem Zazen. Keine Übung kann sich mit ihm messen.


      Die Person, die das Zazen der mittleren Art ausübt, entsagt den zehntausend Dingen und kappt alle Bindungen. Der Tag hat keinen müßigen Moment, jedes Ein- und Ausatmen ist Ausüben des Dharma; oder aber sie schaut auf die eigene Nasenspitze, in Konzentration auf ein Koan. Ihr ursprüngliches Gesicht ist nicht gezeichnet von Leben und Tod, von Kommen und Gehen. Der unterscheidende Geist kann nicht die tiefste ewige Wahrheit, die Buddhanatur, erfassen, doch ohne trennendes Denken ist diese Person nicht unerleuchtet. Von fernster Vergangenheit bis zu eben diesem Moment strahlt Weisheit klar und leuchtend. Von ihrer Braue werden mit einem Moment die zehn Richtungen der Welt erleuchtet; ihr Körper manifestiert sich in allen einzelnen Erscheinungen.


      Die Person, die das Zazen der höchsten Art ausübt, beschäftigt sich nicht mit der Frage, wie Erleuchtete in dieser Welt erscheinen. Sie denkt nicht über die Vollkommenheit nach, die selbst die Buddhas und Patriarchen nicht übertragen können. Ist sie hungrig, isst sie; ist sie müde, schläft sie. Sie haftet nicht an der Sicht, alle Erscheinungen seien das Selbst. Sie steht über Erleuchtung wie über Täuschung. Natürlich und wirksam, übt sie einfach wahres Zazen aus. Selbst, wenn Unterscheidungen entstünden, ließe sich diese Person nicht davon versklaven, da die zehntausend Dinge nicht betrachtet werden, als seien sie voneinander getrennt.


      Wäre auch nur ein Verdienst durch die Übung des Zazen zu gewinnen, es wäre größer als die Errichtung von hundert, von tausend, von zahllosen Stätten der Übung. Übt unablässig Shikantaza, einfach Sitzen. In diesem Tun werden wir von Geburt und Tod befreit und verwirklichen unsere verborgene Buddhanatur. Geht, steht, sitzt und liegt in vollkommener, natürlicher Leichtigkeit. Sehen, Hören, Verstehen und Wissen sind alle das Licht der ursprünglichen Natur. Ob Anfang oder Reife - Geist ist Geist, jenseits aller Erörterungen von Wissen und Unwissen. Übt einfach Zazen mit ganzem Herzen. Weicht nicht ab davon und verliert es nicht.


    Diese Einführung ist von dieser Seite: http://soto-zen-hamburg.de/praxis.htm#praxis

  • Wenn ich an das Alles denken würde, könnte ich nicht sitzen ...


    Irgendwo habe ich mal hört: "wenn du Zazen beschreiben kannst, ist es gerade kein Zazen."
    Irgendiwe erinnert mich das an die Aussage im Daoismus : "Der Weg, den man als WEG benennen kann, ist nicht der ewge WEG."


    Doch danke für die recht ausführlichen Erläuterungen.


    _()_

    Wenn im dürren Baum der Drache Dir singt
    siehst wahrhaft Du den WEG.
    Wenn im Totenkopf keine Sinne mehr sind
    wird erst das Auge klar.


    jianwang 健忘 = sich [selbst] vergessend