Identifikation als Mittel in der Medítation

  • Hallo ihr Lieben,


    im Diamantweg des tibetischen Buddhismus, speziell der Karma Kagyü Linie, wird mit dem Mittel der Identifikation mit dem Buddha und auch dem Lama, als lebender Vertreter des Buddha, gearbeitet. Das heißt, man nutzt den Lama bzw. eine äußere Buddhadarstellung um sich mit erleuchteten Eigenschaften solange zu identifizieren bis man sie erreicht hat.


    Hierbei spielt die Zuflucht im Diamantwegbuddhismus eine entscheidende Rolle. Man nimmt Zuflucht zum Buddha, zum Dharma und zum Sangha. Darüber hinaus nimmt man noch Zuflucht zu Lama, Yidam und Schützer. Zuflucht hat nichts mit Flucht zu tun sondern mit einer aktiven Ausrichtung auf dauerhafte Werte.


    Wie wir ja als Buddhisten der verschiedenen Schulen lernen ist ein zentraler Aspekt des Lebens die Vergänglichkeit. Alles ist diesem Prinzip unterworfen. Erfolg, Gesundheit, Beziehungen, Gesellschaften, Besitz, etc. etc. Da also kein dauerhafter Verlass in Samsara, der bedingten Welt, zu finden ist, findet eine Umorientierung auf dauerhafte und damit Glück-bringende Werte statt.


    Diese Werte werden durch die Zuflucht versinnbildlicht. Die Identifikation mit den sechs Zufluchtsobjekten dient also dem Erkennen der eigenen uns innewohnenden Qualitäten und Fähigkeiten. Warum aber nimmt man Zuflucht in äußere Dinge bzw. auf die augenscheinlich im Außen liegenden Zufluchtsobjekte? Man könnte doch direkt auf den Geist meditieren!


    Stimmt. Aber wie überall gibt es unterschiedliche Fähigkeiten der Lernenden. Im Zen, so wie ich es durch Dritte mitbekommen habe, versucht man gerade das. Direkt auf den Geist zu meditieren. Allerdings nicht als primäres Ziel. Zazen, das Sitzen, steht im Vordergrund. Und je nach Schule, die Beschäftigung mit unsere Logik aushebelnden Belehrungen. Diese direkte Ausrichtung auf den eigenen Geist setzt viel Vertrauen vorraus. Vertrauen und Furchtlosigkeit. Denn, man entdeckt während der Praxis, dass man nicht nur eine Schokoladenseite hat...sondern viel mehr Facetten - auch dunkle.


    Im Diamantweg des tibetischen Buddhismus trifft man auf eine andere Art von SchülerInnen. Sie vertrauen ihrem eigenen Ego recht wenig. Das heißt, würden sie direkt auf ihren Geist versuchen zu meditieren, würden sie zu dem Schluss kommen, dass sie sich selbst ja nur geschickt reinlegen wollen. Denn sowas wie den eigenen Geist , oder sogar die inhärente Buddhanatur kann es nicht geben....dafür bin ich zu schlecht.


    So oder ähnlich würde sich das abspielen, würde ein Vajrayana-Praktizierender direkt zu Anfang versuchen auf seinen / ihren eigenen Geist zu meditieren. Aufgrunddessen machen wir einen "Umweg" über die Identifikation mit der Erleuchtung. Eine langsame Annäherung an die eigene Buddhanatur - ganz behutsam. Man konzentriert sich auf den Buddhaaspekt ausserhalb von uns und "verschmilzt" zum Ende der Meditation mit diesem weiblichen oder männlichen Buddhaaspekt.


    Das Prinzip ist die ständige Wiederholung nach dem Motto: Der stete Tropfen höhlt den Stein! Wir fassen langsam das Vertrauen in unsere eigenen Fähigkeiten und Qualitäten. Identifikation mit dem Buddha draussen ist wie ein ständiges "In-den-Spiegel-schauen". Hierdurch geschehen zwei Dinge. Die Kombination ist wichtig.


    Zum einen baut man mehr und mehr Vertrauen in sich auf dadurch dass man gute Eindrücke ansammelt im Geist und durch diese Ansammlung verliert man die Furcht den eigenen Geist zu erkennen. Die Persönlichkeit wird zunächst also positiv ge-pusht um später das Ego, oder die Wahnvorstellung von einem Ich, vollständig zu demontieren.


    Es ist also ein langwieriger und komplexer Vorgang durch den jeder Praktizierende des tibetischen Buddhismus der Karma Kagyü Linie muss. Um Kraft und Vertrauen in sich und die anderen aufzubauen gibt es das Ngöndro, oder auch grundlegende / vorbereitende Übungen genannt. Diese Übungen erfordern eine enorme Ausdauer, dauern sie doch Jahre.


    Wie üblich arbeitet man mit einer großen Anzahl an Wiederholungen. Ein Set aus jeweils 4 mal 100000 Wiederholungen. Zunächst zwei "Reinigungs-Meditationen" dann zwei "Gute-Eindrücke-aufbauende-Meditationen". Hat man sich durch diese Übungen durchgebissen ist viel passiert im eigenen Geist. Wieviel kann man meistens selbst nicht ermessen. Dafür gibt es dann die Gemeinschaft der Praktizierenden, oder Sangha, die einem die eigene Entwicklung spiegeln kann.


    Primär sind es die Lehrer die den Fortschritt oder Rückschritt beurteilen und gegebenenfalls Korrekturen vornehmen. Zum Beispiel wenn man sich in einer konzeptuellen Sackgasse befindet. So kann es sein, dass man durch die Praxis viel Freude aufbaut und denkt: Wow! Das ist es! Natürlich ist man in diesem wie auch in anderen Beispielen grade voll auf dem Holzweg.


    Das erkennt der Lehrer / erkennen die Lehrer und korrigieren die falschen Ansichten durch spezielle Fragen. Beispiele kann ich an dieser Stelle nicht nennen da es jeweils individuell, also je nach Schülerin oder Schüler, verschiedene (individuelle) Fragen gibt. Der Kern des Ganzen ist und bleibt das Mittel der Identifikation, und da ganz wichtig das Lernen am lebendigen Beispiel.


    So orientieren wir uns zum Beispiel an Gyalwa Karmapa Thaye Dorje. Wir beobachen unsere LehrerInnen genau. Und durch das Sehen von z.B. einer wirklichen mitfühlenden Tat oder Geste lernen wir Mitgefühl viel intensiver kennen als wir es durch viele Seiten eines Aufsatzes über Mitgefühl als Bodhisattva-Eigenschaft je könnten.


    Entscheidend ist auch ein die Identifikation begleitender Dreischritt: Wissen - Meditation -Absichern. Das heißt, natürlich lernen wir durch entsprechendes Studium buddhistischer Belehrungen und Erfahrungsberichte wo man hingelangen kann mit der notwendigen ausdauernden Praxis. Dann meditieren wir, um selbst diese Erfahrung nachvollziehen zu können / lernen. Und schließlich, und das ist ganz wichtig, wir üben uns im Alltag.


    Wenn Karmapa in der entsprechenden Situation so und so gehandelt hat - warum dasselbe nicht im eigenen Leben ausprobieren?! Gelingt es, haben wir den in Fleisch und Knochen- übergehenden Beweis, dass die Mittel wirken. Wir haben Zuversicht weiter zu machen und das Vertrauen in die Lehrer und den Weg wächst. So bleibt man nicht nur bei der Stange. Man wird schlussendlich wie die eigenen LehrerInnen ...und dann vielleicht wie der Buddha. Bis dahin ist viel Arbeit. Aber die scheut man nicht wenn man einmal ernsthaft diesen Weg eingeschlagen hat.


    Ich würde mich freuen wenn meine Ausführungen interessant für euch und vor allen Dingen nachvollziehbar sind.


    Viele liebe Grüße,
    Leonidas