Die folgende Anleitung wurde entnommen aus dem Buch "Die Meditation, die der Buddha selber lehrte" von Amadeo Sole-Leris.
(Herder Verlag,1994 ISBN 3451043165, 9783451043161)
Eine weitere gute Anleitung dieser Übung gibt es von Nyanaponika in seinem Buch "Satipatthana, Geistestraining durch Achtsamkeit".
Online hier verfügbar: http://www.palikanon.com/diver…patthana/satipatt_06.html
Vipassana-Meditationskurs nach Mahasi Sayadaw
Die Methode
Einführung
Mahasi Sayadaws Meditationsmethode baut auf den vier Grundlagen der Achtsamkeit (satipatthana) auf, wie er sie von Mingun Sayadaw gelernt hatte, und nimmt sich als Hauptgegenstand die Betrachtung des Körpers vor. Traditionellerweise war der meistgebrauchte Gegenstand für die Betrachtung des Körpers immer der als erster in der Lehrrede genannte gewesen, nämlich die Atmungs-Achtsamkeit (wie wir in Kapitel 6 gesehen haben). Mahasi Sayadaw wandelte diese Übung jedoch leicht ab. Er hatte beobachtet, daß es Leute gab, die damit Schwierigkeiten hatten, die relativ schwachen Sinnesempfindungen wahrzunehmen, die der Atem in den Nasenlöchern und auf der Oberlippe hervorruft. So beschloß er, auf eine andere der traditionellen Körper-Betrachtungsübungen zurückzugreifen, nämlich auf die dritte der in der Lehrrede genannten, die Übung der „Wissensklarheit bei jeglicher Verrichtung". Grundsätzlich besteht die Methode von Mahasi Sayadaw also darin, bei der Übung ständig und Augenblick für Augenblick voll bewußt alles, was man tut oder erfährt, wahrzunehmen. Doch ist es vor allem für einen Anfänger ziemlich schwierig, die für das erfolgreiche Üben erforderliche Anfangskonzentration zu erlangen, wenn man auf der Stelle damit anfangen soll, auf ausnahmslos jede Verrichtung genau zu achten. Daher war es notwendig, sich für den Anfang als Hauptgegenstand auf einen besonderen Aspekt der körperlichen Aktivität zu konzentrieren. Mahasi Sayadaw beschloß, dafür die Aufmerksamkeit auf die Körperbewegung auszuwählen, die ganz eng mit dem Akt des Atmens zusammenhängt (so daß er hier wieder an die traditionelle Übung der Achtsamkeit auf das Atmen anknüpfte) und die wie das Atmen selbst sowohl automatisch als auch der willensmäßigen Beeinflussung unterworfen ist. Es handelt sich um die Bewegung des Bauches beim Prozeß des Atmens. Selbst wenn wir normalerweise nicht darauf achten, dehnt sich ja unser Bauch bei jedem Zug des Einatmens aus und zieht sich beim Ausatmen zusammen; Mahasi Sayadaw nannte dies das „Sich-Erheben und Sinken des Bauches". Zwar ist dieses Sich-Erheben und Sinken Teil des notwendigerweise am Akt des Atmens beteiligten Muskelprozesses, aber dennoch wird es nicht als identisch mit der „Atmungs-Achtsamkeit" betrachtet, sondern eher als das direkte Sich-Konzentrieren auf einen körperlichen Prozeß als Spezialform der Übung der „Wissensklarheit bei jeglicher Verrichtung".
Sehen wir uns jetzt den Verlauf eines Klarblicks-Meditationskurses genauer an, wie er in Thathana Yeiktha und anderen Zentren der birmanischen Methode von Mahasi Sayadaw gestaltet wird. Die Kurse dauern gewöhnlich ein bis zwei Monate und sind ziemlich intensiv. Bis zu sechzehn Stunden täglich sind der Meditation gewidmet, wobei sich Phasen der Sitzmeditation mit Phasen der Gehmeditation abwechseln, und auch während man sich außerhalb der Zeiten formaler Meditation der Verrichtung der täglichen Lebensnotwendigkeiten widmet, versucht man ein Höchstmaß an bewußter Achtsamkeit auf jede einzelne Verrichtung aufrechtzuerhalten. Der Grundkurs umfaßt ein Vorbereitungsstadium und vier Grundübungen, womit ein gewisses Maß an Gehmeditation verbunden ist.
Das Vorbereitungsstadium
Die acht Sittenregeln
Zunächst einmal wird der Schüler aufgefordert, sich für die Dauer des Kurses an die Disziplin der acht Sittenregeln zu halten, die alle Laien in buddhistischen Ländern an religiösen Festen und während meditativer Einkehrzeiten beobachten. Diese acht Sittenregeln verlangen, daß man sich enthalte: 1. vom Töten irgendeines Lebewesens (sogar z. B. einer Schnake, die einen plagt), 2. vom Stehlen, 3. von jeglicher Art sexueller Tätigkeit, 4. vom Lügen, 5. von berauschenden Getränken oder sonstigen Rauschmitteln, 6. vom Zusichnehmen von fester Nahrung nach zwölf Uhr mittags (allerdings sind bestimmte Flüssigkeiten, wie Fruchtsäfte oder Tee, nachmittags erlaubt), 7. vom Tanzen, Besuch von oder Teilnahme an Darbietungen oder Unterhaltungen, vom Gebrauch von Parfümen, Kosmetika und Körperschmuck usw., 8. vom Gebrauch von hohen oder luxuriösen Betten (das ist die traditionelle Formulierung; gemeint ist der Gebrauch von übertrieben bequemen oder luxuriösen Möbeln).
Die vier Arten des Schutzes
Zweitens wird vorgeschlagen, man solle sich für die Dauer des Kurses geistig unter den Schutz des Buddha und die Führung des Meditationslehrers stellen. Dafür gibt es einen ganz praktischen Grund, denn je nach der geistigen Verfassung des Schülers kann es sein, daß sich Erfahrungen oder Visionen einstellen, die ihm Furcht, Angst, Verwirrung usw. einjagen, und in solchen Fällen ist es ein ausgezeichneter psychologischer Schutz, sein Vertrauen nicht nur in den qualifizierten Lehrmeister gesetzt zu haben, mit dem zusammen man übt, sondern auch in den Großen Meister selbst, den Buddha, der persönlich die Technik in allen ihren wesentlichen Zügen entwickelt und vervollkommnet hat, die man nun selbst lernt.
Aus diesem Grund wird der Schüler angewiesen, sich einer kurzen Betrachtung der traditionellen „vier Arten des Schutzes" zu widmen. Sie gründet sich auf vier der in Kapitel 4 beschriebenen Betrachtungen: des Buddha, der Güte, der Widerlichkeit des Körpers und des Todes. Hier werden die Betrachtungen normalerweise nur mit einem milden Grad geistiger Sammlung (vorbereitende Sammlung) durchgeführt. Man denkt über jeden der Gegenstände anhand der bereits erwähnten Formeln nach (im Fall der Güte kultiviert man das Wohlwollen gegenüber allen Lebewesen anhand der auf einem einfachen diskursiven Niveau). Man spricht von diesen vorbereitenden Betrachtungen als von „Arten des Schutzes", weil sie dem Zweck dienen, dem Übenden psychologische Sicherheit zu gewährleisten, indem er sich in eine zuversichtliche, innerlich losgelöste und positive geistige Grundhaltung einübt.
Grundübung I
Man nimmt eine sitzende Haltung ein, verschränkt die Beine, hält den Rücken gerade und läßt die Hände im Schoß ruhen. (Wer sich schwertut, auf die übliche Weise mit verschränkten Beinen zu sitzen, kann auch irgendeine andere Sitzstellung einnehmen.) Die Augen können leicht geöffnet sein, aber nicht auf irgend etwas Bestimmtes gerichtet, so daß der Blick ganz ungezwungen ist, entsprechend der Kopfhaltung. (Im Unterschied zu anderen Methode den arbeitet man hier nicht mit visuellem Betrachten; die Augen könnten auch ganz geschlossen sein, aber wenn man sie halb geöffnet hält, hilft das gegen das Schläfrigwerden, was besonders bei Anfängern hilfreich ist.)
Dann kommt folgende Unterweisung:
„Versuche, deinen Geist (nicht jedoch deine Augen) auf deinen Unterleib gerichtet zu halten. Du wirst dadurch der Bewegungen des Sich-Erhebens und Sinkens dieses Körperteils gewahr. Werden dir diese Bewegungen am Anfang nicht ganz deutlich, so lege beide Hände auf den Bauch, um das Sich-Erheben und Sinken zu fühlen. Nach kurzer Zeit wirst du deutlich die Aufwärtsbewegung des Einatmens (Ausdehnung) und die Abwärtsbewegung des Ausatmens (Zusammenziehen) wahrnehmen. Halte dann im Geist fest: „Heben" bei der Aufwärtsbewegung, und „Senken" bei der Abwärtsbewegung. Du mußt jede der beiden Bewegungen deutlich als solche registrieren, während sie stattfindet."
Das ist auf dieser Stufe alles. Aber es ist schon ziemlich viel: Seine Aufmerksamkeit ständig auf den zu beobachtenden Vorgang zu halten ist alles andere als leicht, wenn man darin noch keine Übung hat. Doch ist es wichtig, darin beharrlich zu bleiben und sich immer vor Augen zu halten, daß der Zweck darin besteht, ausschließlich auf die Sinneswahrnehmung zu achten und so weit wie möglich alle mentalen und affektiven Assoziationen (Ideen, Reflexionen, Emotionen, Stimmungen usw.) auszuschalten. Die Anleitung sagt, man solle jede Bewegung als „Heben" und „Senken" registrieren, und damit soll lediglich gesagt werden, worauf man genau achten solle; niemals sollte man jedoch die Worte „Heben" und „Senken" buchstäblich wiederholen oder an „Heben" und „Senken" als Wörter denken. Es sollte gar nichts anderes vorhanden sein als die zunehmend klare Bewußtheit des gerade stattfindenden Vorgangs des Sich-Erhebens und Sinkens des Unterleibs ohne irgendwelche mentalen „Hintergrundgeräusche". Auch sollte man nicht in den Atemvorgang eingreifen (durch bewußtes tieferes oder rascheres Atmen), um seine Unterleibsbewegungen deutlicher zu spüren. Wie die ganze vipassana-Entfaltung ist auch diese eine Übung im reinen Beobachten, und jegliche Manipulation, mag sie noch so gut gemeint sein, ist eine Beeinträchtigung.
Grundübung II
Obwohl man fest entschlossen ist, sich ausschließlich auf die Unterleibsbewegungen zu konzentrieren, kann es sein, daß sich zwischen dem Registrieren des Hebens und des Senkens andere geistige Aktivitäten regen (und im Fall des Anfängers werden sie es fast sicher tun): Gedanken, Willensimpulse, Phantasievorstellungen usw. kommen vermutlich hoch, und man sollte sie nicht übersehen. Die Art, sich ihrer auf sinnvolle Weise anzunehmen, besteht darin, jede im Geist zu registrieren, und zwar in dem Moment, in dem sie auftaucht.
Die Anleitung sagt hierzu:
„Wenn du dir etwas vorstellst, mußt du wissen, daß du das getan hast, und mußt in deinem Geist registrieren: ,Vorstellung'. Wenn dir einfach ein Gedanke kommt, so registriere im Geist: ,Gedanke'. Wenn du über etwas nachdenkst, registriere: ,Nachdenken'. Wenn du etwas tun willst, registriere: Absicht. Wenn dein Geist vom Betrachtungsgegenstand, dem Sich-Erheben und Sinken des Unterleibs, abschweift, registriere: ,Abschweifen' ... Wenn du dir etwas vorstellst oder vor deinem inneren Auge ein Licht oder eine Farbe siehst, achte darauf, zu registrieren: ,Sehen'. Alles, was sich deinem Geist vorstellt, mußt du jedesmal, wenn es auftaucht, registrieren, bis es vorbeigeht."
Genau die gleiche Verfahrensweise gilt für jegliche Körperbewegung, die man während der Meditationssitzung macht, wie z. B. wenn man Speichel schluckt, den Rücken beugt oder streckt usw. Doch ist es in diesen Fällen wichtig, auch die vorausgehende Absicht zu registrieren, d. h., wenn man z. B. seinen Speichel schlucken will, zu registrieren: „Ich will ... ", und während man ihn tatsächlich schluckt, zu registrieren: „Ich schlucke", und genauso bei allen anderen Bewegungen. Alle körperlichen Bewegungen oder Korrekturen der Körperhaltung sollte man langsam und bedächtig vornehmen, und bei jedem Mal registriert der Übende zunächst das Vorhaben und dann die Ausführung der entsprechenden Verrichtung und kehrt dann wieder dazu zurück, auf das Heben und Senken des Unterleibs zu achten.
Grundübung III
Da die Meditationshaltung immer wieder während langer Zeit beibehalten werden muß, ist es ganz natürlich, daß sich Gefühle der Ermüdung, der Steifheit im Körper oder des Einschlafens von Gliedmaßen, Stechen, Spannungen, Schmerzen usw. einstellen können. Tritt dies ein, so sollte man seine Aufmerksamkeit direkt auf den Körperteil richten, in dem diese Empfindung auftaucht, und seine Betrachtung damit fortsetzen, daß man registriert: „Müdigkeit", „Steifheit", „Stechen" oder was auch immer, ohne darauf zu reagieren; man sollte also damit genau das gleiche tun wie mit den Bewegungen des Unterleibs. Wenn man diese Sinnesempfindungen einer losgelösten Beobachtung aussetzt (d. h. sich nicht mit ihnen identifiziert), werden sie normalerweise schwächer und hören schließlich ganz auf. Ist. dies eingetreten, so sollte man seine Aufmerksamkeit wieder bewußt auf die Bewegungen des Unterleibs zurückführen. Gelegentlich kann es allerdings vorkommen, daß eine dieser unangenehmen Körperempfindungen immer stärker wird, bis die Müdigkeit oder der Schmerz unerträglich werden. Dann kann man auch seine Haltung ändern. Doch auch in diesem Fall ist es ganz wesentlich, daß man sowohl die Absicht zu jedem einzelnen Schritt als auch dessen Durchführung jedesmal mit voller Bewußtheit registriert. Wenn man z. B. ein Bein ausstrecken und dann wieder in einer etwas anderen Stellung beugen muß, sollte man jede einzelne Phase registrieren: „Absicht ... Lösen ... Strecken ... Beugen ... Boden berühren ... Ruhe (in der neuen Stellung)", und dann wieder zur Beobachtung des Hebers und Senkens des Unterleibs zurückkehren. Es ist sogar gestattet, sich von Zeit zu Zeit hinzulegen, vorausgesetzt, man tut auch dies ganz bedächtig und fährt dann, sobald man liegt, wieder mit der Betrachtung des Hebers und Senkens des Unterleibs fort und kehrt beim leichtesten Anzeichen von Schläfrigkeit zur Sitzhaltung zurück oder schaltet eine Geh-Meditation ein.
Dieselbe Methode sollte auf alles, was sich ansonsten im Geist während des Übers einstellt, angewandt werden, das heißt, man sollte auf der Stelle jeglichen Gedanken, jeden Wunsch, jede Gefühlsregung, Phantasie usw., die auftauchen können, im Augenblick ihres Auftauchens registrieren. Dabei aber sollte man nicht in die Einzelheiten gehen, sondern schlicht registrieren: „Denken ... Wollen ... Fühlen ... Phantasieren ..." usw.
Diese Haltung ununterbrochener Wachsamkeit und Aufmerksamkeit sollte man nicht nur während der Zeiten der ausdrücklichen Sitz-Meditation einnehmen, sondern den ganzen Tag hindurch beibehalten, angefangen vom Aufwachen am Morgen bis zum Zubettgehen am Abend. Beim Aufwachen sollte man sich sofort auf das Heben und Senken seines Unterleibs konzentrieren. Wenn man dann aufsteht, sollte man jede der dazu notwendigen Bewegungen achtsam machen, d. h. das Zurückschlagen der Bettdecke, das Aufsitzen im Bett, das Schwingen der Beine über die Bettkante, das Setzen der Füße auf den Boden, das Hinstehen usw. Und so sollte man den ganzen Tag lang weitermachen, genau und aufmerksam auf alles achten, was man tut, während man sich wäscht oder ein Bad nimmt, sich anzieht, ißt (d. h. sich an den Tisch setzt, den gedeckten Tisch überblickt, die Hand ausstreckt, ein Stück ergreift, es zum Mund führt, es in den Mund nimmt, seinen Kontakt mit Lippen, Zunge und Gaumen spürt, es kaut, schmeckt, schluckt usw.), zur Meditationshalle geht, sich hinsetzt, anfängt, die Bewegungen seines Unterleibs zu betrachten. Und so soll das weitergehen, bis man abends zu Bett geht und auch dann wieder genau auf jede einzelne Verrichtung achtet: wie man das Bett herrichtet, sich hineinlegt, sich mit der Bettdecke zudeckt usw., und dann wiederum dazu zurückkehren, die Unterleibsbewegungen zu beobachten und achtsam seine zunehmende Schläfrigkeit registrieren, bis man schließlich einschläft.
Das ist im Wesentlichen eine Körperbetrachtung, die sich auf den Tastsinn gründet, und daher wird empfohlen, auf Seh- oder Hörreize zu verzichten. Gibt es jedoch bestimmte Geräusche oder Gesichtseindrücke, die stark genug sind, um sich aufzudrängen, so sollte man mit ihnen wie mit allem anderen, was auftaucht, umgehen, d. h. sich ihnen bewußt einen Augenblick lang widmen, im Geist registrieren: „Sehen", „Hören" und dann wieder zum Sich-Erheben und Sinken des Unterleibs zurückkehren.
Kurz, während jedes Augenblicks seiner wachen Stunden, bei Tag und bei Nacht, sollte man sich jeder Tat, jedes Gedankens oder Gefühls voll bewußt sein und darauf achten, und immer, wenn es nichts Besonderes zu registrieren gibt, sollte man wieder dazu zurückkehren, das Heben und Senken seines Unterleibs zu betrachten. Darin besteht die ganze Praxis der Übung der „Wissensklarheit bei jeglicher Verrichtung", die sich als durchgängige Haltung das Achten auf einen Hauptgegenstand zugrunde legt, nämlich auf das Heben und Senken des Unterleibs.
Die Geh-Meditation in den Pausen
In den Pausen zwischen den Sitz-Meditationen kann man sich mit achtsamem Gehen oder mit der Geh-Meditation beschäftigen, die etwas Abwechslung ins Spiel bringt und hilft, die eingeschlafenen Gliedmaßen oder den steifen Körper zu entspannen, ohne dabei die geistige Sammlung zu unterbrechen. Zudem sollte man den ganzen Tag über immer, wenn man sich von einem an einen anderen Ort bewegen muß, z. B. von der Meditationshalle in den Speisesaal, ganz bewußt gehen, d. h. voll und ganz auf die jeweilige Bewegung achten, zumindest in drei Phasen (Fuß heben ... vorwärtsbewegen ... senken und aufsetzen) oder in zwei (heben und vorwärts ... senken und aufsetzen).
Grundübung IV
In Grundübung Il wurde erklärt, der Übende solle sich während der Sitz-Meditation für seine Sinneswahrnehmung vorrangig auf die Bewegungen seines Unterleibs konzentrieren aber gleichzeitig immer voll bewußt auf alles achten, was sich sonst in seinem Geist regt. Das war gedacht als Mittel, sich in eine Haltung ständigen vorsätzlichen und achtsamen Beobachtens einzuüben. In Grundübung IV wurde diese Haltung beständiger, ununterbrochener Achtsamkeit so weit ausgedehnt, daß sie sich schließlich auf alles erstreckte, was den ganzen Tag lang in der Psyche aufkommt – auf alle mentalen, willensmäßigen und affektiven Vorgänge. Wenn man sich z. B. über seinen Fortschritt freut, sollte man auf der Stelle in seinem Geist registrieren „Freude", wenn man entmutigt ist, „Entmutigung", wenn man im Geist die Anleitungen durchgeht, um korrektes Üben zu gewährleisten, „Anleitungen überdacht", und wenn man irgendeine Empfindung oder Eingebung analysiert, „Analyse" usw. Es kann gar nicht genug betont werden, daß immer wieder alles darauf ankommt, daß man zu allen wachen Stunden bei Tag und bei Nacht seine Aufmerksamkeit vorsätzlich und voll bewußt aufrechterhält und jederzeit das, was in Körper oder Geist auftaucht, im Augenblick seines Auftauchens registriert. Wenn sich hingegen nichts Bemerkenswertes einstellt, sollte man zum Achten auf das Heben und Senken des Unterleibs zurückkehren.
Abschluß
Das ist also in kurzen Zügen die Methode. Die Unterteilung in vier Grundübungen hat rein methodische Gründe. Sie soll es erleichtern, einem neuen Schüler das Vorgehen zu erklären und ihn bei seinen ersten Versuchen anzuleiten, denn irgendwo muß man ja anfangen. Doch ist ziemlich klar, daß diese vier Übungen keine Alternativen darstellen (es sei denn im mechanischen Sinn, denn beim Sitzen kann man nicht gehen oder sich hinsetzen usw.), sondern sich gegenseitig ergänzen und beim Voranschreiten unterstützen. Von Anfang an, sobald der Meditierende ein gutes Maß an stabiler Konzentration seiner Aufmerksamkeit erreicht hat, achtet er bereits (im Maß seiner derzeitigen Fähigkeit dazu) auf alles, was auftaucht, gleich im Augenblick seines Auftauchens. Auf diese Weise beginnt er, aus seiner eigenen unmittelbaren Erfahrung die Vergänglichkeit aller Phänomene wahrzunehmen und Einsicht in ihre unbeständige und unpersonale Natur zu gewinnen.
Weitere Informationen:
http://en.wikipedia.org/wiki/Mahasi_Sayadaw
http://de.wikipedia.org/wiki/Vipassana