Ajahn Chah über Meditation

  • Vorweg: Ajahn Chah war ein Lehrer aus der Thailändischen Waldtradition. Seine Dhamma-Vorträge treffen mehr oder weniger immer mit Meditation zusammen. Hier sollen einige Belehrungen über Meditation von ihm eingestellt werden.
    Mehr über Ajahn Chah gibt es hier: http://www.ajahnchah.org/


    Zum Thema Meditation
    von Ajahn Chah


    "Aufzupassen und über die verschiedenen Faktoren zu wachen,
    die in der Meditation entstehen ist die Aufgabe von Sati...
    (unsere geistesgegenwärtige Bewusstheit)


    ... Sati ist lebenswichtig.
    Wenn wir kein Sati haben,
    sind wir unachtsam
    und unser Tun und Sagen ist sinnlos.
    Sati führt dazu,
    dass Selbstgewahrsein und Weisheit entstehen."



    Um den Geist zur Ruhe zu bringen, müssen wir das richtige Gleichgewicht finden. Wenn wir versuchen, ihn zu sehr zu zwingen, verfehlen wir das Ziel; doch wenn wir es nicht genug versuchen, kommt er auch nicht zur Ruhe. Das richtige Gleichgewicht ist sehr wichtig.


    Normalerweise ist der Geist nicht ruhig. Er ist immer in Bewegung, und es fehlt ihm an Kraft. Den Geist zu stärken oder den Körper zu stärken, ist nicht das gleiche. Um den Körper zu kräftigen, müssen wir ihn bewegen und trainieren. Aber den Geist zu stärken, bedeutet, ihn zu beruhigen und nicht dauernd an dieses oder jenes zu denken. Den meisten von uns geht es so, dass der Geist niemals wirklich in Frieden war und noch nie die Kraft des Samadhi[1] hatte. Wenn wir in Meditation sitzen, richten wir den Geist in einem ganz bestimmten Bereich ein: Wir verharren mit dem in uns, das weiß!


    Zwingen wir den Atem, entweder zu lang oder zu kurz zu sein, sind wir nicht ausgeglichen, und der Geist wird nicht ruhig. Wenn wir zum Beispiel eine Nähmaschine benutzen, die mit einem Fußpedal angetrieben wird, üben wir zuerst, um den richtigen Rhythmus zu erlangen, ehe wir überhaupt etwas nähen. Sich auf den Atem zu konzentrieren ist ähnlich. Wir beobachten ihn nur, und kümmern uns nicht darum, wie lang oder kurz, kräftig oder schwach er ist. Wir nehmen einfach zur Kenntnis, wie er ist, und lassen ihn so sein.


    Wenn der Atem ausgeglichen ist, nehmen wir ihn als unser Meditationsobjekt. Beim Einatmen ist der Anfang des Atems an der Nasenspitze, die Mitte des Atems in der Brust und das Ende des Atems im Bauch. Das ist der Weg des Atems. Wenn wir ausatmen, ist der Anfang des Atems im Bauch, die Mitte in der Brust und das Ende an der Nasenspitze. Wir nehmen den Weg des Atems zur Kenntnis, um den Geist zu festigen, das heißt, damit die geistigen Aktivitäten zur Ruhe kommen und sich gleichzeitig Achtsamkeit und Bewusstheit etablieren können.


    Nachdem wir mit der Kenntnisnahme der drei Punkte auf dem Weg des Atems wohl vertraut sind, können wir diese loslassen und nur noch das Ein- und Ausatmen betrachten, wobei wir uns auf die Stelle konzentrieren, wo der Atem ein- und ausgeht (die Nasenlöcher, die Nasenspitze oder die Oberlippe). Jetzt Folgen wir dem Atem nicht mehr, sondern richten unsere Aufmerksamkeit auf die Nasenlöcher und beobachten, wie er einkehrt und wieder heraustritt, einkehrt und wieder austritt... Es ist nicht nötig, an irgend etwas Bestimmtes zu denken. Wir konzentrieren uns mit fortwährender Achtsamkeit im Moment nur auf diese einfache Aufgabe. Weiter gibt es nichts zu tun, als ein- und auszuatmen.


    Bald wird der Geist ruhiger und der Atem immer feiner. Geist und Körper werden leicht. Das ist der richtige Zustand für die Arbeit der Meditation.


    Je länger wir sitzen und meditieren, um so feiner und subtiler wird der Geist. Doch wir sollten uns in jedem Moment des jeweiligen Zustandes des Geistes bewusst sein. Geistige Aktivitäten sind vorhanden, obwohl der Geist sich im Zustand der Ruhe befindet. Die geistige Aktivität, die den Geist zum Objekt der Meditation (das Ein- und Ausatmen) führt, nennen wir Vitakka. Wenn unsere Achtsamkeit nicht sehr stark ist, dann ist auch nicht viel Vitakka vorhanden. Zu Vitakka gesellt sich Vicara, die Aktivität des Geistes, die den Geist beim Meditationsobjekt verbleiben lässt. Verschiedene schwache geistige Eindrücke können von Zeit zu Zeit auftreten, aber wichtig ist unsere geistesgegenwärtige Bewusstheit. Was immer auch vorkommt, wir sind uns dessen bewusst, aber lassen uns dadurch von unserem Meditationsobjekt nicht ablenken. Während die Konzentration sich vertieft, sind wir uns fortwährend des Zustandes unserer Meditation bewusst und wissen, ob der Geist fest und sicher in Konzentration etabliert ist oder nicht. Achtsamkeit und Konzentration müssen gleichzeitig vorhanden sein.


    Obwohl sich der Geist im Zustand der Ruhe befindet, sind geistige Eindrücke vorhanden. Wenn wir zum Beispiel die erste Stufe der vertieften Konzentration untersuchen, finden wir fünf Faktoren. Zusammen mit Vitakka und Vicara entwickelt sich Piti, Entzücken, das durch die vertiefte Ruhe entsteht, und dann Sukha, Glückseligkeit. Diese vier Faktoren befinden sich gemeinsam im Geist, der in Ruhe verharrt. Zusammen bilden sie einen einzigen Zustand.


    Der Fünfte Faktor ist Ekaggata, die absolute Sammlung des Geistes in einem Punkt. Ihr werdet euch vielleicht wundern, wie die absolute Sammlung in einem Punkt vorhanden sein kann, wenn die anderen vier Faktoren auch anwesend sind. Das kommt daher, dass sich diese fünf Faktoren auf der Grundlage der Ruhe vereinigen. Zusammen und vereint sind sie der Zustand des Samadhi. Sie gehören nicht zum alltäglichen gewöhnlichen Zustand des Geistes, es sind die Faktoren der Vertiefung. Diese fünf Faktoren existieren gemeinsam, aber stören die grundlegende Ruhe des Geistes nicht. Vitakka ist vorhanden, aber stört den Geist nicht. Vicara, Piti und Sukha entstehen, aber stören den Geist nicht. Der Geist ist eins geworden mit diesen Faktoren. Das ist die erste Stufe der vertieften Konzentration oder das erste Jhana.[2]


    Wir müssen es nicht das erste, zweite, dritte oder vierte Jhana nennen, wir wollen es einfach den Geist im Zustand des Friedens nennen. Wenn der Geist fortschreitend ruhiger wird, hören Vitakka und Vicara auf, und nur Entzücken und Glückseligkeit verbleiben. Warum werden Vitakka und Vicara losgelassen? Weil der Geist immer feiner wird, sind die Tätigkeiten von Vitakka und Vicara zu grob, um zu verbleiben. In dem Moment, wenn Vitakka und Vicara losgelassen werden, können Gefühle von starkem Entzücken auftreten. Aber mit weiterer Vertiefung der Konzentration und der damit verbundenen Vertiefung der Ruhe und Veredelung des Geistes hört auch das Entzücken auf. Nur Glückseligkeit und die absolute Sammlung des Geistes in einem Punkt verbleiben, bis schließlich auch die Glückseligkeit sich auflöst, und der Geist seine größte Veredelung erlangt. Es bleiben nur Gleichmut und die absolute Sammlung des Geistes, alles andere ist losgelassen worden. Der Geist verbleibt unbewegt.


    Diese unerschütterliche Ruhe ist die Kraft des Friedlichen Geistes. Wenn der Geist erst einmal völlig zur Ruhe gekommen ist, kann dieser Zustand eintreten. Wir sollten nicht zu viel darüber nachdenken, denn es passiert von ganz alleine. In diesem Zustand ist der Geist nicht schläfrig. Keines der fünf Hindernisse, sinnliches Begehren, Aversion, Unruhe, Stumpfsinn und Zweifel, ist vorhanden.


    Wenn die geistige Kraft noch nicht stark genug entwickelt ist, und unsere Achtsamkeit schwankt, werden gelegentlich geistige Eindrücke auftreten. Der Geist befindet sich zwar im Zustand der Ruhe, aber die Stille wird von Unachtsamkeit unterwandert. Hierbei handelt es sich um keine gewöhnliche Art von Schläfrigkeit oder Geistesabwesenheit. Eindrücke manifestieren sich (vielleicht hören wir ein Geräusch oder sehen einen Hund oder irgend etwas); es ist nicht wirklich klar, aber es ist auch kein Traum. Wenn das geschieht, sind die fünf Faktoren aus dem Gleichgewicht geraten.


    Auf dieser Stufe der Ruhe neigt der Geist dazu, uns Streiche zu spielen. Es können mitunter bildliche Eindrücke entstehen, und der Meditierende mag nicht genau wissen, was passiert. "Bin ich eingeschlafen? Ist das ein Traum? Nein, das ist kein Traum!" - das passiert nur auf den mittleren Stufen der Ruhe. Wenn der Geist wirklich in Ruhe und völlig klar ist, besteht kein Zweifel in Bezug auf die verschiedenen Eindrücke oder Einbildungen, die vorhanden sein können, und Fragen wie - "Bin ich etwa eingeschlafen? War ich da eben geistesabwesend? Habe ich da den Faden verloren?" - kommen nicht vor. Wenn Zweifel auftaucht - "Bin ich wach oder träume ich" -, ist der Geist unklar und verliert sich in Stimmungen. Ähnlich wie der Mond, der hinter einer Wolke verschwindet, man kann ihn zwar immer noch sehen, aber die Wolken machen ihn unklar und undeutlich. Nicht wie der Mond, der hinter einer Wolke hervortritt - klar, scharf und hell.


    Wenn der Geist fest in geistesgegenwärtiger Bewusstheit etabliert und wirklich in Ruhe ist, gibt es keinen Zweifel in Bezug auf die verschiedenen Phänomene, die wir antreffen. Wir wissen mit Klarheit, wie die Dinge sind, die auftauchen, denn der Geist ist klar und hell. Er ist wahrlich über die Hindernisse hinausgegangen, wenn der Zustand des Samadhi erreicht ist.


    Manchen Leuten fällt es jedoch schwer, sich in Samadhi zu vertiefen; es entspricht nicht ihrer Neigung. Diese Leute erreichen zwar eine Art Samadhi, doch es ist nicht stark und gefestigt. Man kann aber auch durch genaue Betrachtung der Dinge die Wahrheit erkennen, und so durch Weisheit zur Ruhe kommen. Auf diese Weise werden Probleme gelöst, und der Geist findet Ruhe. Das nennt man den Gebrauch der weisen Einsicht an Stelle von Samadhi. Um den Geist zur Ruhe zu bringen, ist es nicht unbedingt nötig, sich hinzusetzen und zu meditieren. Wer über Weisheit verfügt, kann sich im gegebenen Moment Fragen, was eigentlich los ist, und seine Probleme mit Hilfe der Weisheit lösen. Vielleicht kann man nicht die höchste Stufe des Samadhi erreichen, aber entwickelt genug Konzentration, um Weisheit zu kultivieren. Es kann durchaus so sein, dass wir uns in unserer Praxis mehr der Weisheit bedienen, um unsere Probleme zu lösen. Wenn wir die Wahrheit erkennen, findet der Geist Ruhe. So wie man seinen Lebensunterhalt mehr auf Reis oder auf Mais aufbauen kann, stützt sich die Praxis entweder mehr auf Weisheit oder auf Samadhi.


    Diese beiden Wege sind nicht gleich. Manche Menschen haben Einsicht, aber nicht viel Samadhi. Wenn sie in Meditation sitzen, fällt es ihnen schwer, den Geist zur Ruhe zu bringen. Sie neigen aber dazu, viel über dieses oder jenes nachzudenken, und erkennen die tiefgründige Wahrheit, wenn sie die Glückseligkeit und das Leiden analysieren. Manch einer neigt mehr dazu, als zum Samadhi. Egal ob wir stehen, gehen, sitzen oder liegen, zu jeder Zeit kann die tiefe Einsicht in das Dhamma[3] erfolgen. Durch Einsicht lässt der Geist die Dinge los und kommt zur Ruhe. So wird Frieden durch Erkennen der Wahrheit erreicht.


    Andere haben wenig Weisheit, aber ihre Fähigkeit Samadhi zu entwickeln, ist sehr stark. Solche Leute können sehr schnell in die vertiefte Konzentration eintreten. Da sie aber nicht über genügend Weisheit verfügen, können sie ihre geistigen Unreinheiten nicht erfassen; sie kennen sie nicht und können deshalb ihre Probleme nicht lösen.


    Egal, welchen Weg wir auch wählen, es ist wichtig, die falschen Vorstellungen zu beseitigen und nur die richtigen Ansichten bestehen zu lassen. Wir müssen die Verwirrung beseitigen und nur den Frieden erhalten. Es gibt die zwei Seiten der Praxis, aber diese beiden Seiten, die Ruhe und die Einsicht, gehören zusammen. Wir dürfen keine der beiden vernachlässigen. Sie müssen zusammen voranschreiten.


    Aufzupassen und über die verschiedenen Faktoren zu wachen, die in der Meditation entstehen, ist die Aufgabe von Sati (unsere geistesgegenwärtige Bewusstheit). Hierbei handelt es sich um eine wesentliche Grundvoraussetzung für die Meditation, die wir durch Übung trainieren müssen, Sati ist lebenswichtig. Wenn wir kein Sati haben, sind wir unachtsam und unser Tun und Sagen ist sinnlos. Sati, unsere wachende Geistesgegenwart, führt dazu, dass Selbstgewahrsein und Weisheit entstehen. Wenn es uns an Sati fehlt, sind die Tugenden, die wir entwickelt haben, unvollkommen. Sati sollte zu jeder Zeit über uns wachen. Selbst wenn wir uns nicht mehr im Zustand des Samadhi befinden, sollte Sati immer vorhanden sein.


    Was wir auch tun, durch Sati sind wir uns dessen bewusst, und wenn wir Dinge tun, die nicht korrekt sind, entsteht ein heilsames Schamgefühl. So wie dieses Schamgefühl zunimmt, wächst auch unsere gesammelte Bewusstheit und die Unachtsamkeit vermindert sich. Wenn Sati kultiviert wird, sind Selbstgewahrsein und Weisheit in uns gegenwärtig, auch wenn wir nicht in Meditation sitzen.


    Sati zu entwickeln, ist äußerst wichtig! Es übersieht all unser Tun, Sagen und Denken. Es ist sehr brauchbar und wertvoll. Wir sollten uns zu jeder Zeit selbst kennen. Uns selbst zu kennen, bedeutet, dass wir richtig von falsch unterscheiden. So wird der "Weg" klar erkenntlich, und im Licht der Weisheit lösen sich die Ursachen für das Schamgefühl auf.


    Der Weg der buddhistischen Praxis lässt sich zusammenfassen als Tugend, Sammlung und Weisheit.[4] Fassung und Selbstkontrolle sind Tugend. Die feste Etablierung des Geistes in der Selbstkontrolle ist Sammlung. Völlig überschauendes Wissen innerhalb der Tätigkeit, die wir gerade ausüben, ist Weisheit. Kurz gesagt besteht die Praxis nur aus Tugend, Sammlung und Weisheit. Das ist der "Weg". Es gibt keinen anderen Weg, der zur Freiheit des Geistes führt.




    Fußnoten:


    [1] Samadhi ist der Zustand der konzentrierten Ruhe, der in der Meditation entsteht.


    [2] Jhana ist ein fortgeschrittener Zustand der Konzentration, in dem der Geist sich völlig in das Meditationsobjekt vertieft. Jhana wird in vier Stufen eingeteilt, jede Stufe feiner und subtiler als die vorhergehende.


    [3] Dharma (Sanskrit) oder Dhamma (Pali): Phänomene, Erscheinungen und Vorgänge jeglicher Art werden als Dhammas bezeichnet. Dhamma beschreibt auch die Art, wie die Dinge von Natur aus sind sowie die den Dingen inne wohnenden Qualitäten. Dhamma ist ebenso das Prinzip, dem der Verlauf der Wandlung der Dinge unterliegt, wie auch das Prinzip des menschlichen Verhaltens, dem der Mensch Folgen sollte in Übereinstimmung mit der wahren Natur der Dinge. Dhamma bezeichnet außerdem die Eigenschaften des Geistes, die der Mensch entwickeln sollte, um die dem Geist inne wohnenden Qualitäten zu erkennen.


    Dhamma (Dharma) wird auch die Doktrin genannt, die diese Dinge lehrt. Somit bezieht sich das Dhamma Buddhas direkt auf seine Lehre sowie auf die direkte Erfahrung von Nibbana, die Qualität, auf die die Lehre hinzielt.


    [4] Die Begriffe Sila, Samadhi, und Pañña werden als die drei Lichter oder die drei Stützen der buddhistischen Praxis bezeichnet. In verschiedenen deutschen Übersetzungen werden diese Begriffe unterschiedlich wiedergegeben. Sila bedeutet Tugend, Sittlichkeit oder Moral, Samadhi wird als Konzentration oder Sammlung (des Geistes) übersetzt, während Pañña als Weisheit, Einsicht oder weise Erkenntnis wiedergegeben wird. In dieser Übersetzung werden stets die Ausdrücke Tugend, Sammlung und Weisheit benutzt.


    Quelle: http://www.ajahnchah.org/deutsch/zum_thema_meditation.php

  • Der Weg der Harmonie
    von Ajahn Chah



    "Der achtfache Weg ist als Tugend, Sammlung und Weisheit zu verstehen.
    Er sammelt sich ganz einfach in diesen drei Dingen.
    Unsere Aufgabe besteht darin,
    den Weg in uns entstehen zu lassen."



    Seid ihr euch sicher in der Meditation? Ich frage, weil ich befürchte, ihr könntet unsicher sein und Zweifel haben, denn es gibt heutzutage viele Leute, Mönche sowie auch Laien, die Meditation lehren. Nur wenn wir ein klares Verständnis von Meditation haben, sind wir in der Lage, den Geist zur Ruhe zu bringen und beständig zu machen.


    "Der achtfache Weg"[5] ist als Tugend, Sammlung und Weisheit zu verstehen. Er sammelt sich ganz einfach in diesen drei Dingen. Unsere Aufgabe besteht darin, den "Weg" in uns entstehen zu lassen.


    Wenn wir in Meditation sitzen, schließen wir die Augen, um nichts anderes zu sehen, denn jetzt sind wir dabei, direkt auf den Geist zu schauen. Mit dem Schließen der Augen, richtet sich unsere Aufmerksamkeit nach innen. Wir konzentrieren uns auf den Atem, sammeln unser Empfinden dort und etablieren Achtsamkeit. Wenn die Faktoren des "Weges" im Ausgleich sind, in Harmonie, sehen wir den Atem, die Gefühle und den Geist mit seinen Launen, wie sie wirklich sind. Wir sehen, wie Samadhi und die anderen Faktoren des "Weges" sich in Harmonie vereinigen.


    Während wir in Meditation sitzen und dem Atem folgen, stellen wir uns vor, dass wir jetzt alleine sitzen.[6] Es ist niemand da, der neben oder hinter uns oder wo auch immer sitzt; Es ist überhaupt nichts da. Wir entwickeln das Gefühl, allein zu sein, bis der Geist alle äußerlichen Dinge loslässt. Unsere Konzentration richtet sich einzig und allein auf den Atem. Wenn wir daran denken, dass diese Person dort drüben sitzt und jene Person da oder da, richtet sich der Geist nicht nach innen, und wir kommen nicht zur Ruhe. Wir schieben einfach alles zur Seite, bis wir fühlen, dass niemand weiter da ist, bis überhaupt nichts mehr da ist, bis auch der kleinste Anflug von Interesse, an dem was uns umgibt, verschwunden ist.


    Lasst den Atem seinen natürlichen Lauf gehen, zwingt ihn nicht, lang oder kurz zu sein. Sitzt einfach nur da und beobachtet, wie er ein- und ausgeht. Wenn der Geist die äußerlichen Dinge loslässt, stören Geräusche von Motoren oder andere äußere Unannehmlichkeiten, die normalerweise als Störquellen empfunden werden, nicht mehr. Ob Bilder oder Geräusche, überhaupt nichts kann uns stören, denn unsere Aufmerksamkeit hat sich völlig auf den Atem konzentriert.


    Wenn wir verwirrt und durcheinander sind und uns nicht auf den Atem konzentrieren können, atmen wir so tief wie möglich ein. Dann atmen wir aus, bis der Atem den Körper ganz verlassen hat. Wir wiederholen das dreimal und richten dann unsere Achtsamkeit erneut auf die Beobachtung des Atems. Jetzt wird der Geist zur Ruhe kommen.


    Es ist ganz natürlich für den Geist, eine Weile ruhig und dann wieder unruhig und verwirrt zu sein. Wenn das passiert, konzentrieren wir uns, atmen tief durch und richten dann unsere Achtsamkeit erneut voll auf den Atem. So setzen wir die Meditation fort. Wenn wir uns des öfteren bewusst werden, dass der Geist aus seiner konzentrierten Ruhe abgelenkt wird, fällt es uns schließlich immer leichter, das zu erkennen, und die äußerlichen Erscheinungen werden losgelassen. Sie können nun den Geist nicht mehr erreichen. Sati ist fest etabliert. So wie der Geist immer Feiner wird, wird auch der Atem immer feiner. Ebenso werden die Gefühle immer feiner, und Körper und Geist werden leicht. Unsere Aufmerksamkeit ist einzig und allein nach innen gerichtet. Wir sehen das Ein- und Ausatmen mit voller Klarheit, genauso wie sämtliche Eindrücke mit voller Klarheit gesehen werden. Wir erleben, wie sich Tugend, Sammlung und Weisheit vereinigen. Das ist "der Weg in Harmonie". Harmonie beschreibt den Geist, frei von Verwirrung. Man sagt dazu auch Samadhi.


    Wenn wir den Atem für längere Zeit mit gesammelter Achtsamkeit beobachten, wird er immer feiner. Das Bewusstsein des Atems wird zunehmend schwächer, bis nur noch klare Bewusstheit an sich verbleibt. Der Atem kann so fein werden, dass er verschwindet! Vielleicht sitzen wir da, ohne dass da überhaupt Atem ist. Tatsächlich ist er vorhanden, aber es erscheint uns, als ob die Atmung stillsteht. Das passiert, wenn der Geist seinen subtilsten Zustand erreicht und nur noch reine Bewusstheit vorhanden ist. Der Geist ist über den Atem hinausgegangen und das Wissen, dass der Atem verschwunden ist, tritt ein. Doch was nehmen wir jetzt als unser Meditationsobjekt? Wir machen dieses Wissen, das Bewusstsein, dass da kein Atem ist, zu unserem Meditationsobjekt.


    Unerwartete Phänomene können an diesem Punkt auftauchen; einige von uns haben diese Erfahrungen, andere nicht. Wenn solche Zustände auftreten, ist es wichtig, dass wir standhaft sind. Manche Menschen stellen fest, dass der Atem verschwunden ist, und haben Angst, sie könnten sterben. In dieser Situation sollten wir die Dinge einfach nur so sehen, wie sie sind. Wir stellen fest, dass da kein Atem ist, und nehmen das als Objekt unserer Aufmerksamkeit. Das ist die beständigste und sicherste Form von Samadhi. Es besteht einzig und allein ein fester, unbeweglicher Zustand des Geistes. Vielleicht wird der Körper so leicht, dass es uns erscheint, als wäre überhaupt kein Körper mehr da. Wir fühlen uns, als ob wir im leeren unendlichen Raum sitzen; alles scheint leer zu sein. Obwohl das ungewöhnlich erscheint, müssen wir verstehen, dass es keinen Grund zur Beunruhigung oder Besorgnis gibt und unerschrocken den Geist fest etablieren.


    Ist der Geist erst einmal gesammelt und wird nicht mehr durch irgendwelche Sinneseindrücke abgelenkt, können wir in diesem Zustand beliebig lange verweilen. Schmerzhafte Gefühle, die uns stören, sind nicht mehr vorhanden. Wenn diese Stufe des Samadhi erreicht wird, können wir wieder herauskommen, wann immer wir wollen, aber wenn wir aus Samadhi wieder herausgehen, dann fühlen wir uns gut und verlassen es nicht, weil wir es langweilig finden oder müde sind. Wir verlassen Samadhi, weil wir im Moment genug haben. Wir fühlen uns wohl und unbeschwert. Wenn wir diese Art von Samadhi entwickeln und etwa eine halbe bis eine Stunde sitzen, ist der Geist für einige Tage völlig ruhig und abgeklärt. Der ruhige und abgeklärte Geist ist rein. Was immer uns begegnet, wird untersucht und mit Weisheit verstanden. Das ist die Frucht des Samadhi!


    Tugend, Sammlung und Weisheit haben unterschiedliche Aufgaben, doch sie greifen ineinander über und bilden einen Kreis. Das erkennen wir, wenn der Geist in Frieden ist. Im Zustand der Ruhe ist der Geist auf Grund von Weisheit und der Energie der Sammlung beherrscht. Zunehmende Sammlung verfeinert und veredelt den Geist, was dazu führt, dass die Tugend verstärkt wird. Wenn Tugend stärker wird, nimmt wiederum die Sammlung zu. Fest etablierte und zunehmende Sammlung bedingt auch die verstärkte Entfaltung von Weisheit. Durch diese Wechselbeziehung helfen und unterstützen Tugend, Sammlung und Weisheit einander. Am Ende wird der "Weg" zu einer Einheit und Funktioniert zu jeder Zeit. Wir sollten die Kraft des "Weges" kultivieren, denn diese Kraft führt zu Einsicht und Weisheit.


    Fußnoten:


    [5] "Der achtfache Weg" wird beschrieben als der edle Weg, der aus richtigem Verständnis, richtiger Zielsetzung, richtigem Sprechen, richtigem Handeln, richtigem Lebensunterhalt, richtigem Bemühen, richtiger Achtsamkeit und richtiger Konzentration besteht.


    [6] Die Ansprache des ehrwürdigen Ajahn richtete sich an eine Gruppe von Mönchen und Laienschülern, die zusammen meditierten.


    Quelle: http://www.ajahnchah.org/deutsch/der_weg_in_harmonie.php

  • Die Gefahr des Samadhi
    von Ajahn Chah



    "Bei richtigem Samadhi ist immer Bewusstheit vorhanden,
    das heißt, es besteht volle Geistesgegenwart und klares Verständnis.
    Durch solch ein Samadhi entsteht Weisheit
    und man kann sich nicht darin verlieren."



    Samadhi ist schon eine sehr nützliche Sache, aber wenn es dem Meditierenden an Weisheit fehlt, kann es auch schädlich sein. Zusammen mit Weisheit, führt Samadhi zu Einsicht und ist deshalb sehr nützlich.


    Die Gefahr für den Meditierenden liegt in der Vertiefung, Samadhi-Jhana, dem Samadhi der vertieften anhaltenden Ruhe. Dieses Samadhi bringt den totalen Frieden, und durch Frieden entsteht Glückseligkeit. Wenn Glückseligkeit entsteht, kommt leicht das Anhaften daran zustande. Der Meditierende will nichts anderes betrachten oder untersuchen, es geht ihm nur um das angenehme Gefühl des Friedens im Samadhi. Nach langer Übung der Meditation ist man sehr erfahren, und es ist einfach, Samadhi zu erreichen. Sobald man sich auf das Meditationsobjekt konzentriert, wird der Geist ruhig, und man will die vertiefte Ruhe nicht mehr verlassen, um irgend etwas zu untersuchen. Man bleibt an der Glückseligkeit hängen, und darin besteht die Gefahr für den Meditierenden.


    Wir müssen Upacara Samadhi anwenden. Das heißt, wir treten in die Ruhe ein, und wenn der Geist sich in einem angemessenen, gefestigten Zustand der Ruhe befindet, kommen wir heraus und betrachten unsere äußerlichen Aktivitäten.[7] Mit ruhigem Geist die Außenwelt zu betrachten, lässt Weisheit entstehen. Das ist schwer zu verstehen, denn es handelt sich hierbei nicht um gewöhnliches Denken oder sich etwas vorzustellen. Wenn Denken vorhanden ist, mögen wir annehmen, dass der Geist sich nicht im Zustand der Ruhe befindet. Tatsächlich aber findet jetzt das Denken innerhalb der Ruhe statt. Die Betrachtung irgendwelcher Phänomene findet zwar statt, doch stört das die Ruhe des Geistes nicht. Das Denken selbst wird jetzt nämlich betrachtet, das bedeutet, wir greifen das Denken auf und untersuchen es. Das ist etwas anderes, als sich ziellosen Gedanken und Vermutungen hinzugeben. Dieser Vorgang spielt sich ab, wenn sich der Geist im Zustand der Ruhe befindet. Wir bezeichnen das als: "Bewusstheit in der Ruhe und Ruhe in der Bewusstheit". Wenn es sich nur um gewöhnliches Denken oder Vermutungen handelt, ist der Geist nicht in Frieden, sondern gestört und verwirrt. Aber ich rede nicht vom gewöhnlichen Geist, sondern von weiser Betrachtung, dem Phänomen der Entfaltung von Weisheit durch die Ruhe des Geistes.


    Wir unterscheiden also richtiges und falsches Samadhi. Falsches Samadhi entsteht, wenn der Geist in den Zustand der Ruhe eintritt und überhaupt kein Bewusstsein vorhanden ist. Man könnte stundenlang einfach so dasitzen, aber man weiß nicht, wo man sich befindet oder was passiert. Man weiß überhaupt nichts. Es ist Ruhe vorhanden, aber das ist alles. Wir können das mit einem gut geschliffenen Messer vergleichen, das wir nicht zum Schneiden benutzen. Es handelt sich hierbei um eine verblendete Art von Ruhe, denn es besteht nicht viel Selbstgewahrsein. Der Meditierende denkt, er habe bereits das Ultimative erreicht, und macht sich nicht mehr die Mühe, nach etwas anderem zu schauen. Diese Art von Samadhi kann zu unserem Feind werden. Wenn das Bewusstsein von richtig und Falsch fehlt, kann sich Weisheit nicht entfalten.


    Egal, welche Stufe von Ruhe erreicht wird, bei richtigem Samadhi ist immer klare Bewusstheit vorhanden, das heißt, es besteht volle Geistesgegenwart und klares Verständnis. Durch solch ein Samadhi entsteht Weisheit, und man kann sich nicht darin verlieren. Diejenigen, die Buddhismus praktizieren wollen, müssen verstehen, dass es nicht ohne diese Bewusstheit geht. Sie muss immer gegenwärtig sein, dann ist Samadhi ungefährlich.


    Wie also entsteht der Nutzen durch Samadhi? Wenn richtiges Samadhi entwickelt wird, entsteht Weisheit. Wenn die Augen Formen und Farben sehen, die Ohren Klänge hören, die Nase Gerüche riecht, die Zunge Geschmäcker schmeckt, der Körper Berührungen erfährt und der Geist mentale Eindrücke erlebt - in jedem Moment im Leben, egal, was wir gerade tun -, verbleibt der Geist mit dem Wissen um die wahre Natur dieser Sinneseindrücke und folgt ihnen nicht. Ist Weisheit vorhanden, suchen wir uns unter den Dingen, die uns begegnen, keine besonderen Phänomene aus, um diesen eine bestimmte Bedeutung zu verleihen. In jedem Moment sind wir uns des Entstehens von Zufriedenheit oder Unzufriedenheit bewusst, aber lassen diese beiden Zustände los und halten sie nicht fest. Das ist die richtige Praxis, die in "jeder Stellung" (im Stehen, Gehen, Sitzen und Liegen) geübt werden sollte. "Jede Stellung" bezieht sich nicht nur auf die körperlichen Stellungen, sondern auch auf die unterschiedlichen geistigen Inhalte, denen wir mit Achtsamkeit und klarem Verständnis begegnen sollten. Einsicht oder weise Betrachtung ist der Nutzen von richtig entwickeltem Samadhi.


    Wir unterscheiden zwei Arten des Friedens - den groben und den feinen. Der Frieden, der durch Samadhi entsteht, ist die grobe Art. Hier entsteht im Zustand des Friedens Glückseligkeit, und wir halten diese Glückseligkeit für den Frieden. Doch glücklich und unglücklich sind nur ein Paar in der dualen Welt der Erscheinungen, die entstehen und wieder vergehen. Wenn wir an der Glückseligkeit festhalten, gibt es kein Entkommen aus dem Samsara,[8] Glückseligkeit ist nicht Frieden, Frieden ist nicht Glückseligkeit.


    Die andere Art des Friedens entsteht durch Weisheit. Hier wird nicht Glückseligkeit mit Frieden verwechselt. Wenn Glückseligkeit auftaucht, sorgt klare Bewusstheit dafür, dass es nicht zum Festhalten kommt. Der Frieden, der durch Weisheit entsteht, geht über Glückseligkeit hinaus, denn durch Weisheit wird die Unbeständigkeit von Glückseligkeit und Unglücklichsein erkannt, und das Anhaften hört auf. Der Frieden, der dadurch entsteht, ist das wahre Ziel der buddhistischen Praxis!


    Fußnoten:


    [7] "Äußerliche Aktivitäten" bezieht sich auf alle Arten von Sinneseindrücken und steht im Kontrast zur "inneren Unaktivität" des vertieften Samadhi-Jhana, wobei der Geist sich von äußerlichen Sinneseindrücken zurückzieht.


    [8] Samsara: das Rad, das sich im Kreis von Geburt und Tod dreht, verkörpert die Welt aller bedingten Phänomene, geistig und materiell.


    Quelle: http://www.ajahnchah.org/deutsch/die_gefahr_des_samadhi.php

  • Was ist Kontemplation?
    von Ajahn Chah


    Die folgende Belehrung wurde einem Dialog zwischen Ajahn Chah und einer Gruppe westlicher Schüler entnommen; Er fand im Wat Gor Nork während der Regenzeit 1979 statt.



    FRAGE: Wenn Sie über den Wert der Kontemplation sprechen, meinen Sie dann damit, dass man während des Sitzens über bestimmte Themen nachdenkt, z. B. über die 32 Bestandteile des Körpers?


    ANTWORT: Das ist nicht notwendig, wenn der Geist wirklich still ist. Wenn Geistesruhe auf rechte Art entwickelt wurde, dann wird das richtige Forschungsobjekt offensichtlich sein. Wenn 'echte' Kontemplation vorhanden ist, dann gibt es kein Unterscheiden in Richtig und Falsch oder Gut und Schlecht; Es kommt dem noch nicht einmal nahe. Man sitzt nicht da und denkt: "Oh, dies ist so, und das ist anders", usw. Das ist eine grobe Form der Kontemplation. Meditative Kontemplation ist nicht einfach nur eine Sache des Denkens, sondern es handelt sich um das, was wir als 'Kontemplation in der Stille' bezeichnen. Während wir in unserer Alltagsroutine beschäftigt sind, betrachten wir achtsam die wahre Natur der Existenz, indem wir Vergleiche ziehen. Dies ist immer noch eine recht grobe Form der Betrachtung, aber sie führt in die richtige Richtung.


    FRAGE:Wenn Sie darüber sprechen, Körper und Geist zu kontemplieren, heißt das dann, unser Denkvermögen zu benutzen? Kann Denken überhaupt wirkliche Einsicht produzieren? Ist das vipassana?


    ANTWORT: Am Anfang müssen wir damit arbeiten, unser Denken zu benutzen, obwohl wir später darüber hinausgehen. Wenn wir echte Kontemplation ausüben, dann ist jegliches dualistisches Denken zu Ende; andererseits müssen wir dualistisch betrachten, um überhaupt beginnen zu können. Schließlich gelangt aber alles Nachdenken und Kontemplieren an ein Ende.


    FRAGE:Sie sagen, es müsse genügend Geistesruhe (samadhi) vorhanden sein, um kontemplieren zu können? Wie ruhig genau meinen Sie?


    ANTWORT: Ruhig genug, damit Geistesgegenwart bestehen kann.


    FRAGE:Meinen Sie damit, beim Hier und Jetzt zu sein und nicht über die Vergangenheit und Zukunft nachzudenken?


    ANTWORT: Über die Vergangenheit und Zukunft nachzudenken ist nicht falsch, wenn Ihr versteht, worum es sich dabei handelt; aber Ihr dürft Euch davon nicht einnehmen lassen. Behandelt sie genauso, wie Ihr es mit anderen Dingen tun würdet; lasst Euch nicht darin verwickeln. Wenn Ihr Denken schlicht als Denken sehen könnt, ist das Weisheit. Glaubt nichts von alledem! Erkennt, dass es sich bei allem um etwas handelt, was entstanden ist und vergehen wird. Seht einfach alles so an, wie es ist: Es ist, was es ist; der Geist ist der Geist - er ist nicht irgend etwas oder jemand in sich selbst. Glücklichsein ist einfach Glücklichsein, Leiden ist einfach Leiden - es ist einfach, was es ist. Wenn Ihr das seht, werdet Ihr jenseits aller Zweifel sein.


    FRAGE:Ich verstehe immer noch nicht. Ist echte Kontemplation das Gleiche wie Denken?


    ANTWORT: Wir benutzen Denken als ein Werkzeug, aber das Wissen, dass aufgrund seines Gebrauchs entsteht, geht über den Prozess des Denkens hinaus, es ist jenseits davon; es führt dahin, dass wir von unserem Denken nicht mehr getäuscht werden können. Man erkennt, dass es sich bei allen Denkvorgängen schlicht um die Bewegung des Geistes handelt, und ebenfalls, dass das Wissen nicht geboren wird und nicht stirbt. Was denkt Ihr, woher diese ganze Bewegung kommt, die wir als 'Geist' bezeichnen? Was wir im normalen Sprachgebrauch als den Geist bezeichnen, all diese Aktivität ist einfach nur der konventionelle Geist. Es handelt sich überhaupt nicht um den wahren Geist. Was wahr ist, ist einfach nur - weder entstehend noch vergehend.


    Wenn man versucht, diese Dinge durch einfaches Darüber-Sprechen zu verstehen, dann wird das nicht funktionieren. Wir müssen wirklich Vergänglichkeit. Unzulänglichkeit und Unpersönlichkeit (anicca, dukkha, anatta) betrachten; d. h., wir müssen das Denken benutzen, um die konventionelle Realität zu kontemplieren. Das Resultat dieser Bemühung ist Weisheit; und wenn es sich um echte Weisheit handelt, dann ist alles getan, es ist zu Ende wir erkennen die Leere. Obwohl vielleicht noch Denken vorhanden sein mag, es ist leer. Man ist davon nicht betroffen.


    FRAGE: Wie können wir dieses Stadium des wahren Geistes erreichen?


    ANTWORT: Man arbeitet natürlich mit dem Geist, den man bereits besitzt! Seht, dass alles, was entsteht, unsicher ist; dass es nichts gibt, was Substanz oder Stabilität hat. Seht das mit Klarheit und seht auch, dass es in Wirklichkeit nirgendwo etwas gibt, an das man sich festhalten könnte; es ist alles leer.


    Wenn Ihr die Dinge, die im Geist entstehen, als das anseht, was sie sind, dann braucht Ihr mit dem Denken nicht mehr zu arbeiten. Ihr werdet in dieser Angelegenheit überhaupt keinen Zweifel mehr haben.


    Über den 'wahren Geist' etc. zu sprechen, mag für uns von relativem Nutzen sein, um unserem Verständnis zu helfen. Wir erfinden dem Studium zuliebe Begriffe, aber in Wirklichkeit ist die Natur einfach, wie sie ist; z. B. wie hier unten auf dem Steinfußboden zu sitzen. Der Boden ist die Grundlage, sie bewegt sich nicht und geht nirgendwo hin. Oben über uns befindet sich das, was darauf entstanden ist. Die obere Etage ist vergleichbar mit dem, was wir in unserem Geist wahrnehmen: Form, Gefühl, Erinnerung, Denken. In Wirklichkeit existieren diese Dinge nicht auf die Art, wie wir es von ihnen annehmen; es handelt sich dabei einfach um den konventionellen Geist. Sobald sie entstehen, vergehen sie auch schon wieder; sie haben keine eigene Existenz.


    Es gibt in den Schriften eine Geschichte über den Ehrwürdigen Sariputta, der einen Bhikkhu prüfte, ehe er ihm gestattete, auf Wanderschaft zu gehen. Er fragte ihn, was er antworten würde, sollte man ihm folgende Frage stellen: "Was passiert mit dem Buddha nach dem Tod?" Der Bhikkhu antwortete: "Wenn Form, Gefühl, Wahrnehmung, Denken und Bewusstsein entstehen, dann vergehen sie." Der Ehrwürdige Sariputta entließ ihn aufgrund dieser Antwort.


    Natürlich handelt es sich im Rahmen der Praxis nicht nur um das Reden über Entstehen und Vergehen. Ihr müsst es für Euch selbst sehen. Wenn Ihr sitzt, schaut einfach, was in Wirklichkeit passiert. Lasst Euch auf nichts ein. Kontemplation bedeutet nicht, dass man sich im Denken verliert. Das kontemplative Denken von jemandem, der sich auf dem spirituellen Weg befindet, ist nicht mit weltlichem Denken vergleichbar. Je mehr man nachdenkt, um so verwirrter wird man, es sei denn, man versteht richtig, was mit Kontemplation gemeint ist.


    Der Grund dafür, warum wir die Entwicklung von Achtsamkeit so betonen, ist der, dass wir klar sehen müssen, was abläuft. Wir müssen die Prozesse in unseren Herzen verstehen. Wenn solche Achtsamkeit und solches Verständnis präsent sind, dann hat man das Nötige getan. Was glaubt ihr, warum jemand, der den Weg kennt, niemals aus Impulsen des Ärgers oder der Täuschung handelt? Die Ursachen, damit solche Dinge entstehen können, sind einfach nicht vorhanden. Wo könnten sie auch herkommen? Die Achtsamkeit hat sich um alles gekümmert.


    FRAGE: Bezeichnet man diesen Geist, über den Sie sprechen, als den 'Ursprünglichen Geist'?


    ANTWORT: Was meinst Du damit?


    FRAGE: Es scheint so, als ob Sie sagen würden, dass es etwas außerhalb des herkömmlichen Körper-Geist-Systems (fünf khandhas) gäbe? Gibt es da noch etwas? Und wie bezeichnet man es?


    ANTWORT: Es gibt nichts, und wir benennen es auch nicht - das ist schon alles! Macht mit all dem Schluss. Sogar die Erkenntnis gehört niemandem, macht also auch damit Schluss! Das Bewusstsein ist kein Individuum, kein Wesen, kein Selbst oder davon unterschieden - macht also Schluss damit, macht Schluss mit allem! Es gibt nichts, was zu begehren sich lohnen würde! Es beschert uns nur eine Menge Sorgen. Wenn Ihr es auf diese Weise klar seht, dann ist alles beendet.


    FRAGE: Könnten wir es nicht als den 'Ursprünglichen Geist' bezeichnen?


    ANTWORT: Wenn Du darauf bestehst, kannst Du es so nennen. Du kannst es bezeichnen, wie Du willst, der konventionellen Realität zuliebe. Aber Ihr müsst diesen Punkt richtig verstehen, dies ist sehr wichtig. Wenn wir nicht von der konventionellen Realität Gebrauch machen würden, dann hätten wir keine Worte oder Begriffe, mit denen wir die wirkliche Realität - Dhamma - betrachten könnten.


    FRAGE: Über was für einen Grad an Geistesruhe sprechen Sie in diesem Stadium? Und wie ist die Qualität der Achtsamkeit beschauen, die man benötigt?


    ANTWORT: Ihr braucht so nicht zu denken. Wenn Ihr die rechte Geistesruhe nicht hättet, dann wäret Ihr gar nicht in der Lage, Euch mit diesen Fragen zu beschäftigen. Ihr braucht genügend Konzentration und Stabilität, um zu wissen, was vor sich geht, genügend, damit Klarheit und Verständnis entstehen können.


    Solche Fragen zu stellen, zeigt, dass Ihr immer noch zweifelt. Ihr benötigt ausreichend Geistesruhe, um Euch nicht länger von den Zweifeln einnehmen zu lassen, die sich um Euer eigenes Tun drehen. Wenn Ihr die Praxis ausgeführt hättet, dann würdet Ihr diese Dinge verstehen. Je mehr ihr mit dieser Art des Fragenstellens fortfahrt, desto konfuser gestaltet Ihr es. Es ist gut zu sprechen, wenn das Sprechen der Kontemplation dient, aber es wird Euch nicht den Weg zu den Dingen zeigen, wie sie sind. Den Dhamma versteht man nicht aufgrund dessen dass Euch jemand anders etwas darüber erzählt; Ihr müsst ihn selbst sehen - paccattam.


    Wenn Ihr diejenige Qualität des Verständnisses besitzt, über die wir gesprochen haben, dann sagen wir, dass Eure Pflicht, irgend etwas zu tun, vorbei ist; Das bedeutet, dass Ihr überhaupt nichts tut. Wenn es immer noch etwas zu tun gibt, dann ist es Eure Pflicht, es zu tun.


    Legt auch weiterhin einfach alles ab, in dem Wissen, dass es das ist, was Ihr tut. Ihr braucht Euch nicht ständig selbst zu überprüfen und Euch darüber zu sorgen, wie viel samadhi Ihr nun wohl habt; Es wird immer die richtige Menge vorhanden sein. Was auch immer in Eurer Praxis entstehen mag, lasst es gehen in der Gewissheit, dass alles unsicher und vergänglich ist. Erinnert Euch daran! Es ist alles unbeständig. Macht allem ein Ende! Dies ist der Weg, der Euch zum Ursprung bringt - zu Eurem 'Ursprünglichen Geist'.


    Quelle: http://www.ajahnchah.org/deutsch/was_ist_kontemplation.php