Daumen = gültiges Meditationsobjekt für Sammlung

  • Hallo,


    nachdem ich jetzt einige Wochen mit der Atem-Achtsamkeit experimentiert habe, komme ich zu dem Schluss, dass diese Methode scheinbar momentan ungeeignet für mich ist. Statt gesteigerter Konzentration und Fortschritt erfahre ich das Gegenteil: es fällt mir zunehmend schwer, mich auf die Atmung zu konzentrieren. Die Atmung wirkt fast wie ein Betäubungsmittel - oft reicht ein Aus- oder Einatmen um mich fast gänzlich in einen Bereich der völligen Unachtsamkeit und Schläfrigkeit abzuschießen. Zudem scheint die über die letzten Monate und Jahre entwickelt Achtsamkeit durch die Vipassanameditation erstmal wieder flöten gegangen zu sein.


    Jetzt habe ich jedoch festgestellt, dass mir die Konzentration auf den Punkt zwischen beiden Daumen recht leicht fällt und ich hier auch über längere Zeit achtsam sein kann. Vor einiger Zeit habe ich über diese Methode auch einmal gelesen, weiß aber nicht mehr wo. Meine Frage nun: Ist dieser Punkt zwischen den Daumen, ja ist im Prinzip jede unbewegte Körperstelle ein gültiges Meditationsobjekt um auch die Vertiefungszustände (Jhanas) zu erreichen, oder sind sie dafür ungeeignet?
    In diesem Kommentar zum Satipatthāna-Sutta steht folgendes:

    Zitat

    Aus den 14 Teilen dieses Meditationsgebietes der Körper-Betrachtung dienen drei dem Klarblick (vipassanā), nämlich: die Betrachtung der Körperhaltungen, die vierfache Wissensklarheit und die Betrachtung der Elemente; die neun Leichenfeld-Betrachtungen dienen der zu den Klarblicks-Wissen gehörenden Betrachtung über das Daseins-Elend (ādīnavānupassana; s.S. 188 und VisM XXI,4). Lediglich zwei - die Atmungs-Achtsamkeit und die Erwägung des Widerlichen - dienen (direkt) der Sammlung (samādhi), bzw. der Gemütsruhe (samatha).


    Mir würde es im Prinzip schon reichen, wenn ich durch die Konzentration auf einen Körperpunkt die notwendige Konzentration erreichen könnte, um achtsam beim Atem zu bleiben. Dass sich die Konzentration jedoch 1 : 1 übertragen lässt, bezweifel ich aufgrund meiner oben beschriebenen Erfahrungen.


    Vielleicht kann mir jemand von Euch mit dieser Entscheidung helfen. Für Eure Hilfe sehr dankbar:
    Andreas

  • tcee:

    Hallo,
    .... Jetzt habe ich jedoch festgestellt, dass mir die Konzentration auf den Punkt zwischen beiden Daumen recht leicht fällt und ich hier auch über längere Zeit achtsam sein kann. Vor einiger Zeit habe ich über diese Methode auch einmal gelesen, weiß aber nicht mehr wo. Meine Frage nun: Ist dieser Punkt zwischen den Daumen, ja ist im Prinzip jede unbewegte Körperstelle ein gültiges Meditationsobjekt um auch die Vertiefungszustände (Jhanas) zu erreichen, oder sind sie dafür ungeeignet?


    Hallo tcee,


    wenn der berührungspunkte zwischen den daumen dein objekt für die mediatation ist und es dir erstmal hilft, gut. Wenn du es nur machst weil es leicht fällt und die atemachsamkeit schwer, hast du dich verfangen. Meditation ist zu entwickeln wie das lernen und spielen eines instrumentes. Ein paar wochen sind da nichts. Schläfrigkeit ist ein hindernis, schau mal wo die ursache hierfür liegt.


    Im allgemeinen läßt sich sagen, dass für den zugang zu den vertiefungszustände der atem als objekt gewählt wird. Alternativ kann liebende güte ein objekt sein, die allerdings kaum über die 2/3. vertiefung hinausführt. In der gehmeditation kann auch ein zugang gefunden werden aber hier werden kaum tiefere zustände erreicht.


    beste grüße
    no name

  • Hallo tcee,


    wenn ich dich richtig verstehe, geht es dir vor allem um die Vertiefungen.
    Da du in dem anderen Thread Ayya Khema erwähnst:


    Sie sagt dazu in einem Vortrag über die erste Vertiefung: "...Alle Methoden sind Schlüssel, sie sind nicht die volle Meditation oder die volle Sammlung, sie sind Schlüssel. Man kann sich vorstellen, dass man einen Schlüssel braucht um ein Tor aufzuschließen. Muß aber den Schlüssel lange genug und fest genug in der Hand haben, um das Schlüsselloch zu treffen. So ist es, wenn wir jetzt mal den Atem als unser Beispiel nehmen.
    Wir müssen ihn lang genug und fest genug im Geist haben um überhaupt dieses Tor, was in uns besteht, zu finden. Und dann das Schlüsselloch zu treffen.
    Dieses Tor was in uns besteht ist symbolisch gemeint. Jeder hats. Es ist das Tor nach Innen. Es ist sozusagen verschüttet durch unsere Reaktionen und durch unsere Begierden.
    Die meisten Menschen auf der Welt, da ja die meisten nicht meditieren, wissen nichts von diesem Tor. Wie sollten sie auch. Sie suchen zwar, ich würde behaupten, ist aber nur eine Behauptung, dass die meisten Menschen auf der Suche sind, aber nicht wissen wohin zu schauen.
    Für einen Meditierenden ist es überhaupt gar keine Frage wohin zu schauen. Nach Innen.
    Was außen passiert ist längst vorbei. Ist alles schon passiert, ist alles schon gelaufen. Überhaupt kein Interesse bei der Meditation. Es ist die Welt. Die Außenwelt. Jetzt kommt die Innenwelt dran.
    Die Außenwelt haben wir bereits besprochen, in der ersten Ebene des Glücks. Die existiert, die soll existieren. Die Außenwelt kommt auch in Betracht, bei der zweiten Ebene des Glücks, denn wir brauchen die Menschen als unser Übungsmaterial um Liebe und Mitgefühl überhaupt zu empfinden.
    Aber bei der dritten Ebene des Glücks (Vertiefung/Meditation) ist die Aussenwelt überhaupt von keiner Bedeutung mehr. Sie muß fallengelassen sein. Wir gehen nach Innen.
    Haben wir also den Atem oder jede andere Methode. Und Methoden sind Methoden. Und wenn uns die Methoden die wir hier geübt haben, nicht gefallen... , jede Methode kann verwendet werden. Man muß sie sich aber nicht selbst basteln, denn die die traditionell benutzt worden sind, sind darum benutzt worden, weil sie den meisten Menschen geholfen haben. ... Aber es gibt allein vom Buddha gelehrt, 40 verschiedene Methoden. ... Aber im Prinzip sollte man die (Methode) verwenden, bei der man sich am einfachsten konzentrieren kann. Die einem am besten hilft sich zu konzentrieren. Und wenn einem zum Beispiel die Stück für Stück (Methode) am besten hilft sich zu konzentrieren, dann soll man dabei bleiben. Es kommt nicht auf die Methode an, es kommt einzig und allein darauf an zur vollen Sammlung zu kommen. Und die Vorteile auch der momentanen Sammlung, der angrenzenden Sammlung zu kennen. ..."


    Es geht für mich aus diesem Vortrag hervor, von dem ich hier nur einen kleinen Ausschnitt zitiert habe, dass man nicht zwangsläufig den Atem benutzen muß, obwohl es wohl für viele passt ihn zu benutzen, und dass jede Methode nur Mittel zum Zweck ist und ab einem bestimmten Punkt fallengelassen werden muß. Es geht darum nach Innen zu fallen.
    Aber nur meine Meinung und Interpretation. Möge sich jeder selbst ein Bild machen, den es interessiert.


    Diesen Vortrag hatte ich mir vor einiger Zeit im MP3 - Berreich des "Buddha-Haus" angehört. Falls ich etwas falsch zitiert oder aus dem Zusammenhang gerissen habe, entschuldige ich mich dafür.
    Ich kann diesen Vortrag aber aktuell nicht mehr dort finden. Allerdings gibt es auf jeden Fall einen Vortrag über die Vertiefungen. Kann zur Zeit nur leider nicht hineinhören, weil mein Internet gerade etwas langsam ist. Aber hier der Link mit vielen Vorträgen unter anderem auch zu den Vertiefungen, falls du ihn noch nicht kennst:


    http://www.buddha-haus-shop.de/shop_content.php?coID=101


    Es gibt auch ein Buch von Ayya Khema zum Thema Vertiefungen.


    Ansonsten sehe ich das ähnlich wie "no name". Allerdings finde auch ich, dass es das Beste ist, überhaupt ersteinmal Vertiefungen kennenzulernen. Inwieweit diese dann weiter vertieft und stabilisiert werden können und welche Mittel man dafür am besten anwendet, entwickelt sich auf natürliche Weise aus der Praxis heraus, finde ich.


    Deswegen würde ich einfach das benutzen, wo ich das Gefühl habe es hilft mir jetzt.


    Lehrer sind natürlich auch nicht schlecht, falls man die Möglichkeit hat diese zu treffen.


    Liebe Grüße

  • Erstmal vielen Dank Euch beiden. Eure Antworten helfen mir, glaube ich.


    Lux: Vielleicht hast Du recht und es ist schlicht meine Ungeduld, die mich da nach etwas anderem suchen lässt. Ich werde das im Kopf behalten.


    Raphy: Das ist ein sehr schönes Zitat von ihr, das ich noch gar nicht kenne. Ihr Buch über Vertiefungen habe ich bereits gelesen. Das ist allerdings schon eine Weile her und es war das erste, was ich überhaupt über die Vertiefungen gelesen habe. Ich werde es wohl nochmal auspacken und studieren.


    Danke auch für den Link. Bin zufälligerweise gerade dabei, mir die buddha-haus-Vorträge von Ayya Khema anzuhören.


    Ich werde berichten, wie es weiter geht...


    Viele Grüße
    Andreas


  • ich brauch auch eher was "bemerkbares"als konstantes objekt
    um zurückzukehren.
    die bauchdecke ( hara ) oder die daumen hierbei
    das ist einfach ne konstitutionssache.
    wenn man ohne objekt dann auskommt,
    muß man ja auch zwischen beobachtung und konzentration wechseln,
    je nachdem, ob der geist zerstreut ist oder müde.
    man sollte also ein objekt wählen-oder mehrere
    so wie es die sammlungsfähigkeit fördert.

  • Ayya Khema stellt im Buch „die Kunst des Loslassens“, die Beschreibungen der Vertiefungszustände den Erkenntnisse aus den einzelnen Vertiefungen gegenüber. Als Hörbuch machte es mir immer viel Freude. In dem Buch, geht sie allerdings kaum auf den Zugang zu den Vertiefungen ein.


    Da du dich für die Vertiefungen interessierst empfehle ich dir noch: Henepola Gunaratana: Von der Achtsamkeit zur Sammlung. Weiterhin kann ich zum Teil Ajahn Brahm empfehlen, von ihm gibt es einerseits viele onlinedokumente und es gibt ein Buch von ihm, in dem er sehr gut den Zugang/die Übung zu den Vertiefungen beschreibt. Die Beschreibungen sind im buddh. Kontext zu durchdringen, um das ganze einsortieren zu können.


    Tja ansonsten, wie gesagt: es gilt eine gewisse Kunstfertigkeit zu entwickeln im Umgang mit dem eigenen Innenleben. Es gibt immer Möglichkeiten mit Hindernissen geschickt umzugehen, um diese dann zu verwandeln. Hierfür ist eine Struktur sehr hilfreich und eine gewisse Variabilität an Möglichkeiten, meine hiermit: liebende Güte, Körperbetrachtung, Körperachtsamkeit (mudra-achtsamkeit ;)), Stück für Stück, Aufbau von Energie, energetische Zustände beruhigen usw., etc.. Manches lässt sich dann u.a. auch kombinieren (gewichten), beispielsweise die Berührungspunkte der Daumen im Sitzen und im Atemvorgang zu erleben.


    Und ja: in der Übung geht es bekanntlich vom Groben zum Feinen. Um feine, subtilste Bewegungen zu detektieren, ist ein Objekt notwendig das sich der groben Wahrnehmung entzieht. Das ganze hilft dann später zu fokussieren und gleichzeitig schärft, festigt es die Konzentration. Eine starke Konzentrationsfähigkeit ist neben regelmäßiger Übung, die halbe Miete.


    Habe scheinbar eine Gehirnwindung um Anweisungen zu analysieren um von der „technischen“ Seite ranzugehen. Vielleicht braucht es auch nur: im Herzen sein, loslassen und einfach machen.


    Auch ein Lehrer/rin und ein Retreat sind hilfreich um das ganze mal auf die Schiene zu bringen, damit es rollt.


    Beste Grüße


    no name


  • Danke für die Tipps.

  • Die Konzentration auf "einen bestimmten Körperpunkt" ist schon eine sati-Übung, nichts was dadurch veredelt werden müßte, daß es zu achtsamen Atmen führt. Das passiert dabei eh, ist aber kein Ziel.
    Wozu man wohl aber vielleicht n bissel Kraft aufbringen muß, ist das Ausdehnen der Aufmerksamkeit über diesen einzelnen Punkt hinaus - also auf den ganzen Körper und darüber hinaus. Aber auch das passiert bisweilen ganz natürlich und dann weiß man auch, worauf man achten sollte.
    "Konzentration auf den Punkt zwischen beiden Daumen" find ich gut, wenn die Daumen in "Sawaki"-Position sind, also wagerecht (Bild im Beitrag von Onyx) - dann merkst du sofort, ob du einlullst (Daumen gehen nach unten) oder zu aufgeregt bist (Daumen gehen nach oben)

  • nur weil probleme auftauchen, würde ich das meditationsobjekt aber nicht wechseln. du nimmst dir da die möglichkeit was grundlegendes zu lernen, und zwar wie du deinen geist beherrscht, wenn er sich sträubt. anstatt zu kämpfen, fliehst du :roll:

  • no name:

    Im allgemeinen läßt sich sagen, dass für den zugang zu den vertiefungszustände der atem als objekt gewählt wird. Alternativ kann liebende güte ein objekt sein, die allerdings kaum über die 2/3. vertiefung hinausführt. In der gehmeditation kann auch ein zugang gefunden werden aber hier werden kaum tiefere zustände erreicht.


    Metta bleibt nicht, das stimmt. Aber mit Metta als Ausgangsobjekt können alle Jhanas durchlaufen werden. Es wandelt sich im Verlauf zu Karuna, Mudita & Upekkha. Wenn man es zuläßt ;)


    :) Gruß

  • Mirco:
    no name:

    Im allgemeinen läßt sich sagen, dass für den zugang zu den vertiefungszustände der atem als objekt gewählt wird. Alternativ kann liebende güte ein objekt sein, die allerdings kaum über die 2/3. vertiefung hinausführt. In der gehmeditation kann auch ein zugang gefunden werden aber hier werden kaum tiefere zustände erreicht.


    Metta bleibt nicht, das stimmt. Aber mit Metta als Ausgangsobjekt können alle Jhanas durchlaufen werden. Es wandelt sich im Verlauf zu Karuna, Mudita & Upekkha. Wenn man es zuläßt ;)


    :) Gruß


    ... ja, seh ich auch so oder so ähnlich ;)