Kurzfassung des Shinbuddhismus?

  • Als Kurz- oder vielleicht sogar Kürzestfassung shinbuddhistischer Lehren geht mir seit einiger Zeit eine Abwandlung des bekannten Augustinusworts "Liebe und tu, was du willst!" im Kopf herum. In shinadäquater Form müsste dieses Wort dann wohl lauten: "Vertraue und tu, was du willst!"


    Allzu provokant?


    lg caber

  • caber:

    Als Kurz- oder vielleicht sogar Kürzestfassung shinbuddhistischer Lehren geht mir seit einiger Zeit eine Abwandlung des bekannten Augustinusworts "Liebe und tu, was du willst!" im Kopf herum. In shinadäquater Form müsste dieses Wort dann wohl lauten: "Vertraue und tu, was du willst!"


    Allzu provokant?


    lg caber


    Nee - aber falsch zitiert.
    Richtig heißt es „Dilige, et quod vis fac“ AZS 130
    „Liebe, und was du willst, das tu!“ übersetzt C.Mayer das.
    Und wenn man Augustinus kennt, dann weiß man auch, was er mit Liebe meint - nämlich Gott. Es geht da also nicht um deinen Willen und deine Liebe, sondern um die Liebe und den Willen Gottes. Das Tun richtet sich also nach diesem Willen, dieser Liebe aus. Und wie das zu verstehen ist, findet sich dann bei Paulus - seinem Hymnus an der Liebe.
    Eine Parallele zum Shin-Buddhismus sehe ich da nicht.

    • Offizieller Beitrag

    Ich verstehe das Zitat von Augustnus in der Weise, dass wir deswegen tun könne, was wir wollen, weil unser tiefster Wunsch, der Wunsch nach Gott ist. Und unser tiefstes Wollen deswegen mit dem Willen Gottes übereinstimmt.


    Aber wie - stellt sich dann die Frage - dringen wir von der eben persönlichen Wollens und unzureichner Liebe zu der, radikalen, unbedingten und grenzenlosen Liebe , die mit Gott assoziiert wird, vor?


    Diese Fragestellung - das Verhältnis zwischen verblendeten Menschen und dem befreitem Handeln - drückt sich im Shin-Buddhismus im "Namu Amida Buddha" aus. Das ist noch viel auf die Reduktion runtergekochter als der Satz von Augustinus.


    Wobei ja die Stossrichtung eine andere ist "Lieb und tue was du tun willst" ist etwas, was von Gott auf den Menschen hin gesprochen ist. Während "Namu Amida Buddha" vom Menschen auf Amida hingesprochen ist.


    Es entspricht also eher einem "Dein Reich komme, dein Wille geschehe!"(Mensch -->Gott) des Vaterunsers. Aber ist nicht der Satz von Augustinus genau das Gott --> Mensch Spiegelbild dazu. Die Aufforderung seinen Willen mit dem von Gott in Einklang zu bringen. Und das "Dilige" ist ja kein "Ama" sondern beinhaltet ja auch ein hochschätzten, respektieren. Also genau das, was es braucht um das "Reich Gottes" anzunehmen.

  • Aiko:

    Nee - aber falsch zitiert.
    Richtig heißt es „Dilige, et quod vis fac“ AZS 130
    „Liebe, und was du willst, das tu!“ übersetzt C.Mayer das.


    Ich sehe bedeutungsmäßig keinen Unterschied zwischen der Übersetzung von Cornelius Mayer und der Formulierung "Liebe und tu, was du willst", mit der der Originaltext üblicherweise übersetzt wird. (Wir stimmen aber vermutlich darin überein, dass es im Original "dilige" heißt und nicht "ama", wie Augustinus leider oft unterstellt wird.)


    Aiko:

    Und wenn man Augustinus kennt, dann weiß man auch, was er mit Liebe meint - nämlich Gott. Es geht da also nicht um deinen Willen und deine Liebe, sondern um die Liebe und den Willen Gottes. Das Tun richtet sich also nach diesem Willen, dieser Liebe aus. Und wie das zu verstehen ist, findet sich dann bei Paulus - seinem Hymnus an der Liebe.
    Eine Parallele zum Shin-Buddhismus sehe ich da nicht.


    Es geht mir auch nicht um eine inhaltliche Parallele, sondern um eine formale: Ich finde, der formal sehr ähnliche Satz "Vertraue und tu, was du willst!" verdichtet sehr schön shinbuddhistisches Gedankengut - nicht mehr, nicht weniger! - Man kann sich natürlich auch hier überlegen, woher dieses Vertrauen rührt und was es letzten Endes im Vertrauenden auslöst (mit seinem Willen anstellt).


    lg caber

    • Offizieller Beitrag
    caber:

    Es geht mir auch nicht um eine inhaltliche Parallele, sondern um eine formale: Ich finde, der formal sehr ähnliche Satz "Vertraue und tu, was du willst!" verdichtet sehr schön shinbuddhistisches Gedankengut - nicht mehr, nicht weniger! -


    Aber was bedeutet denn "Tue was du willst" in dem Kontext? Ich habe den Shin-Buddhismus so verstanden, dass er die Anatta-Lehre sehr radikal auffasst. So radikal, dass da nur mehr das "Vertraue auf Amida Buddha" da ist, und alles jenseits davon geradezu zur Hölle fährt.


    Wo ist denn jenseit des Vertaruens ein "Du", ein "Tue" oder ein "Wille"?


    Wie soll mann Wille auffassen? Als das Interessen, Willensregungen und Sehnsüchte umfassende Skandha samskāra?
    Jenseits dessen bleibt doch nur der "Wille" Amidas, also sein Gelübte zum Wohl aller Menschen über.


    In anderen buddhitischen Richtugnen wird dieser Boddhisatva-Wille als Buddhnatur durchaus mit den Wesen asossziert. Aber der Shin-Buddhismus ist in der Hinsicht so radikal , dass er die Befreiung allein von Amida ausgehen lässt. Von meinem eignen Wille geht nichts konstruktives aus. Er ist grundsätzlich verblendet und fehlgeleitet.


    Manche gehen ja so weit zu sagen, dass nicht einmal dass Vertrauen etwas ist, was von mir ausgeht.


    Oh, du lieber Augustin, Augustin, Augustin,
    oh, du lieber Augustin, alles ist hin.
    Geld ist weg, Mäd´l ist weg,
    alles weg, alles weg,
    oh, du lieber Augustin, alles ist hin.

  • caber:


    Es geht mir auch nicht um eine inhaltliche Parallele, sondern um eine formale: Ich finde, der formal sehr ähnliche Satz "Vertraue und tu, was du willst!" verdichtet sehr schön shinbuddhistisches Gedankengut - nicht mehr, nicht weniger! - Man kann sich natürlich auch hier überlegen, woher dieses Vertrauen rührt und was es letzten Endes im Vertrauenden auslöst (mit seinem Willen anstellt).


    lg caber


    Und was hast du von einer formalen Parallele? Du wirst doch dann fragen, worin der Unterschied von dilige und fidere ist. Und bei fidere - vertraue - kommst du zum Glauben fides. Und da kann man eine Ähnlichkeit mit dem Christentum und dem Shin-Buddhismus nur insoweit sehen, als beide vom Glauben reden - nur woran geglaubt wird, da liegt der Unterschied.
    Amida Buddha ist nicht der Gott der Christen. Gott versteht ein Christ als Person und zwar als dreifaltige - Vater, Sohn, Hl. Geist - Amitabha kann man auch nicht mit Christus vergleichen, obgleich da einige Elemente sich wieder finden und vermutlich diese Ansicht auch von Nestorianern in China beeinflusst wurde.

  • `Bloßes`Vertrauen. Anvertrauen ans Formlose &
    natürliche Handlungsweise.


    Den Satz von dir find ich gut, caber.


    Mehr oder weniger auch Anvertrauen ans Transzendente.
    Vom bemühtem Vertrauen "hin" zum allen fühlenden Wesen inhärenten Vertrauen.


    Zitat

    "Shinjin ist Nicht-Zwei,
    Nicht-Zwei ist Shinjin."

    • Offizieller Beitrag
    Aiko:

    [Amida Buddha ist nicht der Gott der Christen. Gott versteht ein Christ als Person und zwar als dreifaltige - Vater, Sohn, Hl. Geist -


    Pprinzipiell gebe ich dir mal recht. Der Gott der Bibel ist ein sehr personaler Gott. Aber auf der anderen Seite fällt doch Augustinus genau in eine Zeit, in der man versucht, das Chrsistentum von dem jüdische, sehr konkreten, personalen Verständnis wegzubewegen.


    Und es dem griechischen, philosophischen Denken annhäherte. Origines und Clemens von Alexandria bauten brücken zu Stoa und Platonismus in denen Gott doch eigentlich keine Person sondern "Logos" und Seinsgrund ist. Der nur noch mit Mühe die Identität mit dem polternden Patriarchen-Gott des alten Testaments aufrecht erhält. Bedeutet "Person" im Bezug auf Gott nicht lediglich, dass man mit ihm in eine personelle Beziehung treten kann.


    Und war nicht Augustinus selbst 5 Jahre lang ein Annhänger Manis, der ins einer Lehre persisches, griechisches und Mahayana-buddhitisches Gedankengut miteinander verband? Würden da wirklich Welten dazwischen liegen, wären solche synkretischen Formen kaum möglich.

  • Namaste!


    Hallo Caber,

    caber:

    Als Kurz- oder vielleicht sogar Kürzestfassung shinbuddhistischer Lehren geht mir seit einiger Zeit eine Abwandlung des bekannten Augustinusworts "Liebe und tu, was du willst!" im Kopf herum. In shinadäquater Form müsste dieses Wort dann wohl lauten: "Vertraue und tu, was du willst!"


    Allzu provokant?


    Ja.


    Zunächst einmal bezogen auf den Dialog von Aiko und void:
    Über die Gleichsetzung von Gott/JHWH/Christus mit Buddha [Amida] hatten wir ja schon zur Genüge mit Yogi Nils diskutiert.
    Mittlerweile sehe ich das recht locker, denn die "Gleichmacher" wird man nicht von ihrer Gleichsetzung abbringen, ebenso wenig, wie man die "Differenzierer" davon abbringen kann, die Gemeinsamkeiten wegdiskutieren zu wollen.
    Letztendlich bleibt hier immer die persönliche Entscheidung; und das merkt man dann irgendwann auch!
    Wenn man mal Not leidet, oder wenn es Zeit für ein Stoßgebet ist, dann zeigt die spontane Eingebung, ob man da wirklich den Buddha Amida anruft ["Namu-Amida-Butsu"] oder doch noch am "angetauften" Abrahamsgott hängt ["Oh Gott, bitte-bitte!"].



    Das "Tu, was du willst!" stört mich dann doch sehr.
    Denn, diese Auffassung war wohl genau jene, die zu den Ikkô-ikki, den Ikkô Shû-Aufständen, führte, und dann später dazu, dass Rennyo Shonin seine Elf Verhaltensregeln für Anhänger der Jôdo Shinshû definierte und herausgab.


    Der (heutige) Shinbuddhismus weist zwar die Pratikmoksha-Gelübde oder auch die Jukai als verdienstvoll oder gar "Weg ins Reine Land" zurück, aber nichts desto trotz wird die Einhaltung der Panca-Sîla empfohlen und die Elf Verhaltensregeln stehen meines Wissen nach wie vor.


    Das "Tu, was du willst!" kann also allerhöchstens ein "unabhängiger Shinbuddhist" für sich geltend machen wollen, nicht aber ein Anhänger der beiden Honganjis oder auch anderer Zweige der Jôdo Shinshû, welche sich auf Rennyo Shonin beziehen.


    Und dann gibt es ja immer noch Shinran Shonin's Zitat aus dem Tannishô:
    "Ich weiss nichts von Gut und Böse. Wenn ich mit Sicherheit aus dem Geist des Buddha wüsste, "diese Tat ist gut", dann wüsste ich, was gut ist. Wenn ich wüsste, wie der Buddha weiss, dass eine Tat böse ist, dann würde ich das Böse kennen. Aber für ein dummes Wesen voll von blinden Leidenschaften in dieser sich stetig wandelnden Welt -diesem brennendem Haus- sind alle Thesen ohne Ausnahme Lügen und Geschwafel, absolut ohne Wahrheit und Sicherheit. Das Nenbutsu allein ist wahr und real."


    Das "Wollen" ist eben bereits das Problem an sich!


    In Erinnerung an ein Zitat von Patrul Rinpoche, nämlich
    "Folge dem Beispiel einer alten Kuh: Sie ist zufrieden damit, in der Scheune zu schlafen. Du musst (fr)essen, schlafen und scheißen - das ist unvermeidlich. Darüber hinaus hat dich nichts zu kümmern!
    Tu, was du tun musst - und bleib für dich!
    "

    würde ich dann den Shinbuddhismus auch wie folgt zusammenfassen:


    "Vertraue auf Amida-Buddha und tu, was ansteht und wahrhaftig getan werden muss."


    < gasshô >


    Benkei


    Namu-Amida-Butsu

    "Allmorgendlich beginne ich meinen Tag damit, den Spiegel zu polieren;
    Täglich türme ich neue Staubschichten auf;
    Allabendlich beende ich meinen Tag damit, weiter zu polieren;
    Und scheinbar wirbelt auch ein Schlafender noch Staub auf."
    HôShin

  • Was kann man denn "böses" tun und gegen welche "Tugendregel" absichtlich verstoßen bei Entfaltung der Brahmavihara? Das wäre die buddhistische Übersetzung von Augustinus "Liebe" - für mich. Natürlich haben wir mit `Shinjin` weniger "göttliche Liebe" ( Einheit) als vielmehr "Güte&Mitgefühl- und Gleichmut ( Leerheit ).
    Man verwechsel den Spruch nicht mit dem zum Beispiel von Crowley. Der pochte auf selbstbestimmte Fähigkeit der Wandlung, Transformation und ich schätze, da hat er sich mächtig vertan.


    Inspirierende Zitate. Sehr schön ausgewählt.


    Grüße
    Blue_

    • Offizieller Beitrag
    blue_aprico:

    Man verwechsel den Spruch nicht mit dem zum Beispiel von Crowley._


    Crowley war ja verschiedenes gleichzeitig. Natürlich gab es einen Exzess-Crowley, der den Spruch als Aufforderung zur persönlichen Libertinage und zum Austoben aller möglichen Leidenschaften ansah.


    Daneben gab es aber auch so etwas, wie einen sehr puritanischen, ernsthaften Crowley. Der der Ansicht war, jeder Mensch sei ein Stern, und das wenn ein jeder seinen "wahren Willen" täte, jeder Stern auf seiner richtigen Bahn sei, und sich deswegen alles harmonisch zusammenwirken würde. Der "Wille" bedeute hier eben nicht Willkür, sondern fast soetwas wie Pflicht. Ein wenig so, wie die Hindus, der Meinung sind, jeder hab sein perönliches "Dharma"(Ordnung, nicht zu verwechseln mit dem buddhitische Begriff) zu erfüllen: Wenn der König sein "König-Dharma" ausfüllt, der Diener sein "Diener-Dharma", wenn jeder an seinem Ort die ihm von Schicksal und Gott auferlegte Aufgabe (seinen wahren Willen) tut, dann ist alles in Ordnung. Im Bezug auf Thelma gibt es einen humorlosen und ordnungsliebenden Propheten-Crowley, der als extrem-evangelischer Prediger durch die Dörfer zog, Pamphlete verteilte, und die Leute dazu aufforderte, zu Gott umzukehren. Crwoley wuchs in einem Klima auf, dass durchdrungen von einem Prädestinations-Protestantismus auf, der sich auf Augustinus bezog. Vond daher bezog sich Crowley mit dem Spruch natürlich auf Augustinus selbst auch wenn er ihn dann später erst wieder durch Rabelais wiederentdeckte.


    Natürlich war Crowley nicht nur sein eigener Prophet sondern gleich auch noch sein eigener Ketzer. Ein Petrus, der den Stein auf den er seine Kirche bauen soll, des Nachts selber immer wieder vom Berg runterrollt, um einen auf exzessgetriebenen Borgia-Papst zu machen. Ein Produkt seiner sozialen Verhältnisse. Jemand der es nicht schafft von seinem familiären Hintergrund kapitalistischer, christlich-puritanischer Sektenheinis wegzukommen und lediglich das Vorzeichen verdreht. Und der dann andere in den Strudel seines Selbstwiderspruchs zieht.

  • Der Thread entwickelt sich in meinem Sinn - fort von einer Parallelisierung Christentum (speziell Protestantismus) und Shinbuddhismus. Das eigentlich Interessante (Provokante) liegt für mich vielmehr im "Tu, was du willst!"


    Persönlich werte ich das nämlich nicht als Freigabe des Bösen, sondern als eine grandiose Zusicherung: Was du - wissentlich oder unwissentlich - auch anstellen magst, du fällst nicht aus Amidas Zusage heraus, solange du auf sie vertraust!


    Vor diesem Hintergrund sind mir zwei Punkte wichtig, die auch schon von anderer Seite angeschnitten wurden:


    • Es ist aus meiner Sicht nicht wirklich klar, was gut bzw. böse ist; selbst wo ich es zu erkennen glaube, bleibt es doch immer nur meine subjektive Erkenntnis.
    • Persönlich vermute ich auch, dass mich das Vertrauen in Amidas Zusage in meinem Wollen und Tun beeinflusst - vielleicht hin zum objektiv Besseren - wenn es so etwas überhaupt gibt. Man müsste einfach (mehr) WISSEN...


    Da ich das aber nicht tue, bleibt mir m. E. nur das VERTRAUEN.


    lg caber

  • Namaste!


    caber:

    Der Thread entwickelt sich in meinem Sinn - fort von einer Parallelisierung Christentum (speziell Protestantismus) und Shinbuddhismus. Das eigentlich Interessante (Provokante) liegt für mich vielmehr im "Tu, was du willst!"


    Persönlich werte ich das nämlich nicht als Freigabe des Bösen, sondern als eine grandiose Zusicherung: Was du - wissentlich oder unwissentlich - auch anstellen magst, du fällst nicht aus Amidas Zusage heraus, solange du auf sie vertraust!


    Das halte ich persönlich auch für einen sehr wichtigen Punkt.
    Es heißt ja auch: "Sogar der Gute wird erlöst; um wie viel mehr der Böse!"


    Es ist aber auch ein Punkt, der die Gefahr der Amoralität in sich bergen kann - zumindest als Rechtfertigung der Unverständigen, wie es damals aus meiner Sicht auch bei den Ikkô Shû-Aufständen teilweise der Fall gewesen sein dürfte.


    caber:

    Vor diesem Hintergrund sind mir zwei Punkte wichtig, die auch schon von anderer Seite angeschnitten wurden:


    • Es ist aus meiner Sicht nicht wirklich klar, was gut bzw. böse ist; selbst wo ich es zu erkennen glaube, bleibt es doch immer nur meine subjektive Erkenntnis.
    • Persönlich vermute ich auch, dass mich das Vertrauen in Amidas Zusage in meinem Wollen und Tun beeinflusst - vielleicht hin zum objektiv Besseren - wenn es so etwas überhaupt gibt. Man müsste einfach (mehr) WISSEN...


    Da ich das aber nicht tue, bleibt mir m. E. nur das VERTRAUEN.


    Bezüglich "Gut-und-Böse" stellt Shinran Shonin ja letztlich fest, dass es nur das Nenbutsu gibt, welches zweifellos "den einen, wahren und realen Weg ohne Hindernis" darstellt.


    Die Frage von "Gut-und-Böse" lässt sich demgegenüber nicht derart absolut beantworten.
    Dort gelangt man häufig zu der Frage, welches Handeln nun gute und welches schlechte Resultate hervorrufen kann; kaum kann man immer ermessen, wohin etwas führen wird, und unsere Motivation ist auch nicht immer die reinste, zumal nicht dann, wenn wir uns etwas erhoffen, seien es nun Gegenleistungen oder zumindest "Verdienst".


    In Gedenken an Hônen Shonin's Spruch im "Isshi Koshôsoku", nämlich: "Wir sollten versuchen, das Ausüben des kleinsten Fehltritts zu vermeiden, obwohl wir wissen, dass Buddha Amida im Reinen Land selbst ein Wesen empfängt, das böse Taten wiederholt hat", welche sich aus meiner Sicht auf die Gokai [Pancasîla] und Jukai bezieht, und Rennyo Shonin's Elf Verhaltensregeln, offenbart sich dann aber, dass es Handlungen geben kann, die ihrer Art nach bereits negativ besetzt sind (Töten, Stehlen, Lügen, Ehebruch, usf.), und dass man sich im Zweifel dagegen entscheiden sollte, diese auszuüben.


    Wohl nimmt der Shinbuddhist oder auch -Priester keine Verhaltensregeln als Gelübde an; aber der Shinbuddhismus ist deshalb keineswegs "frei von Verhaltensregeln".


    Auch im Shinbuddhismus wird ja, ebenso wie im Zenbuddhismus, das "Shigu-seigan-mon" [Die Vier Großen Gelübde] rezitiert. Die schulische Sichtweise auf diese Gelübde mögen zwar verschieden sein, aber der Inhalt und die grundsätzliche Bedeutung sind nach meiner Empfindung nicht verschieden.




    Die positive Wirkung des absichtslosen und dankbaren Ausübens des Dharmas, sei es nun die Rezitation des Nenbutsu, das Sitzen oder Gehen in der Haltung Buddhas, oder einfach nur das Vertrauen ins Hongan, ist aus meiner Erfahrung heraus immer gegeben...


    ... gegeben


    einerseits, dass diese positiven Wirkungen zweifellos entstehen und vorliegen,


    und andererseits, dass sie kaum (ausschließlich) vom eigenen Tun herrühren, sondern auch in diesem Sinne "gegeben" werden.


    So oder ähnlich, wie ich es auch im "Sôtô Kyôkai Shushôgi" lese, wenn es dort heißt:
    "Da verrichten das Land, die Gräser und Bäume, Zäune und Mauern, Ziegel und Kiesel, alle Dinge im Dharma-Reich der zehn Richtungen das Werk der Buddhas. Daher werden die Wesen, die die so erzeugten Wohltaten von Wind und Wasser genießen, auf geheimnisvolle Weise durch die wundersame und unfassbare Wandlungskraft Buddhas unterstützt und manifestieren ein persönliches Erwachen. "


    oder bei Kôdô Sawaki Rôshi, wenn er erklärt:
    "Amida ist „unbegrenzt“. Wo auch immer was auch immer passiert, es findet in meinem Leben statt.
    Namu bedeutet, „zum Leben zurückkehren“, keine Aufmerksamkeit an das verschwendend, was ich denke oder glaube; angezogen von der Gravitation der absoluten Wirklichkeit – das ist mein Leben.
    Durch Körper, Sprache und Geist, immer hier und jetzt, tätig als Namu-Amida-Butsu. Das ist Butsu – ein entwickeltes, menschliches Wesen.
    "


    < gasshô >


    Benkei


    Namu-Amida-Butsu

    "Allmorgendlich beginne ich meinen Tag damit, den Spiegel zu polieren;
    Täglich türme ich neue Staubschichten auf;
    Allabendlich beende ich meinen Tag damit, weiter zu polieren;
    Und scheinbar wirbelt auch ein Schlafender noch Staub auf."
    HôShin

  • caber:

    Als Kurz- oder vielleicht sogar Kürzestfassung shinbuddhistischer Lehren geht mir seit einiger Zeit eine Abwandlung des bekannten Augustinusworts "Liebe und tu, was du willst!" im Kopf herum. In shinadäquater Form müsste dieses Wort dann wohl lauten: "Vertraue und tu, was du willst!" lg caber


    Ich bin ja eher ein Praktiker als ein Theoretiker. Ich spüre, was für mich der richtige Weg ist. Und da bin ich in der Anfangszeit als Eremit auf drei Punkte gekommen, die immer noch meine Richtschnur sind. Wie entsteht Erleuchtung? Was ist mein Weg der Erleuchtung?


    Der erste Punkt ist es ins erleuchtete Sein zu gelangen. Also in der Ruhe zu leben, alle Anhaftungen an äußere Dinge loszulassen. Letztlich einfach zu sein. Wenn ich ausreichend in der Ruhe lebe, im großen Nichtstun, dann kommt alles in mir zur Ruhe. Die Energie des Kosmos senkt sich auf mich herab, sammelt sich in mir und wächst in mir. Erleuchtung entsteht mühelos und von alleine. Hier könnte man den Begriff finden: "Vertraue und entspanne dich."


    Der zweite Punkt ist es eine Aufgabe zu habe. Man kann auch in der Ruhe versacken. Eine Aufgabe erfüllt den Menschen und macht ihn glücklich. Die schönste Aufgabe ist es als Bodhisattva zu leben und allen Wesen auf dem Weg des Glück zu helfen. Den ersten Punkt könnte man christlich gesehen als Liebe zu Gott und den zweiten Punkt als Liebe zum Nächsten begreifen. Wenn wir uns Buddha Amitabha als Vorbild nehmen, dann wäre der erste Punkt das Sitzen in der Ruhe (Meditation) und der zweite Punkt der Wunsch alle Wesen zur Erleuchtung zu führen.


    Der dritte Punkt ist der interessanteste. Ich habe festgestellt, dass die ersten beiden Punkte für sich alleine zu dogmatisch sind. Sie verspannen einen. Man ist zu wenig locker in sich und blockiert damit die Erleuchtung. Ich fand dann als dritten Punkt: "Lebe nach dem Lustprinzip." Also "Tue was du willst." Wozu hast du Lust? Was bringt dir im Moment Spaß? Was erfüllt dein Herz mit Freude? Lebe genau dich selbst. Wenn du genau dich selbst lebst, dann entspannst du dich tief in dir. Glück entsteht. Dein Leben wird leicht. Der spirituelle Weg entwickelt sich mühelos von allein.


    Dieser dritte Punkt besteht aber auf der Basis der ersten beiden Punkte. Für sich alleine wäre es ein Irrweg. Er würde in die Faulheit und Genusssucht führen. Man würde sich in weltlichen Genüssen verlieren. Man würde nur um sich selbst kreisen. So überwindet man das Ego nicht, sondern stärkt es. Aber wenn man den Amitabhaweg auf eine leichte Art mit etwas Lustprinzip geht, dann geschieht das Wunder der inneren Verwandlung.

  • Es ging doch aber hier um Shin-Buddhismus nicht um die Lehre des Yogi Nils.. Du hast ja selbst gesagt, das dein Weg dem Shinrans diametral entgegengesetzt ist. Da geb ich dir recht.


    Einer der wesentlichen Punkte im Shin ist, das Amida kein Wesen und sein reines Land kein Ort, sondern Nirwana ist.
    Der andere ist Jinen, der dem daoistischen Ziran, von selbst so, nicht willentlichen Leben entspricht.


    Die Suche nach Glück fällt da weg. Kein Leben nach dem Lustprinzip. Das ist der Irrweg schlechthin. Eine dankbare Akzeptanz des Lebens, so wie es ist, ist das Gegenmodell. Meditation spielt im Shin keine Rolle. Da ist nur das nembutsu.
    Es ist ein Anvertrauen an die andere Kraft (tariki) (die nichts mit Gott oder göttlichem oder transzendenten zu tun hat). Sie ähnelt eher dem Dao.


    Shinran hat immer wieder betont, das alles Eigenbemühen ihn nur in die Hölle gebracht hat.


    Im nembutsu ist die Einheit von namu, dem Ego, und Amida dem grenzenlosen erwachten Sein verwirklicht. Es geht also um Einheit, nicht um Überwindung.
    Es braucht auch keiner selbstgebastelter Übungen oder Orakel. All das ist en Zeichen von Nichtakzeptanz. Man will wo anders hin. Im Shin ist das IMHO nicht so. Ohne Namu gibt es keinen Amida Bu. Sie sind eine Einheit.


    Aber vielleicht braucht es erst den Irrweg der Eigenbemühung, des Erkennens, das das alles Bemühen zum Scheitern verurteil ist, führt, weil es auf der Illusion, das es ein Eigen gäbe, beruht. Erst wenn man die sinnlosigkeit des Strebens nach Glück, Lust, Erleuchtung erkannt hat, öffnet sich der Weg des Shin Dann eröffnet sich das Einfach so und das Nichtbemühen. Ein Annehmen des Lebens, so wie es ist.


    Ein wenig Anklänge gibt es da eher zum Zen eines Wuzhu, als zur Lehre des Yogi Nils.

    Zitat

    Sich nicht der Geburt fügend, unabhängig von Stille, ohne in samâdhi einzutreten, ohne in sitzender Meditation zu verweilen, ist da Nicht-Geburt und Nicht-Übung und der Geist kennt weder Verlust noch Gewinn.

  • Jinen:

    Es ging doch aber hier um Shin-Buddhismus nicht um die Lehre des Yogi Nils.. Du hast ja selbst gesagt, das dein Weg dem Shinrans diametral entgegengesetzt ist. Da geb ich dir recht.


    Ich habe keine Lehre. Ich schreibe nur aus meiner Erleuchtungserfahrung heraus. Die Erleuchtung liegt über und zwischen den Gegensätzen. Die Gegensätze gehören zusammen, um den wahren Weg zu begreifen. Es gibt in der Erleuchtung keine Dualität. Meine Lehre und die Lehre Shinrans sind eins. Die Wahrheit liegt dazwischen. Jeder darf sich von den Worten inspirieren lassen und intuitiv herausfinden, was ihn in das Einheitsbewusstsein bringt.


    Jinen:

    Einer der wesentlichen Punkte im Shin ist, das Amida kein Wesen und sein reines Land kein Ort, sondern Nirwana ist.
    Um das etwas näher zu erklären: Amida ist kein Wesen und gleichzeitig ein Wesen. Das reine Land ist ein Ort und kein Ort.


    Nirwana ist in dir und auch um dich herum. Überall. Nirwana ist Leerheit und Einheit (Vielfalt, Fülle, Glück).


    Jinen:

    Der andere ist Jinen, der dem daoistischen Ziran, von selbst so, nicht willentlichen Leben entspricht.


    Alles geschieht von selbst. Aber das Selbst wirkt auch durch dich, durch deine Handlungen. Der Weg ist es im Nichtstun und Tun zugleich zu leben.Irgendwo dazwischen liegt ganz individuell der Weg der Erleuchtung.


    Jinen:

    Die Suche nach Glück fällt da weg. Kein Leben nach dem Lustprinzip. Das ist der Irrweg schlechthin. Eine dankbare Akzeptanz des Lebens, so wie es ist, ist das Gegenmodell. Meditation spielt im Shin keine Rolle. Da ist nur das nembutsu.


    Keine Suche, keine Erleuchtung, kein Paradies. Nur Augenwischerei. Nur Irrweg. Und dann behauptet man natürlich, dass alle anderen einen Irrweg gehen. Statt bei sich selbst genau hinzuspüren. Und plötzlich erkennt man, dass Meditation hilfreich ist. Und begreift, warum Buddha den Weg der Meditation gelehrt hat. Und die Suche nach dem Glück und das eigene Bemühen. Man muss Buddha und Shinran zusammensehen und praktizieren. Sonst ist der Shinbuddhismus kein Buddhismus, sondern nur ein verkapptes evangelisches Christentum. Dort herrscht auch der Irrweg vor. Aber manchmal führt auch das ins Licht. Aber nur selten.


    Jinen:

    Shinran hat immer wieder betont, das alles Eigenbemühen ihn nur in die Hölle gebracht hat.


    Ja. Und gleichzeitig hat er viel gehandelt und eine neue Religion gegründet.


    Jinen:

    Ein Annehmen des Lebens, so wie es ist.


    Wenn du nur das Leben so annimmst wie es ist, bringt dir das gar nichts. Du bleibst so unerleuchtet wie du bist. Erst wenn das Annehmen eine Übung wird, bringt es dich zur Erleuchtung. Erst wenn du das Nembutsu auf die persönlich richtige Weise sprichts, ist es hilfreich für dich. Ich befürchte, dass der Shinbuddhismus sich überwiegend im Dogmatismus festgefahren hat und für die meisten Menschen wenig hilfreich ist. Eine kleine Beruhigungspille für das Ego, um im weltlichen Leben gut zu funktionieren. Der Weg der Erleuchtung ist immer undogmatisch und lebt von den Widersprüchen und Konflikten. Es braucht Narren wie mich um die dumpfe Selbstzufriedenheit der Dogmatiker aufzubrechen.

  • Jinen:


    Zitat

    Sich nicht der Geburt fügend, unabhängig von Stille, ohne in samâdhi einzutreten, ohne in sitzender Meditation zu verweilen, ist da Nicht-Geburt und Nicht-Übung und der Geist kennt weder Verlust noch Gewinn.



    Das spricht aber ein Verwirklichter. Ein "Übungslediger". Das wär ich vorsichtig im Vergleich zu "meiner Übung" und was notwendig ist und was nicht.

  • Beitrag von Nils
    Wenn du nur das Leben so annimmst wie es ist, bringt dir das gar nichts. Du bleibst so unerleuchtet wie du bist. Erst wenn das Annehmen eine Übung wird, bringt es dich zur Erleuchtung. Erst wenn du das Nembutsu auf die persönlich richtige Weise sprichts, ist es hilfreich für dich. Ich befürchte, dass der Shinbuddhismus sich überwiegend im Dogmatismus festgefahren hat und für die meisten Menschen wenig hilfreich ist. Eine kleine Beruhigungspille für das Ego, um im weltlichen Leben gut zu funktionieren. Der Weg der Erleuchtung ist immer undogmatisch und lebt von den Widersprüchen und Konflikten. Es braucht Narren wie mich um die dumpfe Selbstzufriedenheit der Dogmatiker aufzubrechen.

    ... am Ende, werter Nils,
    bist Du eine Inkarnation von Osho;
    dieser verstand sich auch als Narr.
    .... und der Bart,
    ist er nicht ähnlich . . .


    Bin heute gutlaunig und möchte Dich nicht
    verspotten,
    in Wahrheit, weiß ich ja nicht wirklich was
    :|


    Das wenige, was mir durch Gnade geschenkt wurde,
    ist verwahrt in meinem "heiligen inneren Raum",
    könnten andere überhaupt nicht verstehen . . .


    und Perlen werfe ich nicht vor die Säue !


    Gruß Brigitte Klara

    Es ist eine wahre Schmach und Schande, daß wir Christen wie blinde Hühner umhergehen und nicht erkennen, was in uns ist und davon gar nichts wissen.
    Johannes Tauler