Trotz

  • Mal zu etwas ganz anderem:


    Kennt ihr auch dieses Trotzgefühl "Nein, ich will jetzt nicht pünktlich meditieren oder Asanas oder meine Verbeugungen machen!"?


    Mir kommt das schon tiefergelegt vor als einfache Lustlosigkeit.
    Frage mich, welche Ursache kann das haben? Und wie geht man damit um?


    Ich war früher mal eine Woche in einem Retreat, wo ich geschwiegen habe, nur einmal am Tag gegessen hab (und darum bitten musste), eigentlich barfuß laufen sollte, aber ich konnte mich im kalten Winter zwischen Socken oder Schuhen entscheiden, keinen Stuhl und keine Seife benutzen durfte. Das war sehr interessant, auch mental befreiend. Das Schwierigste daran war merkwürdigerweise keinen Stuhl benutzen zu dürfen. Hätte ich nicht gedacht, aber das kratzte an meinem Stolz (, weil die anderen ja einen Stuhl benutzen durften und ich allein mit dieser Übung war).


    Jedenfalls: durch diese äußerliche Ruhigstellung aller Ablenkungen wurde der Blick frei zu einem ziemlichen Groll auf Gott, von dem ich vorher nicht das Geringste geahnt hatte. Motto: "Warum lässt DU all dieses Leid zu?" Eine christliche Sicht, ich weiß.


    Es scheint schwer zu beschreiben zu sein für mich - jedenfalls komme ich mir manchmal im spirituellen Sinne wie ein trotziges Kleinkind vor.
    Kennt das hier jemand?

    :rainbow: Gute Wünsche für jede und jeden. :tee:


  • Karuna:


    Es wird im christlichen Kontext als acedia (Teilnahmslosigkeit, Lustlosigkeit, Trübsinn ) bezeichnet und ist ein gut untersuchtes Phänomen. Allerdings wurde es im Verlauf der Entwicklung der instiutionellen Kirche zu eienr "Todsünde" umgedeutet - als Faulheit auch bekannt.
    Der Roman Oblomow schildert das in alle Einzelheiten. ( Ich habe ihn mir mal gekauft - aber nicht gelesen :) weil ich es wohl vorzog, das Phänomen selbst in allen Einzelheiten zu erfahren ).


    Ach ja, ich krieg solche Klassiker auch manchmal nicht runter. "Oblomow" gab es mal als Theaterinzenierung im Fernsehen und ich konnte es nicht aushalten, mir ewig dieses Problem anzuschauen, das er da hatte.
    Ich muss auch sagen, nach all den Kämpfen in meinem Leben mit dem inneren Schweinehund, glaube ich nicht mehr so richtig an den Begriff "Faulheit" - denn er impliziert, man bräuchte sich nur gehörig in den A**** zu treten und alle Probleme seien gelöst. Dabei ist eher das Gegenteil der Fall - der innere strenge Erzieher tötet jegliche Motivation, und ohne sie geht gar nichts. Es ist im Grunde einfach. Ich würde statt "Faulheit" in den meisten Fällen lieber den Begriff "innerer Widerstand" verwenden.


    Zitat

    Es hat durchaus mit Trotz zu tun. Das kann man auch nur mit liebender Beharrlichkeit in der Praxis auflösen.
    Mit hat da sehr geholfen, daß die äußeren Formen nicht den Weg ausmachen, sondern ich den Weg in allen Formen entdecken kann. Der Trotz kommt ja auch daher, daß Erwartungen nicht erfüllt werden, aber das Wissen darüber nicht die emotionale Ebene erreichen kann, sondern die emotionale Ebene befriedigt werden will - in dem Sinne des Befriedens.
    Auch wenn man das Gefühl hat, durch diese Phase des Trotzes o,ä. an Energie zu verlieren und man lustlos sich durch die Übungen kämpft, sollte man dem nicht allzuu viel Beachtung schenken, sondern sich anderen Übungen zuwenden. Staubsaugen :)


    Vielen Dank für diese gute Ausformulierung. :) (Habe mir erlaubt, das für mich Wichtigste daran fett hervorzuheben.)


    Zitat

    Trotz ist auch etwas sehr Positives, denn es bedeutet ja auch, daß da noch Anteile sind, die in deine Praxis noch nicht eingewilligt haben, noch nicht überzeugt sind und evtl. auch berechtigte Zweifel haben. Der Zweifel, der sich da zeigt, ist ein wichtiger Hinweis und er sollte nicht ignoriert werden, anderfalls macht er sich noch unangenehmer bemerkbar.


    Ein Aspekt, an den ich noch nicht gedacht habe.


    Zitat

    Noch eine Anmerlung zum Schluß, Kierkegaard hat den Trotz in seiner Abhandlung "Die Krankheit zum Tode" als eine Form der Verzweiflung behandelt: als Verzweiflung, man selbst sein zu wollen.


    Les ich vielleicht mal - versteh ich so nämlich nicht ganz. :) Schönes Wochenende

    :rainbow: Gute Wünsche für jede und jeden. :tee:


  • Wenn in solchen Situationen Trotz aufkommt dann deshalb, weil man meint etwas zu müssen, ohne es eigentlich richtig zu wollen.
    Wenn ich etwas tun will dann doch, weil es mir entweder Spass macht oder weil ich zutiefst davon überzeugt bin dass es wichtig, gut und richtig für mich ist.


    Tue ich etwas, von dem der Verstand sagt: das ist gut für dich, deshalb musst du es tun, dann kann Trotz oder ein Gefühl der Verweigerung aufkommen wenn mein Herz und meine Gefühle das (noch) nicht eingesehen haben.
    Das ist dann wie wenn man gezwungen wird.


    Ich versuche mir vor Augen zu halten warum es gut für mich ist dies oder jenes zu tun, zu üben..... und ich versuche mir vor Augen zu halten was denn eigentlich geschieht wenn ich es nicht tue. Kurz - ich versuche mir mein Ziel lebendig zu halten damit ich ganz "will" und nicht das Gefühl habe "ich sollte oder müsste eigentlich".


    Gruß

    Wir sind Leben das leben will inmitten von Leben das leben will.

  • Amsel:

    ...
    Ich versuche mir vor Augen zu halten warum es gut für mich ist dies oder jenes zu tun, zu üben..... und ich versuche mir vor Augen zu halten was denn eigentlich geschieht wenn ich es nicht tue. Kurz - ich versuche mir mein Ziel lebendig zu halten damit ich ganz "will" und nicht das Gefühl habe "ich sollte oder müsste eigentlich".
    ...


    Yeah - gut gesagt.


    Mir ist auch die Idee gekommen - vielleicht kann man in manchen Situationen die Trotzenergie für einen "guten Zweck" nutzen... indem man sich klarmacht, was einem warum gut tut, und welche Verhaltensweisen einen doch im Grunde wirklich selber nerven. ("Nee, also, Fernseh gucken hab ich nun wirklich keine Lust!") ;)

    :rainbow: Gute Wünsche für jede und jeden. :tee:


  • was noch ganz wichtig dabei ist:
    nicht zuviel fordern, nur weil man eigesehen hat wie es eigentlich richtig wäre. Denn wir stehen meist nicht da wo wir möchten. Und wer wenn nicht wir kann uns genau da abholen wo wir stehen. :grinsen:


    Also, auch mal Fernseh-gucken, obwohl man weiss dass .......
    Kleine aber regelmäßige Schritte mit Freude kann man länger gehen als ein Sprint der einem die Puste nimmt und die Lust am Laufen!!


    Gruß

    Wir sind Leben das leben will inmitten von Leben das leben will.

  • Mache ich etwas weil ich selber (ein)gesehen habe dass es richtig ist ist das der beste Grund etwas zu tun. Vorausgesetzt natürlich ich habe mir da nicht etwas Unheilsames als richtig ausgesucht, in unserem Fall also sollte es mit dem übereinstimmen was der Buddha lehrt.
    Mit oder ohne (persönlichem) Lehrer: die einen so, die anderen so.
    Meditation ist nicht immer nur Technik oder eine bestimmte Methode.
    Meditation ist auch gründliches Nachdenken über die Lehre, sich besinnen, sich die Worte Buddhas gegenwärtig zu halten. Die dazugehörige Praxis ist dann so zu handeln wie man vorher bedacht und eingesehen hat.


    Da bleibt dann zum Schluß für den Trotz wenig Raum übrig. :D


    Gruß

    Wir sind Leben das leben will inmitten von Leben das leben will.

  • Lieber Jyotsna`,


    vielleicht forderst Du Dir zu viel Askese ab? :shock: Sei mal ein bißchen geschmeidiger oder sagen wir mal lockerer...
    Lieber Gruß von crazy dragon

    Tag für Tag ein guter Tag

  • Liebe Jyotsna' ,
    du siehst an den reaktionen: kein unbekanntes phänomen! Ich kenne es sehr gut aus meinem "Vor-buddhistischen" Leben: "Pöh, jetzt gerade nicht, deshalb!" Ich kenne es als Antwort auf Prüfungsstress, Giersch im Garten, in den Zeiten ohne Geschirrspüler. Wann immer ein Muss da ist, ist die Reaktion erwartbar. Was nun meine buddhistische Praxis betrifft, so reagiere ich immer weniger auf dieses Gefühl. Ich nehme es zur Kenntnis und lasse es vorbeiziehen, wie Gedanken in der Meditation, lasse alles wie Wölkchen aufsteigen: schon ist es erlöst. Klappt auch sehr gut, wenn ich meine, dass jetzt , genau in diesem augenblick im Meditationssitz etwas gaaanz schrecklich unbequem ist. Lass es zu, dass es unbequem ist, meistens ist es dann weg. Wichtig: locker bleiben!!!!!
    Lieber Gruß,
    WitjaKarmaDorje

  • Nudel:

    ...
    Kleinkind ist trotzig und sagt "Ich will nicht", weil Mutti sagt "Du musst".


    Aber ehrlich, Kleinkind muss gar nicht! :D


    Unter solchen Bedingungen: Wozu sollte das pünkliche Meditieren gut sein? Oder Asanas oder Verbeugungen machen?
    Wenn sie Trotz hervorrufen, ist doch schon im Ansatz was falsch, oder?...


    Hallo Nudel,
    das klingt zwar gut, aber ich meine es ist falsch. So simpel ist es nicht, weil die Ursache der Trotzreaktion nicht immer klar auf der Hand liegt. Der menschliche Geist kann ziemlich verschachtelt sein, wie mir scheint.


    Beispiel: wenn ich keine Lust habe, Zähne zu putzen, kann man es drehen und wenden wie man will - Ursache liegt nicht darin, dass das Zähneputzen falsch ist. Ich kann nicht sagen "Nö, keine Lust!", und die Zähne vergammeln, denn das wäre einfach sehr schade drum.
    Im Extremfall muss man vielleicht einen Zahn opfern, weil man es anders einfach nicht lernt.... aber es wäre doch schön, wenn man vorher einen besseren Weg fände, nicht?

    :rainbow: Gute Wünsche für jede und jeden. :tee:


  • crazy-dragon:

    Lieber Jyotsna`,


    vielleicht forderst Du Dir zu viel Askese ab? :shock: Sei mal ein bißchen geschmeidiger oder sagen wir mal lockerer...
    Lieber Gruß von crazy dragon


    Danke für diesen guten Tipp, aber ich glaube, es ist ein Missverständnis. Ich habe im Laufe des Älterwerdens gut gelernt locker zu lassen, damit die Dinge kommen können. Trotzdem oder deshalb beschäftigt mich dieses Thema immernoch - und ich finde es sehr schön, hier mit Euch darüber kommunizieren zu können. :)

    :rainbow: Gute Wünsche für jede und jeden. :tee:


  • witjaKarmaDorje:

    ... Wann immer ein Muss da ist, ist die Reaktion erwartbar.

    :lol:

    Zitat

    Was nun meine buddhistische Praxis betrifft, so reagiere ich immer weniger auf dieses Gefühl. Ich nehme es zur Kenntnis und lasse es vorbeiziehen, wie Gedanken in der Meditation, lasse alles wie Wölkchen aufsteigen: schon ist es erlöst. ...


    Danke für dies hübsche Bild.

    :rainbow: Gute Wünsche für jede und jeden. :tee:


  • Joytsna',
    es verlässt uns wohl nie ganz, lass es vorbei ziehen, wie eine hübsche wolke,
    witjakarmadorje

  • Nudel:

    ...
    Was willst du und warum?...

    [/quote]
    Ich möchte (in diesem Forum) gern mit anderen Meditierenden darüber kommunizieren, was mich bewegt und das lesen was andere zu sagen haben, was mich interessiert.


    Ich kann durch Eure ganzen Mahayana/Zen/Bodhicitta-Gebilde, die ihr im "Allgemeines zum Buddhismus"-Teil besprecht, (noch?) nicht durchsteigen. Gebe auch gern offen zu, dass ich zwar gern viel nachdenke, aber in keiner Weise eine Intellektuelle bin. Bin Gärtnerin und sehe die Welt aus diesem Blickwinkel. ;)


    Das Buch nach dem Du fragst, habe ich nach meinem Gespräch hier mit Dir (als Knoedel), tatsächlich in der Nachtischschublade liegen lassen... Das fällt mir jetzt erst auf, wo Du fragst.
    Da kannst Du mal sehen, wie sehr Worte doch auch Steine sein können. (Falls ich Dich schon mal mit einem getroffen haben sollte ohne es zu bemerken, tut es mir leid.)


    Jedenfalls verstehe ich genauso wenig und überhaupt nicht, was Du willst und warum. Das ist doch witzig, nicht?
    Für mich ist das dann damit nun klar und ich brauche darüber nicht mehr weiter zu diskutieren.
    Möge jeder von uns auf seinem Planeten glücklich werden. ;)

    :rainbow: Gute Wünsche für jede und jeden. :tee:


  • Liebe Jyotsna,
    lass dich blos nicht verwirren hier im forum! Du bist Gärtnerin? Ich würde mal behaupten, dass du mehr meditative erfahrung hast, als unsere geschätzten Theoretiker. Mit beiden Händen in der erde: das ist für mich Meditation pur.
    Lieber Gruß,
    WitjaKarmaDorje, der gerade leidet, weil er die Schnecken nicht mehr vernichtet, sie danken es, indem sie alles kahl fressen. Ist nicht immer leicht ein Buddhist zu sein:-))) ;)


    Zitat

    Ich kann durch Eure ganzen Mahayana/Zen/Bodhicitta-Gebilde, die ihr im "Allgemeines zum Buddhismus"-Teil besprecht, (noch?) nicht durchsteigen. Gebe auch gern offen zu, dass ich zwar gern viel nachdenke, aber in keiner Weise eine Intellektuelle bin. Bin Gärtnerin und sehe die Welt aus diesem Blickwinkel. ;)

  • Karuna,
    das Gartenbild ist herrlich! Habe herzlich gelacht!!!
    Lieber Gruß,
    WitjaKarmaDorje