Gewissen

  • Hallo ich schon wieder...


    Ich gehe auf dem Weg zur arbeit über einen großen asphaltierten Parkplatz. Wenn es geregnet hat sind dort Unmengen von Regenwürmern unterwegs...ich habe ein richtig schlechtes gewissen, weil sie von Autos überfahren werden könnten. Am nächsten tag, wenn die sonne den regen getrocknet hat, liegen überall vertrocknete Regenwürmer rum, weil sie den weg zum Grünstreifen nicht mehr gefunden haben...
    jetzt meine frage, muss ich ein schlechtes gewissen haben, Regenwürmern beim sterben zusehen zu müssen? Vielleicht ist es auch Mitleid...
    Aber ich kann doch morgens nicht stunden lang über den Parkplatz rennen und Regenwürmer einsammeln...

  • Frag dein Gewissen, ob du ein schlechtes Gewissen haben musst. Ich kenn ja dein Gewissen nicht.


    Wenn du Zeit hast, kannst du ja immer mal einen oder 2 aufs Grüne setzen.


    A.

  • Mitgefühl ist gut.
    Aber man sollte nicht vom Hundertsten ins Tausendste kommen.
    Hab auch Mitgefühl mit Deinem Betrieb und Deinen Kollegen, die Dich pünktlich brauchen.


    Fehlendes Mitgefühl halte ich für ein Grundübel - aber je mehr man über alles nachdenkt, kommt man doch drauf, wie alles in Kreisen und Verschachtelungen einander bedingt. Alles hat seine Zeit und wenn es regnet, bist Du ja nicht schuldig daran.


    Als ich früher noch geraucht habe, hab ich die Glut meiner Zigarette (bei der Gartenarbeit) in der Erde ausgedrückt, weil ich sie für einen Sandhaufen hielt. Als ich dabei dann mal einen dicken Regenwurm mit der Glut traf, wurde mir klar, dass dieser Boden ein Lebensraum ist und habe meine Zigaretten in Zukunft gefälligst woanders ausgedrückt.
    Also ich will sagen: man kann ja aufpassen, was man tut, aber man kann nicht jegliches Leid auf dieser Welt jetzt sofort mit seinen eigenen Händen verhindern.


    Wichtig für das Wohlergehen Deiner (meiner) Umgebung ist auch die eigene geistige Gesundheit. Meiner Meinung nach kommt man aus dem Lot, wenn man nur noch eigens mit dem Teelöffel geerntete Mohrrüben isst, weil eine übliche Erntemaschine zu viel Leid erzeugt. So gesehen müsste man zu atmen aufhören. Das verlangt kein Gott und kein Buddha - das ist einfach nur der eigene Geist, der versucht einen durcheinander zu bringen.


    Man muss immer schön auf dem Teppich bleiben und gucken, was wichtig und richtig ist und was nicht, finde ich. ;)

    :rainbow: Gute Wünsche für jede und jeden. :tee:


  • Nudel:

    Es bringt immensen Verdienst Lebewesen zu retten. Die richtige Gesinnung dabei, Durchführen der Tat und Widmung hinterher. Da erntest du Verdienste, die andere nicht in Jahren der Praxis ernten.


    Hochinteressant! Darf ich da als Neuling gleich eine Frage dazu stellen? Ich hab nämlich mal in einem Buch gelesen, allumfassendes (tätiges) Mitleid/Mitgefühl würde über kurz oder lang "automatisch" zur Erleuchtung führen. Stimmt das soweit oder ist das Unsinn? Irgendwie erscheint es mir logisch, denn ECHTES Mitgefühl sprengt ja alle Grenzen der Ichbezogenheit.


    Liebe Grüße
    Think

  • -Qi-:

    Wenn dir jemand sagt "ja", dann weißt du nicht, ob das stimmt und wenn jemand sagt "nein", dann weißt du es auch nicht. Man kann viel reden.


    Damit hast du schon recht, es könnte aber doch auch ein erleuchteter Mensch etwas zu diesem Thema gesagt haben ... *hoff*


    -Qi-:

    Überprüfe das einfach mal selbst, ob das stimmt was du gelesen hast.


    Naja, so schnell wird das mit der Erleuchtung bei mir aber nicht hinhauen :lol:. Aber stimmt schon, Mitgefühl üben ist auf jeden Fall immer empfehlenswert - bin aber nicht so sicher, dass ich die Verifizierung o.g. These noch erleben werde ;).

  • Nudel:

    Das Ausmaß von Verdiensten hängt ganz von der Geisteshaltung ab. Wenn man etwas Gutes tut, um Verdienste dafür zu bekommen, dann ist dies wie Handeltreiben und die Verdienste sind gering.
    Auch gibt es keinen Zusammenhang zwischen der Zahl der guten Taten und den Verdiensten. Das einzige was bestimmend ist, ist die Geisteshaltung. Mit der richtigen Geisteshaltung erhält man mit einer einzigen guten Tat unter Umständen soviel Verdienste wie Hunderte von Praktizierende in ihrem ganzen Leben - alle zusammen genommen.


    Hmmm ... das klingt sehr einleuchtend ... ok, ich hoffe, ich habe Dich richtig verstanden: das heißt also, wenn man die richtige Geisteshaltung hat (mitfühlend, selbstlos) ergeben sich die guten Taten eigentlich von selbst, oder? Ein durch und durch mitfühlender Mensch kann ja vermutlich gar nicht an einem leidenden Wesen vorbeigehen, ohne ihm zu helfen - und er wird weder vorher darüber nachdenken, was für ihn dabei "rausspringt", noch sich nacher geistig auf die Schulter klopfen, wie gut er heute wieder war - er wird einfach nur helfen, weil es ihm ein Bedürfnis ist.


    Andererseits haben selbstlose, gute Taten auch irgendwie eine positive Auswirkung auf den Geist/Charakter eines Menschen (=Verdienste). Also sozusagen eine Wechselwirkung ... gute Taten => mehr Mitgefühl, verfeinerter Geist => noch mehr gute Taten => noch mehr Mitgefühl usw. Habe ich das ungefähr richtig verstanden?

    Einmal editiert, zuletzt von think ()

  • Sorry, ich habe in der Zwischenzeit editiert, um meinen Beitrag etwas verständlicher zu machen ....


    Karuna:

    Das sollte aber nicht die Motivation zum Helfen sein. Das Bedürfnis desjenigen der Hilfe bedarf steht da wohl im Vordergrund. Und darüber kann es dann schon unterschiedliche Auffassungen geben.
    Einem Alkoholiker würde ich keinen Schnaps bringen, auch wenn er mich auf Knien anflehen würde.


    Stimmt auch wieder. Verstehe ich das dann richtig, dass es nicht um "emotionales Mitgefühl" geht, sondern dass das Mitgefühl sozusagen "im Kopf" sitzen sollte?


    Zitat

    Echtes von unechtem Mitgefühl läßt sich leicht erkennen: wenn es dich sehr viel kostet, jemand anderen zu helfen, dann ist es schon ziemlich echt. Es muß nämlich etwas wesentliches von dir wegnehmen: Geld, Zeit, Stolz.


    Hmmm ... aber kann es nicht auch Freude machen, anderen zu helfen? Ich sehe schon, das Thema ist schwieriger als ich dachte ...

  • Karuna:

    Echtes von unechtem Mitgefühl läßt sich leicht erkennen: wenn es dich sehr viel kostet, jemand anderen zu helfen, dann ist es schon ziemlich echt. Es muß nämlich etwas wesentliches von dir wegnehmen: Geld, Zeit, Stolz.


    Ach so. Der Groschen ist bei mir mit Verspätung gefallen ... wenn es "weh tut", kann kein Egoismus dabei sein. Verstehe ich das richtig?

  • Vielen Dank für Eure Antworten! :) Dabei wird mir auch immer klarer, dass der Buddhismus der richtige Weg für mich zu sein scheint ... genau diese Einstellung, die Ihr da beschreibt, würde ich gerne lernen :).


    Nudel:

    Mitgefühl und Weisheit sollten immer zusammengehen. Weisheit ist auch "Kopf", d.h. konventionelle Weisheit, Weisheit im Sinne der Buddhas ist aber auch viel mehr als dies. Sowohl die Weisheit des "Kopfes" als auch "Buddha-Weisheit" sind zu "trainieren".


    Das klingt sehr sinnvoll. Mitgefühl ohne Weisheit führt dann wohl zu dem, was Karuna oben beschrieben hat - also, dass man z.b. einem Alkoholiker eine Flasche Schnaps hinstellt.


    Nudel:

    Nein. Es gibt eine Form von selbstkasteienden guten Taten. Diese sind egoistisch motiviert und ohne Weisheit.


    Hmmm .... könnte man das dann auch so sehen, dass Egoismus und Ichbezogenheit immer durch einen Mangel an Weisheit verursacht werden? Oder umgekehrt, dass Selbstlosigkeit aus Weisheit erwächst?


    Nudel:

    Die Freude daran, dass es anderen gutgeht oder besser geht, ist ebenso eine Art viel Verdienste anzusammeln. "Mitfreude" wird dies genannt. Wenn man anderen geholfen hat und es denen dann gut oder besser geht und man sich über diesen Zustand der anderen freut ohne einen Gedanken an sich selbst, dann ist dies Mitfreude und bringt Verdienste.
    Aber auch wenn man andere beobachtet wie diese ganz großartige Dinge tun, z.B. aus Mitgefühl, und große reine unverfälschte Freude über die Qualitäten der anderen aufkommt, dann ist dies Mitfreude, welche große Verdienste bringt.
    Über die Qualitäten von Buddha, Dharma und Sangha kann man sich z.B. immer freuen. Man kann über diese Qualitäten immer wieder reflektieren und große Freude dabei empfinden. Das ist dann sehr sehr gut.


    Das klingt sehr schön! Und ist vermutlich schwieriger, als es sich anhört, nachdem der Mensch ja prinzipiell eher zu Schadenfreude und Neid neigt (zumindest bei Leuten, die ihm nicht so sympathisch sind) ...


    Karuna:

    Das bessere Wort ist vielleicht "Widerstand" und das habe ich mit Kosten gemeint.


    Klar. Mit "weh tut" hatte ich auch eher gemeint, dass man sozusagen "nichts davon hat".


    Danke nochmals für Eure Geduld und Eure Hilfe! :)
    Liebe Grüße
    Think

  • Nudel:

    Das siehst du vollkommen richtig. Es heißt ja, dass Unwissenheit (also "Mangel an Weisheit") die Ursache allen Leidens ist. Ich-Bezogenheit ist die Manifestation der Unwissenheit und so lässt sich nur durch Weisheit - also Aufhebung der Unwissenheit - die Selbstlosigkeit verwirklichen.


    Aaaah! *lichtgehtauf* jetzt habe ich es verstanden! :) Vielen Dank!


    Liebe Grüße
    Think

  • Hallo Werte/r Nudel ich grüsse Dich ,


    Wirklich hervorragend erklärt , es macht mir wirklich Spass Dir bei dem posting zuzuschauen das ist eine echte Augenfreude!
    Rührend wie Du Dich um think kümmerst !
    think , halte Dich ein- wenig oder mehr- an Nudel dann wirst Du authentisches "Mahayana" lernen .


    Viele liebe Grüsse Dorje Sema

  • Dorje Sema:

    wie Du Dich um think kümmerst !


    Ja, das finde ich auch total nett! :) Vielen Dank, Nudel!


    Dorje Sema:

    think , halte Dich ein- wenig oder mehr- an Nudel dann wirst Du authentisches "Mahayana" lernen .


    Das werde ich! :)


    Liebe Grüße
    Think

  • Jyotsna':

    Wenn Ihr was ironisch meint, schreibt Ihr es aber dran, oder? :?


    Wieso ironisch? Nudel hat sich die Mühe gemacht, sehr ausführlich und detailliert auf meine gesammelten Anfängerfragen zu antworten. Das ist doch sehr nett, oder?

  • hab ich was verpasst? bekommt nudel jetzt jünger?
    wkd

  • KarmaJigmeDorje:

    hab ich was verpasst? bekommt nudel jetzt jünger?
    wkd


    Früher oder später bekommen alle Jünger_Innen :D
    Man muss nur lange genug warten,....
    (Hat bei mir noch nicht geklappt - muss noch etwas länger warten)


    NB: Gesamtschau entsteht nicht durch ausschließliche Betrachtung der "Gutheit".
    Wenn du dies verstanden hast, ist dein nächstes Ziel (mich gerade weghau), die Erkenntnis, dass "Erleuchtung" nicht existiert (na aber Hallo :D)


    Was erwartest du, wenn du eine Schachtel Keks bekommst (mit einem Bild von den Keksen drauf), aber man dir sagt, dass Legosteine drin wären? Was du bekommst?

  • Zur ursprünglichen Sorge von chandini kann folgender Gedanke eine Hilfe sein:


    Jemand der anderen eine Freude bereitet, so jemandem kommt kein Verdienst zu, nicht ist dies ein Ausdruck von Tugend. Und jemand der anderen Leid zufügt, von so jemandem wird keine Sünde begangen, nicht ist dies ein Ausdruck von Unrecht. Die Konzepte von Freude, Verdienst, Tugend, Leid, Sünde, Unrecht gibt es nur, solange du dich für den Täter hältst. Jedoch: Füge niemandem Leid zu! Denn dies kann nur verwirklichen, wer die Täterschaft aufgibt. Lass ab vom Tun, du bist nicht der Urheber deiner Handlungen!