Wie übt man Vergebung?

  • Hallo.


    Wie vergibt man? Also mit dem Herzen, nicht nur mit dem Verstand. Ich denke "Ich vergebe", aber ich fühle es nicht entsprechend.


    Liebe Grüße
    Dschampa

  • Lass die Gedanken los, sowohl "Ich vergebe", als auch die Erwartung. Tue es nicht mit einem Ziel, lass die Gedanken fallen und versinke in der Stille der Vergebung.

    Den Schmetterling des Zen im Netz des Verstandes zu fangen; machen wir uns das klar, dass das nicht geht

  • 'Zwei-Satz-Rezepte' -
    Aber klar, man kann sich s auch kompliziert machen.

  • Dschampa:

    Hallo.


    Wie vergibt man? Also mit dem Herzen, nicht nur mit dem Verstand. Ich denke "Ich vergebe", aber ich fühle es nicht entsprechend.


    Liebe Grüße
    Dschampa


    Indem man es tut.


    Manchmal kann es ganz hilfreich sein, sich selbst zu vergeben, dass man einem anderen gerade nicht vergeben kann.
    So meine Erfahrung.

    Ohne eine lange Zeit grimmiger Kälte,
    die Dir in die Knochen fährt –

    wie könnten die Pflaumenblüten

    dich erfüllen mit ihrem durchdringenden Duft?
    (Obaku)

  • Meine Erfahrungen: Da Gefühle gewissermaßen Verdichtungen bzw. gewohnheitsmäßige Komprimierungen von Gedanken sind, kann eine aufrichtige Wiederholung des Gedankens zum Gefühl werden. Das ist aber nur die halbe Miete, denn Gefühl ist nicht = Herz. Knackpunkt hier sind wohl zwei Dinge, die teilweise schon angesprochen wurden: 1. wenn man sich selbst nicht vergeben kann, fällt es auch mit anderen schwer. Es wäre also interessant sich anzuschauen, wo man selbst Schuldgefühle hegt. 2. Vergebung kann man als einen Aspekt von Mitgefühl betrachten. Wenn man versteht, mitfühlen kann, warum jemand sich so verhalten hat, dann fällt es leichter, das Verhalten zu vergeben.


    Manchmal sollte Vergebung aber auch erst der zweite Schritt sein. Nämlich dann, wenn die andere Person um die es geht ihr Verhalten nicht als verletzend o.ä, eingesehen hat. Vielleicht muss das erst geklärt werden und dann folgt Vergebung ohne Mühe auf dem Fuß...


  • _()_ *verbeugt sich leicht

    Wenn im dürren Baum der Drache Dir singt
    siehst wahrhaft Du den WEG.
    Wenn im Totenkopf keine Sinne mehr sind
    wird erst das Auge klar.


    jianwang 健忘 = sich [selbst] vergessend

  • Hallo Dschampa,
    es kommt darauf an, was Du zu vergeben hast. Ich habe nichts mehr zu vergeben, denn ich habe meine eigene Unzulänglichkeit erkannt und meine Illusionen verloren, ich hätte es "schon alles ganz schön richtig gemacht".
    Diese Einsichten kommen durch lange Praxis, durch Offenheit und die Bereitschaft, ganz genau hinzuhören und hinzugucken.
    Das ist ein schmerzhafter, aber auch befreiender Weg.
    _()_ Monika

    Ohne mich ist das Leben ganz einfach

    Ayya Khema

    Oder anders ausgedrückt: Die Beherrschung der Gedanken ist der Weg zum Glück (SH Dalai Lama)

  • Hallo,


    Dschampa:


    Wie vergibt man? Also mit dem Herzen, nicht nur mit dem Verstand. Ich denke "Ich vergebe", aber ich fühle es nicht entsprechend.


    Indem man Vergebung zu einer Herzensangelegenheit macht und nicht zu einer Angelegenheit des analysierenden Verstandes. So wie Liebe oder die Brahmaviharas.

  • mukti:


    Indem man Vergebung zu einer Herzensangelegenheit macht und nicht zu einer Angelegenheit des analysierenden Verstandes. So wie Liebe oder die Brahmaviharas.


    Aus diesem Grund ist mir der Begriff Versöhnung lieber. Angenommen, eine sehr nahestehende Person hat mir echtes Leid zugefügt. Egal, wie ich die Sache auch betrachte, komme ich zu keinem anderen Schluss. Mit innerlichem Hass schade ich mir selbst. Liebevolle Güte ist also gefragt. Dafür kann ich beispielsweise bedenken, dass sich der Mensch verändert hat oder selbst ein Opfer ist oder ich selbst Fehler beging usw.


    Doch bleibt Versöhnung eine Herzensangelegenheit: Dafür braucht es eine warmherzige Empfindung für diesen Menschen, würde ich sagen. Wie mukti meint, ist es bei einem nahestehenden Menschen eine Angelegenheit des Gefühls.


    Ich betrachte Gefühle als eine Mischung aus Empfindungen und Gedanken, daher besitzen wir einen gewissen Einfluss.

    2 Mal editiert, zuletzt von Karnataka ()

  • Wenn ich mich ärgere oder verletzt fühle schadet das nur mir und gibt dem Verletzer die Kraft weiter zu machen. Ich hab erkannt das nur meine derzeitige Person so etwas treffen kann, da diese nur eine Reflexion meiner Vorstellungen ist kann es mich nicht treffen, ich bin nicht meine Person.

  • Karnataka:

    Doch bleibt Versöhnung eine Herzensangelegenheit: Dafür braucht es eine warmherzige Empfindung für diesen Menschen, würde ich sagen. Wie mukti meint, ist es bei einem nahestehenden Menschen eine Angelegenheit des Gefühls.


    Ich betrachte Gefühle als eine Mischung aus Empfindungen und Gedanken, daher besitzen wir einen gewissen Einfluss.


    Eine warmherzige Empfindung sehe ich als eine Folge von "rechter Gesinnung" und sie bezieht sich auf alle Wesen.


  • Danke, das klingt sehr hilfreich.


    Der Dalai Lama kann den Chinesen bzw. der Partei vergeben. Da kommen mir die Unbill, die mir andere bereiten relativ lächerlich vor angesichts der Gräuel, die die Chinesen in Tibet anrichten. Er sagte auch, dass man durch Vergebung inneren Ruhe findet, und danach sehne ich mich. Mein Zorn macht mir öfters sehr zu schaffen.


    Liebe Grüße
    Dschampa

  • Ja, Mitgefühl meditiere ich täglich, es hilft auch.


    Aus einer anderen Quelle erhielt ich folgende Antwort:


    Zitat

    es ist bei jeder Meditation wichtig, daß die kontemplativen Gedanken vom Kopf ins Herz gelangen. Dafür ist es wichtig mit Achtsamkeitsübungen zunächst zur Ruhe zu kommen und dann die einzelnen Überlegungen mit einer gewissen tiefe anzugehen und sich am Ende jeweils auf das Gefühl zu konzentrieren. Dann geschieht eine Umkonditionierung des Geistes die man eben Meditation nennt. Gedanken alleine reichen da nicht.

  • Mitgefühl übe ich, indem ich mir eine Katze vorstelle und ihr meine Zuneigung zukommen lasse. Dann versuche ich dieses Gefühl auf andere zu "übertragen".


    Vergebung lässt sich auch dadurch üben, indem man sich in Nachsicht übt. Kinder zum Beispiel können sehr grausam sein, man sieht es ihnen aber nach - sie wissen es halt nicht besser. Aufgrund der Verblendung gilt das genauso für Erwachsene.

  • Das ist ein weites Feld und ein wichtiges Thema.
    Den Anfang hast Du aber schon gemacht, weil Du Dich darum bemühst und siehst, dass es da keinen einfachen "Trick" gibt, um mal so eben kurz zu vergeben, damit man es abhaken kann.
    Je nachdem um was es geht kann es ein ganz schöner Prozess sein.
    Wie aber vorhin auch schon jemand schrieb kann man da schwer pauschal antworten.

  • Dschampa:

    Mitgefühl übe ich, indem ich mir eine Katze vorstelle und ihr meine Zuneigung zukommen lasse. Dann versuche ich dieses Gefühl auf andere zu "übertragen".


    Vergebung lässt sich auch dadurch üben, indem man sich in Nachsicht übt. Kinder zum Beispiel können sehr grausam sein, man sieht es ihnen aber nach - sie wissen es halt nicht besser. Aufgrund der Verblendung gilt das genauso für Erwachsene.


    :)


    Mein Lieblingszitat von Tagore:


    Wenn jeder von jedem alles wüsste, würde jeder jedem gerne verzeihen.

  • Spock:

    Mein Lieblingszitat von Tagore:


    Wenn jeder von jedem alles wüsste, würde jeder jedem gerne verzeihen.


    Interessanter Satz. Vielleicht ist es sogar so, dass selbst jemand mit guten Charakteranlagen etwas böses tut, wenn er sich in entsprechenden Umständen befindet. Z.B wenn jemand als Kind schon schlechten Einflüssen ausgesetzt war durch Elternhaus, Lehrer und Bekanntenkreis, etwa eine negative Indoktrinierung schon sehr früh, ohne entwickelte Unterscheidungsfähigkeit von Autoritäten angenommen hat. Vielleicht wären Verfehlungen dann prinzipiell bei jedem möglich, auch bei denen, die einen schuldig gewordenen lautstark verdammen und denken das hätte ich keinesfalls getan.

    • Offizieller Beitrag
    Spock:

    Aus meiner Sicht stimmt das.


    Für mich kommt das Gefühl des "Nicht-Verzeihen" könnens aus dem Gefühl der Verletzung: Sagen wir mal, du wurdest sexuelle missbraucht: Dann reicht es ja aus, wenn du den Täter siehst, dass du all das wieder empfindest: Den Schmerz, die Scham, die Trauer, die Kaputtheit.


    "Verzeihen" ist ja die Verneinung des Wortes "Zeihen" was ein altes Wort für anklagen ist. Du müsstest also all diese Gefühle aushalten können ohne dafür den anderen innerlich anzuklagen. Aber je mehr du leidest, desto mehr willst du es ja weghaben und dem Täter vor die Füsse werfen.


    Mir kommt es so vor als hätte das wenig mit Wissen zu tun: Selbst wenn man wüsste, dass der Täter auch emotional kaputt und verletzt ist, würde ja nicht bedeuten, dass man deswegen die Geduld hat, die eigene Verletztheit auszuhalten, oder?

  • void:


    Für mich kommt das Gefühl des "Nicht-Verzeihen" könnens aus dem Gefühl der Verletzung: Sagen wir mal, du wurdest sexuelle missbraucht: Dann reicht es ja aus, wenn du den Täter siehst, dass du all das wieder empfindest: Den Schmerz, die Scham, die Trauer, die Kaputtheit.


    "Verzeihen" ist ja die Verneinung des Wortes "Zeihen" was ein altes Wort für anklagen ist. Du müsstest also all diese Gefühle aushalten können ohne dafür den anderen innerlich anzuklagen. Aber je mehr du leidest, desto mehr willst du es ja weghaben und dem Täter vor die Füsse werfen.


    Mir kommt es so vor als hätte das wenig mit Wissen zu tun: Selbst wenn man wüsste, dass der Täter auch emotional kaputt und verletzt ist, würde ja nicht bedeuten, dass man deswegen die Geduld hat, die eigene Verletztheit auszuhalten, oder?


    Mein Ansatz bezog sich ja auch die Frage ob man selber sicher sein kann, in entsprechenden Umständen kein Täter zu werden. Mit sexuellem Missbrauch habe ich keine Erfahrung, aber es gab in der Grundschule einen sehr groben Lehrer der oft die Kinder auf der "Bühne" (damals war der Lehrerbereich noch erhöht) zum Gaudium der Zuschauer erniedrigt, geschlagen und getreten hat. Mir ist das auch mal passiert wegen einer Sache an der ich keinerlei Schuld hatte. Ich hasste diesen Lehrer.


    Heute ist mir klar dass er im Nationalsozialismus aufgewachsen war, vielleicht waren ja seine Eltern sogar überzeugte Nazis. Und dass Gewalt schon lange Zeit vorher zu Erziehung und Unterricht gehörte, weil man der Meinung war dass das notwendig und heilsam wäre. Diese Ansicht war zu Beginn meiner Schulzeit noch weit verbreitet. Und dieser Lehrer wusste nichts vom Buddha und ist als Kind vielleicht gar vom Religionslehrer geschlagen worden.


    Ich frage mich ob ich in einem solchen Umfeld legitmierter Gewalt überhaupt eine Chance zu einer mehr ethischen Gewissensbildung gehabt hätte? Ich glaube gut und böse sind in jedem Menschen potentiell angelegt, und diese Einsicht erleichtert mir die Vergebung. Ich hatte in dieser Sache mehr Impulse zu rechter Gesinnung bekommen, habe da mehr Glück gehabt. So denke ich an diesen Lehrer nicht mehr als einen grundsätzlich schlechten Menschen, dem ich als von vorn herein Besserer gegenüberstehe, sondern eher als Mensch wie er an sich nun mal ist - wie wir sind. Das Gefühl der Verletzung sehe ich eher im Zusammenhang des Daseinsmerkmales Dukkha - so ist die Welt nun mal. So haben die Hass- und Rachegefühle abgenommen, ich würde ihm jetzt eher ins Gewissen reden wollen als es ihm heimzuzahlen.

  • Das ist richtig, mukti. Wenn Du Dir jetzt vorstellst, dass dieser Lehrer Dein Vater gewesen wäre und er Dich jahrelang fast täglich erniedrigt und geschlagen hätte für die kleinsten "Vergehen", nützt Dir das Verständnis für seine Biografie nur wenig. Du kannst mit dem "Kopf" verzeihen, Dein "Herz" bleibt ganz tief verletzt und ist deswegen nicht in der Lage zu vergeben. Das klappt eben nicht so. Ich habe Jahre der Meditation gebraucht um zu akzeptieren dass das so ist. Wenn ich zornig werde weiss ich jetzt woher das kommt und akzeptiere das als mein "Erbe". :sick: Dann wird es meistens besser :)

  • happygolucky:

    Das ist richtig, mukti. Wenn Du Dir jetzt vorstellst, dass dieser Lehrer Dein Vater gewesen wäre und er Dich jahrelang fast täglich erniedrigt und geschlagen hätte für die kleinsten "Vergehen", nützt Dir das Verständnis für seine Biografie nur wenig. Du kannst mit dem "Kopf" verzeihen, Dein "Herz" bleibt ganz tief verletzt und ist deswegen nicht in der Lage zu vergeben. Das klappt eben nicht so. Ich habe Jahre der Meditation gebraucht um zu akzeptieren dass das so ist. Wenn ich zornig werde weiss ich jetzt woher das kommt und akzeptiere das als mein "Erbe". :sick: Dann wird es meistens besser :)


    ja, das kann man vermutlich nur nachvollziehen, wenn man es selbst erlebt (hat) - und froh sein, wenn man da nicht durch muss. Auf dem spirituellen Weg ist das ja eines der größten Hindernisse, aber auch eine Aufagbe an der man sehr reift.