Loslassen der Vergangenheit

  • Hallo,
    ich bin neu hier im Forum und auch mit dem Thema Buddhismus beschäftige ich mich erst seit einigen Monaten.
    Seit einigen Wochen meditiere ich nun regelmäßig...
    Und habe festgestellt, dass ich einfach vom Gefühl her vielen Menschen und Situationen - in der Gegenwart und auch in der Vergangenheit - verzeihen kann und einiges viel sanfter und mitfühlender sehe.
    Allerdings werden mir plötzlich immer mehr Situationen bewusst, in denen ich mich in der Vergangenheit anderen Menschen gegenüber falsch verhalten habe.
    Ich denke nicht darüber nach, es kommt mir einfach in den Sinn. Und ich verurteile mich auch deshalb nicht, ich habe keine Schuldgefühle, aber dennoch würde ich gerne diese Menschen um Verzeigung bitten (innerlich?).
    Wie ist eure Sicht dazu?
    Was kann ich tun?
    Vielen lieben Dank für eure Hilfe!

  • MissMuffin:

    Allerdings werden mir plötzlich immer mehr Situationen bewusst, in denen ich mich in der Vergangenheit anderen Menschen gegenüber falsch verhalten habe.


    :D
    Ja, das passiert. Nicht ausweichen, nicht verdrängen.


    Was mir hilft: Langsame, ruhige Niederwerfungen. Drei vor, drei nach jedem Sitzen. Es hilft dabei, mich auf das Aussichtslose einzulassen. Es hilft, mich zu erinnern, dass ich nicht das Steuer in der Hand habe. Es hilft, mich in das große Ganze einzuordnen. Es ist eine Ehrbezeugung gegenüber all dem, was ist, was ich nicht weiß und kenne, was ich nicht beurteilen kann, vor dem Unangenehmen, das ich nicht "wegmachen" kann.


    Wenn man die Situation gut genug durchschaut, kann es hilfreich sein, sich auch tatsächlich zu entschuldigen. Das Gespräch zu suchen und zuzugeben, dass man einen Fehler gemacht hat. Die Leute sind unglaublich bereit, zu verzeihen. Ich sehe den Sinn der Entschuldigung vor allem darin, dem anderen zu bestätigen, dass seine Wahrnehmung der Dinge richtig war. Aber das hilft nicht in jedem Fall, es ist auch nicht immer möglich.

  • Hallo,


    MissMuffin:


    Allerdings werden mir plötzlich immer mehr Situationen bewusst, in denen ich mich in der Vergangenheit anderen Menschen gegenüber falsch verhalten habe.
    Ich denke nicht darüber nach, es kommt mir einfach in den Sinn. Und ich verurteile mich auch deshalb nicht, ich habe keine Schuldgefühle, aber dennoch würde ich gerne diese Menschen um Verzeigung bitten (innerlich?).
    Wie ist eure Sicht dazu?
    Was kann ich tun?


    Diese Menschen innerlich um Verzeihung bitten.

  • mukti:

    Diese Menschen innerlich um Verzeihung bitten.


    Warum Innerlich?
    Ich meine, es mag gute Gründe geben, es nicht 'real' zu tun, aber warum ist das für Dich keine Option?. Oder verstehe ich Dich falsch?


  • Hallo und herzlich Willkommen MissMuffin, :D
    um Verzeihung bitten, wenn es möglich ist, ansonsten innerlich, aber nichts von ihnen erwarten wie z.B. dass sie sich vielleicht freuen. Das jedenfalls habe auch ich getan, nachdem mir die Schuppen von den Augen gefallen sind.
    _()_

    Ohne mich ist das Leben ganz einfach

    Ayya Khema

    Oder anders ausgedrückt: Die Beherrschung der Gedanken ist der Weg zum Glück (SH Dalai Lama)

  • Hallo, MissMuffin,
    das ging mir auch so. Alles mögliche kam durch die Meditation so hoch. Andere um Verzeihung bitte war ein Weg, anderen verzeihen auch.
    Mich selbst erkennen, zu merken, dass ich nicht immer so nett bin wie ich von mir gedacht hatte, zu realisieren, dass ich ein normaler Mensch mit Schwächen bin wie alle anderen auch, mir selbst zu verzeihen für den Blödsinn, den ich gemacht habe, ist für mich die wichtigste Voraussetzung für echtes Mitgefühl mit anderen Menschen geworden.

  • Axel:
    mukti:

    Diese Menschen innerlich um Verzeihung bitten.


    Warum Innerlich?
    Ich meine, es mag gute Gründe geben, es nicht 'real' zu tun, aber warum ist das für Dich keine Option?. Oder verstehe ich Dich falsch?


    Du hast recht, real ist das bestimmt auch eine Option. Ich habe bei dem Post von MissMuffin das Fragezeichen übersehen: "dennoch würde ich gerne diese Menschen um Verzeihung bitten (innerlich?)", da dachte ich es wäre ihr wichtig das innerlich zu tun. Und habe mich auch spontan an meine Eltern erinnert, die ich seinerzeit manchmal geplagt habe, wie das wohl oft bei Jugendlichen der Fall ist. Und weil sie schon verstorben sind, habe ich sie mit zunehmender Einsicht innerlich um Verzeihung gebeten, mit dem Gefühl von Reue, dass ich damals eine ungerechte Haltung eingenommen habe. Aber bei entsprechender Gelegenheit ist ja nichts verkehrtes daran, das auch äußerlich zu tun.
    Z.B. bei dieser Gelegenheit, manchmal bin ich wahrscheinlich im Forum zu aggressiv gewesen, da bitte ich gleich mal um Verzeihung.

  • Hallo MissMuffin
    Das Erste in meinen Augen wäre, zu akzeptieren was bereits geschehen ist.
    Ohne sich in Selbstvorwürfen oder schlechtem Gewissen o.ä. zu wälzen.


    Dann gibt es die Möglichkeit der "Bereinigung" von Taten die man bereut.
    Und man kann Dinge auch "wieder gut machen" indem man Heilsames tut und diesen Verdienst dann widmet.
    (Wieder gutmachen hier nicht im Sinne von "ungeschehen machen" gemeint)


    LG Rolf

  • Vielen herzlichen Dank für eure Antworten!!!
    Useless:
    Innerlich verabschieden deshalb, weil einige dieser Menschen (Familienangehörige) inzwischen verstorben sind.
    Danke an alle! Es hilft mir sehr!

  • Hallo MissMuffin,


    in dem Youtube-Video "Karma - Gefesselt an Gestern und Morgen" (*) wird gesagt:


    "Weil wir früher Leiden erzeugt haben, wird es für uns auch in Zukunft für uns Leiden geben. Denn die Zukunft ist letztlich nur das Echo vergangener Handlungen. (...) Können wir zukünftiges Leiden also überhaupt verhindern? Ja, das können wir. Unser unheilsames Karma ist wie ein schmutziger Wassertropfen auf dem Grund eines großen Topfes. Der Schmutz ist da. Wir können das nicht ändern. Wir können ihn nicht entfernen. Doch wir können klares Wasser nachfüllen. Tropfen für Tropfen, immer wieder ein bisschen. Und irgendwann ist das Wasser im Topf wieder fast perfekt sauber. "


    Grundsätzlich wird im Buddhismus Niedergeschlagenheit wegen früherer Taten oder was immer als nicht heilsam angesehen. Diese Niedergeschlagenheit hat eine negative Rückwirkung auf einen selbst: Statt positiv und objektiv die Dinge versuchen gut zu lösen, steckt man in negative Gedanken über einen selbst, die einen runterziehen. So kommt man aus einem negativen Kreislauf nicht raus und ist weder eine Hilfe für sich selbst oder andere. Ich denke es ist heilsam wegen vergangener Taten Demut zu entwickeln. Demut hat keine negative Rückwirkung und verhindert Rückfall. Was vielleicht auch helfen kann, ist diesen Leuten freundlich zu gedenken.


    Grüße, Anandasa


    * https://www.youtube.com/watch?v=Gg6xCDuLSNk

    Die Dinge entstehen, existieren und vergehen. Das ist normal. Ajaan Tippakorn

  • MissMuffin:

    Jojo
    Bitte erkläre mir die Niederwerfungen...
    Vielen lieben Dank!


    Hm, Hände in Gassho, runter auf die Knie, Stirn auf den Boden, und wieder hoch.
    Oder besser ins nächste Zendo gehen und fragen.


  • Falls du nicht die Möglichkeit hast, diese Menschen persönlich im Hier und Jetzt um Verzeihung zu bitten ist es denke ich vollkommen ok, wenn du es innerlich tust, denn mehr ist dann ja nicht möglich. Solange deine Gedanken und Gefühle dabei aus einem reinen ehrlichen Geist kommen erzielt es auf jeden Fall einen positven Effekt. Was zählt ist die Art der Motivation dabei. Ansonsten ist es natürlich immer besser, wenn man es von Angesicht zu Angesicht machen kann. Die Frage ist nur, ob sich die betreffende Person dann noch selbst daran erinnert. Mir ist es oft schon so ergangen, dass die Fehler die ich selbst nie vergessen konnte, bei anderen längst vergessen waren. Trotzdem habe ich mich danach besser gefühlt.

  • MissMuffin:


    Innerlich verabschieden deshalb, weil einige dieser Menschen (Familienangehörige) inzwischen verstorben sind.
    !


    Es kann auch sein, dass die Angst vor diesem Menschen so groß ist, dass es nicht möglich ist. Nachdem mir die Einsichten kamen, die Du auch hattest, habe ich mich innerlich mit meinem Bruder verbunden. Eigentlich hätte er um Verzeihung bitten müssen, aber ich hatte die Hintergründe erkannt und die Triebkräfte "gesehen", die ihn zu seinem Verhalten gezwungen haben. Deshalb konnte ich auch sehen, dass auch ich ihm die Hand reichen kann. Ich habe dies über Träume und in Meditationen erlebt. Irgendwann hat sich die Situation so verändert, dass ich meine Angst überwinden konnte. Die Versöhnung war überwältigend. Im Laufe der letzten 15 Jahre haben wir immer mehr zueinander gefunden. Ich bin froh, dass ich diese Bürde nicht mehr mit mir herumtrage, auch wenn ich sie nicht als von mir verursacht sehe.
    _()_ Monika

    Ohne mich ist das Leben ganz einfach

    Ayya Khema

    Oder anders ausgedrückt: Die Beherrschung der Gedanken ist der Weg zum Glück (SH Dalai Lama)

  • Es ist völlig o.k. wie Du es machst, Verzeihen ist die einzige Option um in Krisen inneren Frieden zu finden,
    auch einem 'Täter' gegenüber gibt es keine andere Möglichkeit für das Loslassen als zu verzeihen.
    Ob bei Toten innerlich verzeihen oder bei Lebenden direkt ist nicht so entscheidend, wichtig ist es zu tun.
    Jemand der verzeiht macht sich stabil und stark und kann gut Widerstand leisten gegen die Umwelt.