Die sechs Daseinsbereiche

  • Hallo !


    Heute möchte ich eine Frage, meine erste Frage, an das Forum richten. Es geht um die sechs Daseinsbereiche im tibetischen Buddhismus. Ich zitiere hier einmal den Artikel auf Wikipedia dazu:


    "Im Mahayana-Buddhismus wird die Welt häufig in Sechs Daseinsbereichen (Sanskrit, Pali: Sechs Gatis, manchmal auch Lokas) dargestellt. Wiedergeburt führt je nach selbst gewirktem Karma in einen dieser Bereiche. Als kostbarste Geburt gilt die Geburt im Bereich der Menschen, da dort Befreiung aus dem leidvollen Daseinskreislauf (Samsara) am ehesten möglich ist. Bildliche Darstellungen der Daseinsbereiche gibt es in allen buddhistischen Traditionen. Am häufigsten begegnet man ihnen im Lebensrad des tibetischen Buddhismus.


    Der Bereich der Götter (Devas): Die Daseinsform als ein Gott ist nicht Erlösung; auch die Devas sind von Leiden und Tod nicht frei und unterliegen noch den Zwängen des Samsara. Weil das Dasein als Gott aber relativ glücklich ist, ist es umso schwieriger, die Notwendigkeit der Erlösung einzusehen; sie sind durch ihren temporären Glückszustand borniert und sind daher nicht empfänglich für die Belehrung des Buddha. Ihre charakteristische Emotion ist Stolz.


    Der Bereich der eifersüchtigen Götter: Sie werden auch Asuras oder Titanen genannt. Die eifersüchtigen Götter hadern beständig mit den Göttern und versuchen ihren Platz einzunehmen, was ihnen aber nicht gelingt. Es herrscht ein ständiger Kampf. Sie haben keine Zeit, die buddhistischen Lehren zu praktizieren. Ihre charakteristische Emotion ist Eifersucht.
    Der Bereich der Menschen: Obwohl großen Leiden unterworfen (Geburt, Altern, Krankheit, Tod, Trauer, Trennung) ist die Menschenwelt der günstigste Bereich, da es den Menschen am ehesten möglich ist, die Lehre des Buddha zu hören und gemäß der Lehre zu leben. Die Chance, aus dieser Existenzform die Erlösung vom Leiden und der Wiedergeburt zu erreichen, ist höher als in jedem anderen Bereich. Das Dasein als Mensch ist deshalb allen anderen Existenzformen vorzuziehen.


    Der Bereich der Tiere: Tiere sind nicht fähig, ihre eigene Lage zu reflektieren und sich aus ihrer jeweiligen Situation mit eigenen Kräften nachhaltig zu befreien. Sie können nur ihren Trieben und Instinkten folgen und sind anderen Wesen oft hilflos ausgeliefert. Auch hier überbringt der Buddha seine Botschaft. Unter sehr günstigen Umständen kann ein Tier die Befreiung erlangen. Die charakteristische Emotion der Tiere ist Unwissenheit.


    Der Bereich der hungrigen Geister: Sie sind auch unter dem Namen Pretas bekannt. Hier befinden sich jene, die in ihrer Vorexistenz habgierig, geizig oder gefräßig waren, kurz: die, die nie genug bekommen konnten. Ihre charakteristische Emotion ist die Gier. Hungergeister werden unaufhörlich von Durst und Hunger gequält. In der bildlichen Darstellung sind ihre Bäuche übergroß, dick und aufgebläht. Die engen Münder und dünnen Hälse machen es ihnen unmöglich, den riesigen Bauch zu füllen, sie können niemals satt werden. Dazu verwandelt sich in manchen Darstellungen jegliches Wasser, dem sie sich nähern, in flüssiges Feuer und Nahrung in Exkremente usw. Auch das Schlafen wird den Hungergeistern schwer gemacht. Dämonische Wesen oder das Heißwerden des Bodens halten sie davon ab, sich hinzulegen und zu schlafen. Buddha ermutigt sie, näher zu kommen und ihm ihre Bitten vorzubringen, und zeigt mit der Wunschgewährungsgeste seine Bereitschaft, zu helfen. Er hält Nektar bereit, von dem die Pretas zumindest einige Tropfen aufnehmen können.


    Der Bereich der Hölle: Das Reich ist zweigeteilt in die heißen und die kalten Höllen, diese zwei Höllenformen wiederum sind in zahlreiche Unterhöllen unterteilt. Entsetzliche Qualen erwarten den, der sich in diesen Höllen befindet. Sie enden, wenn sich das unheilsame Karma, das hierher führte, erschöpft hat. Die charakteristische Emotion der Höllenbereiche ist Hass."


    Meine Fragen dazu:


    Mir erscheint der Glaube an Geister nicht richtig. Ich meine damit, dass diese Darstellung eine sehr mythologische ist, mit der ich leider nichts anfangen kann. Und da muss ich den Buddha zitieren, der sagte:


    "Glaube nichts, weil ein Weiser es gesagt hat.
    Glaube nichts, weil alle es glauben.
    Glaube nichts, weil es geschrieben steht.
    Glaube nichts, weil es als heilig gilt.
    Glaube nichts, weil ein anderer es glaubt.
    Glaube nur das, was Du selbst als wahr erkannt hast."


    Aber auch die Götterwelt und die Hölle erscheint mir sehr eigenartig. Wieviele Welten existieren nun, oder darf man diese Welten als nicht stofflich verstehen?
    Ist diese Ansicht im Buddhismus eine allgemein gültige, oder wird sie tatsächlich nur im Mahayana-Weg vertreten? Anders formuliert, ist es möglich, dem Dharma zu folgen und Buddhist zu werden, wenn man an diese sechs Daseinsbereiche nicht glaubt?


    Ich hoffe man verzeiht mir diese Skepsis und den Unglaube.



    Danke, vielmals.


    Diapsalmata

    • Offizieller Beitrag

    Eine der Deutungsversuche geht, davon aus, dass es sich um eine Kategorisierung bestimmter, typischer "Grundzustände" im Bezug auf die buddhitische Praxis handelt.


    • Demnach, wäre ein Deva jemand "dem es zu geht um zu praktizieren", man könnte sich da einen Anghöriger des Jet Sets vorstellen, der ein unbeschwertes Leben führt.


    • Während ein "Asura" ein Zustand des Neides und des Erfolgsdrucks ist, in dem man "zu ehrgeizig etwas nachjagt, um zu praktizieren", also ein erfolgshungriger Manager oder ein getriebener Revolluzer.


    • Ein Tier ist jemand, der "zu einfältig ist, um zu praktizieren". Chögyam Trungpa assoziiert das auch mit "bierernst" und "Humorlosigkeit". Also die mangelnde Fähigkeit zu Refexion, die auch bei intelligenten Leuten auftreten kann.



    • Ein Hungergeist ist jemand, der "zu süchtig ist um zupraktizieren", also z.B ein schwer Heroinabhängig.


    • Und ein Höllenwesen jemand, der nicht praktizieren kann, weil er vollkommen von unguten Geitezuständen absorbiert ist, also ein verrückter Massenmörder, Foltermeister oder sowas. Jemand der in sich die Hölle hat uns sie nach Aussen trägt.


    Diese Einteilung gilt für Menschen aber ich schätzt, wenn es irgendwo anderes intelligentes Leben gibt, gilt das auch für die. Es geht vor allem darum, Wesen nach ihrer Fähigkeit zur Praxis einzuteilen.


    Und natürlich war da auch ein guter Weg, den Buddhismus in andere Kuturen zu integrieren, indem deren Götter und Geister in diesen buddhitischen Kontext eingeabaut werden können. Wo die Leute früher Opfer für ihre verstorbenen Verwandten im Geisterreich darbrachten, konnte man diese nun als Hungergeister ansehen.

  • Hi!


    Ganz gut erklärt auf Wikipedia.


    Ja ich denke diese detaillierten Definitionen kommen viel aus der Mythologie.


    Ich persönlich würde da eher eine verschmelzung zwischen stofflichen und geistigen Ebenen sehen.


    Um nur ein paar Beispiele zu nennen:


    Götter: Stars oder ähnliche Menschen die einen hohen Status haben (sei es Geld oder Macht oder sonstiges). Auf diese trifft die sinnbildliche Beschreibung und die Emotion perfekt zu. Ihnen geht es gut und das auch meist nur einige Zeit, in dieser Zeit aber besser als den meisten anderen. Nur die allerwenigsten finden daneben Zeit sich mit Dingen zu beschäftigen die heilsam für andere als für sich selbst sind. Daher ist Stolz finde ich auch eine passende Emotion.


    Tiere: Kennst du das vielleicht, wenn zb deine Katze krank ist. Du gehst mit ihr zum Tierarzt und sie bekommt Medikamente verschrieben. Du kannst einer Katze nicht klarmachen, dass die Medikamente dafür da sind, damit ihre Schmerzen besser werden. Natürlich auch deswegen, weil sie ein Tier ist - klar. Aber wenn das zb Medikamente sind, die sie den Rest ihres Lebens nehmen muss, werden die allermeisten Katzen das nie akzeptieren und immer wieder zetern wenns dran geht die Medikamente einzunehmen. Eben unter anderem weil sie selbst die assoziation nicht herstellen können zwischen ihren Schmerzen - und deren Linderung durch die Einnahme der Medikamente.
    Und auch kann man es keinen Tier abgewöhnen, wenn es denn Fleischfresser ist, andere Tiere nicht zu töten und zu essen. Das wäre der Instinkt Teil aus dem Artikel.


    Hungergeister finde ich, könnte man zb auch im übertragenen Sinne unter den Menschen finden. Leute die getrieben werden von psychosen, total daneben sind, nie genug bekommen.


    Das sind meine Interpretationen. Und ich denke eben, dass die Daseinsbereiche in jeden Fall sogar existieren. Aber dass man sie eben nicht ausschliesslich auf stoffliche ODER geistiger/energetischer Ebene definieren kann. Es gibt sicher auch andere Universen oder Dimensionen oder ähnliches (auch meine Überzeugung jetzt). Und dort kann es gut sein, dass alle dieser Bereiche anders aussehen. Ich denke die Begriffe (Mensch, Tier usw) sind in erster Linie deswegen im Gebrauch, weil wir diese stofflichen Formen eben kennen. Aber die Bedeutung und charakeristik dahinter trifft womöglich manchmal viel subtiler zu als es der Bereich andeutet....


    Glaube nichts ist gut!
    Ich traue mich zu behaupten, dass du hier auch nur Meinungen finden wirst. Womöglich musst du erst erleuchtet sein, um alle Daseinsbereiche zu kennen und zu sehen (sofern es sie denn gibt).


    Obs die nur im Mahayana gibt, weiss ich leider nicht :)


    Gruss!

    mani-tibetan.jpg

    • Offizieller Beitrag
    e-coder:

    Meinen elends langen BLABLA Text auf den Punkt gebracht :))


    Danke dir!


    Ist es nicht komisch, dass die Daseinbereiche sehr die sozialen Schichten abbilden:


    • Götter=Oberschicht
    • Gegegötter= konkurrierende Oberschicht /Oppositio
    • Menschen = Mittelschicht
    • Tiere = körperlich hart Arbeitende Menschen
    • Hungergeister = Arme/Prakariat
    • Höllenwesen = Feinde der Gesellschaft/ Ausgestossene Banditen


    Ist das Zufall? Oder ist es in Kosmologien normal, dass soziale Gegenheiten ins Kosmische projeziert werden?


    (Wenn du ein braver Sklave und imme recht artig fächerst, wirst du ihm nächsten leben auch als fetter Beamter geboren, wie ich)

  • Nein ich denke sogar eher, dass das genau deswegen so ist.


    Und das liegt wohl einfach an den Störgefühlen von denen jeder von uns eingenommen ist.


    Die Position in die du reingeboren wirst hängt ja doch von deinen karmischen Vorraussetzungen ab.


    Daher wäre es für mich nur logisch, wenn dies bei der Reinkarnation auch zum tragen kommt.


    Im tibetischen Totenbuch ist das auch ziemlich gut beschrieben, in welchem Abschnitt man in welchen Bereich kommen kann je nach karmischer Neigung.


    Die Frage ist halt einfach: Wurde dieses 6Punkte Konstrukt erfunden, um eben den Sklaven das vorzugaukeln und die sozialen Schichten besser trennen zu können (dafür würde die doch sehr kulturell-mystliche Beschreibung sprechen)?
    Oder ist es eher so, dass es diese 6 Bereiche tatsächlich gibt und dies die wohl für Menschen beste Beschreibung dafür ist...


    We'll never know :)

    mani-tibetan.jpg

    • Offizieller Beitrag
    e-coder:


    Die Frage ist halt einfach: Wurde dieses 6Punkte Konstrukt erfunden, um eben den Sklaven das vorzugaukeln und die sozialen Schichten besser trennen zu können (dafür würde die doch sehr kulturell-mystliche Beschreibung sprechen)?
    Oder ist es eher so, dass es diese 6 Bereiche tatsächlich gibt und dies die wohl für Menschen beste Beschreibung dafür ist...


    Oje, ich denke es ist wirklich alles zusammen.


    Es ist ersteinmal eine Gliederung, wie man im Bezug zur Praxis so drauf sein kann. Auf der anderen Seite, ist die Frage, in welcher Lage man sich befindet auch eine soziale Frage. Wenn du dich in der Situation eines laststiers bis und 14 Stunden am Tag schuftest, dann musst du dich sehr bemühen, da auch noch buddhitische Praxis zu betreiben.


    Und natürlich ist Buddhismus und die Karma-Vorstellung ein Weg sein, jenseits von äußeren Umständen glücklich. Diese Annehmen der Bedingungen, kann natürlich von Mächtigen dazu benutzt werden, die Leute dumm und abhängig zu halten. Und so den Status Quo zu bewahren.


    Das der eine Sinn der ursprüngliche ist, heisst ja nicht, dass dann noch andere dazugeschlichen haben.

  • void:
    e-coder:


    Die Frage ist halt einfach: Wurde dieses 6Punkte Konstrukt erfunden, um eben den Sklaven das vorzugaukeln und die sozialen Schichten besser trennen zu können (dafür würde die doch sehr kulturell-mystliche Beschreibung sprechen)?
    Oder ist es eher so, dass es diese 6 Bereiche tatsächlich gibt und dies die wohl für Menschen beste Beschreibung dafür ist...


    Das der eine Sinn der ursprüngliche ist, heisst ja nicht, dass dann noch andere dazugeschlichen haben.



    Wie wahr...

    mani-tibetan.jpg

  • Die Vorstellung von den verschiedenen Daseinsbereichen ist eigentlich eine allgemein buddhistische Vorstellung und findet sich schon in den Schriften des Palikanons. Es gibt sogar nicht nur 6 unterschiedliche Daseinsbereiche, sondern in den Schriften werden sogar 31 verschiedene Daseinsbereiche beschrieben, in denen eine Existenz als Wesen möglich ist, wobei nicht in allen Welten (Weltsystemen) auch immer die 31 verschiedenen Daseinsbereiche vorhanden sein müssen, d.h. in einigen Schriften wird auch von Welten geschrieben, in denen es nur z.B. grobstoffliche Wesen und keine feinstofflichen Wesen gibt und ähnliches. Weitere Infos findet man hier:
    http://www.dhammawiki.com/inde…le=31_planes_of_existence
    http://www.buddhanet.net/pdf_file/allexistence.pdf
    https://en.wikipedia.org/wiki/…y_of_the_Theravada_school
    http://www.lawsofthenature.com/PlanesOfExistence.aspx

  • Das ist schon ein sehr komplexes Thema, was ich persönlich auch sehr frag-würdig finde. Wichtig zu erwähnen wäre vielleicht auch, dass es sich bei diesen 6 Daseinsbereichen eben auch um Geisteszustände handelt. Bewusstseinsstufen. Das lässt sich im Alltag gut beobachten, wie ich finde. Ich habe diese Darstellung wahrgenommen und stelle sie nach wie vor in Frage.
    Es ist aber nicht zwingend dringend erforderlich, so denke ich, diese in die eigene Weltanschauung aufzunehmen, denn wenn wir uns die Worte Buddhas ansehen-
    Wie will man denn Erkenntnis darüber gewinnen?
    Alle Erklärungsversuche verlieren sich in Spekulationen und abstrakten Vor- Stellungen.

    "Niemals wirst du dich der Welt recht erfreuen, ehe nicht die See selbst in deinen Adern fließt, dich der Himmel umhüllt und die Sterne dich krönen."


    "Centuries Of Meditation" von Thomas Trahernes