Wie findet mich die richtige Richtung?

  • Werte Forenteilnehmer,


    ich habe erst vor Kurzem Zuflucht zum Buddhismus genommen. Jetzt möchte ich mich hinsichtlich der Lehre und Praxis, für die ich geeignet bin, näher orientieren.


    Die verschiedenen Richtungen, Linien, Ansichten etc. erscheinen mir unüberschaubar und alle verfügbaren Übersichten sind entweder so akademisch, daß man als Laie kaum etwas damit anfangen kann, oder sie sind aus dem Blickwinkel einer bestimmten Richtung beschrieben und damit stark gefärbt.


    Wer kann mir weiterhelfen? Eventuell mit guten Empfehlungen, Bücher, Links etc.

  • Hi
    Fragender
    Warum findest Du dich nicht einfach SELBER ?
    hmmm?
    Damit du weisst, was du willst ..


    Eine Richtung kann nicht finden .. Richtungen sind wohl eher passiver Natur ..
    .
    .
    sagt mal, Fragender .. zu WAS hast denn Zuflucht genommen und warum und so ?
    Hast der grad passenden Luftströmung die Zuflucht genommen oder war da ein Grund ?
    Ich nimm doch nicht Zuflucht zu ETWAS was ich nicht kenne, oder ?
    .
    .
    .

    Suche nicht nach der Wahrheit; höre nur auf, an Meinungen festzuhalten.


    Meister Seng Ts'an

  • Namaste Fragender


    die richtige Richtung findest du, wenn du mal ernsthaft mit einer anfängst. Nur wenn du mal wirklich in etwas eintauchst und nicht drum rum tänzelst ob es auch perfekt ist kannst du sie finden, denn es geht um den Inhalt, nicht um die Ausschmückung. Und wenn du dann ein wenig mehr über dich und deine Praxis heraus gefunden hast kannst du, da du dann auch richtigen Kontakt zum Dharma hattest nochmal gucken, ob du da wo du bist, richtig bist.
    Aber ohne Anfang kein Ende.
    Es gibt viele die zwischen den Welten wandeln, nicht hier nicht da. Das ist quälend, aufreibend und irgendwann prallt man vom Dharma einfach ab.
    Dein Anfang ist schon schwierig. Am leichtesten hat man es, wenn man gar nicht bemerkt das man etwas gefunden hat. Du musst wohl deine Disziplin aufbringen mal die Ruhe aufzubringen etwas ernsthaft auszuprobieren. Das tut mir zwar leid für dich, aber ich denke das es zu schaffen ist.
    Ein Lehrer, also ein Zentrum, eine Sanga, Freunde auf dem Weg in deiner Nähe, können da sehr hilfreich sein dran zu bleiben, als wenn man alleine in den Büchern schmökert und sich die Rosinen rauspickt.
    Nimm doch einfach das nächste buddhistische Zentrum in deiner Nähe, das du am ehesten regelmäßig besuchen könntest. Das ist handfest und realistisch. Egal welche Richtung, einfach weil es das ist, was in deinem Lebenskreis vor kommt. Nimms mit und werde kein Buddhismus Tourist. Dann lebst du in deiner Umwelt, in deinem Kosmos, mit dem Buddhismus in deiner Welt. Wie jeder andere in einem buddhistischen Land.


    Gute Wünsche,
    Karma Pema

  • Eins der Probleme ist, daß du viele der interessanteren buddh. Richtungen gar nicht oder nur schwer in Deutschland (falls du hier wohnen solltest) finden wirst.
    Und von denen, die du in Deutschland findest, sind viele aus meiner Sicht eher Sekten oder fragwürdige Gemeinschaften. So eher die Kategorie: Würde ich meinem schlimmsten Feind nicht wünschen.
    Also so ein: es ist völlig egal, welche Gruppe, hauptsache du schliesst dich einer an und praktizierst in ihr ernsthaft, halte ich schon für sehr gefährlich.


    Also ich halte verschiedenes wichtig, wie bei anderen Dingen im Leben auch.
    Schau, was es für Gruppen in deiner Nähe gibt.
    Informier dich über die jeweilige Gruppe. Auch: Was gibt es an kritischen Stimmen über die Gruppe?
    Schau sie dir an. Zumindest kriegst du dann sehr schnell mit, wenn etwas nicht mit dir harmoniert. ;)


    Die meisten beschreibungen der buddh. Richtungen sind entweder zu sehr auf eine Richtung bezogen oder zu theoretisch. Zu zweiterem gehört http://www.mb-schiekel.de/phil2.htm, was aber vielleicht trotzdem nen Blick wert ist (aber auch durchmischt ist mit den philosophischen Denkrichtungen im Buddhismus).


    Deiner traditionalen Gesinnung entsprechen vielleicht am ehesten:
    Vajrayana (da hast du das Initiale, das du bei Evola und von Dürckheim findest, auch eine Arbeit mit Archetypen). Eigentlich würd ich sagen, eher Shingon (vielleicht auch Tendai), als tibet. Buddhismus, nur wirds da in Deutschland sicher schwierig.
    Arya Maitreya Mandala wär vielleicht noch ne Überlegung wert.
    Zen (das kommt vielleicht deinem maskulinen Element entgegen, aber er könnte zu nah am Daoismus gebaut sein)

  • Da muss man durch. Anfänger fängt am Anfang an :)
    Warum bleibst du nicht erstmal da, wo du Zuflucht genommen hast?

  • Hallo Fragender,


    "ich habe erst vor Kurzem Zuflucht zum Buddhismus genommen. Jetzt möchte ich mich hinsichtlich der Lehre und Praxis, für die ich geeignet bin, näher orientieren."


    Hierzu muss ich etwas anmerken:
    wir nehmen nicht Zuflucht zum Buddhismus.
    Sondern wir nehmen Zuflucht zum Buddha, Dharma und Sangha. Genauer gesagt: wir gehen um Zuflucht. Denn es heißt im ersten Zufluchtssatz: "Buddham saranam gaccami" also: "zum Buddha gehe ich um Zuflucht".
    Es ist darauf Wert zu legen, dass die Zuflucht ein aktiver Schritt auf etwas hin ist, nicht eine Flucht vor etwas.
    Desweiteren ist der Begriff "Buddhismus" eine westliche Begriffskonstruktion. Ein Äquivalent dazu gibt es in den ursprünglichen buddhistischen Ländern nicht, da heißt es vielmehr, den Weg des Dharma zu gehen.


    Ich selbst habe gute Erfahrungen damit gemacht, dass ich in ganz jungen Jahren mit dem Theravada und seinem Grundverständnis angefangen habe.
    Das Mahayana habe ich damals auch gar nicht richtig begriffen, dazu musste ich wohl erstmal Lebenserfahrung sammeln.
    Heute ist nach meiner langjährigen Erfahrung das Mahayana/Vajrayana umfassender, es ist ganzheitlich. Man könnte auch "holographisch" dazu sagen. Aber dieses näher auszuführen, sprengt hier das Thema. Die unterschiedliche philosophische Auffassung zwischen Theravada und Mahayana ist ein ganz spezieller Bereich, den man in viele verschiedene Einzelthemen aufteilen könnte.


    Die mahayanisch/vajrayanischen Lehrer sagen zu Recht, dass das Theravada im Mahayana enthalten ist.
    Aber in der Praxis und den ganzen Äußerlichkeiten wirkt z. B. die tibetische Tradition auf einen Einsteiger sehr verwirrend und ablenkend, sehr magisch und sehr bunt. Hinzu kommt noch, dass die Mitglieder solcher Gemeinschaften meistens einen großen Hang zum Magisch-Bunten haben. Kommt aber mal ein Lehrer und macht z. B. ein Seminar über die Essenz des Mahamudra, so wirkt das schon als Titel ziemlich trocken, und der Besucherraum ist ziemlich leer.
    Viel anziehender dagegen ist es, wenn viel gebimmelt, geräuchert und undefinierbare Substanzen zum Einverleiben und Segensbändchen ausgegeben werden, dann ist der Raum brechend voll. Schade, dass dabei viele solcher Teilnehmer, die meistens abergläubisch sind und an den "Segen" glauben, noch nicht einmal etwas über die vajrayanischen Grundlagen wissen und von den Darstellungen der Thangkhas, die in solchen Räumen hängen, null Ahnung haben.


    Tashili hat Dich gefragt, warum Du nicht erstmal dort bleibst, wo Du Zuflucht genommen hast.
    Wir wissen ja gar nicht, ob Du überhaupt öffentlich Zuflucht genommen hast.
    Eine Zuflucht ist auch dann vollgültig, wenn Du sie ehrfürchtig, aufrichtig und voller Vertrauen in den Buddha, Dharma und Sangha ganz allein in Deinem stillen Kämmerlein genommen hast. Aber es ist natürlich schöner, wenn man das öffentlich macht, unter Zeugen.


    Mein Tipp an Dich ist, dass Du Dir zunächst mal darüber klar wirst, welches die Gemeinsamkeiten und welches die Unterschiede zwischen den Hauptrichtungen, dem Theravada und dem Mahayana/Vajrayana sind.
    Gleiche das ab mit Deiner inneren Einstellung, Deinem Durchblick und Verständnis.
    Gleichzeitig untersuche genau die Seriosität der Gemeinschaften, denen Du Dich gerne, aufgrund Deines daraus resultierenden Verständnisses, anschließen würdest. Das braucht ein wenig Zeit. Dann dürfte eigentlich nicht mehr viel schiefgehen.


    Ich wünsche Dir viel Erfolg!


    Amdap



    P.S. Nochmals: mit meinem eigenen Weg, zuerst mich mit dem Theravada zu beschäftigen und mich später dem Mahayana/Vajrayana zuzuwenden, habe ich die besten Erfahrungen gemacht.

    Verlange nicht, dass alles so geschieht, wie du es wünschest,
    sondern wolle, dass alles so geschieht, wie es geschieht,
    und es wird dir gut gehen.
    Epiktet

  • Hallo Fragender,


    diese Frage hat mich auch eine Zeitlang ziemlich beschäftigt. Welchen Lehren aus Theravada/Mahayana/Vajrayana sind ist zudem unübersichtlich und eine Heidenarbeit das fehlerfrei rauszubekommen. Die Idee eines Geist-Kontinuums gehört in welche Richtung? Oh je ... Deswegen halte ich mich zunächst v.a. an die Lehren Buddhas. Da kann man erstmal nichts wirklich falsch machen. Dann halte ich mich eher an den Theravada, da hier noch keine großen Zusätze zu den Lehren Buddhas hinzukommen und ich so noch die Übersicht behalten kann. Die anderen Richtungen erkunde ich in kleinen Schritten und ich finde da viele Dinge, die ich als gelungen ansehe wie Betonung von Metta im tibetischen Buddhismus. Dagegen glaube ich aber nicht, dass ich jetzt z.B. in die Praxis der Weißen Tara einsteigen muss. Ich finde man macht im Westen einen Fehler, wenn man sich die Sachen aus Fernost aufstülpt. Ich bin für einen an den Westen angepassten Buddhismus. Aber das ist ein sehr kontroverses Thema. Leider.


    Wir haben ja hier im Westen das Glück, dass wir eine buddhistische Richtung wählen können und sie nicht durch unseren Kulturkreis de facto vorgegeben ist wie in vielen asiatischen Ländern. Jack Kornfield schlägt in seinem Buch "Das weise Herz" eine Mischung aus den "gelungenen Elementen" der einzelnen Richtungen vor, was er Buddhayana nennt. Er schreibt, dass sein zweiter Lehrmeister Ajahn Buddhadasa (der zum Theravada gehört) ihn darin bestärkt hat. Sowas finde ich eine sinnvolle Idee.


    Ich für mich selbst bin eher ein Freund davon die Dinge langsam anzugehen. Ich war mal in einem Tai Chi Kurs. Vor uns war der Kurs für die Fortgeschrittenen, die dann aus dem Kurssaal herauskamen. Jeder wollte nach China um dort auch einen Tai Chi Kurs zu machen. Der eine war sogar schon im Shaolin Kloster. Dieses Muster der Übertreibung findet sich überall wieder egal was die Leute sich aussuchen um ihre Leiden los zu werden - ob das jetzt Tai Chi, Segelfliegen oder Buddhismus ist. Und das obwohl ein Ziel im Buddhismus darin liegt Anhaftung abzubauen. Deswegen sage ich mir erst mal langsam, dafür kann ich auch alles nachvollziehen.


    Gruß, Anandasa

    Die Dinge entstehen, existieren und vergehen. Das ist normal. Ajaan Tippakorn

  • Amdap:

    Die mahayanisch/vajrayanischen Lehrer sagen zu Recht, dass das Theravada im Mahayana enthalten ist.


    Ganz bestimmt nicht - hatten wir erst letztens hier.


    Amdap:

    Sondern wir nehmen Zuflucht zum Buddha, Dharma und Sangha. Genauer gesagt: wir gehen um Zuflucht. Denn es heißt im ersten Zufluchtssatz: "Buddham saranam gaccami" also: "zum Buddha gehe ich um Zuflucht".


    Was sich einigermaßer verquer anhört. Und so auch grammatisch falsch, weil es sich um einen Akkusativ (Bezeichung eines Objekts des Subjekts) und nicht um einen Lokativ handelt.


    gaccati wird oft in übertragenem Sinne verwendet, in den beiden wichtigsten Fällen geht es darum, entweder eine besonders starke Intention auszudrücken oder darum "Sein, Existenz" aktivisch zu verstärken.
    Da stimmt Deine Interpretation :)


  • Zum Ersten: doch, es stimmt, aber es ist ein so komplexes Thema, dass mir die Zeit fehlt, dieses hier fachgerecht darzustellen.


    Zum Zweiten: es geht hier nicht um grammattische Korrektheit, sondern um die innere Einstellung.
    Die Zuflucht ist wirklich keine Flucht. Leider jedoch ist die innere Einstellung Vieler so, dass sie meinen, sie müssten vor dem Leben flüchten.
    Du magst jetzt protestieren, das ist mir aber egal.
    Ich gehe freudig zum Buddha, als Bild übertragen: Wir gehen freudig aufeinander zu; dort ist meine spirituelle Heimat.


    Liebe Grüße, Amdap

    Verlange nicht, dass alles so geschieht, wie du es wünschest,
    sondern wolle, dass alles so geschieht, wie es geschieht,
    und es wird dir gut gehen.
    Epiktet

  • Amdap:


    Die Zuflucht ist wirklich keine Flucht. Leider jedoch ist die innere Einstellung Vieler so, dass sie meinen, sie müssten vor dem Leben flüchten.


    Mit Zuflucht ist hier tatsächlich eine Flucht gemeint, nämlich das Verlassen einer gefahrvollen Situation (samsara) bzw. die Entscheidung dazu. Das ist auch die Flucht vor dem Leben, nämlich vor dem was man als sein Leben verstanden hat. Und die dreifache Zuflucht ist dann nichts anderes als die Hinwendung zum Schutz von Buddha, Dharma und Sangha.


    Und dass das keine "Heimat" ist, sondern ein atopos - also etwas ganz anderes, als es sich vorstellen läßt, wird man dann auch hoffentlich einmal erfahren. Kodo Sawaki meinte genau das, wenn er sich als heimatlos bezeichnete: die Zuflucht ist keine Heimat sondern die Hauslosigkeit bzw. Heimatlosigkeit.

  • Ich meine, es geht gegenüber Neulingen letztlich auch n bissel um Genauigkeit. Das dürfen die sehr wohl erwarten und kein irgendwie Larifari. Du patzt da gleich 2x und beharrst noch darauf, kein guter Anfang - für Dich.

  • Hallo Amdap,

    Amdap:

    Die Zuflucht ist wirklich keine Flucht. Leider jedoch ist die innere Einstellung Vieler so, dass sie meinen, sie müssten vor dem Leben flüchten.


    das ist interessant. Wie aber soll man flüchten.


    Für mich ist dieses Ritual eine geistig-körperliche Ausrichtung und Vertrauensbekundung für den Tag, etwas Positives, was ich meinem Leben hinzufüge.


    Heute vertraue ich dem Buddha, dem Heiligen, ganz Erwachten.
    Heute vertraue ich Seiner Lehre, gut am Anfang, gut in der Mitte und Gut am Ende.
    Heute wende ich mich im Vertrauen an die Menschen, welche dem Buddha und seiner Lehre vertrauen.

  • Amdap:
    bel:


    Ganz bestimmt nicht - hatten wir erst letztens hier.


    Zum Ersten: doch, es stimmt, aber es ist ein so komplexes Thema, dass mir die Zeit fehlt, dieses hier fachgerecht darzustellen.


    Nein, es stimmt nicht. Und so wahnsinnig komplex ist es auch nicht. Aber man muss halt ein bisschen Mühe in die Beschäftigung mit der buddhistischen Historie investieren, und nicht nur Bücher aus der Sicht des TB heranziehen.

  • Sohei:

    Zitat

    Aber man muss halt ein bisschen Mühe in die Beschäftigung mit der buddhistischen Historie investieren


    Ich glaube echt es gibt wichtigeres, aber vielleicht nicht für Leute die Wiedergeburt und Karma anzweifeln und Definitionen nach Neigung einfordern. Amtab darf hier ihre Ansicht vertreten und auch ihren Geschmack äußern-jedem müsste klar sein, dass auch dies momentan & veränderlich ist, aber mit unserer jeweiligen Erfahrung und Kenntnis zusammenhängt. So rationale "Checker" sind mir jedenfalls suspekt - iwie ernähren sie sich von Kritiklust. Kann man ja mal beobachten wo die her kommt, wenn man s ernst meint mit dem Dharma.
    Dann ist halt Hinayana Teil des Mahayana, mein Gott. :)
    Noch Fragen ?
    Nein?!
    Gut.
    Angenehmen Tag ;)
    Blue_

  • blue_aprico:

    Amtab darf hier ihre Ansicht vertreten und auch ihren Geschmack äußern ...


    Wie eben jeder andere auch und speziell dazu.
    Wo ist das Problem?


  • Hy Blue,


    und was ist dein Post jetzt anderes als ebenfalls Kritik? Und Präsentation deiner Sichtweise?

  • sohei:

    Zitat

    jetzt anderes


    ein `tadel` natürlich :)
    was dagegen ? 8)

  • An dieser Stelle möchte ich zunächst allen herzlich danken, die mir hier geholfen oder zu helfen versucht haben!


    Inzwischen bin ich zum Schluß gekommen, daß ich mir erst einmal alleine ausreichend Wissen aneigne und auch eine regelmäßige Meditationspraxis aufbaue. Dann habe ich das Rüstzeug, mir eine passende Gemeinschaft zu suchen. Bis es aber soweit ist, wird sicher etwas Zeit ins Land gehen.


    Eine Anmerkung noch zu Amdap:


    Amdap:

    Hierzu muss ich etwas anmerken:
    wir nehmen nicht Zuflucht zum Buddhismus.
    Sondern wir nehmen Zuflucht zum Buddha, Dharma und Sangha.
    ...
    Desweiteren ist der Begriff "Buddhismus" eine westliche Begriffskonstruktion. Ein Äquivalent dazu gibt es in den ursprünglichen buddhistischen Ländern nicht, da heißt es vielmehr, den Weg des Dharma zu gehen.


    Das ist mir bewußt. Ich habe vereinfachend formuliert, weil es sehr umständlich wäre, jedesmal zu sagen "Ich habe Zuflucht zum Buddha, zum Dharma und zum Sangha genommen".


    Amdap:

    Es ist darauf Wert zu legen, dass die Zuflucht ein aktiver Schritt auf etwas hin ist, nicht eine Flucht vor etwas.


    Ich denke, es ist beides. Wenn man sich zu etwas wendet, wendet man sich automatisch auch von etwas Anderem ab. Wenn man zum Dharma Zuflucht nimmt, ist damit m.E. auch verbunden, vor anderen, dem Dharma entgegengesetzten Lehren und Praktiken zu fliehen.


    Amdap:

    Wir wissen ja gar nicht, ob Du überhaupt öffentlich Zuflucht genommen hast.
    Eine Zuflucht ist auch dann vollgültig, wenn Du sie ehrfürchtig, aufrichtig und voller Vertrauen in den Buddha, Dharma und Sangha ganz allein in Deinem stillen Kämmerlein genommen hast. Aber es ist natürlich schöner, wenn man das öffentlich macht, unter Zeugen.


    Ich habe tatsächlich im stillen Kämmerlein Zuflucht genommen, wie es auch meinem Naturell eher entspricht, und die Gültigkeit derselben steht für mich außer Frage.

  • Lieber Fragender,


    ich freue mich sehr, dass Du Dich zurückgemeldet hast, denn ich habe mir schon Sorgen gemacht, dass Dich die emotional-abdriftenden Wechselgespräche, wie es in einem Forum wie diesem üblicherweise leider vorkommt, enttäuscht hätten. Zunächst wollte ich Dir schon privat schreiben, doch finde ich, das muss nicht sein, denn so haben doch die anderen Teilnehmer auch noch etwas davon.


    Wie ich sehe, bist Du sehr besonnen und bedacht, unter kluger Einbeziehung vieler für Dich gegenwärtiger Aspekte.
    Und gleichzeitig erkenne ich, dass Deine innere Einstellung eine weitgehend theravadische ist. Das ist sehr gut, denn Du kannst Dich damit identifizieren, die dem Dharma entgegengesetzten Lehren zu meiden und auf das Förderliche zuzugehen.
    Wie ich schon sagte, ist ja die theravadische Basis, das Kleine Fahrzeug (Hinayana), die beste Grundlage.
    (Anmerkung: das Theravada ist der einzige erhaltene Zweig des Hinayana.)


    1. In der theravadischen Philosophie, da man das Samsara als die Welt des Leidens durch Befleckung und Täuschung betrachtet, ist die ideale Haltung das Anstreben des höchsten Zieles, des Nirvana. Im Gegensatz zum Samsara ist das Nirvana als das Freisein von Gier, Lust und Verblendung anzusehen.
    Daher ist es hier angemessen, in der spirituellen Praxis hindernde Faktoren zu meiden und förderliche anzustreben und zu praktizieren.
    Es ist wichtig, so gut und schnell wie möglich die eigene Erleuchtung zu erreichen, denn wie sollte denn wohl ein Blinder einen anderen Blinden führen können?


    Wenn man dann aber länger praktiziert, so mag die Frage aufkommen: nun, aber was ist denn jetzt mit dem Samsara? Warum nur gibt es Täuschung und Leiden, welchen Sinn macht es denn nur?
    Eine sowohl tröstliche als auch plausible Antwort gibt uns hier das Große Fahrzeug:


    2. Das Mahayana betrachtet Samsara und Nirvana als gleich, es ist eine ganzheitliche und holographische Sicht (quasi von einer höheren Ebene aus). Demnach stellen beide Aspekte bloß zwei Seiten Ein und Desselben dar. Dieses ist ein schwieriges Thema und für unseren rationalen Verstand kaum nachvollziehbar. Das Vajrayana geht hier noch weiter, indem es mit dem normalerweise Abzulehnenden (dem scheinbaren Geistesgift) arbeitet, es umwandelt. Das beinhaltet natürlich gravierende Unterschiede zu der spirituellen Praxis des Kleinen Fahrzeugs.
    Während man im Theravada die eigene Erleuchtung als Priorität ansieht (weil nur ein Erleuchteter den leidenden Wesen helfen kann), strebt der Bodhisattva*) danach, alle anderen Wesen zuerst aus dem Leidenskreislauf zu befreien und darum auf das Nirvana so lange wie möglich zu verzichten (es ist ohnehin nicht das höchste Ziel, da ja Samsara und Nirvana ja als gleich gesehen werden). Wenn auch die erforderliche Sicht dazu noch befleckt ist, kann der Bodhisattva trotzdem diese Haltung vorwegnehmen, um in sie hineinzuwachsen.
    *)Ein Bodhisattva ist ein Wesen, das von Erleuchtungsgeist erfüllt ist


    Jeder mag am besten das praktizieren, was ihm am meisten liegt.
    Nach den Regeln für Bodhisattvas ist es ein Fehlverhalten zu glauben, das Mahayana stehe über dem Theravada.
    Mein Lehrer, ein Vertreter des Vajrayana (Karma-Kagyü), rät Einsteigern stets, mit förderlichen Umständen zu arbeiten und Hindernisse möglichst gering zu halten, um optimale Voraussetzungen für die spirituelle Praxis zu haben. Es ist ja klar, dass das Arbeiten mit Hindernissen für Einsteiger noch zu starker Tobak wäre.
    Das ist traditionell quasi die theravadische Vorgehensweise. So ist auch das Theravada im Mahayana/Vajrayana enthalten, es ist ein wichtiger Abschnitt auf dem buddhistischen Weg.


    Ich bin sehr berührt, lieber Fragender, über das, was Dir durch den Kopf geht und wie Du vorgehen willst.
    Auch ich habe ganz still und allein für mich Zuflucht genommen, da war ich so etwa 15 oder 16 Jahre alt, nachdem ich mit dreizehn anfing, mich für Buddhismus zu interessieren. Damals verstand ich das Mahayana überhaupt nicht und dachte, es sei eine Verwässerung und für Weichlinge. Genau das Gegenteil ist der Fall, denn wenn man es lebt, ist es in vielen Aspekten sogar noch schwieriger als die Alte Lehre. Ich habe lange gebraucht, bis ich es verstanden habe und sehe, dass dieses ganz wesentlich mit der Lebenserfahrung zusammenhängt.
    Erst sehr spät habe ich Kontakt zu einer Gemeinschaft (vajrayanisch-westlicher Prägung) aufgenommen, wo ich 1999 dann öffentlich Zuflucht nahm. Das habe ich wie eine Besiegelung empfunden. Jetzt, inzwischen bei den Karma-Kagyüs, beobachte ich gelegentlich, dass nicht nur einmal öffentlich Zuflucht genommen wird; das ist ein Missverständnis, es ist ein bisschen schade, wenn es zu einer Inflation von Zufluchten kommt und es kann den Stellenwert für den Betreffenden mindern.
    Doch das muss ja jeder selbst für sich entscheiden.


    Du scheinst viel älter zu sein als ich damals, bei meiner ersten Zuflucht.
    So bringst Du schon viel Lebenserfahrung mit, die einen wichtigen Teil des spirituellen Pfades darstellt, und möglicherweise bleiben Dir dadurch viele Fehler, die ich während meiner buddhistischen Laufbahn gemacht habe, erspart.
    Danke für Deinen Beitrag, damit hast Du mich sehr inspiriert.


    Für Deinen spirituellen Weg mögen Dir der erhabene Buddha, erhellende Schriften und guter Austausch mit Befolgern der Lehre eine starke Stütze sein, viel Freude und gute Erfahrungen wünsche ich Dir auf Deinem Weg!


    Alles Liebe - Amdap

    Verlange nicht, dass alles so geschieht, wie du es wünschest,
    sondern wolle, dass alles so geschieht, wie es geschieht,
    und es wird dir gut gehen.
    Epiktet

  • Amdap:

    Wie ich schon sagte, ist ja die theravadische Basis, das Kleine Fahrzeug (Hinayana), die beste Grundlage.
    (Anmerkung: das Theravada ist der einzige erhaltene Zweig des Hinayana.)


    -->>

    Zitat

    Hinayana ist eine als abwertend betrachtete Bezeichnung des Mahayana-Buddhismus ... Wiki


    Schöne Grüße

    Einmal editiert, zuletzt von Mirco ()