Mit der Zukunft umgehen

  • Guten Morgen in die Runde,
    als Anfängerin beschäftigt mich eine Frage, die ich bislang noch in keinem Buch über buddistisches Leben beantwortet sah: Wenn ich die Vergangenheit als vergangen und die Zukunft als ungewiss ruhen lasse und stattdessen im Hier und Jetzt lebe, verträgt sich das mit einer Vorsorge für das Alter?
    Ich frage deshalb, weil meine Eltern kaum Vorsorge für das Alter betrieben haben und im Endeffekt nur noch verfielen. Sie hatten sich in eine Situation hineinmanövriert, in der ich ihre Angelegenheiten auch mit dem größten Hauruck nicht mehr ins Lot bringen konnte. Schließlich ging es nur noch darum, die beste unter allesamt nicht besonders guten Optionen für sie zu suchen.
    Die mangelnde Selbstsorge hat mir sehr zu denken gegeben. Im Grunde hat sie mich bislang sogar sehr gezeichnet, denn für mich ist das eigene Alter eine richtige Horrorvorstellung geworden. Sämtliche Handlungen, die ich vollziehe, sind darauf gerichtet, mich für das Alter absichern zu wollen. Aber natürlich weiß ich, dass das gar nicht möglich ist. Nichts zu tun und die Dinge so kommen zu lassen, wie sie kommen, erscheint mir aber fahrlässig. Also schwanke ich zwischen Zukunftsangst, Einsehen in die grundsätzliche Ungewissheit (es kann furchtbar oder glimpflich verlaufen) und Absicherungsversuchen hin und her. Beruflich habe ich beispielsweise schon so manche Entscheidung nur getroffen, um mich mehr abzusichern und nicht, weil ich hinter ihr stehe.
    Nun wäre meine Frage: Wie verhält sich das buddhistische Primat, in der Gegenwart zu leben, zu (Ängsten vor) der Zukunft?
    Viele Grüße
    Marla

  • Ich weiß nicht, was die Zukunft bringt. Deshalb kann es meiner Meinung nach nicht schaden, vorzusorgen.
    Aber diese Ungewissheit ist für mich kein Grund, in Panik zu geraten. Ich weiß ja auch nicht, was in der nächsten Stunde geschieht.

  • Altersvorssorge ist ein ernstes Thema. Bei unserem Geburtenrückgang und der momentan bis auf lange Zeit sehr geringen Verzinsung wird es auch für Normalverdiener nicht gut ausgehen, wenn nicht privat etwas dazugespart wird. Du schreibst ja selbst, was passieren kann, wenn man sich nicht ausreichend darum gekümmert hat. Ich würde mir diese Sache einmal ernsthaft vornehmen und die notwendigen Maßnahmen einleiten. Ist das getan, das Ganze wieder ruhen lassen und weg damit, damit man sein Leben nicht in Ängstlichkeit und Heuschermentalität verbringt. Hat man seine Rentenvorsorge vor 20 Jahren zurechtgelegt als eine Verzinsung von 4-5% realistisch war, muss man heute die Sache halt nochmal rausholen und anpassen. Aber dann wieder zur Seite damit und die Sache erledigt sein lassen.


    Zitat

    Im Grunde hat sie mich bislang sogar sehr gezeichnet, denn für mich ist das eigene Alter eine richtige Horrorvorstellung geworden. Sämtliche Handlungen, die ich vollziehe, sind darauf gerichtet, mich für das Alter absichern zu wollen.


    Es gibt ein ganz wichtiges Prinzip im Buddhismus. Ich habe darüber schon oft gelesen, aber es erst kürzlich angefangen zu begreifen: Gelassenheit. Ich sah im Fernsehen eine Dokumentation über Myanmar. An einer Stelle wurde die Gelassenheit der Leute erwähnt, die aus dem Buddhismus stammen würde. Ich war früher mal beruflich in Süd-Ost-Asien unterwegs und ich begriff daher was gemeint war. Mit Gelassenheit ist was viel weitergehenderes gemeint als was man bei uns mit Gleichmut oder Gelassenheit versteht. Ich empfehle dir beim Thema Gelassenheit auf Entdeckungsreise zu gehen :-).


    Grüße, Anandasa

    Die Dinge entstehen, existieren und vergehen. Das ist normal. Ajaan Tippakorn

  • Marla:

    Guten Morgen in die Runde,
    als Anfängerin beschäftigt mich eine Frage, die ich bislang noch in keinem Buch über buddistisches Leben beantwortet sah: Wenn ich die Vergangenheit als vergangen und die Zukunft als ungewiss ruhen lasse und stattdessen im Hier und Jetzt lebe, verträgt sich das mit einer Vorsorge für das Alter?


    Hallo Marla,


    natürlich solltest du für die Zukunft planen und dich absichern. Im hier und jetzt zu sein heisst ja nicht, das du nicht planen oder vorsorgen sollst. Im hier und jetzt zu sein bedeutet nur, dass es nicht gut ist, sich permanent Sorgen zu machen oder zu grübeln über die Zukunft.

  • Hallo und herzlich Willkommen, Maria!
    Genau so wie Christian sehe ich es auch. Hier und Jetzt bedeutet genau dasselbe wie der Satz von Jesus: "Sorget Euch nicht um den nächsten Tag, denn der wird seine eigenen Sorgen haben."
    Ein Sufi-Spruch sagt: "Bevor Du meditierst, binde Deinen Esel fest."


    Das eine schließt das andere nicht aus. Ganz abgesehen davon, dass Du ja offensichtlich und ich ganz bestimmt keine Nonnen sind, ist es auf jeden Fall notwendig, in unseren Breitengraden für ausreichend Altersvorsorge zu "arbeiten". Die 5. Regel des achtfachen Pfades lautet ja deshalb auch: "Rechter Lebenserwerb/unterhalt". Für einen Mönch bedeutete das, jeden Tag auf Almosengang zu gehen. Für uns bedeutet das, in die Rentenkasse einzuzahlen oder Geld auf die "hohe Kante" zu legen.


    Sich zu sorgen, ob es im Alter Krankheiten, Armut und letztlich Tod gibt, ist sinnlos und bringt bereits Leid - was Jahrzehnte dauern kann, bevor es entstanden ist. Der Tod kommt auf jeden Fall. Da er schon morgen da sein kann, habe ich ihn akzeptiert und meine "Geschäfte" schon lange geregelt und immer auf dem laufenden, damit ich und meine Familie nicht vor dem Chaos stehen - z.B. Keller aufräumen, Altkleider entsorgen etc. - aber vor allen Dingen Frieden machen mit allen Menschen, mit denen ich uneins war, egal ob sie noch leben oder ob sie meine Hand annehmen. Das gehört für mich alles zur Altersvorsorge.


    _()_ Monika

    Ohne mich ist das Leben ganz einfach

    Ayya Khema

    Oder anders ausgedrückt: Die Beherrschung der Gedanken ist der Weg zum Glück (SH Dalai Lama)

  • Zitat

    Ich frage deshalb, weil meine Eltern kaum Vorsorge für das Alter betrieben haben und im Endeffekt nur noch verfielen. Sie hatten sich in eine Situation hineinmanövriert, in der ich ihre Angelegenheiten auch mit dem größten Hauruck nicht mehr ins Lot bringen konnte. Schließlich ging es nur noch darum, die beste unter allesamt nicht besonders guten Optionen für sie zu suchen.
    Die mangelnde Selbstsorge hat mir sehr zu denken gegeben. Im Grunde hat sie mich bislang sogar sehr gezeichnet, denn für mich ist das eigene Alter eine richtige Horrorvorstellung geworden.


    Dies sieht danach aus als ob der Anblick der Altersarmut bei den eigenen Eltern das Hochkochen der Rentenproblematik verstärkt hat. Die eigenen Eltern stehen einem natürlich sehr nahe und so erlebt man die ganze Sache viel intensiver und so kann sich dieses Trauma sogar "verselbständigen" und beginnen ein Eigenleben zu entwickeln.


    Eine Idee wäre es sich gewahr zu werden, dass viele Menschen im Alter ein Armustproblem haben. In Deutschland ist das so und in sehr vielen Ländern der Welt ist es sehr viel schlimmer. In vielen Ländern haben Menschen in jungem und mittlerem Alter einen ständigen Kampf zu führen um nur etwas zu essen zu bekommen. Wenn man das erkennt und für all diese Menschen Mitgefühl entwickelt, hebt sich der Blick vom Einzelfall und man sieht nicht nur das Leiden einer ganz engen Gruppe. Auf diese Weise kann man aus der "Anziehungsfalle" eines bestimmten Einzellfalls herauskommen.


    Ein wichtiges Prinzip um aus Anhaftungen rauszukommen ist auch Großzügigkeit zu entwickeln. Wenn der Drang verspürt wird jetzt wieder was für die Rentenvorsorge tun zu müssen, weil man wieder das Bild der Leiden der Eltern vor Augen hat, kann man z.B. zuerst etwas spenden für die dritte Welt und etwas Zeit verstreichen lassen. Das Geben entspannt einen selbst und legt den Augenmerk darauf, dass es anderen noch viel schlechter geht und das Leiden teil dieser Welt ist. Mit der Zeit entwickelt sich ein Gleichgewicht zwischen der Leiden der ganzen Welt und der eigenen, so dass sich wieder ein gesundes Verhältnis zwischen diesen beiden einpendelt.


    Vielleicht ist das alles Unsinn, was ich geschrieben habe. Vielleicht ist es wenigstens ein Denkanstoß, der weiterhelfen könnte ;-).


    Grüße, Anandasa

    Die Dinge entstehen, existieren und vergehen. Das ist normal. Ajaan Tippakorn



  • Dein Beitrag gefällt mir, liebe Monika !


    In unserem Alter geht doch schon einiges zur Neige und wir ernten zum Teil ja schon, was wir gesät haben.
    Die Mühen einer langen Werktätigkeit, die Erziehung und Fürsorg der Kinder undsoweiter und sofort.
    Von der Hand in den Mund habe ich selten gelebt - wir hatten ja nüscht !
    Meine Eltern haben mich zur Sparsamkeit erzogen, damit ich in der "Not" etwas habe.


    Für die Zukunft achte ich speziall darauf, daß ich gesund und munter bleibe,
    denn ich möchte nicht, daß meine Kinder mich pflegen müssen.
    Mit ihnen gemeinsam habe ich eine Patientenverfügung erstellt - es ist alles geregelt -,
    der Schnitter kann mich holen !


    In der Bibel sind die Schnitter die Engel;
    für mich eine wunderbare Vor-stellung.
    Ob es nun wahr ist oder nich, lasse ich mal dahingestellt sein;
    mein kleines ich braucht diesen tröstlichen Gedanken -
    mir erschiene sonst alles so sinnlos . . .


    herzlichst Gitte

    Es ist eine wahre Schmach und Schande, daß wir Christen wie blinde Hühner umhergehen und nicht erkennen, was in uns ist und davon gar nichts wissen.
    Johannes Tauler

  • Danke, Brigitte. So ab 50 wurde mir klar, dass die längste Zeit meines Lebens hinter mir liegt. 8)


    Gerade aufgrund der buddhistischen Lehre habe ich so gut wie keine Sorge und Furcht. Die eingeübten, verstandenen Worte sind meine Wegbegleiter und sofort zur Stelle, wenn mein Herz etwas zu zittern beginnt.
    So wie der Dalai Lama sagte: "die Beherrschung der Gedanken ist der Weg zum Glück" oder "wir wissen nie, ob wir morgen noch am Leben sind" - so denke auch ich. Ich kümmere mich seit Jahren nur um den nächsten Schritt. Ansonsten lebe ich von meiner in 45 Berufsjahren erworbenen Rente, und für diese "Vorsorge" in unserem Land bin ich immer wieder sehr dankbar.


    _()_ Monika

    Ohne mich ist das Leben ganz einfach

    Ayya Khema

    Oder anders ausgedrückt: Die Beherrschung der Gedanken ist der Weg zum Glück (SH Dalai Lama)

  • Monikadie4.:

    Danke, Brigitte. So ab 50 wurde mir klar, dass die längste Zeit meines Lebens hinter mir liegt. 8)


    Gerade aufgrund der buddhistischen Lehre habe ich so gut wie keine Sorge und Furcht. Die eingeübten, verstandenen Worte sind meine Wegbegleiter und sofort zur Stelle, wenn mein Herz etwas zu zittern beginnt.
    So wie der Dalai Lama sagte: "die Beherrschung der Gedanken ist der Weg zum Glück" oder "wir wissen nie, ob wir morgen noch am Leben sind" - so denke auch ich. Ich kümmere mich seit Jahren nur um den nächsten Schritt. Ansonsten lebe ich von meiner in 45 Berufsjahren erworbenen Rente, und für diese "Vorsorge" in unserem Land bin ich immer wieder sehr dankbar.


    _()_ Monika


    Ein Stromeingetretener ist ein Mensch, der realisiert hat, dass er ans andere Ufer muss - und koste es sogar das Leben.
    MM


    Umarmung,
    herzlichst Gitte

    Es ist eine wahre Schmach und Schande, daß wir Christen wie blinde Hühner umhergehen und nicht erkennen, was in uns ist und davon gar nichts wissen.
    Johannes Tauler