Frage zum Anhaften an weltlichen Dingen

  • Hallo miteinander,


    im Buddhismus gilt ja das Anhaften an vergänglichen, weltlichen Dingen und das Streben nach solchen als ein Hauptgrund für menschliches Leiden. Diese Argumentation ist sehr schlüssig und einleuchtend. Alles weltliche, an dem ich hänge, kann mir Schmerzen und Leid bringen. Wenn ich etwas für mich wichtiges verliere, z.B. den Job, einen geliebten Menschen, das Haustier, Geld, oder etwas nicht bekomme, was ich mir wünsche (hier könnte man ähnliche Beispiele bringen), dann Leide ich hierdurch. Immer, wenn etwas im Leben nicht so läuft, wie ich es gerne hätte, entsteht hierdurch Leid.


    Die Frage ist, wie man dieses Leid umgehen kann und ob man es überhaupt umgehen kann. Akzeptanz und Loslassen sind Kernthemen im Buddhismus und werden als Heilmittel für dieses weltliche Leiden gesehen. Akzeptanz ist in der Theorie eine sehr elegante Lösung für diese Probleme aber meiner Meinung nach ist Akzeptanz im praktischen Leben nur bedingt möglich. Ich kann kleineren Problemen gut mit Akzeptanz begegnen, z.B. wenn der Zug Verspätung hat, ich mich verspäte, oder wenn ein Gebrauchsgegenstand kaputt geht. Größere Probleme zu akzeptieren, wie den Verlust eines geliebten Menschen, vom Partner verlassen zu werden oder den Verlust des Arbeitsplatzes, ist wesentlich schwieriger. Ich würde sogar sagen, dass es für einen normalen Menschen fast unmöglich ist, solche Sachen zu akzeptieren. Das sind Wunden, die einen oft ein Leben lang begleiten und vielleicht nie richtig verheilen. Möglicherweise kann Akzeptanz das Leiden ein wenig verkürzen, aber Leid vermeiden kann man damit nicht.


    Also meiner Meinung nach ist Akzeptanz nur eine bedingt umsetzbare Lösung für weltliches Leiden. Ob mit oder ohne Akzeptanz erleben wir zwangsläufig viel Leid in unserem Leben weil wir an weltlichen Dingen hängen und die Dinge nicht so verlaufen, wie wir es uns wünschen. Die einzige Möglichkeit, um Leid zu vermeiden, wäre, wie ein asketischer Einsiedler irgendwo einsam fernab jeder Zivilisation zu wohnen und den ganzen Tag zu meditieren. Aber ich denke, dass das für die Meisten von uns auch keine erstrebenswerte Lösung ist.


    Was ist Eure Erfahrung mit dem Praktizieren von Akzeptanz und Nicht-Anhaften. Ist es möglich, eine weitreichende Akzeptanz zu entwickeln und wenn ja, wie?


    Grüsse
    Christian

  • hallo.


    meiner meinung spielt auch hier, wieder das gewohnte, polare egoselbst ne rolle.
    viele im fernen osten lernen es von kindesbeinen an.
    wir machen uns einfach abhängig und theroieen jeglicher art, sind mit einem pro und contra versehen, dem yin und yang einer sache, eines satzes.


    mann müsste sich, schon von vorherein, mit solchen themen, wie verlust auseinandersetzen und das geistige potential heruaskristalisieren.
    es gibt viele introjekte, in der psychologie, die einem ne SinnHAFT bieten und in unser unbewusstes miteinfliessen. solche abhängigkeiten zu sehen, die dann auch noch plötzlich geschehen, können einen umwerfen. deswegen, ist auch konfrontationen, auch mit unliebsamen themen, ein muss und man kann sich nur auf dauer daran gewöhnen und ne haltung gewinnen, mit der sich leben lässt.


    schauspieler suchen auch Rollen, wo sie sich selbst überprüfen wollen und sich dadurch teils abhärten.
    je eher desto besser.


    es ist vergleichbar wie ein fluss, wo die schneidende theorie, in ihrer polarität, ein achtungssignal setzt und je erfahrenen und weiser man ist, desto gezielter kann man darauf reagieren.


    LG Shin

  • Dazu fallen mir spontan 4 Perspektiven ein...


    - Ich lese immer wieder sehr oft, dass man diese extremen weltlichen Leiden (Tod einer nahen Person, Jobverlust etc) als Lehrsituation betrachten kann. Einfach eine andere Sichtweise anwenden. Dukkha als Lehrer.
    Quasi eine Art Dankbarkeit entwicklen, dass man sich selber weiter entwickeln kann.


    - Sich immer wieder vornehmen, sein Bestes zu geben. Wenn man sich ins Selbstmitleid stürzt, schadet man sich und anderen. Zudem sich selber keine Vorwürfe machen, wenn man doch in eine Depression gerät.


    - Mit viel Übung Abstand zu seinen Emotionen/Gedanken entwickeln. Erkennen: Das ist Trauer, da ist Angst...statt zu denken: "Ich bin traurig, ich habe Angst". Mit einer inneren Distanz kann man "denke" ich, mit "Übung" auch ohne aus der Bahn geworfen zu werden mit Jobverlust und Tod umgehen


    - Es wird immer wieder empfohlen sich täglich "kurz" mit seiner eigenen weltlichen Vergänglichkeit auseinanderzusetzen. Wenn man die einmal halbwegs im Hinterkopf hat, dann sind selbst solche weltliche Sachen wie Jobverlust kein "Riesenproblem" mehr. Zudem können wir hier in Deutschland mehr als dankbar für unser beschimpftes Sozialsystem sein. Die Grundbedürfnisse Essen und Dach überm Kopf bekommt jeder gestellt, wenn er in Not gerät.


    Klingt jetzt alles so, als würde ich das perfekt praktizieren. Es hat sich zumindest in meiner Erinnerung durch viel lesen gut festgesetzt und wird dadurch tatsächlich häufig "abgerufen" als Gegenmittel.
    Das wichtigste scheint mir wirklich Üben, üben, üben...und halt sein Bestes geben :)

  • Danke für deinen Beitrag, Christian. Genau diese Fragen (Ängste?) beschäftigen mich auch. Ich bin zum Buddhismus gekommen, weil ich für mich nach einer Technik gesucht habe, mit eben all diesen Unwägbarkeiten des Lebens zurecht zu kommen und mich schon in Vorhinein zu „wappnen gegen eine See voll Plagen“ wie es bei Goethe so schön heißt.


    Es ist wohl meine Ego-Unsicherheit, die mich zweifeln lässt, dass dies wirklich möglich ist. Bei kleineren Widrigkeiten klappt es ganz gut, aber was ist mit wirklich großen Schicksalsschlägen und existenziellen Nöten? Außerdem denke ich sowieso, dass wir alle hier auf hohem Niveau jammern - was ist wenn wirklich mal eine Krise kommt, wie wir verwöhnte Nachkriegsgeneration sie uns überhaupt nicht mal vorstellen können? Wenn ich mir die Fernsehbilder von Hungernden oder Kriegsflüchtlingen so anschaue oder an die Geiseln des IS denke und was mit denen in der Regel dann passiert…Ob man dann an Achtsamkeit und Meditation denkt oder ob einem da nicht eher die verzweifelten Schutzgebete oder Anrufung von Heiligen der christlichen Kirchen in den Sinn kommen oder welchen Glauben, welche Prägung man auch immer mit der Muttermilch aufgesogen hat?


    Dennoch komme ich immer wieder zu der Überzeugung, dass die buddhistische Philosophie die einzige Chance für mich ist, mein kleines Leben zu meistern. Und durch die Zeit der Trennung von meinem Mann und der vorläufigen Neuordnung meines Lebens habe ich dabei schon so was wie inneren Halt gefunden.


    Mehr weiß ich auch nicht.

  • Zen-Meister Huang-po:


    Der Besitz vieler Arten von kenntnissen lässt sich nicht mit dem Aufgeben der Suche nach irgendwas vergleichen. Dies ist das beste aller Dinge. Es gibt keine verschiedenen Arten von Geist, und es gibt auch keine Lehre, die in Worte gefasst werden kann. Da nichts weiter zu sagen ist, ist die Versammlung hiermit geschlossen :)


    Dröseln wir das mal auf ohne "überweltliches Zeugs" was dafür nicht nötig ist:


    Denken und Beobachten sind 2 unterschiedliche Dinge, sonst würden sie nicht unterschiedlich heissen.
    Man kann Beobachten ohne zu denken. Im Beobachten findet dann keine Unterscheidung statt (wenn dann ist das ein Gedanke).
    Beim Beobachten bewertet man nicht auch dann wäre es wieder ein Gedanke. Man macht auch keine Unterscheidung.
    Das ist dann auch schon des Rätsels Lösung, nicht jeden Müll bewerten und es so sein lassen wie es ist.
    https://www.youtube.com/watch?v=Z_niuTeQhjg <--ganz grosses Kino :)


    Leider ist das nun zu wenig um ein dickes Buch drüber zu schreiben, darum wird in Büchern alles verkompliziert.

  • Interessante Beitrage. Ich danke Euch.


    Mir ist bewusst, dass wir hier in der westlichen Welt auf hohem Niveau jammern. Obwohl wir täglich über Menschen in der Dritten Welt oder in Kriegsgebieten lesen, fehlt uns doch der Bezug zu diesen Leuten. Wir vergleichen uns eben nicht mit einer armen Person in Afrika, sondern mit unserem Umfeld: mit unseren Freunden, Verwandten, Arbeitskollegen etc. Zudem wird der Luxus, denn wir besitzen, wie ein Dach über dem Kopf, ein warmes Bett, ausreichend Nahrung, gute Gesundheitsversorgung, schnell zur Gewohntheit. Wir machen uns generell keine Gedanken darüber, was wir haben, sondern nur darüber, was wir nicht haben. Eine Erinnerung an all unsere Annehmlichkeiten und eine Rückbessinung auf die Vergänglichkeit aller Dinge hilft mir auf jeden Fall, meine Alltagsprobleme aus einer anderen Perspektive zu sehen. Trotzdem ist es interessant zu sehen, dass gerade in der westlichen Wohlstandsgesellschaft psychische Erkrankungen, Depressionen und Angststörugen immer weiter auf dem Vormarsch sind.


    Noch ein Gedanke zum Anhaften an weltliche Dinge. Weltiche Dinge sind zwar der Urpsrung allen Leides aber auch der Ursprung vieler Freuden. Wir sind glücklich, wenn wir uns mit guten Freunden treffen, uns verlieben, etwas leckeres essen oder auch wenn wir uns etwas schönes kaufen. Das Problem ist nur, dass all diese Glücksmomente vergänglich sind und wir nach immer neuen Glücksmomenten suchen (müssen). Weltiche Dinge sind also Ursprung von Freud und Leid zugleich. Vielleicht ist hier die wichtige Erkenntnis, dass kein Gefühl, keine Stimmung, keine Empfindung von Dauer ist, sondern dass Freude und Leid sich immer wieder abwechseln. Es kommt also nicht so sehr auf das Anhaften an weltiche Dinge an, sondern daran, wie wir mit den Gefühlen umgehen, die uns die weltlichen Dinge bescheren. Hier wären wir dann wieder bei der Akzeptanz als mögliche Bewältigungsform.


    Christian

  • Grüß Dich Christian

    -Christian-:

    aber Leid vermeiden kann man damit nicht.


      Der Versuch das Leid zu vermeiden, =das Leid.


    und die ganze Religion, und auch unser Alltag dreht sich drum (Leidvermeiden). Obwohl, und das muss man ganz klar sagen, kein echtes Problem da ist(!) Selbst wenn einen der Partner verlässt, findet der Schmerz AUSSCHLIEßLICH in Gedanken statt. (und in der Einsiedelei läufts freilich nicht besser :->) außer dass man sch noch was zusätzliches antut) ...also, der Schmerz findet AUSSCHLIEßLICH IN GEDANKEN statt. Und diese, doch interessante Sache (dass Schmerz/Freude/Nirvana/Verzweiflung/etc ausschießlich in Gedanken stattfinden), könnte man sich näher betrachten

      auch wenn der Mut oft fehlt, weil: ich das Gefühl haben, die Gedanken sind alles was ich habe, alles was ich Bin!

  • nochmal zum viel-verteufelten 'Anhaften' (an weltlichen! Dingen)...
    Anhaften, ist überhaupt nichts schlechtest. Ich finds immer gut, wenn ich an meiner Teetasse lange genug anhafte.






    und anstatt uns das GedankenHaften anzusehen - fahren wir wieder Fahrrad (weil wir damit demonstrieren/praktizieren dass wir an unserem Ferrari nicht mehr anhaften)
    Gemüsebeet - Vegetarier (weil wir damit demonstrieren/praktizieren, dass...)
    Einsiedelei (weil wir damit demo/prakti...)
    Ersatzhandlungen ...

      (und die Gedanken aber, werden dabei immer schneller
      auf so einem 'spirituellen=geistigen=gedanklichen Weg')