Ein wichtiger Unterschied Theravada / Mahayana?

  • Mir schwirrt noch etwas durch den Geist, zu dem ich kurz gerne Eure Meinung hören würde.


    Ich habe jetzt gerade ein sehr imposantes Buch von Ayya Khema durch (Theravada). Irgendwie hat es bei mir aber keinen freudigen Eindruck hinterlassen. Habe lange überlegt warum.


    Wenn ich diese Tradition richtig verstehe, ist das persönliche Ziel ganz klar: Keine Begierden/Wünsche mehr haben --> Erleuchtung, aus dem Kreislauf ausbrechen, kein Leid mehr erfahren, die Ich-Illusion überwinden.


    Im Endeffekt scheint das ja der Kernwunsch im ganzen Buddhismus zu sein. Jedoch empfinde ich bei Büchern des Dalai Lama generell mehr Heiterkeit und Freude, auch hier habe ich überlegt und ich meine einen elementaren Unterschied zu erkennen.
    Grade wieder ein Buch vom Dalai Lama begonnen, er zitiert hier sein Lieblingsgebet:


    Solange der unermessliche Raum Bestand hat
    und solange noch empfindende Wesen da sind,
    will ich auch da sein,
    um zu helfen, um zu dienen,
    um meinen Beitrag zu leisten
    .


    In diese Richtung lese ich von Ayya Khema gar nichts. Sie betont zwar sehr oft auch die Liebende Güte, aber mit ein wenig Abstand kommt mir die Richtung: "Alles loslassen" doch ein wenig....wie soll ich sagen....egoistisch vor.


    Seh ich das richtig, dass im Mahayana generell mehr der Grundgedanke anderen zu helfen, in den Mittelpunkt gestellt wird?


    Für mich lautet das aktuelle Ziel: Inneren Frieden finden - indem ich weniger Anhafte/Ablehne, dadurch auch freudvoller durchs Leben zu gehen und anderen Menschen damit auch Freude zu schenken.


    Irgendwie aber nicht: Ich will mein Ich komplett loswerden :D Das kommt mir dann auch wie eine Art Fluchtbegierde aus dem Leid vor. Der Grundgedanke vom Dalai Lama: Ich gehe freiwillig nicht ins Nirvana um anderen Menschen zu dienen und Menschen der Erleuchtung näher zu bringen. Er hat irgendwie "für mich" ein richtiges Gefühl.
    Kann natürlich auch ganz realistisch eine schöne Hintertür des Egos sein...nach dem Motto: "Da hast Du ja wieder einen tollen Grund für Dein Ich"....


    Mit ein wenig Überblick lese ich auch zwischen Thich Nhat Hanh (Zen) und Ayya einen Unterschied:
    Sie schreibt: 1 Stunde Meditation pro Tag ist quasi Pflicht....man soll wirklich gar kein gedankliches Ziel damit verfolgen. Absolute Ruhe.
    Thich schreibt für mein Gefühl viel pragmatischer: 10 mal bewusst atmen kann schon reichen, dabei kann man sich "Ruhe" beim einatmen und "Lächeln" beim ausatmen vorstellen. Wenn ich das praktiziere fühle ich mich erfrischt, freudig und habe wirklich das Gefühl von neuer Energie.

  • Andi:

    Seh ich das richtig, dass im Mahayana generell mehr der Grundgedanke anderen zu helfen, in den Mittelpunkt gestellt wird?


    Möglicherweise:


    Zitat

    Kern der Bodhisattva-Philosophie ist der Gedanke, nicht nur selbst und allein für sich Erleuchtung zu erlangen und damit in das Nirwana einzugehen, sondern stattdessen zuvor allen anderen Wesenheiten zu helfen, sich ebenfalls aus dem endlosen Kreislauf der Reinkarnationen (Samsara) zu befreien.


    (http://de.wikipedia.org/wiki/Bodhisattva)


    Wobei dies laut Sutta-Pitaka eigentlich unmöglich sein sollte:


    Zitat

    "Cunda, daß jemand, der selbst im Schlamm versinkt, einen anderen, der im Schlamm versinkt, herausziehen sollte, ist unmöglich; daß jemand, der nicht selbst im Schlamm versinkt, einen anderen, der im Schlamm versinkt, herausziehen sollte, ist möglich. Daß jemand, der selbst unbezähmt, ungezügelt ist und nicht in Nibbāna erloschen ist, einen anderen bezähmen, zügeln, zum Erlöschen in Nibbāna führen sollte, ist unmöglich; daß jemand, der selbst bezähmt, gezügelt ist und in Nibbāna erloschen ist, einen anderen bezähmen, zügeln, zum Erlöschen in Nibbāna führen sollte, ist möglich."


    (Majjhima Nikāya 8, Sallekha Sutta)


    Viele Grüße
    Elliot

    Viele Grüße

    Elliot


  • Der ganze Trick ist eben, nicht im Schlamm zu versinken. Da hat der Palikanon bis dahin Recht. Aber das Dharmarad wurde weiter gedreht.
    Im Mahayana ist genau das die Entsagung: das Leid der anderen nicht abzulehnen, sondern sich so weit darauf einzulassen, dass man ihnen helfen kann.
    Wenn man einem Alkoholiker helfen will, nutzt es nichts, selber zu trinken ("im Sumpf versinken") - aber wenn er ankommt und sagt: "Hilf mir", ist es auch nicht nützlich zu verschwinden.


    Wichtig ist immer wieder zu betonen, dass Animositäten zwischen den Traditionen unnötig sind, ja sogar eine krasse Form der Verblendung darstellen. Die verschiedenen Wege zur Arahatschaft und zur Bodhisattvaschaft verdienen Respekt, denn alles hat seine Zeit und die Wesen sind verschieden und brauchen daher verschiedene Ansprache.

    :rainbow: Gute Wünsche für jede und jeden. :tee:


    • Offizieller Beitrag

    Bei jeder religiösen Tradition stellst sich de Frage, wie eng man am ursprünglichen bleibt oder wie offen und freumütig man die Lehre interpretiert. Beides hat Vor- und Nachteil: Ist man sehr offen, kann es sein, dass man den ursprünglichen Sinn verliert und sich am Ende verschleisst und korrumpiert. Auf der anderen Seite kann ein sehr enges Festhalten an Text und Tradition bewirken, dass man sehr engstirnig und eingfahren wird und seine Offenheit verliert.


    Theravada geht auf "Nummer Sicher" und versucht sich an genau das zu halten, was Buddha Shakyamuni gelehrt hat. Diesen ging es ja sehr um die Anatta Lehre (also dass es kein festes Selbst gibt) und deswegen wurde alles vermieden, was es erlaubt, die Befreiung als ein "etwas" zu sehen. Das führte zu einer Herabgehensweise der Verneinungen: Also dass man Befreiung aher als ein Verlöschen sieht und im moralischen Bereich die Entsagung in den Mittelpunkt steht.


    Im Mahayana ist man dagegen "positiver": Anstatt negative von der Haltung Entsagung gegenüber Gier, Hass und Verblendung zu reden, drückt man das man das Gleiche tendentiell positiv vom Kultivieren von Grosszügigkeit, Mitgefühl und Geduld aus. Anstatt negativ vom Verlöschen zu rden, spricht man positiv vom Kultivieren von Buddhanatur. Wobei man im Idealfall das Gleiche meint: Ich kann ja auch meine Neujahrvorsetzte als "weniger faul auf dem Sofa rumliegen" oder als "aktiver werden" formulieren.


    Aber warum ist der Thervada so negativ? Der Grund ist ja wirklich der zu verhindern, dass man sich etwas vormacht. Dass man freundvoll denkt Dharma zu praktzieren und in Wirklichkeit irgendwelchen Ego-Aktivitäten nachhängt.

    Andi:

    Sie schreibt: 1 Stunde Meditation pro Tag ist quasi Pflicht....man soll wirklich gar kein gedankliches Ziel damit verfolgen. Absolute Ruhe.
    Thich schreibt für mein Gefühl viel pragmatischer: 10 mal bewusst atmen kann schon reichen, dabei kann man sich "Ruhe" beim einatmen und "Lächeln" beim ausatmen vorstellen. Wenn ich das praktiziere fühle ich mich erfrischt, freudig und habe wirklich das Gefühl von neuer Energie.


    Ich denke das Zielpuplikum ist einfach ein anderes.


    Thich Nhat Hanh hatte irgendwann die Idee hatte, dass die Leute hier bis auf wenig Ausnahmen überhaupt nicht fähig sind, so wie in asiatischen Klöstern zu praktizieren. Das der Durschnittwestler ein labiles Wesen voller innerer Ängste ist, den man nicht überfordern darf sondern dass man ersteinmal päppeln und aufbauen muss anstatt ihn zu überfordern.

    Ayya Khema dagegen wendet sich an Leute intensive praktizieren. Sie ist ja eine Westlerin, die versuchte Buddhas Worte authentisch zu leben, auch wenn das anstrengend und entbehrungsreich ist.


    Vielleicht ist das wie bei Yoga-Kursen. Da gibt es ja auch die bei der VHS, wo versucht wird normalen Leuten die Grundlagen beizubringen. Und Intesivkurse von Experten für Experten. das bedeutet jetzt nicht, dass Thich Nhat Hanh ein niedrigeres Nieveau hat. Ich nehme an, dass er mit Menschen die Mönche sind oder Reatreats besuchen, auch anders umgehet.

  • void:


    Theravada geht auf "Nummer Sicher" und versucht sich an genau das zu halten, was Buddha Shakyamuni gelehrt hat. .


    Hi void


    das ist eher ein westliches Klischee, weil die ursprünglichen Lehren des Buddha im Theravada noch erhalten sind


    in Wirklichkeit machen gerade die Mönche in asiatischen Ländern viele Dinge, die uns befremdlich erscheinen würden, wie rauchen, Geister beschwören, Gebäudeeinweihungen, nach drei Monaten die Robe ablegen und heiraten, usw.


    es gibt kaum Theravadins, welche die Lehrreden kennen und verstehen, dazu muss man schon in den Wald gehen


    Liebe Grüße

    Trage nicht das Weltgetöse in die stille Einsamkeit
    Such den Wald, daß er Dich löse von der Krankheit unsrer Zeit.

  • Andi:

    Ich will mein Ich komplett loswerden


    Hallo Andi,


    Dein "Ich" wirst Du weder beim Theravada noch beim Mahayana komplett los.
    Wenn das so wäre, dann würdest Du nicht (mehr) existieren. :lol:
    Was (in der Meditation) losgelassen wird ist aber die Vorstellung von einer ganz bestimmten Form von einem "Ich", nämlich die, dass "ich" autonom und völlig unabhängig von anderen existiere.


    Andi:

    Seh ich das richtig, dass im Mahayana generell mehr der Grundgedanke anderen zu helfen, in den Mittelpunkt gestellt wird?


    Im Mahayana steht der Grundgedanke des Mitgefühls mehr im Mittelpunkt. Die Motivation ist hier entscheidend: Solange es noch fühlende Lebewesen gibt, die leiden, möchte der Mahayana Praktizierende "wiedergeboren" werden, um ihnen zu helfen, nicht mehr zu leiden.

  • Sherab Yönten:

    Dein "Ich" wirst Du weder beim Theravada noch beim Mahayana komplett los.
    Wenn das so wäre, dann würdest Du nicht (mehr) existieren. :lol:
    Was (in der Meditation) losgelassen wird ist aber die Vorstellung von einer ganz bestimmten Form von einem "Ich", nämlich die, dass "ich" autonom und völlig unabhängig von anderen existiere.


    Hui...da hats gerade in meinem Ich ein wenig Klick gemacht :D
    Ich bin vielleicht mit dem Verstand wieder in so eine Begrifflichkeitsfalle gestoplert.
    Ich glaub das schreckt auch generell viele vom Buddhismus ab, in den letzten Monaten auch viel diskutiert...aber das Problem mit der "Ich-Illusion" ist wohl das größte.


    Das wäre dann ja ganz einfach die Erkenntnis der Substanzlosigkeit, die führe ich mir auch immer wieder mit teilweise wissenschaftlichen Ansätzen vor Augen: Quantenphysik, alles ist Energie, der Kosmos ist komplett vernetzt. Alles ist relativ.
    Soweit kann auch mein Verstand mitmachen.
    Aber bei dem "Ich" harkte es bisher...wenn mit der Ich-Illusion gemeint ist, man solle die Interdependenz durchschauen, dann bin ich vielleicht geistig weiter als ich dachte bzw. befinde mich nicht in so einer "Denkfalle". Die Momente die ich durch Achtsamkeit zu Klarsicht komme, möchte ich nämlich gar nicht aufgeben bzw. danach als höchstes Ideal streben (ich werde sie natürlich wegen der Vergänglichkeit sowieso aufgeben müssen).

  • Im Großen und Ganzen ist alles schon gesagt (nur noch nicht von mir :lol: )


    Ich mag Ayya Khema sehr, habe viel aus ihren Büchern gelernt. Trotzdem stimme ich dir zu, andi. Ihre Texte haben eine Strenge, die ein bisschen freudlos wirken kann. Ich glaube, dass das nicht nur aus der Tradition herzuleiten ist. Es ist auch eine Charaktersache.


    Wenn man sich ihre Lebensgeschichte ansieht, wird das vielleicht verständlich. Deutsche jüdischen Glaubens in der Hitlerzeit, Flucht, Zeit in Shanghai, erneute Flucht. Später lange Reisen ohne jede Sicherheit, Farm in Australien gegründet, Kinder und Familie, Mann verlassen... Die Frau hat immer 100% Einsatz gegeben, ist mehrfach voll ins Risiko gegangen, und hat offenbar ohne Bedauern zurück gelassen, was sie nicht retten konnte. Und das erwartete sie wohl ganz selbstverständlich von ihren Schülern auch.


    Ich denke, dass ihre sprachliche Unsentimentalität im persönlichen Umgang gemildert wurde durch ihre Herzlichkeit und ihren Humor (auf Youtube gibts Videos). Schriftlich kommt das aber manchmal etwas herzlos rüber, und schriftlich ist auch der Humor nicht immer spürbar. Deshalb lese ich von ihr nie viel auf einmal.

  • Losang Lamo:

    Der ganze Trick ist eben, nicht im Schlamm zu versinken.


    Ändert aber nichts daran:


    Zitat

    Daß jemand, der selbst ... nicht in Nibbāna erloschen ist, einen anderen ... zum Erlöschen in Nibbāna führen sollte, ist unmöglich;


    Aber man soll ja auch nicht alles glauben, was in Wikipedia steht. Vielleicht wollen die Mahayana-Bodhisattvas ja gar nicht alle Wesen aus dem Rad der Wiedergeburt befreien, sondern ihnen vermittels Weisheit und Mitgefühl einfach ein angenehmes Dasein bereiten?

    Losang Lamo:

    Aber das Dharmarad wurde weiter gedreht.


    Was wiederum eine Yogacara-Mahayana-Idee aus dem Samdhinirmochana Sutra ist.


    Viele Grüße
    Elliot

    Viele Grüße

    Elliot

  • Hallo,


    nibbuti:

    in Wirklichkeit machen gerade die Mönche in asiatischen Ländern viele Dinge, die uns befremdlich erscheinen würden, wie rauchen, Geister beschwören, Gebäudeeinweihungen, nach drei Monaten die Robe ablegen und heiraten, usw.


    es gibt kaum Theravadins, welche die Lehrreden kennen und verstehen, dazu muss man schon in den Wald gehen


    dir erscheinen die Dinge befremdlich, was aber nichts darüber aussagt, ob sie dem Buddha auch befremdlich wären. Die asiatischen Mönche haben ja nicht nach deinem Gusto zu leben. Und wie kann man nur auf die Idee kommen, dass man in den Wald gehen muss, um die Lehrreden zu kennen und zu verstehen. Das ging ja gerade bei Ajahn Buddhadasa nach hinten los.


    Gruß
    Florian

  • Hallo Florian,


    Buddhaghosa:

    Und wie kann man nur auf die Idee kommen, dass man in den Wald gehen muss, um die Lehrreden zu kennen und zu verstehen. Das ging ja gerade bei Ajahn Buddhadasa nach hinten los.


    Inwiefern ging das bei Ajahn Buddhadasa nach hinten los, was gab's denn da für Probleme?


    Schöne Grüße

  • Hallo mukti,


    ich schreibe gerade etwas zum Thema abhängiges Entstehen und habe mir da u.a. auch einige Schriften von Buddhadasa angeschaut. Ich fand es teilweise schon heftig, wie er die Sutten nimmt und umschreibt. Wenn ich fertig bin, gerne mehr dazu.


    Gruß
    Florian

  • Elliot:

    Vielleicht wollen die Mahayana-Bodhisattvas ja gar nicht alle Wesen aus dem Rad der Wiedergeburt befreien, sondern ihnen vermittels Weisheit und Mitgefühl einfach ein angenehmes Dasein bereiten?


    Was wäre dann ein "angenehmes Dasein" ? Materieller Wohlstand ? :roll:

  • Der Trick im Mahayana ist,


    dass durch Bodhicitta, die bedingungslose Entfaltung des Erleuchtungsgeistes, die Fokussierung auf die Verwirklichung von Begierdelosigkeit (was in sich allein sehr schwer ist) abgelenkt wird. Du vergisst, dass du dich erst selbst erlösen musst, um andere erlösen zu können, - aber dann, durch eben diese Ablenkung, vergisst du mindestens genauso schnell das Ego, das erlöst werden will, und dadurch kommt auch die Befreiung mindestens genauso schnell.


    Dieses Vorgehen wird durch eine andere philosophische Sicht als im Theravada gerechtfertigt, nämlich, indem es heißt, dass wir in Wirklichkeit ja schon von Natur aus befreit sind und alle Phänomene illusionsgleich sind.
    Nur unsere Befleckungen hindern uns, hinter diesen Schleier zu blicken.
    Es gilt also, durch Übung diesen Schleier zu durchschauen.


    Die Übung im Wesentlichen ist die, dass wir die Erleuchtung und ihren Weg dazu symbolhaft schon mal vorwegnehmen. Dann werden wir früher oder später ganz darin hineinwachsen.


    Das hat auch im Alltagsleben Vorteile. Wir müssen uns nicht künstlich (in Askese) verkrampfen, sondern können mit voller Verantwortung unseren Mann und unsere Frau im Leben stehen. Wichtig ist allein die Sicht.


    Alles Liebe, Amdap

    Verlange nicht, dass alles so geschieht, wie du es wünschest,
    sondern wolle, dass alles so geschieht, wie es geschieht,
    und es wird dir gut gehen.
    Epiktet

  • @ Elliot:

    Zitat

    daß jemand, der nicht selbst im Schlamm versinkt, einen anderen, der im Schlamm versinkt, herausziehen sollte, ist möglich.


    "Schlamm" ist ne Metapher für die Geistesgifte und das Unversinken damit ne Metapher für den "Edlen", der nicht zurückfallen kann. Und genau hier setzt das Bodhisattva-Ideal an.


    Zitat

    Vielleicht wollen die Mahayana-Bodhisattvas ja gar nicht alle Wesen aus dem Rad der Wiedergeburt befreien, sondern ihnen vermittels Weisheit und Mitgefühl einfach ein angenehmes Dasein bereiten?


    Kein Angenehmes, sondern sie möchten Verzweiflung und Hilflosigkeit soweit lindern, als daß Wesen befähigt sind "das Licht am Ende des Tunnels" wahrzunehmen - und sich auszurichten, was gleichbeutend ist mit "aus dem Schlamm zu ziehen ".

  • Sherab Yönten:
    Elliot:

    Vielleicht wollen die Mahayana-Bodhisattvas ja gar nicht alle Wesen aus dem Rad der Wiedergeburt befreien, sondern ihnen vermittels Weisheit und Mitgefühl einfach ein angenehmes Dasein bereiten?


    Was wäre dann ein "angenehmes Dasein" ? Materieller Wohlstand ? :roll:


    Tja, keine Ahnung. Was immer mit "erlösen" gemeint ist:


    Zitat

    Die Zahl der Wesen ist unendlich; ich gelobe, sie alle zu erlösen


    (http://de.wikipedia.org/wiki/Bodhisattva-Gel%C3%BCbde)


    Viele Grüße
    Elliot

    Viele Grüße

    Elliot

  • Amdap:

    Der Trick im Mahayana ist,


    dass durch Bodhicitta, die bedingungslose Entfaltung des Erleuchtungsgeistes, die Fokussierung auf die Verwirklichung von Begierdelosigkeit (was in sich allein sehr schwer ist) abgelenkt wird. Du vergisst, dass du dich erst selbst erlösen musst, um andere erlösen zu können, - aber dann, durch eben diese Ablenkung, vergisst du mindestens genauso schnell das Ego, das erlöst werden will, und dadurch kommt auch die Befreiung mindestens genauso schnell.


    In den Lehrreden wird allerdings vor zuviel Ablenkung gewarnt:


    Zitat

    " Ānanda, ein Bhikkhu zeichnet sich nicht aus, indem er Geselligkeit liebt, indem er sich mit Geselligkeit vergnügt, indem er sich der Vorliebe für Geselligkeit hingibt, indem er Gesellschaft liebt, indem er sich mit Gesellschaft vergnügt, indem er sich über Gesellschaft freut. In der Tat, Ānanda, es ist nicht möglich, daß ein Bhikkhu, der Geselligkeit liebt, der sich mit Geselligkeit vergnügt, der sich der Vorliebe für Geselligkeit hingibt, der Gesellschaft liebt, der sich mit Gesellschaft vergnügt, der sich über Gesellschaft freut, jemals nach Belieben, ohne Problem oder Schwierigkeit, die Glückseligkeit der Entsagung, die Glückseligkeit der Abgeschiedenheit, die Glückseligkeit des Friedens, die Glückseligkeit der Erleuchtung erlangen wird. Es kann aber erwartet werden, daß ein Bhikkhu, wenn er allein, von der Gesellschaft zurückgezogen lebt, nach Belieben, ohne Problem oder Schwierigkeit, die Glückseligkeit der Entsagung, die Glückseligkeit der Abgeschiedenheit, die Glückseligkeit des Friedens, die Glückseligkeit der Erleuchtung erlangen wird [1]."

    "In der Tat, Ānanda, es ist nicht möglich, daß ein Bhikkhu, der Geselligkeit liebt, der sich mit Geselligkeit vergnügt, der sich der Vorliebe für Geselligkeit hingibt, der Gesellschaft liebt, der sich mit Gesellschaft vergnügt, der sich über Gesellschaft freut, jemals in die Herzensbefreiung, die zeitweilig und erfreulich ist, oder in die Herzensbefreiung, die anhaltend und unerschütterlich ist, eintreten und darin verweilen wird. Es kann aber erwartet werden, daß ein Bhikkhu, wenn er allein, von der Gesellschaft zurückgezogen lebt, in die Herzensbefreiung, die zeitweilig und erfreulich ist, oder in diejenige, die anhaltend und unerschütterlich ist, eintreten und darin verweilen wird."


    (Majjhima Nikāya 122, Die längere Lehrrede über Leerheit)


    Amdap:

    Dieses Vorgehen wird durch eine andere philosophische Sicht als im Theravada gerechtfertigt, nämlich, indem es heißt, dass wir in Wirklichkeit ja schon von Natur aus befreit sind und alle Phänomene illusionsgleich sind.
    Nur unsere Befleckungen hindern uns, hinter diesen Schleier zu blicken.
    Es gilt also, durch Übung diesen Schleier zu durchschauen.


    Also, in den Lehrreden heißt es unmissverständlich:


    Zitat

    "Sandaka, wenn ein Bhikkhu ein Arahant ist, mit vernichteten Trieben, der das heilige Leben gelebt hat, getan hat, was getan werden mußte, die Bürde abgelegt hat, das wahre Ziel erreicht hat, die Fesseln des Werdens zerstört hat und durch letztendliche Erkenntnis vollständig befreit ist, ist er unfähig, Übertretungen in fünf Fällen zu begehen.


    Ein Bhikkhu, dessen Triebe vernichtet sind, ist unfähig, absichtlich einem Lebewesen das Leben zu nehmen; er ist unfähig zu nehmen, was nicht gegeben wurde, das heißt zu stehlen; er ist unfähig, sich dem Geschlechtsverkehr hinzugeben; er ist unfähig, wissentlich die Unwahrheit zu sprechen; er ist unfähig, Sinnesvergnügen zu genießen, indem er sie ansammelt, wie er es früher im Laiendasein getan hat [4]."


    (Majjhima Nikāya 76, Sandaka Sutta)


    Es scheint mir nicht der Fall zu sein, dass sich alle Wesen bereits "von Natur aus" so verhalten.


    Viele Grüße
    Elliot

    Viele Grüße

    Elliot

  • Elliot:

    Tja, keine Ahnung. Was immer mit "erlösen" gemeint ist:


    Nicht ???? In dem von Dir eingestellten Link hättest Du nur ein wenig weiter lesen müssen:


    "Das Bodhisattva-Gelübde umfasst in erster Linie, das Versprechen, alles zu tun, um die fühlenden Wesen aus dem Kreislauf bedingten Seins (Samsara) zu befreien"

  • Sherab Yönten:

    "Das Bodhisattva-Gelübde umfasst in erster Linie, das Versprechen, alles zu tun, um die fühlenden Wesen aus dem Kreislauf bedingten Seins (Samsara) zu befreien"


    Das könnte sich wie gesagt aus Sicht der Lehrreden als schwierig erweisen:


    Zitat

    "Daß jemand, der selbst ... nicht in Nibbāna erloschen ist, einen anderen ... zum Erlöschen in Nibbāna führen sollte, ist unmöglich;"


    (Majjhima Nikāya 8, Sallekha Sutta = Madhyamāgama 91, 周那問見經)


    Aber ohne Mitgefühl für das Wohlergehen aller Lebewesen gibt es auch für den Theravadin keinen Fortschritt:



    Viele Grüße
    Elliot

    Viele Grüße

    Elliot

  • Elliot:

    Das könnte sich wie gesagt aus Sicht der Lehrreden als schwierig erweisen:


    Aus Sicht welcher "Lehrreden" ?
    Es gibt genügend "Mahayana Lehrreden", die eben genau davon handeln.
    (das war mein letzter Beitrag zu diesem Thema).

  • Sherab Yönten:
    Elliot:

    Das könnte sich wie gesagt aus Sicht der Lehrreden als schwierig erweisen:


    Aus Sicht welcher "Lehrreden" ?


    Elliot hat bereits M 8 genannt:


    Zitat

    Cunda, daß jemand, der selbst im Schlamm versinkt, einen anderen, der im Schlamm versinkt, herausziehen sollte, ist unmöglich; daß jemand, der nicht selbst im Schlamm versinkt, einen anderen, der im Schlamm versinkt, herausziehen sollte, ist möglich. Daß jemand, der selbst unbezähmt, ungezügelt ist und nicht in Nibbāna erloschen ist, einen anderen bezähmen, zügeln, zum Erlöschen in Nibbāna führen sollte, ist unmöglich; daß jemand, der selbst bezähmt, gezügelt ist und in Nibbāna erloschen ist, einen anderen bezähmen, zügeln, zum Erlöschen in Nibbāna führen sollte, ist möglich.


    Sherab Yönten:

    Es gibt genügend "Mahayana Lehrreden", die eben genau davon handeln.


    darüber kann man als Buddhist* hinweg sehen


    (*Mayahana „Lehrreden“ gelten nur für Anhänger einer bestimmten Sekte und können ansonsten getrost außer Acht gelassen werden, wohingegen die Nikayas oder Agamas inkl. obiges Zitat offiziell von allen buddhistischen Schulen anerkannt werden)

    Liebe Grüße

    Trage nicht das Weltgetöse in die stille Einsamkeit
    Such den Wald, daß er Dich löse von der Krankheit unsrer Zeit.

  • Sherab Yönten:

    Aus Sicht welcher "Lehrreden" ?


    Den hier bei SuttaCentral gesammelten: http://suttacentral.net


    Sherab Yönten:

    Es gibt genügend "Mahayana Lehrreden", die eben genau davon handeln.


    Mag sein, dass den Lehrreden von SuttaCentral im Mahayana keine Gültigkeit beigemessen wird.


    Viele Grüße
    Elliot

    Viele Grüße

    Elliot


  • Das Them hatten wir schon mal hier: http://www.buddhaland.de/viewtopic.php?f=12&t=12823 :)


    Ich versuche immer, mich nicht auf die Unterschiede oder Gemeinsamkeiten zu anderen buddhistischen Richtungen zu konzentrieren, sondern meinen Weg zu gehen.
    Natürlich gibt es Unterschiede, natürlich gibt es Gemeinsamkeiten, aber was ist wichtig für mich, jetzt, in diesem Moment??

  • Vollständigkeitshalber wäre wohl erst mal zu klären, ob dies:


    Sherab Yönten:

    "Das Bodhisattva-Gelübde umfasst in erster Linie, das Versprechen, alles zu tun, um die fühlenden Wesen aus dem Kreislauf bedingten Seins (Samsara) zu befreien"


    ... überhaupt gleichbedeutend ist mit dem "Verlöschen im Nibbana" ( parinibbuto ):


    Zitat

    Daß jemand, der ... nicht in Nibbāna erloschen ist ( aparinibbuto ), einen anderen ... zum Erlöschen in Nibbāna ( parinibbāpessatīti ) führen sollte, ist unmöglich; daß jemand, der selbst ... in Nibbāna erloschen ist ( parinibbuto ), einen anderen ... zum Erlöschen in Nibbāna ( parinibbāpessatīti ) führen sollte, ist möglich.


    (MN 8 = MA 91)


    Aber es sieht ganz so aus:


    Zitat

    "... nachdem ich selbst der Befleckung unterworfen war, die Gefahr in dem, was der Befleckung unterworfen ist, erkannt hatte und die unbefleckte höchste Sicherheit vor dem Gefesseltsein, Nibbāna suchte, erlangte ich die unbefleckte höchste Sicherheit vor dem Gefesseltsein, Nibbāna. Das Wissen und die Schauung erwuchs mir: 'Meine Befreiung ist unerschütterlich; dies ist meine letzte Geburt; jetzt gibt es kein erneutes Werden mehr.'"


    (MN 25 = MA 204)


    Vielleicht wird es klarer, wenn Sherab Yönten mal beschreibt, was ein Bodhisattva so tut oder lässt, "um die fühlenden Wesen aus dem Kreislauf bedingten Seins (Samsara) zu befreien".


    Viele Grüße
    Elliot

    Viele Grüße

    Elliot

    • Offizieller Beitrag
    Elliot:
    Zitat

    "Cunda, daß jemand, der selbst im Schlamm versinkt, einen anderen, der im Schlamm versinkt, herausziehen sollte, ist unmöglich; daß jemand, der nicht selbst im Schlamm versinkt, einen anderen, der im Schlamm versinkt, herausziehen sollte, ist möglich. Daß jemand, der selbst unbezähmt, ungezügelt ist und nicht in Nibbāna erloschen ist, einen anderen bezähmen, zügeln, zum Erlöschen in Nibbāna führen sollte, ist unmöglich; daß jemand, der selbst bezähmt, gezügelt ist und in Nibbāna erloschen ist, einen anderen bezähmen, zügeln, zum Erlöschen in Nibbāna führen sollte, ist möglich."
    (Majjhima Nikāya 8, Sallekha Sutta)


    Die Mahayana Idee ist es Buddschaft zu erlangen, und als Buddha andere zu Befreiung zu führen. Nach dem Thervada ist es das höchste Ziel, ein Arhat zu werden. Ein Buddha - also jemand der die Lehre verkündet - macht solange die Lehre präsent ist, überhaupt keinenen Sinn und ist vollkommen unnötig. Demgegenüber wird im Mahayana betont, dass man ja dann in anderen Welten zu anderen Äonen ein Buddha werden kann. Was ja sehr seltsam klingt, und in einem den Eindruck erweckt, es geht nicht um "proasische Wirklichkeit" sondern das Konstrukt zielt vor allem darauf, eine bestimmte positive Motivation zu legitimieren. Dass man sich eben nicht zur Dharma Praxis begiebt, um sich selbst aus der Welt abzuseilen, egal wie es den anderen geht. Sondern dass man aus eine nicht-egoistischen Motivation für andere und mit anderen praktiziert.


    Diese Motivation des Mitgefühls mit anderen ist aus einer Thervada Sicht natürlich nicht zu verurteilen. Was dagegen so ganz der klaren Thevada-Herangehensweise widerspricht, ist die Idee der "Geschickten Mittel". Also dass eine Lüge nicht einfach eine Lüge ist, sondern es gut und heilsam sein kann, sich bestimmte Dinge vorzumachen. (Hat Buddha das nicht immer und immer wieder verurteilt, andererseits sprach er zu unterscheidlichen Leuten anders)


    Zitat

    Der Trick im Mahayana ist,


    Zitat

    Der Trick im Mahayana ist,


    Zitat

    Der Trick im Mahayana ist,


    Die Idee, weil eh alles Illusion ist, könnte man die Dinge doch ein wenig zum Heilsamen verbiegen, klingt für die einen wie die Möglichkeit, sich neue Zugänge zu erschliessen. Während das Repertoir der "geschickten Mittel" (und dann hätten wir noch jenen "Trick") für die anderen etwas von Jahrmarktschwindlern und billigen Zauberern hat. Und es ist dieses Repertoir an Effekten, dass viele spielerische, phanstasievolle Menschen fasziniert und nüchterne Menschen instinktiv abstösst.


    Aber was, wenn der Jahtmarktzauber funktioniert? Wenn das Leitungswasser durch den Placebo-Effekt Kranke heilt, ist es dann eine Lüge zu behaupten es sei keine Medizin? Wenn das Kriterium für Medizin ist, dass sie heilt, dann ist sie es doch sogar?
    Natürlich sind wir nicht befreit. So wie wir ja auch keine Mäuse sind. Auf der anderen Seite ist es, so dass das einzige was uns von der Maus unterscheidet die Tatsache ist, das wir keine sind, oder? Und bis auf unsere Klesha (Gier, Hass und Unwissenheit) sind wir natürlich vollständig erwacht? Dies gibt uns die Möglichkeit, Nirvana nicht einfach als ein negatives Verlöschen zu sehen, sondern als ein Zutagetreten unserer Buddhanatur!


    Sind das neue Wendungen und Rekombinationen buddhitische Inhalte, die neue Möglichkeiten eröffnen? Oder sind es Verdrehungen, die etwas ursprünglich Klares verwirren? Ich denke beides stimmt zum Teil. Es ergeben sich wertvolle neue Interpretationen und Anregungen, die aber auch neue Missverständnisse und Möglichkeiten mit sich bringen, sich selbst was vorzumachen.