Der achtsame Haushälter

  • Hallo
    eine Frage


    Wir werden, durch die karmische Bedingtheit, in ein Daseinsbereich geboren, dem wir uns nicht entziehen können, dem wir sozusagen ausgeliefert sind. Jeglichem Wesen dem wir begegnen, jegliches Phänomen und jeglicher Situation der wir gegenüberstehen, sind doch dann letztlich ein Prüfstein, eine Prüfung für die Entwicklung und die Vervollkommnung unseres Geistes auf dem Weg zur Erleuchtung. Nun könnte man ja "einfach" Mönch werden, die besten Lehrer haben und diesen ganzen weltlichen Widrigkeiten im großen und ganzen entgehen. Jedoch wenn man zum Beispiel eine Familie hat ist das fragwürdig, da man dieser großen Schaden zufügen würde, was wohl gegen den Dharma verstoßen würde.
    Sind nicht die, die in dieser Welt, voller Gier, Hass und Verblendung, versuchen den Dharma zu leben und unter Berücksichtigung des Achtfachen Edlen Pfades ihren Angehörigen Gutes zu tun, nicht auch bewundernswert und vielleicht sogar noch mutiger? Schließlich haben diese ja noch eine riesige Last mehr auf den Schultern, wie ein Mönch, der voll und ganz sich der Lehre widmen kann.
    Kann ein achtsamer Haushälter ein Bodhisattva werden?


    _()_ Udo _()_

  • Hi Udo,


    der Erwachte vergleicht das Leben eines Haushälters mit dem eines Bauern, das Leben des Mönches mit dem eines Kaufmannes. Der Weg des Haushälters ist mühsamer, beide Wege können in die Hose gehen wenn nicht richtig vorgegangen wird.
    Auch wenn das höchste Ziel - Befreiung in diesem Leben nur von richtig vorgehenden Mönchen erreicht werden kann, so kann es doch der Haushälter bis zum Nichtwiederkehrer schaffen, und das ist doch schon was! :D


    Liebe Grüße


    Norbert

    Gier, Hass und Verblendung sind weder in Werken noch in Worten zu überwinden, sondern nur durch wiederholtes weises Erkennen (A.X/23)

  • Lieber Silberstreif,


    Dieser Weg ("weltlich") ist mit Sicherheit ein nobler (manchmal auch nobler als der des Mönches), wenn er mit Ehrlichkeit, sich und anderen gegenüber, gegangen wird. Oft ist es in der "moderen" Welt auch gar nicht anders möglich, da das Verständnis für Asketen und Bettler fehlt. Wenn es dein Umfeld gestattet ist er auch der schnellere. Aber er ist auch der gefährlichere und schwierigere.
    Ich empfehle dir, um dieses Weg zu meistern/gehen, dich an den Laienweg des Diamantweges zu halten.


    (nur am Rande: "dem wir sozusagen ausgeliefert sind" - wäre das so, wäre eine Anstrengung nicht von Zweck)

  • Silberstreif:

    Jedoch wenn man zum Beispiel eine Familie hat ist das fragwürdig, da man dieser großen Schaden zufügen würde, was wohl gegen den Dharma verstoßen würde.


    Die Frage ist: Hat Siddharta gegen den Dharma verstoßen, als er seine Frau Yasodhara und seinen Sohn Rahula für einige Jahre verließ, um den Weg zu finden?


    Ich denke nicht. Denn hätte er nicht nach dem Weg gesucht, wäre er zweifelslos immer unglücklicher geworden, was noch zu mehr Leid für seine Familie geführt hätte. (Aber Siddharta war natürlich auch viel zielstrebiger als die meisten Menschen.)


    Zitat

    Sind nicht die, die in dieser Welt, voller Gier, Hass und Verblendung, versuchen den Dharma zu leben und unter Berücksichtigung des Achtfachen Edlen Pfades ihren Angehörigen Gutes zu tun, nicht auch bewundernswert


    Ja klar. Aber auch Mönche können ihren Angehörigen etwas Gutes tun.


    Zitat


    Kann ein achtsamer Haushälter ein Bodhisattva werden?


    Ja.

  • Hallo zusammen!
    Herzlichen Dank für Eure Antworten.
    Was Siddharta angeht, denke ich, dass er durch seine karmische Bedingtheit diesen Weg gehen musste, eine Art innere Kraft, die in dazu beflügelte, die kausale Kette zu zersprengen und somit den Kreislauf zu beenden.
    Auch in uns ist ja diese Kraft wirksam, sonst würden wir vielleicht in einem dunklen Zeitalter geboren worden sein und wüssten nichts von Buddha und seiner Lehre.
    Mir scheint, dass viele Menschen neben uns in dieser Dunkelheit leben. Sind vielleicht damit die „drei Welten“ gemeint? Wenn man ihnen versucht die einfachen Teile der Lehre zu erklären, wie Wut,Gier, Neid, Eifersucht, Stolz usw., so glaubt man in die Augen einer lieben Kuh zu schauen; denn das Leben ist ewiger Kampf und man muß sich durchsetzen, um im Leben was zu erreichen. Aber das bringt nur Frust, trotzdem, wie Getriebene ziehen sie ihre Bahn und ergötzen sich an Lächerlichkeiten.
    Auch ich muß mich täglich durchsetzen, aber nur gegen mein Ego, besser, gegen meine negativen Emotionen. Und dieser Erfolg daraus erflüllt mich mit Zufriedenheit. Doch Mara hat viele Büttel, die mit Verlockungen,Illusionen oder Leiden einen stehts umringen.
    Als Haushälter muß man da sehr, sehr achtsam sein. Bisher konnte ich viele Leidenschaften und Begierden, besonder Unbeherrschtheit, wie Wut und Übelwollen bekämpfen. Ich trage z.B. jede Spinne, die sich zeigt, aus dem Haus. Na ja, das sind eben so Kleinigkeiten die man selbst gar nicht mehr wahrnimmt, erst wenn andere mit Unverständnis einen belächeln.
    Für mich ist es ein großes Glück, zum Dharma gefunden zu haben.
    Und dieses Glück kam zu mir, als ich glaubte, das alles zu Ende ist (Krankheit). Das einzige was mir damals Kraft gab, war die Hoffnung.
    Auch wenn ein Buddhist nicht hoffen soll, so sage ich, es ist wie mit dem Floß, wenn wir sie nicht mehr brauchen, lassen wir sie davon treiben.
    Dann kommt die Gewissheit.


    Alles Gute
    und nochmals Danke für die Antworten


    _()_ Udo _()_

  • Namaste!

    Silberstreif:

    Wir werden, durch die karmische Bedingtheit, in ein Daseinsbereich geboren, dem wir uns nicht entziehen können, dem wir sozusagen ausgeliefert sind. Jeglichem Wesen dem wir begegnen, jegliches Phänomen und jeglicher Situation der wir gegenüberstehen, sind doch dann letztlich ein Prüfstein, eine Prüfung für die Entwicklung und die Vervollkommnung unseres Geistes auf dem Weg zur Erleuchtung. Nun könnte man ja "einfach" Mönch werden, die besten Lehrer haben und diesen ganzen weltlichen Widrigkeiten im großen und ganzen entgehen. Jedoch wenn man zum Beispiel eine Familie hat ist das fragwürdig, da man dieser großen Schaden zufügen würde, was wohl gegen den Dharma verstoßen würde.


    Ich denke, ob das Verlassen der Familie im Einklang mit dem Dharma geschieht oder nicht, kommt auf die Umstände des Einzelfalls an.
    Lasse ich minderjährige Kinder und einen mittel-/erwerbslosen Partner zurück, dann ist das sicherlich egozentrisch und schwer mit dem Dharma in Einklang zu bringen (wenn überhaupt).
    Wenn mein Partner allerdings meine diesbezüglichen Bestrebungen kennt, und ich ihn dann verlasse, wenn die Kinder "flügge geworden sind", dann sehe ich darin kein so gravierendes Problem.

    Silberstreif:

    Sind nicht die, die in dieser Welt, voller Gier, Hass und Verblendung, versuchen den Dharma zu leben und unter Berücksichtigung des Achtfachen Edlen Pfades ihren Angehörigen Gutes zu tun, nicht auch bewundernswert und vielleicht sogar noch mutiger? Schließlich haben diese ja noch eine riesige Last mehr auf den Schultern, wie ein Mönch, der voll und ganz sich der Lehre widmen kann.
    Kann ein achtsamer Haushälter ein Bodhisattva werden?


    Sri Ramakrishna [natürlich ein Hindu-Meister, passt hier aber 1:1] sagte mal zum Thema "Weltentsagung" in etwa:
    "Wieso willst Du alles hinter Dich lassen, Deine Familie verlassen und der Welt entsagen?
    Lebe weiterhin in der Welt, als Familienvater, aber unverhaftet! Entsage geistig! Du willst die Welt verlassen? Wie soll das gehen - es gibt keinen anderen Ort, an den Du gehen könntest.
    "


    Wie Norbert schreibt, ist es dem Haushälter nicht möglich, das Höchste Ziel zu erreichen. Das ist die orthodoxe Theravada-Sichtweise.
    Aus Mahayana-Sicht (siehe z. B. das Vimalakirti-Sutra) ist es dem Haushälter ebenso wie dem Bhikkhu möglich, die Verwirklichung zu erlangen.


    Die Frage, welche Sichtweise nun stimmt, muss sich eigentlich jeder selbst beantworten. Es kommt auch darauf an, welcher Tradition man selbst folgt.
    Manche Lehrtraditionen haben gar die Trennung zwischen Mönchen und Haushältern hinter sich gelassen.


    Ich persönlich sehe das ebenso wie Ramakrishna:
    Es gibt Mönche, die haben zwar nach außen hin der Welt entsagt, aber innerlich haften sie immer noch (oder durch ihren Status vielleicht sogar noch mehr) an weltlichem Firlefanz wie Ansehen, Macht, Einfluss, Reichtum und Luxus. Manche von ihnen brechen ihre Gelübde und gestehen dies dann nichtmal ein.


    Dann gibt es andererseits Laien, die Arbeiten, Sex haben und eine Familie versorgen, die aber den Dharma in ihr Leben integriert haben und innerlich das Verlangen nach weltlichen und materiellen Dingen überwunden haben.


    Fazit: Lieber ein richtiger Laie als ein falscher Mönch!


    < gasshô >


    Benkei

    "Allmorgendlich beginne ich meinen Tag damit, den Spiegel zu polieren;
    Täglich türme ich neue Staubschichten auf;
    Allabendlich beende ich meinen Tag damit, weiter zu polieren;
    Und scheinbar wirbelt auch ein Schlafender noch Staub auf."
    HôShin

  • Zitat

    Dann gibt es andererseits Laien, die Arbeiten, Sex haben und eine Familie versorgen, die aber den Dharma in ihr Leben integriert haben und innerlich das Verlangen nach weltlichen und materiellen Dingen überwunden haben.


    Liebe(r) Benkei,
    Magst du das etwas ausführlicher erklären, irgendwie kommt mir der Satz sehr widersprüchlich vor.

  • Zitat

    Dann gibt es andererseits Laien, die Arbeiten, Sex haben und eine Familie versorgen, die aber den Dharma in ihr Leben integriert haben und innerlich das Verlangen nach weltlichen und materiellen Dingen überwunden haben.


    ... bin zwar nicht benkei, aber ich lese gerade etwas von Paul Debes was dazu passt:


    ...Wer aber die Bande des Gemütes, die an Sinnensucht, Körper un Form gefesselt halten, völlig abgeschnitten hat, der hat keine Absicht mehr in Bezug auf diese Dinge, wenn er auch noch Triebe hat. Darum wird er durch die Begegnung mit den Dingen noch getroffen, kann bei Erlangen Wohlgefühl empfinden und Wehgefühl, wenn die Dinge sich ihm entziehen. Da er aber im Geist mit den Dingen nicht mehr rechnet, da er sie als elend durchschaut hat und darum keine geistige Zuwendung zu ihnen empfindet, so kann er den Verlust nicht mehr nachtrauern, nicht mehr lange zornig oder bekümmert sich weiterhin damit beschäftigen.


    Liebe Grüße


    Norbert

    Gier, Hass und Verblendung sind weder in Werken noch in Worten zu überwinden, sondern nur durch wiederholtes weises Erkennen (A.X/23)

  • *schmunzel*
    Danke Norbert! Zwischen Benkeis Satz und diesem Absatz ist nicht viel unterschied, es ist wohl worauf er hinaus sollte.


    Ich nenn es mal "intellektuelle Leidensvertuschung", dass hat woll nichts mit Verinnerlichung zu tun - "der hat keine Absicht mehr in Bezug auf diese Dinge, wenn er auch noch Triebe hat". Ein Trieb ist ja doch nicht viel anders als eine subtile Absicht.
    Da hat sich die Achtsamkeit näher an den Moment wo die Emotionen entstehen getastet, denke aber dies ist sehr sehr relativ. Sicher ist es besser wenn man von einem "Hoch" oder "Tief" nach zwei Sekunden wieder zurück kommt, als nach einer Stunde, drei Tagen, fünf Monaten oder vielleicht einem Leben.


    Das kann einen achtsamen Haushälter vielleicht gut beschreiben und ist sicher ein nobles und erreichenswertes Ziel und dennoch wird dieser Zustand kein sehr beständiger sein. Für sein Umfeld wird er jedoch schon etwas kalt wirken und jeder westliche Partner flippt mit Sicherheit aus :D

  • Zitat

    Ich nenn es mal "", dass hat woll nichts mit Verinnerlichung zu tun


    Hi Hanzze,


    ... ich denke genau das Gegenteil ist gemeint : nichts mit "intellektuelle Leidensvertuschung" sondern zutiefste Verinnerlichung, "die Bande des Gemütes völlig abgeschnitten"...
    Das hat nicht nur mit intellektuellem Verstehen zu tun sondern mit der Wandlung seines ganzen Wesens. Er hat aufgrund seiner vielen, vielen Einsichten in die Vergänglichkeit und Leidhaftigkeit und durch das mehr und mehr Lassen dieser Dinge ein so großes inneres Wohl und innere Freiheit gewonnen das er von den Sinnendingen immer mehr Abstand gewinnt - nicht unterdrückt oder verkneift, sondern er hat keinen Bedarf mehr an diesen Dingen, läuft ihnen nicht mehr hinterher.
    Er wird ein warmherziger Mensch sein der aufgrund seiner großen Selbstlosigkeit seinem Partner viel Liebe, Verständniss und Einfühlungsvermögen entgegenbringt - sich an Sinnlichem erfreuen kann, diese Freude aber nicht seine innere Freude und Helligkeit übertrumpfen kann.


    Liebe Grüße


    Norbert

    Gier, Hass und Verblendung sind weder in Werken noch in Worten zu überwinden, sondern nur durch wiederholtes weises Erkennen (A.X/23)

  • Hallo Norbert,


    Da halte ich für die falsche Gasse und bin mir aber auch bewusst, dass viele nach so etwas streben.
    Was das wirken betrifft, wiest das ja nicht, dass man nicht warmherzig ist. Und das nicht mehr verlangen oder wollen bedarf in einer sozialen Beziehung dann natürlich auch viel nicht so wahres Sprechen.


    "Schatz, was magst du heute essen?" na dann, leg los... *schmunzel*


    Also ein wichtiger Punkt ist, wenn man als Haushälter wirklich praktizieren will, dass beide am selben Weg streifen und auch stets auf einem ähnlichen Niveau sind. Das was du hier beschreibst, würde ich als vorvorletzte Stufe in der Reihung einer Praxis bezeichnen. Was durch aus mehr als erstrebenswert ist.


    Für einen großen Schritt nach vorne, geht es sicher nicht ohne den "perfekten" Partner.

  • Namaste!


    Ich denke Norberts Zitat von Paul Debes zeigt sehr gut, was ein Haushälter erreichen kann.


    Meine Ausführung war dagegen viel simpler gedacht. Eher in die Richtung, dass der Haushälter den Dharma -also den WEG- als seinen Lebenszweck/-Sinn erkannt hat und aus dieser Erkenntnis heraus von der Gier nach weltlichen und materiellen Dingen abgelassen hat. Er ist nicht mehr der Konsument, der alles haben muss, nur weil es neu ist oder weil es der Nachbar gerade neu hat; er ist für die werbetechnische Sugerierung des "haben-müssens" quasi unempfänglich geworden. Das jetzt bezogen auf materielle Dinge.


    Im Hinblick auf Triebe fällt mir Schopenhauer mit seinem "Der Mensch kann zwar tun was er will aber er kann nicht wollen was er will" ein. Die "Absicht" ist dann die bewusste Tat- bzw. Triebumsetzung, auf die man Einfluss nehmen kann. Auf den Trieb selbst kann man aber erstmal spontan keinen Einfluss nehmen - er ist da, man kann ihn unterdrücken oder niederringen (oder ihn ausleben) aber bis das vollzogen ist, ist er erstmal präsent.


    Norberts Ausführungen beschreiben ohne Zweifel einen sehr erstrebenswerten Zustand. Ich denke aber auch, dass Hanzze Recht hat - einen solchen Zustand wird man in einer Partnerschaft schwerlich erreichen, wenn der Partner nicht denselben Weg geht.


    < gasshô >


    Benkei

    "Allmorgendlich beginne ich meinen Tag damit, den Spiegel zu polieren;
    Täglich türme ich neue Staubschichten auf;
    Allabendlich beende ich meinen Tag damit, weiter zu polieren;
    Und scheinbar wirbelt auch ein Schlafender noch Staub auf."
    HôShin