• Im Zusammenhang mit dem Arte-Film über den Abt des Eiheiji ist bei mir die Frage nach der Rolle der Disziplin entstanden. Ich werde später mehr zu meinen Erfahrungen damit schreiben. Ich würde gern erfahren, was andere dazu denken, wie sie damit umgehen, und deshalb als Anregung ein paar Fragen stellen:
    Welche Rolle schreibt ihr der Disziplin in der Praxis zu?
    Woher kommt Eure Disziplin?
    Wie entwickelt Ihr Eure Disziplin?
    In welchem Verhältnis stehen bei Euch innere Disziplin (Wollen) und äußere Disziplin (Müssen)?
    Wie wirkt sich die (Veränderung der?) Disziplin in eurer Praxis und in Eurem Alltag aus?
    Vielleicht gibt es noch mehr fragen, die mir gerade nicht einfallen.

  • Hallo Jojo,


    den Film habe ich nicht gesehen, ich praktiziere auch kein Zen. Aber zwei Fragen kann ich Dir aus meiner Sicht trotzdem beantworten:


    1) Disziplin hat für mich viel mit Freude zu tun. Wenn ich keine geduldige Freude entwickeln kann beim Praktizieren vom Dharma, dann hat es die Disziplin ganz schwer, sich gegen das Ego durchzusetzen.


    2) Woher kommt die Disziplin ? Für mich ist da die Motivation entscheidend. Warum praktiziere ich letztendlich ? Es geht im Mahayana darum, Bodhicita anzustreben, Leerheit zu realisieren und Buddhaschaft zu erreichen.


    Freude und Motivation sind dabei untrennbar.

  • Ja, Disziplin ist Freude und Halt. Einschleifen von heilsamen Gewohnheitsmustern.
    Dies geschieht, weil man für sich die Notwendigkeit dazu erkannt hat. Und aus Liebe auch, zu was auch immer. :)


    Jojo:


    In welchem Verhältnis stehen bei Euch innere Disziplin (Wollen) und äußere Disziplin (Müssen)?


    Wenn ich meine Disziplin als "Müssen, aber nicht wollen" empfinden würde, ginge gar nichts. Da wäre man ohne Disziplin noch besser dran.
    Das Wollen ist also alles und das Müssen besteht nur, weil man es so will. Ohne Freude zu denken "Ich soll/muss" ist in meinen Augen Ausdruck von Verblendung, denn:
    a) Wer will einen zwingen?
    b) Es würde bedeuten, dass man die einmalige Chance nicht erkennen würde, die im Befolgen der Disziplin der Praxis steckt.


    Regelmäßige Praxis eröffnet mir Tore. Ohne sie fühle ich mich gefährdet, verloren zu gehen.

    :rainbow: Gute Wünsche für jede und jeden. :tee:


  • Einerseits fühlte ich mich immer undiszipliniert, wenn ich mich mit anderen verglich, die regelmäßig Sport treiben, immer maßvoll essen und niemals dicker werden usw.
    Andererseits habe ich im Laufe meines Lebens festgestellt, dass ich sehr diszipliniert von Jugend an einen Weg verfolge, einer Spur folge sozusagen, ohne schlapp zu werden. Im Gegensatz zu jenen, die mir immer disziplinierter vorkamen, bin ich jedoch diejenige gewesen, die 45 Jahre regelmäßig ihren Lebensunterhalt verdient hat, deshalb auch im Gegensatz zu ihnen eine gute Rente habe. Mindestens 20 Jahre davon bereits morgens um 6.30 Uhr im Büro war, egal ob ich gut geschlafen hatte oder nicht. Diese Disziplin ist mir wohl in die Wiege gelegt worden und hat mich stark gemacht.


    Aber dann wiederum kann ich mich nicht lange einer Gruppe anschließen. Mir geht mit der Zeit immer wieder dasselbe Gedudel auf den Geist, irgendwann wachse ich darüber hinaus und muss den "Club" verlassen. Darunter habe ich auch oft gelitten, weil ich gerne irgendwo zugehört hätte. Ich schrieb dies meiner mangelnden Disziplin zu. Doch immer wieder stellte fest, dass ich auch ohne diese Anbindung voran komme, dass sich mir auch ohne persönliche Belehrung Tore öffnen. Dieses wiederum führt dazu, dass meine Motivation wächst und ich immer weiter mache. Diese Disziplin ist für mich ein Leichtes, sie macht Freude, sie bringt mich weiter. Aber sie wird nicht bemerkt wie z.B. täglich Joggen. :lol: Und durch die Einsichten, die ich in den Jahren gewonnen habe, hat sich meine Disziplin auch auf andere Felder übertragen, z.B. maßvoll essen, kein Geschwätz mehr - die Silas eben. Aber dies kam eben nicht, weil ich diszipliniert bin, sondern weil ich einsichtig wurde.
    _()_

    Ohne mich ist das Leben ganz einfach

    Ayya Khema

    Oder anders ausgedrückt: Die Beherrschung der Gedanken ist der Weg zum Glück (SH Dalai Lama)

  • Moin Jojo


    Disziplin halte ich für sehr wichtig. Woher sie bei mir kommt? Sie kommt aus meinem Willen.
    Das ist wie bei jedem anderen Üben auch. Ohne Disziplin kein Fortschritt in der Praxis. Zu Anfang habe ich Disziplin als Anstrengung erfahren, manchmal sogar als Zwang. Im Laufe der Jahre hat sich das relativiert. :D


    Ich lese gerade das Buch "Zen, Nationalismus und Krieg". Dein Posting hier hat mich an einen Absatz daraus erinnert.


    Zitat

    ...Einer der schweren und grundlegenden Irrtümer der späteren Ch'an Anhänger war, nicht zu erkennen, dass ein riesiger Unterschied besteht zwischen der Verwerfung von Ritualen (und in noch stärkerem Maße von Lehren), nachdem man dieselben persönlich kennengelernt und praktiziert hat, und ihrer Verwerfung ohne jedes zuvvor erworbene Verständnis und ohne jede praktische Erfahrung. Zwar halten es viele für eine 'Abkürzung', diese Dinge von Anfang an zu meiden, doch hat dies nur zu oft zur Folge, das die Betreffenden nicht in der Lage sind zu unterscheiden,was den grundlegenden buddhistischen Lehren entspricht und was nicht.....Ihre >>Anmut<< und ihre >>Freiheit der Bewegung<< erlangt die Ballerina erst durch jahrelanges intensives Training und nur dann wenn sie sich in dieser Lehrzeit rigoros an der Form orientiert. Man könnte auch sagen: "Niemand sollte das Floß verlassen, bevor er nicht zumindest einen Blick auf das andere Ufer geworfen hat.".........


    Seite 337


    Auch hier habe ich oft den Eindruck, das so einige dass eine oder andere, das sie nicht verstehen oder das ihnen zu anstrengend ist, lieber weglassen wollen. Und um dies vor sich selbst zu rechtfertigen, sich schön zu reden, wird es dann runter gemacht.
    Das ist zwar menschlich, aber aus meiner Sicht nicht hilfreich. Disziplin gehört dazu wie auch z.B. Rituale usw.


    Hier http://www.buddhaland.de/viewtopic.php?f=12&t=509&p=5147 habe ich vor einigen Jahren einen kleinen Einblick in meine Praxis gegeben.


  • Eine immens wichtige
    Weiß ich nicht...Aber wenn ich mich etwas interessiert, mache ich das 120 %ig. Weil ich es gern tue, es Spaß macht, mir etwas bedeutet.
    Durch das Tun...
    Innere Disziplin ist mir viel wichtiger als Müssen; eigentlich muß ich nix mehr, so frei bin ich schon.
    Absolut positiv in diesem einen Bereich: Denn Praxis ist Alltag... :P
    _()_c.d.

    Tag für Tag ein guter Tag

  • Wenn im Alltag der Geist bei der Sache ist und nicht abschweift kommt es auch zur Inneren Ruhe.
    Ungewaschenes Geschirr lenkt den Geist ab, Unordnung im Haus lenkt ab.
    Äusseres überträgt sich auf inneres und wird zur Natürlichkeit.

  • Dieser Film hat mich traurig gemacht.


    Dieser alte Mann schien mir so eingesperrt. Er war ein schöner, lebendiger junger Mann gewesen, weggelaufen aus dem Kloster, weil er zur Uni gehen wollte. Und dann aus Dankbarkeit... Ich hatte das Gefühl, er war in eine Falle gelaufen. Dieses tote Gerede von Disziplin...


    Keine Frage: ohne Disziplin geht nichts. Die Frage für mich ist: wie entwickelt sich echte, lebendige Disziplin? Und was ist das - echte Disziplin?


    Als Kind wurde von mir verlangt, eine Tätigkeit zu lernen, die mit Leistungssport vergleichbar ist (kein Ballett). Ich wurde zum Üben gezwungen. Mit 10 oder 11 entschied ich mich dann, diese Tätigkeit zu meinem späteren Beruf zu machen, und mit 15 wurde ich von einer bekannten "Trainerin" angenommen. 15 Jahre ist in dieser Welt schon ganz schön alt, und ich musste mich neben der Schule voll reinhängen. Was ich auch tat. Jetzt musste mich niemand mehr zwingen. Mein Leben war von dieser Tätigkeit vollständig bestimmt. Wie im Zenkloster. In dieser Welt habe ich sehr gut funktioniert. Wie diese jungen Mönche. Es fiel mir nie schwer, die nötige Disziplin aufzubringen. Es war eigentlich wunderbar.


    Dann fiel alles auseinander. Leider war ich nicht gut genug, die globale Konkurrenz war schon spürbar. Ich wurde ständig krank. Kurz gesagt, die Sache ging voll in die Hose. Ich musste raus aus dieser Welt, in die normale Welt.


    Und bums, war meine Disziplin im Eimer.


    Das war nicht wegen ein bisschen Depression, sondern es lag ganz genau exakt daran, dass ich in dieses Uhrwerk hineindressiert worden war, und nur als Teil dieses Uhrwerks funktionieren konnte.


    Deshalb frage ich mich: Ist das, was diese Jungs in diesem Kloster da lernen, Disziplin? Oder ist es schlicht und einfach wie das Teil eines Uhrwerks funktionieren? Ich finde das tot. In meinen Augen hat das mit echter Disziplin nichts zu tun.

  • Ein schönes Beispiel, Jojo.
    Du siehst die Disziplin dieses Mannes durch die Brille deiner Erfahrungen und Gefühle.
    Wenn du wissen willst, was wirklich dahinter steckt, musst du diese Brille abnehmen und dich auf seinen Weg einlassen.
    Oder und das ist natürlich auch eine Möglichkeit, lass einfach eure Wege gleichberechtigt nebeneinander stehen.
    Du lebst nun mal nicht in einem Zenkloster und bist wahrscheinlich auch keine Japanerin, die in eine bestimmte Kultur hineingeboren wurde.
    Ich denke auch, dass das Disziplinverständnis eines jap. Mönches ein anderes ist, als das von uns.
    Vieles können wir nicht nachvollziehen, aber wir können uns davon anregen lassen unsere eigene Übung, unseren Weg, zu überdenken.


    Die Frage, ob das, was die Jungs dort lernen Disziplin ist, lässt sich so, glaube ich, nicht beantworten. Du kannst immer nur sagen, wie es auf dich wirkt. Disziplin ist erst mal nur ein Wort. Was dahinter steckt, lässt sich nur erfahren.


    Der alte Mann schien dir eingesperrt. War er es auch? Hat er sich so gefühlt? Oder hat er da nur etwas in dir wach gerufen, was du ihm dann übergestülpt hast, weil es für dich zu schmerzhaft ist?


    Ich weiß es nicht. Es sind meine Gedanken dazu, die mir spontan gekommen sind.

  • Hallo,


    mich hat der Film an vielen Stellen an eine sehr schöne Leseempfehlung von Ji'un erinnert: 'Teaching and Learning in the Rinzai Zen Monastery' von G. Victor Sogen Hori. Ich könnte mir vorstellen, Rinzai und Soto sind in dieser Hinsicht nicht allzu unterschiedlich. Der Autor spricht viel über rituellen Formalismus und Auswendiglernen, nicht nur von Texten auch von Handlungen. Es ist vielfach ein Machen, ohne zu verstehen. Dafür benötigt man auch Disziplin und irgendwann wirkt das Äußere nach Innen.


    Jojo:

    Welche Rolle schreibt ihr der Disziplin in der Praxis zu?


    Für mich gehört Disziplin überall dazu: im Alltag, auf der Arbeit oder in der Praxis.


    Jojo:

    Woher kommt Eure Disziplin?


    Da meine Praxis in keine Gemeinschaft mit hierachischer Struktur eingebettet ist, ist meine Disziplin immer Selbstdisziplin.


    Jojo:

    In welchem Verhältnis stehen bei Euch innere Disziplin (Wollen) und äußere Disziplin (Müssen)?


    Über die Unterscheidung muss ich noch weiter nachdenken. Gerade über das Wollen als innere Disziplin. Das Wollen auch tun ist in vielen Fällen erst möglich, wenn Disziplin nicht da oder schwach ist. Denke ich.


    Gruß
    Florian

  • Jojo:


    Dieser alte Mann schien mir so eingesperrt.


    Das ist eben deine Sichtweise, auf mich wirkte er eher wie vollkommen gleichmutig, entspannt, friedlich.
    Disziplin muss auch nicht heissen "du musst dies machen du musst das tun", es kann auch heissen, dass man das was man macht in voller geistesgegenwärtigkeit macht ohne abschweifende Gedanken, denn gerade durch diese Gedanken entsteht meistens Leid.

  • Ja, wenn ich sage "traurig", ist das bewertend.
    Bewertungen kommen immer aus den eigenen Erfahrungen.
    Stimmt.


    Habe gestern und heute über das Thema viel nachgedacht, und mir ist etwas aufgefallen:
    Es gibt also Disziplin, die aus "Abneigung" kommt - vermeidende Disziplin - und es gibt Disziplin, die aus "Zuneigung" kommt - strebende Disziplin. Erinnert mich an die Geistesgifte "Gier und Hass".


    Die vermeidende Disziplin kenne ich, sie ist auf Dauer sehr anstrengend. So wie Abel mit seinen Heinzelmännchen. Darin habe ich mich wiedergefunden. Ich habe mir immer die zweite Art gewünscht, die strebende Disziplin, die aus dem Wollen kommt. Jetzt dämmert mir, dass auch das anstrengend sein oder werden könnte.


    Ich wünsche mir eine unangestrengte Disziplin. Eine, die aus Einsicht kommt. Manchmal entsteht sie auch. Sie kommt aus völliger Entspannung. Nach dem Sitzen bin ich manchmal in der Lage, Dinge zu erledigen, die mir vorher völlig unmöglich erschienen - einfach, weil sie erledigt werden müssen.


    Ich werde das im Auge behalten.

  • Jojo:


    Zitat

    Keine Frage: ohne Disziplin geht nichts. Die Frage für mich ist: wie entwickelt sich echte, lebendige Disziplin? Und was ist das - echte Disziplin?


    Ich finde, dass "echte , lebendige Disziplin " einfach das Notwendige im Moment tut. Weder weicht sie aus,noch läuft sie weg,noch geht sie einem inneren oder äußerem Zwang nach.

    Honen Shonin: "Weil es den Übenden in der heutigen Zeit aber gut geht, finden sie Einschränkungen schwer."

  • Jojo:


    Ich wünsche mir eine unangestrengte Disziplin. Eine, die aus Einsicht kommt. Manchmal entsteht sie auch. Sie kommt aus völliger Entspannung. Nach dem Sitzen bin ich manchmal in der Lage, Dinge zu erledigen, die mir vorher völlig unmöglich erschienen - einfach, weil sie erledigt werden müssen.


    Guten Morgen Jojo,
    dazu fällt mir meine zur Gewohnheit gewordene Vorgehensweise ein. Wenn ich im Moment keine Lust habe zu einer bestimmten Tätigkeit oder Sport an frischer Luft o.ä., weil ich gerade auf dem Sofa liege und mein Buch weiterlesen möchte, dann schaue ich zur Uhr, setze mir eine Zeit, z.B. 16.00 Uhr, und lese entspannt weiter. Um 16 Uhr ist es plötzlich überhaupt kein Problem, ich stehe auf und erledige das, was ich meine, tun zu müssen.
    Das handhabe ich in solchen Momenten bereits seit über 20 Jahren so. Es funktioniert wunderbar und ich bleibe entspannt.
    _()_

    Ohne mich ist das Leben ganz einfach

    Ayya Khema

    Oder anders ausgedrückt: Die Beherrschung der Gedanken ist der Weg zum Glück (SH Dalai Lama)

  • Dein Beitrag gefällt mir, Abel! Genau so denke ich auch. Es kommt vor, dass mein Mann mich fragt, ob ich denn Lust zu diesem oder jenem habe. Dann antworte ich eigentlich immer, dass ich darüber nicht mehr nachdenke, ich tu's einfach, ich hab mich dazu entschieden, weil ich das für richtig halte, und basta.


    Bestätigen kann ich auch, dass ich früher Dinge für nötig hielt, die mir heute gar nicht mehr in den Sinn kommen. Ich habe gaaaaaaaaaaaanz viel Zeit - und die hatte ich sogar, als ich noch berufstätig war. Im übrigen ist mir auch ziemlich schnell aufgefallen, dass allein die gedankliche Beschäftigung mit dem "soll ich oder soll ich nicht" so viel Energie raubt, dass - so meine Beobachtung sowohl bei mir als auch bei anderen - man schon allein davon "ganz kaputt ist".


    _()_

    Ohne mich ist das Leben ganz einfach

    Ayya Khema

    Oder anders ausgedrückt: Die Beherrschung der Gedanken ist der Weg zum Glück (SH Dalai Lama)

  • Ich habe versucht über dieses Thema nachzudenken,aber mir ist nichts wesentliches dazu eingefallen, außer vielleicht, daß der Mensch es irgendwie liebt eine Formel für was zu finden. Nun gibt es doch keine Formel für das Leben, für die Anstrengung oder das flüssige Überwinden von Schweinehunden ? Die Formel für unangestrengte, flüssige Disziplin scheint mir wirklich zu sein: nicht drüber nachzudenken.
    Es gibt ja so eine eindoktrinierte Erziehung zur Disziplin und die hab ich immer verabscheut, die war von anderen aus irgendwelchen scheinbar gewichtigen Gründen gefordert. Und bei Versagen mit Strafe belegt. Was geht mich der Egokram von anderen an ? Die Nazis und Bismark konnten ein ganzes Volk zu disziplinierten Handlungen verführen bis zum Untergang. Es ist also schon auch eine Gewissensfrage zu welchem Zweck ich mich disziplinieren lasse und mich selber diszipliniere - und wozu nicht.

    Honen Shonin: "Weil es den Übenden in der heutigen Zeit aber gut geht, finden sie Einschränkungen schwer."

  • Ich sehe schon, außer mir hat hier niemand Probleme. :(
    Ich habe den Kopf voller Gedanken. Die gehen und gehen nicht weg.
    Ich kann nicht "just do it".
    Und meine Disziplin entwickelt sich auch mit anfänglichem Selbst-Zwang kein Stück weiter. Entweder tue ich, was getan werden muss, aber mit einem ungeheuren Kraftaufwand, von dem ich mich anschließend erst mal erholen muss. Oder ich kann mich gar nicht bewegen. Und das hat sich in all denJahren nie verändert.


    Für mich ist es sehr wichtig, zu beobachten, aus welcher Quelle sich meine Disziplin speist. Unter äußerem Druck funktioniere ich, aber mit inakzeptablen Reibungsverlusten. "Angst"-Disziplin ist Gift für mich. Die "wollende, strebende" Disziplin hat sich bei mir bisher nur - und einzig und allein dort - bei der Meditation entwickelt. Sie hat sich nicht auf mein übriges Leben übertragen.


    Nach euren Beiträgen kreist mir jetzt eine Verszeile im Kopf, die ich oft gehört habe: "wie jemand, der nachts aufwacht und ohne nachzudenken sein Kopfkissen zurechtrückt." Ich wusste nie, worauf sich das bezieht. Das hört sich unangestrengt an. So stelle ich mir richtiges Handeln vor. Ich werde bewusster beobachten, welche Hindernisse zwischen mir und dieser Unangestrengtheit liegen.

  • al-Nuri:

    aber mir ist nichts wesentliches dazu eingefallen, außer vielleicht, daß der Mensch es irgendwie liebt eine Formel für was zu finden


    :lol:
    danke, al-nuri.

  • Ich kenne wirklich keine Formel für irgendwas. Über Nacht, ja in einem Moment, wurde jede Formel immer wieder umgestossen. Beim Koan z.B. habe ich es mit einer Formel versucht. Es ist nicht möglich. Bei meinen Kinder habe ich es versucht. Über Nacht waren sie irgendwie "anders" und ich auch.Ich verabscheue Disziplinierung und Erziehung, es sei denn sie kommt von Herzen. Das heißt auch : vom Herzgeist. Und ist dieser in mir und in anderen verschieden ? Er ist zärtlich,vergebend, weitsichtig, einsgerichtet, niemals strafend, hell. Und Du kennst ihn.

    Honen Shonin: "Weil es den Übenden in der heutigen Zeit aber gut geht, finden sie Einschränkungen schwer."

    2 Mal editiert, zuletzt von al-Nuri ()


  • Disziplin ist für mich erstmal ein neutrales Konzept. Was man damit anfängt ist was anderes. Disziplin an sich ist also nicht etwas positives an sich. Man denke nur wie diszipliniert die Nazis und die Kommunisten Millionen Menschen ermordet haben.
    Buddha erlangte nicht durch Disziplin Erleuchtung. Sondern erst, als der die Disziplin der Askese aufgab. Für mich bedeutet Disziplin sich gewisse Grenzen zu setzen, diese aber nicht Dogmatisch zu brauchen. Das bedeutet ganz konkret, dass ich im Alltag versuche Achtsam mit Menschen zu reden. Wenn ich aber erkenne, dass jemand sehr unbewusst handelt und spricht, dann können eben auch harte Worte ein versuch sein jemanden einen Spiegel vorzuhalten. Entscheidend ist also nicht die Disziplin an sich. Sie ist vielleicht ein Werkzeug, dass man solange braucht, bis sich die Praxis so im Alltag gefestigt hat, dass man sie natürlich lebt ohne sie als Disziplin zu empfinden. Entscheidend ist zunächst der innere Grad der Bewusstheit. Das ist die Verantwortung die jeder trägt. Im Außen mag man Fehler machen oder Unwissend sein. Aber das ist nicht das entscheidende. So gibt es ja sehr viel disziplinierte Menschen die im Außen scheinbar sehr viel erreichen und dennoch im Inneren völlig unbewusst bleiben. Da hilft also weder Erfolg, Macht oder eben Disziplin.

  • Ich bin sehr undiszipliniert.
    So, jetzt isses raus. Naja, es wurde mir ja auch in Unterstufen Zeugnissen bestätigt, wie ich beim Durchsehen meiner „Schatzkiste“ sah. Und dann fielen mir auch die Gespräche mit den Lehrern ein, die meine Eltern baten mich von dem konservativem Mädchengymnasium zu nehmen, undiszipliniert und so sprachunbegabt.
    Aaaaber…sie hatten schon Recht. Ich bin undiszipliniert.
    Dinge, die ich nicht unbedingt machen muss, schiebe ich auf die lange Bank und ergehe mich in den „wichtigen“ Dingen, von denen ich immer mehr mir auflade, sodass ich vor mir selbst die Entschuldigung habe: ich hatte keine Zeit dazu. Mein Tagesablauf ist strukturiert unstrukturiert, ich habe eine tägliche mentale to-do-Liste, die aber nur zu max. 70% realisierbar ist, weil es fast immer anders kommt, als ich plane. Ich arbeite viel und das auch nur, weil ich das Wohl vieler Wesen von mir abhängt. Da kann ich mir Nächte um die Ohren hauen, über jede physische Grenze hinaus mich anstrengen, stundenlang im strömendem Regen zu werken…und das über viele Jahre. Aber das ist für mich keine Disziplin. Ich muss es halt tun, möchte ich mein Leben so weiterführen dürfen. Es ist etwas ganz normales. Ich werde auch nicht krank oder unlustig oder depressiv. Anders war es, als ich in anderen Berufen arbeitete, in denen ich alles zwar erfolgreich und pflichtgetreu erfüllte, aber diese Tätigkeiten halt nicht „mein Ding“ waren. Da litt ich an allen Allergie-Symptomen, erkrankte häufig und fühlte mich schnell erschöpft.
    Und, würde ich selbst nicht das Wohl und auch die Freude und Verlangen an meiner individuellen spirituellen Praxis empfinden, sondern müsste vorgeschriebene Rituale erfüllen, wäre das das Ende. Es hat aber auch gedauert, bis ich das gute Gefühl, dass ich durch meine "spirituelle Disziplin" erfuhr erkannte und auch mir gegenüber gestattete. Sich selbst aus sich heraus gutzutun und guttun zu dürfen.


    Irgendwann kommt der Moment, da müssen die ungeliebten Dinge gemacht werden, der Moment „des Grauens“ kommt unausweichlich näher und in mir baut sich eine immer grössere Abneigung gegen diese unliebsamen Dinge auf, gleichzeitig überlege ich immer, wem ich diese Dinge „auf’s Auge drücken kann“.
    Erst recht spät habe ich gelernt, dass ich nichts und niemandem auf Dauer ausweichen kann.
    Das gilt auch für Lächerlichkeiten wie unliebsame Erledigungen.
    Anstelle mich in „noch eine Zigarette, dann geht’s los“-Zeitschinden zu flüchten, mache ich mir nette Musik an, bereite sorgsam alles vor, nehme mir die Zeit und Ruhe dafür und versuche Lust für die Tätigkeit aufzubauen und eine andere Sichtweise dafür zu gewinnen. Das Beispiel, das abel genannt hat,


    Code
    Es gibt noch andere Tricks: Von chinesischen Freunden habe ich gelernt, dass es eine Freude ist, Steuern zu zahlen weil es heisst, dass man Geld verdient hat. (Seitdem denke ich immer daran wenn ich mich darum herumdrücke) Bei Thich Nat Han hab ich gelesen, dass es schön ist das Klo zu putzen weil es heisst, dass ich eines besitze und mir kein Loch in die Erde graben muss...
    In diesem Sinne ist alles eine Frage des Denkens. Oder des Aufhören zu Denkens.


    ist so eine gute Möglichkeit, anstelle Energien sinnlos in Vermeidungstaktiken zu entwickeln.
    In meiner „Schatzkiste“, die ich bei einer unliebsamen Aufräumaktion sichten musste, habe ich mein Poesie-Album gefunden.
    Ein Spruch lautet:
    Und drückt dich drückt dich schwer die Last der Pflicht
    Dann setze heimlich still die kleinen Worte „ich will“.
    :lol:

    Der Horizont existiert nur im Auge des Betrachters, nicht in der Wirklichkeit

  • Ich kann mich nicht auf den Film beziehen, denn ich habe ihn nicht gesehen.


    Trotzdem gebe ich gerne Antwort auf die Frage nach der Disziplin, denn es ist ein sehr interessantes Thema.


    Disziplin kommt bei mir von Verstehen. Je mehr ich verstehe, oder je mehr Erkenntnisse ich habe, so einfacher und logischer scheint es mir, diszipliniert weiter zu machen. Je weniger muss ich darüber nachdenken und so leerer wird das Phänomen Disziplin :shock::D

    Liebe Grüße vom Niederrhein,


    Der Vogel

  • al-Nuri:

    Ich verabscheue Disziplinierung und Erziehung, es sei denn sie kommt von Herzen. Das heißt auch : vom Herzgeist. Und ist dieser in mir und in anderen verschieden ? Er ist zärtlich,vergebend, weitsichtig, einsgerichtet, niemals strafend, hell. Und Du kennst ihn.


    Ja.