Zweifel und Ich-Dünkel

  • hallo alle,


    aufgrund dieses postes über dana würde ich hier gerne über dünkel und unterscheidender weisheit diskutieren, wenn möglich mit erfahrungswerten:


    ich frage mich wo die grenze verläuft zwischen ich-dünkel/zweifel und angebrachtem abwägen, dh. wenn die innere stimme, besonders im sozialen kontext sagt, dass man es vielleicht hätte besser machen können, was ja erstmal neutral ist. im sozialen zusammenhang finde ich die unterscheidung schwierig, da auch bei einem fortgeschrittenen praktizierenden von mitgefühl auszugehen ist. rational ist die antwort einfach, bei dem einen ist die eigene erwartungshaltung vorhanden und bei dem anderen ist die frage offen, außerdem ist jede situation sozusagen als neu zu betrachten, aber in der "praxis" finde ich es unter umständen weniger eindeutig (im gegensatz zur theorie oder in der kontemplation).


    also: wo genau ist der unterschied zwischen "das hätte ich auch besser machen können." beim zweifel und bei der unterscheidungsfähigkeit und wie geht man damit am besten um?


    grüße, jazz

  • Der Unterschied liegt in einem unangenehmen physischen Empfinden.


    Der dünkelhafte innere Kritiker ist immer mit einem mehr oder weniger feinen physischen Schmerz verbunden.
    Die einfache Analyse der Situation ruft diesen Schmerz nicht hervor.
    Ausserdem kreiselt der innere Kritiker und kann nicht zum Schweigen gebracht werden.
    Die einfache Analyse der Situation kann der Geist fallen lassen, sobald er sie vorgenommen hat.


    Beim Sitzen hat man die Zeit und die physische Entspanntheit, den Unterschied wahrzunehmen.
    Um den Unterschied im Alltag wahrzunehmen, braucht man wahrscheinlich viel Übung. Ich kann das im Alltag nicht.

  • Habe ich etwas falsch gemacht, kann ich es nicht mehr ändern- also darüber länger zu reflektieren bringt nix. Und selbst wenn ich mir die "richtige Handlungsweise" klar gemacht und verinnerlicht habe, heißt das noch lange nicht, daß ich sie nächstesmal genauso anwende: Da kann ich anders drauf sein, andere Tagesform, außerdem kommen genau dieselben Voraussetzungen nie wieder.


    Also: Im Hier und Jetzt leben, dann entfallen solche Gedankenketten und vermeintliche Strategien, ich handle dann spontan wie es die jetzige Situation erfordert bzw. wie ich dann eben reagiere. Fertig aus und Punkt. Mal ist es gut und manchmal eben nicht.
    _()_c.d.

    Tag für Tag ein guter Tag

  • Liebe Jazzi,


    ich weiß das nicht immer, was da was ist. Das ist letztlich auch egal. Beides darf sein. Manchmal ist es so und manchmal so.
    Wenn ich mich selbst mit Zweifeln quäle, dann ist es gerade eben so. Es vergeht wieder. Ich möchte da nicht noch was draufsetzen.


    Ich schaue genau auf das, was in mir abgeht und dabei habe ich gemerkt, dass die Dinge leichter werden und verblassen, wenn ich nicht versuche sie weg zu analysieren oder sie ablehne. Was ich gerade nicht klar erkennen kann, möchte ich nicht unnötig festhalten. Das Leben wird mir noch genügend Gelegenheiten bieten, mich mit diesem Phänomen in einem günstigeren Moment zu befassen.


    Liebe Grüße
    Doris

    Der Sinn des Lebens besteht darin, Rudolph, dem Schwurkel, den Schnabel zu kraulen.

  • Chantasaro:


    Es gibt nur ein Mittel mit der Stimme umzugehen. Konsequent zu ignorieren. Ich habe lange gebraucht, dies zu merken. Ich möchte gar nicht wissen, wie viele Stunden ich mit der Stimme diskutiert und versucht habe, sie endlich mal zufrieden zu stellen. Aber im Endeffekt bin ich ihr dankbar war sie so ausdauernd und penetrant, sonst würde ich ihr heute noch auf den Leim gehen :D .


    Da fehlt ja noch ein wesentlicher Bestandteil. Denn so wie ich es gestern geschrieben habe, gehe ich davon aus, dass ich den Kritiker immer als Kritiker enttarne und ihm nie auf den Leim gehe. Da hat mir Avijjā auf dem linken Fuss erwischt.



    JazzOderNie:

    ich frage mich wo die grenze verläuft zwischen ich-dünkel/zweifel und angebrachtem abwägen, dh. wenn die innere stimme, besonders im sozialen kontext sagt, dass man es vielleicht hätte besser machen können,


    Ohne spirituelle Weisheit, kann man die beiden kaum oder gar nicht auseinander halten. Sonst wären wir ihnen nicht durch so viele Leben auf den Leim gegangen. Was wir halt zu Beginn des Dhammaweges haben ist die weltliche Weisheit. Mit der gilt es, das beste daraus zu machen.


    Jedes Mal, wenn ich eine der Stimmen einwandfrei als dies oder das erkennen konnte, entwickle ich in dem Bereich spirituelle Weisheit und ich wachse an den Situationen, wo ich den Kritiker als Kritiker erkenne. Aber ich wachse auch an den Situationen, wo ich den Kritiker erst im Nachhinein als Kritiker enttarnen kann, erst nachdem ich ihm auf den Leim gegangen bin. Deshalb kann es durchaus sein, dass eine falsche Entscheidung richtig war, weil sie mir dann durch die entstandenen Umstände weitergeholfen hat.


    Der buddhistische Weg besteht eben aus Entwicklung, Kultivierung, Wachstum und wir sollten uns auf die drei Hauptthemen im Edlen Achtfachen Pfad fokussieren. Paññā (Weisheit), Sīla (Moral, Ethik, Tugend) und Samādhi (Sammlung).




    JazzOderNie:

    ... aber in der "praxis" finde ich es unter umständen weniger eindeutig (im gegensatz zur theorie oder in der kontemplation).


    Ob es eine gute, weise Entscheidung war, oder nicht, kann man aber nur in der Praxis erfahren. Darum ziehe ich diese immer dem theoretischen Ansatz vor. Den Praxis ist schon recht eindeutig, wenn auch manchmal erst hinterher, wenn wir nachdenken.


    JazzOderNie:

    also: wo genau ist der unterschied zwischen "das hätte ich auch besser machen können." beim zweifel und bei der unterscheidungsfähigkeit und wie geht man damit am besten um?


    Für mich hat es sich bewährt, dass ich beim gegenwärtigen Tun, mit höchstmöglicher Achtsamkeit dabei bin. Dann tue ich doch das beste, was ich tun kann. So benötige ich weder die Stimme der Weisheit, noch die Stimme der Kritik. Etwas besseres habe ich persönlich im Moment nicht anzubieten.


    Wenn ich mich an Ajahn Chah erinnere, so hat der geraten, das beste zu tun und dann loszulassen. Ich verstehe seine Worte in zweierlei Hinsicht. Wenn ich dauernd meine vergangenen Taten analysiere, dann lebe ich ja nie im Augenblick. Und die zweite Bedeutung ist für mich, dass man es eben auch mal "gut sein lassen soll".

    Es ist fünf vor zwölf

  • erstmal danke für eure antworten.


    doris: "Was ich gerade nicht klar erkennen kann, möchte ich nicht unnötig festhalten." das verstehe ich nicht ganz. etwas sein zu lassen, was ich nicht erkenne (oder wahrnehme?). aber vermutlich liegt die betonung auf "nicht klar" und nicht auf dem "nicht"...


    chantasaro:

    was bedeuten diese stimmen in bezug auf die unterscheidungen avijja, dünkel und zweifel?

    Zitat

    Ob es eine gute, weise Entscheidung war, oder nicht, kann man aber nur in der Praxis erfahren. Darum ziehe ich diese immer dem theoretischen Ansatz vor. Den Praxis ist schon recht eindeutig, wenn auch manchmal erst hinterher, wenn wir nachdenken.


    Für mich hat es sich bewährt, dass ich beim gegenwärtigen Tun, mit höchstmöglicher Achtsamkeit dabei bin. Dann tue ich doch das beste, was ich tun kann. So benötige ich weder die Stimme der Weisheit, noch die Stimme der Kritik. Etwas besseres habe ich persönlich im Moment nicht anzubieten.


    Wenn ich mich an Ajahn Chah erinnere, so hat der geraten, das beste zu tun und dann loszulassen. Ich verstehe seine Worte in zweierlei Hinsicht. Wenn ich dauernd meine vergangenen Taten analysiere, dann lebe ich ja nie im Augenblick. Und die zweite Bedeutung ist für mich, dass man es eben auch mal "gut sein lassen soll".


    das sagst du so einfach. ;)

    Einmal editiert, zuletzt von Spock ()

  • Guten Morgen liebe Jazzi,


    Zitat

    Was ich gerade nicht klar erkennen kann, möchte ich nicht unnötig festhalten." das verstehe ich nicht ganz. etwas sein zu lassen, was ich nicht erkenne (oder wahrnehme?). aber vermutlich liegt die betonung auf "nicht klar" und nicht auf dem "nicht"...


    damit meinte ich, dass ich mich nichts ins Grübeln verlieren möchte, wenn ich mal einer Sache bei mir nicht auf die Spur komme. Wenn ich grüble, dann hänge ich in einer Zeitschleife fest, dabei hat sich um mich herum schon so viel ereignet, das dieselbe Aufmerksamkeit erfordert.


    "Zweifelsucht" ist für mich der Ausdruck dafür, dass ich eine Abwehrhaltung einer Sache gegenüber einnehme. Mit den Zweifeln kann ich dann die Anziehung, die diese Sache auf mich ausübt, von mir fernhalten, ich lass mich nicht ein. Ich ordne das in die Kategorie "Angst" ein.


    "Dünkel" ist in meinem Sprachgebrauch die Haltung, bei der ich mich für etwas Besseres halte. Besser als andere Übende. Zu gut, um mich hiermit oder damit zu beschäftigen. Zu gut, um mir von einem Lehrer was sagen zu lassen. Zu gut, um mich auf Fehlverhalten hinweisen zu lassen. Zu gut, um mich mit Grundlagen und einfachen Übungen zu beschäftigen. Zu gut, um das Klo zu putzen. ....
    Dünkel hat sehr viele Gesichter. Auch "Klassenbewusstsein" in allen Richtungen ist Dünkel. So wie Rassismus, Nationalismus, Sexismus ....
    Ich denke, dass auch dies mit Angst zu tun hat.


    "Persönlichkeitsglaube" darunter verstehe ich, dass ich von mir ein bestimmtes Bild habe, dem ich bestimmte Eigenschaften zuschreibe. Auch das ist hinderlich, denn es schließt alle anderen Optionen und Handlungsspielräume aus. Z.B. Ich bin nicht faul. Ich bin in manchen Situationen faul.


    "Avijjia" interpretiere ich als Verblendung. Also man glaubt, dass das was man interpretiert, die Wahrheit ist, und dass man die Realität per se erkennt.


    Ja, das kann sehr sehr subtil sein. Sowohl Dünkel als auch Zweifelsucht empfinde ich als große Hindernisse. Sie betonieren Eingänge und Zugänge
    zu.


    Das sind meine persönlichen Ansichten zu den Begriffen, und ich weiß nicht, ob sie mit den Definitionen im Palikanon im Einklang stehen.


    Liebe Grüße
    Doris

    Der Sinn des Lebens besteht darin, Rudolph, dem Schwurkel, den Schnabel zu kraulen.

  • crazy-dragon:


    Also: Im Hier und Jetzt leben, dann entfallen solche Gedankenketten und vermeintliche Strategien, ich handle dann spontan wie es die jetzige Situation erfordert bzw. wie ich dann eben reagiere. Fertig aus und Punkt. Mal ist es gut und manchmal eben nicht.
    _()_c.d.


    Was man selbst als nicht gut bezeichnet bezeichnen andere als gut. Das machts dann noch einfacher nicht über seine Handlungen nachzudenken, beim nächsten mal macht man es eh anders und es ist eine andere Situation. Was passiert ist ist passiert, fertig und abgehackt.


    Es kann sehr hilfreich sein einen Tag in der Woche alles langsam zu machen und zu beobachten, langsam gehen, langsam abwaschen, langsam einkaufen und bei allem schön brav genau dabei bleiben was man gerade macht, an nichts anderes denken als den Teller den man gerade abwäscht :)


    Grussdings :)

  • @ JazzOderNie


    Puhhh Du hast eine Diskussion gestartet, die sehr viel verschiedene Themen beinhaltet. Wenn ich nicht auf alle Deine Fragen eingehe, dann bitte stelle sie nochmals. Wenn möglich sollten wir in homöopathischen Dosen weitersprechen, denn sonst wird alles zu oberflächlich.


    JazzOderNie:

    ... das sagst du so einfach. ;)


    Als ich begonnen habe Thailändisch zu lernen, dachte und sagte ich oft, dass dies eine sehr schwierige Sprache ist. Wie sehr ich mich doch geirrt habe. Denn hier in Thailand spricht jedes Kind Thailändisch und hier im Nordosten sogar auch einen Laodialekt. Umgekehrt hat meine Exfrau geklagt, wie schwer es ist Deutsch zu lernen. Meine Kinder konnten sehr schnell Schweizerdeutsch, Thailändisch und Hochdeutsch.


    Gleich ist es mit der Lehre. Da kamen früher Leute zu Buddha, die hatten noch nie etwas von der Lehre gehört. Sie setzten sich nieder, hörten eine einzige Lehrrede und zack, erlangten sie einen der vier Erwachungsstufen. Es muss also einfach sein, anders wäre das nicht möglich. Mir ist schon klar, dass der erhabene Buddha ganz genau wusste, was er wem erzählen musste, damit diese Person einen Schritt in die Freiheit machen kann. In Diskussionen wird genau das als Ausrede genommen. "Der Buddha hatte grossen Anteil am Erfolg und weil er nicht mehr da ist, ist es schwierig, sehr schwierig, unmöglich."


    Gerade wir Mönche und Nonnen ziehen solche Aussagen sehr gerne herbei, wie mir über all die Jahre aufgefallen ist. Dann machen wir aus der oft sehr einfachen Lehre etwas sehr kompliziertes. Und wenn das auch noch nicht genug ist behaupten wir, dass man halt nur mit den tiefsten Vertiefungen der Tiefenmeditation und auch nur wenn der Mond in einem speziellen Spezialwinkel zur Sonne steht, überhaupt die Chance zur Befreiung haben. Warum tun wir das? Wieso ist es immer so, dass der Mönch recht hat und ein Laie nicht?


    Damit wir uns richtig verstehen, ich übe keinerlei Kritik an irgendwelchen Mönchen, Nonnen oder Laien. Wenn man in meinen Worten Kritik sehen will, dann bitte gegen das Gesamtsystem, welches sich über 2500 Jahre entwickelt hat. Wenn trotz dieser Worte jemand meint, ich würde mit dem Zeigefinger auf andere zeigen, dann soll bitte beachtet werden, dass Mittel-, Ring- und der kleine Finger auf mich selbst zeigen ;) .


    Zurück zum Thema. Mir ist aufgefallen, dass wir unter dem Wort Dünkel nicht das gleiche verstehen. Für mich bedeutet Dünkel sich überschätzen und sich dadurch abgrenzen. Es hat fast den Geschmack des Hochmutes. Daraus habe ich gefolgert, dass Dünkel ein Hindernis ist, dass ich den Persönlichkeitsglaube durchschauen kann. Nicht das einzige Hindernis, aber es hat sich dann wirklich so herausgestellt. Solange ich mich als etwas anders sehe wie alle anderen Menschen, egal ob Buddha, Dalai Lama, einen hochintelligenten Uniprofessor, ein Penner, eine Frau, ein Kind, ein Sterbender, ... so lange kann ich den Persönlichkeitsglauben nicht ablegen.


    Der Zweifel ist doch die Stimme, aber auch die Eigenschaft, dich mich unsicher macht. Und jetzt kommt ein scheinbarer Widerspruch zum oben gesagten. Ich muss eine starke Persönlichkeit aufbauen, die stärker als alles andere ist, damit ich den Zweifel niederringen kann. Und das im gleichen Atemzug mit dem Ablegen vom Persönlichkeitsglauben :D . Irre nicht? Ich weiss nicht, ob es nur so geht, aber so geht es.


    Avijjā ist für mich der Mix aus folgenden Komponenten: Nicht-Wissen, Ignoranz, falsches Wissen, Dummheit: Die teilweise oder vollständige Abwesenheit von Vijjā (richtiges Wissen). Es ist die Grundlage, auf der die drei Kilesa (Moha, Dosa, Lobha) überhaupt ein Nährboden erhalten und sich entfalten können. Avijjā gibt es auf zwei Ebenen: Der Mangel an Wissen bei der Geburt und das falsche Wissen, das sich später anhäuft.


    Um Avijjā besser fassen zu können, habe ich sie/ihn personifiziert. Bei mir ist es eine Frau, hinterhältig, hinterfotzig, zu allen Schandtaten bereit. Staatsfeind Nummer 1 und Chefin der Kilesa.


    Dass ich meine Erfahrungen nicht in der herkömmlichen Art und Weise präsentiere, sondern es einfach aus meinem HerzGeist heraussprudeln lasse hat folgenden Grund. Als ich begann, mich mit dem Buddhismus zu befassen, war ungefähr nach einem Jahr der Entschluss gereift, dass ich in diesem Leben Nibbāna verwirklichen will. Ab diesem Augenblick schien sich die ganze Welt gegen mich zu verschwören. Nicht die ganze Welt, aber unter anderem auch Menschen, von denen man eigentlich erwarten könnte, dass sie einem zumindest Mut zusprechen. Das hat mich echt beschätigt, eines Nachts träumte ich, die Personen sei in Wirklichkeit Māra/Avijjā. Es gab auch liebe Menschen, die mich unterstützten und mir den Weg zeigten. Nur deren ihr Weg führte vom Ziel weg, anstatt drauf hin. Darum habe ich alle Bücher weggegeben und habe mit niemandem über den Weg gesprochen. Ich suchte und ging meinen eigenen Weg. Ich hatte als Unterstützung nur die Lehrreden auf Englisch und Deutsch, zu Beginn noch nicht mal auf Pali.


    Durch diesen Weg, habe ich einige klassische Erklärungen der Mönche und Nonnen nicht mitbekommen, aber ich habe einen reichen Erfahrungsschatz in der Praxis. Jetzt bin ich an einem Punkt angelangt, wo ich meine Praxis ändern muss. Ich muss mir einen neuen Weg zurecht legen. Deshalb bin ich oft im Internet, wozu dieses Forum ja auch gehört. Ich suche nach Inspiration und Information. Als "Nebenwirkung" lerne ich auch, meine Erfahrung mit den entsprechenden Worten zusammen zu bringen. Dennoch werde ich wohl nie auf die scholastische Schiene geraten und die Lehre wie ein Roboter vortragen.


    Zum Thema Stimmen und Khandha, da bin ich gerade ratlos, was die Stimmen mit den Khandha zu tun haben. Für mich sind sie Avijjā respektive Vijjā (Wissen) / Paññā (Weisheit). Eine unterschiedliche Tonlage der beiden Stimmen konnte ich nicht feststellen. Wenn ich denke dann höre ich nicht Stimmen, sondern "höre" Worte. Vielleicht ist es für mich deshalb so schwierig, Avijjā eindeutig als Avijjā wahrzunehmen. Du schreibst von Dialog, ich verstehe nicht einen Dialog darunter. Es sind nicht mehrere Stimmen, die miteinander diskutieren, zumindest habe ich es noch nie so wahrgenommen. Früher dachte ich, ich würde denken. Das hatte zur Folge, dass ich mich mit den Gedanken voll und ganz identifizierte. Dann entdeckte ich, dass zwischen dem Entstehen eines Gedankens und dem "das ist mein Gedanke", eine kleine zeitliche Differenz besteht.


    Bisher habe ich Avijjā nie als Gefühlsregung Vedanā wahrgenommen. Für mich kommt Vedanā in der zeitlichen Abfolge vor der Entstehung von Sprache. Wenn ich mich auf Vedanā fokussiere, dann kann ich nicht mit der Sprache arbeiten, sonst verliere ich sofort den Kontakt zu Vedanā, weil ich zeitlich gesehen stehen bleibe und nicht mehr im Augenblick bin. Für mich ist das Hier&Jetzt zeitlich gesehen sehr kurz und wenn ich im Hier&Jetzt bleiben will, dann löst sich Sprache auf, die Gedanken versiegen.


    Zum Stromeintritt können wir einen neuen Thread aufmachen. Dort geht es "nur" darum, Persönlichkeitsglaube (Sakkāya-Ditthi), Zweifel (Vicikicchā) und Überbewerten von Regeln und Riten (Sīlabbata-Parāmāsa) abzulegen. Das ist so einfach, wie ein Kind eine Sprache lernt und so schwierig, wie wenn ein Erwachsener eine Sprache lernt :badgrin: .

    Es ist fünf vor zwölf

  • Zitat

    Gerade wir Mönche und Nonnen ziehen solche Aussagen sehr gerne herbei, wie mir über all die Jahre aufgefallen ist. Dann machen wir aus der oft sehr einfachen Lehre etwas sehr kompliziertes. Und wenn das auch noch nicht genug ist behaupten wir, dass man halt nur mit den tiefsten Vertiefungen der Tiefenmeditation und auch nur wenn der Mond in einem speziellen Spezialwinkel zur Sonne steht, überhaupt die Chance zur Befreiung haben. Warum tun wir das? Wieso ist es immer so, dass der Mönch recht hat und ein Laie nicht?


    Weil Menschen etwas besonderes sein wollen :)


    Ich hatte schonmal geschrieben, dass die Lehrreden von Buddha sehr simpel gehalten sind "neneeee - so einfach ist das nicht" waren die Antworten :)


    Bringt euch gedanklich um, dann ist alles da was je da sein kann. Wer das nicht möchte lebt jeden Tag seine letzten paar Minuten zu jedem Zeitpunkt. In den letzten 10 Minuten verletzt man niemand, brüllt keinen an, ist auf niemanden wütend, man läuft nackt rum weil es einem am Hintern vorbeigeht was andere über einen denken - Problem erledigt :)

  • doris:
    guten morgen, jetzt wird's lichter. :D


    chantasaro:
    dann ist es vllt ein und die selbe stimme (zweifel), aber in unterschiedlichen facetten. wenn mich meine innere stimme selber zuquatscht, dann ist das für mich ein dialog.

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  • Das ist eines meiner größten Fehler. Ich konnte nie so richtig jemand sein. Ich habe sich entwickelnde Persönlichkeiten bei mir immer abgeschnitten.
    Ich bin ein Weichei, Ich bin ein Ekel, ich bin ein "ganz lieber, Ich bin vertrauenswürdig, Ich bin ein Verräter, usw weiter und so weiter.
    Wie geschah das?
    Mit 18 stelle ich mir,in einem meditativen Augenblick,(ich stand einfach an Fenster und sah raus) die Frage: Was willst Du werden? Die Antwort war: Mensch.
    Ich fragte: Wie nur Mensch, nicht reich, erfolgreich, mächtig? Antwort: Nein, Mensch reicht.
    Darauf habe ich gesagt: Gut dann eben Mensch werden.
    Heute würde ich das als Kensho bezeichnen als großes Satori. Es hatte aber nur die Bedeutung das wenn ich wiedermal reich, erfolgreich, mächtig werden wollte und darauf hinarbeitete, dieses "nur Mensch werden" alle Schranken deutlich machte die reich, erfolgreich, mächtig werden aufbauten. Ich bin eine Persönlichkeit geworden die immer das ist was andere in mir sehen doch wenn ich versuche diese Person auch zu sein, mich zu identifizieren, versagt mein Verlangen denn das war so geleitet, nur Mensch sein. Herr im Himmel was habe ich alles für Chancen bewusst ausgeschlagen das wirklich zu werden was andere mir als Rollen angeboten haben. Ich bin ein Versager! Doch ich wollte nur Mensch sein. Ein paar Sekunden der Beleuchtung und das Leben wird zur Hölle denn irgendwann versagt man gegen alle Bemühungen der Anderen aus mir einen richtigen Menschen zu machen. Über vierzig Jahre auf dem Weg und nichts hat mich zum Menschen gemacht wie irgendein Weisen behauptet hat wie Mensch zu sein hat. Buddha ist schon ein richtig brutaler, denn der ist der einzige der den Weg hat das es kein Weg ist sondern nur Leben wie es ist.
    Ach so: Ich bin nur Koch und bin in meinem Arbeitsleben, bisher 43 Jahre, etwa ein Jahr ohne Arbeit gewesen und ungefähr 6 Monate krank gemeldet. Stolz macht mich das nicht aber gesund.

    Einmal editiert, zuletzt von Noreply ()

  • Chantasaro:

    ... Da kamen früher Leute zu Buddha, die hatten noch nie etwas von der Lehre gehört. Sie setzten sich nieder, hörten eine einzige Lehrrede und zack, erlangten sie einen der vier Erwachungsstufen.


    Das halte ich für ziemlich übertrieben. - Nagut bei Sariputtho war es wohl so, aber
    bei den meisten wohl nicht. Wenn es aber zu einer Erwachungsstufen kam, dann
    hat der Buddha erst den Boden dafür bereitet was man leicht wie garnichts überließt:
    Beispiel Upali:
    „Da hat denn der Erhabene Upāli, den Hausvater, allmählich in das Gespräch eingeführt,
    sprach erst:
    1. mit ihm vom Geben,
    2. von der Tugend,
    3. von seliger Welt,
    4. machte des Begehrens Elend, Ungemach, Trübsal und der Entsagung Vorzüglichkeit offenbar.


    Als der Erhabene merkte, daß Upāli, der Hausvater, im Herzen bereitsam,
    geschmeidig, unbehindert, aufgerichtet, heiter geworden war, da gab er die
    Darlegung jener Lehre, die den Erwachten eigentümlich ist:
    das Leiden, die Entwicklung, die Auflösung, den Weg.


    Gleichwie etwa ein reines Kleid, von Flecken gesäubert, vollkommen die Färbung
    annehmen mag, ebenso auch ging da Upāli, dem Hausvater, während er noch dasaß,
    das abgeklärte, abgespülte Auge der Wahrheit auf:

    `Was irgend auch entstanden ist, muß alles wieder untergehen.'


    Und Upāli, der Hausvater, der die Wahrheit gesehen, die Wahrheit gefaßt,
    die Wahrheit erkannt, die Wahrheit ergründet hatte, zweifelentronnen, ohne
    Schwanken, in sich selber gewiß, auf keinen anderen gestützt im Orden des
    Meisters, der wandte sich nun an den Erhabenen also:
    `Wohlan denn, jetzt, o Herr, wollen wir gehen:
    manche Pflicht wartet unser, manche Obliegenheit.' --
    `Wie es dir nun, Hausvater, belieben mag.'
    Und Upâli, der Hausvater, durch des Erhabenen Rede erfreut
    und befriedigt, stand auf von seinem Stuhle, begrüßte den
    Erhabenen ehrerbietig, ging rechts herum und begab sich nach Hause."


    Nur so konnte Upāli in die Heilsstömung gelangen und so wird
    es öfter berichtet.

  • JazzOderNie:

    ... dann ist es vllt ein und die selbe stimme (zweifel), aber in unterschiedlichen facetten. wenn mich meine innere stimme selber zuquatscht ...


    Das kann durchaus sein. Für mich läuft das alles unter Avijjā.


    Die zweite Stimme von der ich sprach ist die Weisheit.

    Es ist fünf vor zwölf

  • Chantasaro:

    Gleich ist es mit der Lehre. Da kamen früher Leute zu Buddha, die hatten noch nie etwas von der Lehre gehört. Sie setzten sich nieder, hörten eine einzige Lehrrede und zack, erlangten sie einen der vier Erwachungsstufen. Es muss also einfach sein, anders wäre das nicht möglich.


    Im Zen gibt es auch viele Geschichten, in denen ein Mönch zum Meister kommt, eine Frage stellt, eine Antwort bekommt und *bums* erleuchtet ist. Ein Lehrer sagte mir mal, dass das "dramaturgische Verdichtungen" sind. Und das denke ich auch. :lol:


    Es ist, wenn ich es richtig verstehe, wahrscheinlich wirklich sehr einfach. Aber dennoch bedarf es vieler Übung. Gehen ist auch sehr einfach. Wieviel haben wir dafür geübt? Wir haben es vergessen, sobald wir es konnten.


    Zitat

    Warum tun wir das? Wieso ist es immer so, dass der Mönch recht hat und ein Laie nicht?


    Ist doch nur eine Meinung. :lol:


    Zitat

    Ich muss eine starke Persönlichkeit aufbauen, die stärker als alles andere ist, damit ich den Zweifel niederringen kann. Und das im gleichen Atemzug mit dem Ablegen vom Persönlichkeitsglauben :D .


    Meine Erfahrung ist, dass ich "meine Persönlichkeit" immer wieder aufgeben muss. Und dann geschieht etwas Paradoxes: ausgerechnet in Momenten, in denen es mir gelingt, von "meiner Persönlichkeit" zurück zu treten, nehmen andere mich oft als "starke Persönlichkeit" wahr. Vielleicht meinst du das? Damit würde der scheinbare Widerspruch sich auflösen.


    Zitat

    Als ich begann, mich mit dem Buddhismus zu befassen, war ungefähr nach einem Jahr der Entschluss gereift, dass ich in diesem Leben Nibbāna verwirklichen will.

    zu dem Rest sollte ich wohl besser ganz stille bleiben. :)

    • Offizieller Beitrag
    JazzOderNie:

    dann ist es vllt ein und die selbe stimme (zweifel), aber in unterschiedlichen facetten. wenn mich meine innere stimme selber zuquatscht,


    Ich finde es lustig, wenn Leute in der S-Bahn in einer fremden Sprache miteinander reden, aber man am Tonfall trotzdem versteht, was es für eine Art von Gespräch ist. Ein "Vorwürfe machen" oder ein "Ermutigen", oder ob jemand ein Telefongespräch führt, wo jemand zusammengestaucht wird.


    So kann man auch innere Stimmen in Tonlagen einteilen. Eine Tonlage, die bei mir häufiger vorkommt ist ein "inneres Gejammer". Und schon von daher weiss ich, dass es nichts Konstruktives ist. Und dann gibt es natürlich auch "innere Kritiker". Aber so wie bei Leuten in der S-Bahn, die eine andere sprache sprechen, kann man ohne was zu verstehen, ob das ein "destruktives Ankanzeln" oder etwas von freundlcher, konstruktiver Kritik ist.


    Aber meistens ist man so auf das fixiert, was der Kritiker sagt, dass man die Handlung selbst nicht sieht.

  • Jojo:
    Zitat

    Ich muss eine starke Persönlichkeit aufbauen, die stärker als alles andere ist, damit ich den Zweifel niederringen kann. Und das im gleichen Atemzug mit dem Ablegen vom Persönlichkeitsglauben :D .


    Meine Erfahrung ist, dass ich "meine Persönlichkeit" immer wieder aufgeben muss. Und dann geschieht etwas Paradoxes: ausgerechnet in Momenten, in denen es mir gelingt, von "meiner Persönlichkeit" zurück zu treten, nehmen andere mich oft als "starke Persönlichkeit" wahr. Vielleicht meinst du das? Damit würde der scheinbare Widerspruch sich auflösen.


    Da habe ich keine wirkliche Antwort drauf. Mönche, die mit Arahat gelebt haben berichten, dass sie plötzlich einfach da waren. Man konnte sie nicht kommen spüren. Auf der anderen Seite gibt es ja das Phänomen, dass man in einem Raum ist und wenn eine bestimmte Person den Raum betritt, alle zu ihr hinschauen. Wir nennen das Charisma, ein Freund nennt es Präsenz. Er hat mir mal erklärt, dass diese Präsenz auch durch den Konsum von Kokain hergestellt respektive verstärkt werden kann. So wie er mir erklärte, fokussiert sich unter dem Einfluss von Koks alles auf das ICH, das ICH wird gestärkt.


    Anattā bedeutet ja nicht Kein-Ich oder Kein-Selbst. Da ist durchaus ein Ich und ein Selbst im psychologischen Sinne. Nur ist dieses ICH temporär zusammengebraut aus verschiedenen Komponenten und keines dieser Komponenten ist stabil, resistent oder immerwährend. Wenn ich also die oben beschriebene, starke Persönlichkeit aufbaue, dann braue ich mit da etwas temporäres zusammen und das immer und immer wieder, wenn Avijjā bekämpft wird. Diese starke Persönlichkeit beruht zu grossen Teilen auf Dhammawissen und Dhammaweisheit. Weitere Komponenten sind Wille, Tatkraft und Energie.

    Es ist fünf vor zwölf

  • In Momenten, in denen ich Zweifel habe, bzw. kurz nach diesen Momenten, also, wenn ich wieder in der Lage bin, mich selbst zu betrachten, sage ich mir, als bewußte Entscheidung meines Egos, dass es egal ist, wie ich mich entscheide. Es macht im Hinblick auf die Gesamtheit es Seins, meiner Existenz, keinen Unterschied, ob ich mich so oder so entscheide. Ob ich vom Hochhaus springe oder nicht, ob ich im Supermarkt diese oder jene Butter kaufe, macht keinen Unterschied! Denn ich bin eingebettet in die Allgegenwart der Leere und damit gibt es nichts, was ich mit meinen Handlungen zu erringen meinen könnte.
    Also: take it easy 8) - es gibt nichts, für was es sich Zweifel gelohnt haben zu haben hätte ( gibts hier irgendwelchen Preisausschreiben für den verschwurbelsten Satz ;) )