Rahmenbedingungen Übersetzung

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    Hallo fotost (und alle),


    fotost:

    Wir sollten bei Lesen der alten Texte manchmal darüber nachdenken, in welchen Rahmenbedingungen diese entstanden sind. Die ewigen Wiederholungen, die sich steigernden Aufzählungen waren gedacht als Hilfe beim Auswendig lernen, zu einer Zeit, als die Menschen noch unglaublich lange Texte auswendig gelernt haben. Ich kenne keine Zahlen über die Analphabetenrate zur Zeit Buddhas, aber ich vermute, sie war extrem hoch.


    Ja, das ist richtig, die Wiederholungen galten des leichteren Auswendiglernen könnens. Es gab in der indischen Kultur kein schriftliche Überlieferung, höchsten Besitzurkunden wurden mal festgehalten. Erst, als die ersten Lücken im Erinnern auftraten und die Arahats weniger wurden, beschloss die Bhikkhu-Sangha, es nieder zu schreiben. Ja, und das taten sie dann, wie es memorisiert war. Und so wird der Kanon ja von allen Traditionen so belassen.


    Also, ich habe mit beidem gute Erfahrungen gemacht.


    Benutze ich ein Sutta, so, dass ich es mir selber laut vorlese, hat es eine intensivere Wirkung, wenn ich es mit den Wiederholungen vorlese, als wenn ich eine Version nehme, in welcher Verkürzt wurde, damals z.B. Kurt Schmidt. Selbst Bhikkhu Bodhi verkürzt einige seiner Übersetzungen.


    Wenn, dann sollte es klar getrennt zwei Varianten geben, nicht aber sollte die verkürzte Version die 'normale' Version ersetzen.


    Ich selber erstelle mir manchmal zum besseren Verständnis eine Variante ohne die Wiederholungen. Das ist dann gut für mich, funktioniert auf einer anderen ebene.


    Ja, ich finde es ist eine Überlegung wert, jeweils zu der historischen Version parallel eine ohne Wiederholungen zu präsentieren, mit entsprechenden hinweisen natürlich.


    Danke
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  • Mirco:

    Ja, das ist richtig, die Wiederholungen galten des leichteren Auswendiglernen könnens.....
    Also, ich habe mit beidem gute Erfahrungen gemacht.
    Benutze ich ein Sutta, so, dass ich es mir selber laut vorlese, hat es eine intensivere Wirkung, wenn ich es mit den Wiederholungen vorlese, als wenn ich eine Version nehme, in welcher Verkürzt wurde,...
    Wenn, dann sollte es klar getrennt zwei Varianten geben, nicht aber sollte die verkürzte Version die 'normale' Version ersetzen.
    Ich selber erstelle mir manchmal zum besseren Verständnis eine Variante ohne die Wiederholungen. Das ist dann gut für mich, funktioniert auf einer anderen ebene..._()_


    Genau, nicht nur war durch die Wiederholungen das Auswendig lernen leichter und
    die Überlieferung auch wesentlich stabiler und schwieriger zu verfälschen, sondern
    der wesentlichen Grund liegt vor allem darin, das es in der Lehre nicht nur darum
    geht eine rein intellektuelle Information zu vermitteln sondern eine geistige
    Entwicklung und Schulung zu bewirken: Wer diese aber nicht will, dem sind die
    Wiederholungen selbstverständlich nur widrige Störungen.


  • Ich verstehe nicht …
    Die Wiederholungen haben eine mnemotechnischen Ursache. Wer diese nicht übernimmt, will keine Entwicklung und Schulung.
    Da diese Wiederholungen eine mnemotechniche Ursache haben, hat der Buddha nicht so gesprochen. Demzufolge wollten seine Hörer keine Entwicklung und Schulung.
    Oder hat der Buddha doch so gesprochen? Und manchmal erst in Prosa und dann dasselbe in Versen, wie ein Rapper heutzutage?
    Ist das so richtig?????

    Der Sinn des Lebens besteht darin, Rudolph, dem Schwurkel, den Schnabel zu kraulen.

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    Servus Doris,



    Ich denke nicht, dass der Buddha so gesprochen hat.


    Trotz dem hat es eine besondere Wirkung, die über die Wirkung des bloßen,
    den Geist beruhigenden Rezitierens hinaus geht und reicht sehr wohl in die Verstandesebene.
    Ein Sutta laut zu sprechen ist nicht gleich chanten.
    Vielleicht kann man das vielleicht erst Beurteilen, wenn man es selber ausprobiert hat.


    Mein Vorschlag:
    Bastle Dir eine verkürzte Version von M148 und lies sie Dir selbst zwei Wochen lang jeden morgen laut vor.
    Und dann nimm die 'normale' Übersetzung und wieder hole es zwei Wochen lang.
    http://www.palikanon.com/majjhima/zumwinkel/m148z.html


    Vielleicht verstehst Du dann, was den Unterschied ausmacht.


    Schöne Grüße,
    Mirco
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    Hier sind die Beiträge von fotost, wegen derer ich diese Diskussion eröffnet habe:


    fotost:

    Ich hatte ja gefragt, wie eine modernere Übersetzung aussehen würde und der Text ist in der modernen Form einfach leichter zu lesen. Vielleicht fehlt etwas vom Weihevollen und Getragenen der früheren Übersetzungen, aber der frische Wind tut der Sache nur gut. Es wird bestimmt Menschen, die wenig Erfahrung mit den alten Übersetzungen haben ansprechen.


    Wir sollten bei Lesen der alten Texte manchmal darüber nachdenken, in welchen Rahmenbedingungen diese entstanden sind. Die ewigen Wiederholungen, die sich steigernden Aufzählungen waren gedacht als Hilfe beim Auswendig lernen, zu einer Zeit, als die Menschen noch unglaublich lange Texte auswendig gelernt haben. Ich kenne keine Zahlen über die Analphabetenrate zur Zeit Buddhas, aber ich vermute, sie war extrem hoch.

    und

    fotos:

    Ich habe mich etwas von der sehr modernen Sprachform des englischen Textes wegbewegt und eine (mir) bekanntere Gestaltung gewählt. Dadurch ist die Übersetzung etwas frei, aber passt m.E. ganz gut in bestehende Textsammlungen, naja.. :lol:


    Die ständigen Wiederholungen und Aufzählungen machen solche Übersetzung mehr zu einem Copy and Paste als zu wirklicher Übersetzung :?


    Eigentlich sollten solche Übersetzungen nur von Leuten gemacht werden, die auch die ursprünglichen Sprachen kennen, aber für einige Zwecke ist eine halbgute Übersetzung besser als überhaupt keine.


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  • Die Wirkung mag auf Dich eine solche sein. Aber davon auszugehen, dass es für alle so ist? Und schon gar ehe derartige Unterstellung vorzunehmen, wie es der werte accinca tut … ohne den Widerspruch zu bemerken?


    Es ist ein Unterschied, ob ich einen Text studiere oder ob ich ihn chante. Und wen ich mir angucke, wie sehr die Länge und die Koloraturen der Sutren verwirren können, dann erweist sich eine Kurzform oftmals als günstiger. Chante Du nur zwei Wochen, ich reduziere die Sutren auf ein paar Kernsätze. Meine Kernsätze kann ich überall mit hin nehmen und sie bringen sofort und in jeder Situation die Sache auf den Punkt. Für mich wichtig, da ich in erster Linie praxisorientiert praktiziere.
    Als Vajrayani kenne ich natürlich die Wirkung des Rezitierens/Chantens.


    Das sind zwei verschiedene Ansätze, jede hat ihre Berechtigung für die jeweilige Person und Situation.


    Liebe Grüße
    Doris

    Der Sinn des Lebens besteht darin, Rudolph, dem Schwurkel, den Schnabel zu kraulen.

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    Liebe Doris,

    Doris:

    Es ist ein Unterschied, ob ich einen Text studiere oder ob ich ihn chante.


    Wenn ich mir angucke, wie sehr die Länge und die Koloraturen der Sutren verwirren können, dann erweist sich eine Kurzform oftmals als günstiger.
    Chante Du nur zwei Wochen, ich reduziere die Sutren auf ein paar Kernsätze.
    Meine Kernsätze kann ich überall mit hin nehmen und sie bringen sofort und in jeder Situation die Sache auf den Punkt.
    Für mich wichtig, da ich in erster Linie praxisorientiert praktiziere.
    Als Vajrayani kenne ich natürlich die Wirkung des Rezitierens/Chantens.


    Genau darum geht es. Ein Sutta sich selber laut vor zu sprechen, bedeutet nicht, zu chanten.


    Chantings sind meist sehr kurze (ein Wort, ein Satz) Passagen, die eine andere, den Geist beruhigende Wirkung haben sollen.


    Herzlich,
    Mirco
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  • Zitat

    Chantings sind meist sehr kurze (ein Wort, ein Satz) Passagen, die eine andere, den Geist beruhigende Wirkung haben sollen.


    Das ist eine Reduzierung des Chantens. Es geht nicht nur darum "lalalalala" zu singen um sich zu beruhigen. Ebensowenig geht es in einem Mantra um die rein beruhigende Wirkung. Wenn es diese hat, schön. Aber so ein Mantra hat einen Inhalt. Meist wird dieser sogar ausführlich erklärt. Ob das Mantra nun kurz ist, wie Om Ah Hung, oder ein ganzes Sutra ist, das einmal aufmerksam gelesen wird, die Wirkung ganz genau dieselbe sein. Über das Beruhigende, "Erdende" hinaus, findet allmählich eine sinnvolle Durchdringung statt. Die Wirkung kann in beide Richtungen erfolgen. Beruhigung kann das Durchdringen erleichtern, Durchdringung kann Beruhigung bewirken. Wenn Du also die Langform der Sutra als hilfreich empfindest, so ist für mich die Erstellung einer Kurzform hilfreich.


    Ich kann Dir sagen, wie meine Methode für mich wirkt:
    Ich behandle den Text wie einen literarischen Text und sehe mir die literarischen Mittel an. Ich vergleiche die Bilder, die Textlängen im Verhältnis usw. Wende also textkritische Methoden an. Da ich des Sanskrit nicht mächtig bin, muss ich mich mit Übersetzungen zufrieden geben, kann mich aber auf Kommentare und Vergleiche, Nachfragen bei Lehrern und letztlich in der Überprüfung durch die Praxis (das entspräche sozusagen einem "archäologischer Versuch") stützen. Habe ich eine Zusammenfassung, dann habe ich den Text auch schon im Wesentlichen verstanden. Nun bleibt die große Aufgabe des Durchdringens und Ausleuchtens. Das funktioniert wie bei jedem anderen literarischen Text. Seine Tiefe zu ergründen kann ein ganzes Leben dauern. So wie mir die Gedichte meiner Kindheit immer wieder einfallen können, weil sie in verschiedenen Kontexten eine völlig neue Dimension eröffnen.
    Das ist eine vereinfachte Darstellung, da der Weg immer in beide Richtungen wirkt.


    Liebe Grüße
    Doris

    Der Sinn des Lebens besteht darin, Rudolph, dem Schwurkel, den Schnabel zu kraulen.

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    accinca:


    geht eine rein intellektuelle Information zu vermitteln sondern eine geistige
    Entwicklung und Schulung zu bewirken:
    Wer diese aber nicht will, dem sind die
    Wiederholungen selbstverständlich nur widrige Störungen.


    Lieber accinca,


    ich möchte Dich bitten, sachlich zu bleiben.
    Vielleicht beschenkst Du jene, die Deiner Meinung nach "nicht wollen",
    ja mal mit etwas Mitgefühl oder Freundlichkeit. Das tut ihnen Dir gut.
    Danke.


    Herzlich,
    Mirco


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    Doris,


    Ja, diese erdende Wirkung hat auch das laute Sprechen eine Lehrrede für mich. Das ist angenehm. Und, ja um genau den Inhalt geht es mit. Wenn ich die (nach Deutsch oder Englisch) übersetzte Lehrede laut spreche, bin ich mit meinem Geist viel deutlicher beim Sinn der Worte, der Geist schweift weniger oft ab und ich bemerke es früher. Denn Text verstehe ich dann besser.


    Herzlich,
    Mirco
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  • Lieber Mirco,
    Ach, ich möchte Dich bitten, sachlich zu bleiben.
    Vielleicht beschenkst Du jene, die Deiner Meinung nach "nicht wollen",
    ja mal mit etwas Mitgefühl oder Freundlichkeit. Das tut ihnen Dir gut.
    Herzlichen Dank kann ich dazu nur sagen.

  • Mirco:

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    Werter Accinca,
    ich sehe mein unangemessenes Verhalten ein.
    Entschuldigung. Ich bitte um Verzeihung. Mirco_()_


    Schon in Ordnung, sowas kann in einem schriftlichen Medium leicht passieren.

  • Zum Thema: Ich denke schon, dass der Buddha so (in etwa, ziemlich) gesprochen hat wie in den Suttas. Genauso ausführlich wie es in den Texten steht, mit den "Wiederholungen", die ja zumeist keine reinen Wiederholungen sondern Variationen sind.



    Ich denke,

    accinca:

    dass es in der Lehre nicht nur darum
    geht eine rein intellektuelle Information zu vermitteln sondern eine geistige Entwicklung und Schulung zu bewirken

    , das bringt es auf den Punkt.


    Von sonstigen Erklärungen über den Sinn und Zweck, wie hier schon angeführt, dass es zum Zweck der besseren, stabileren mündlichen Überlieferung und Einprägung zu diesem Zweck, war, halte ich nicht so viel. Da ich denke, dass hier Zweck und Mittel vertauscht werden.


    Ich denke, der Zweck war immer primär ganz gegenwärtig die geistige Schulung des Zuhörenden, der bereit war, dies aufzunehmen.


    Dass sich die Zuhörenden dies dann leicht einprägen, um es später auch so weiter zu geben, ein positiver "Nebeneffekt", wie sich so etwas oft aus gut angemessenen Absichten und und Handlungen entwickelt und weiter auswirkt. Die gute Absicht, die alle Umstände berücksichtigt und einfach passend wirkt für die ganze Umgebung angemessen. (Kann wohl nur ein Erleuchteter, so umsichtig sein.)


    In diesem Sinne könnte man sagen, "der Zweck heiligt die Mittel". Aber nur, wenn der "Zweck" schon der reine "Selbstzweck" der Erleuchtung ist. Der "macht dann die Mittel dafür mobil".


    Da entwickelt sich dann (oder wird aufmerksam gewählt und aufgegriffen) aus den Umständen heraus die passende Darlegungsform, die einprägsam ist. Und aus dem Respekt und der Wertschätzung, die bei den aufnehmenden Zuhörern vorhanden ist, und von der eigenen Erkenntnis der Inhalte getragen, kommt dann die gewissenhafte mündliche Überlieferung, die einfach nichts falsch machen und verfälschen will. Aber irgendwelche Wiederholungen, nur "weil's praktischer ist" wurden bestimmt nicht später eingebaut (solange da noch gewissenhaft an Wahrhaftigkeit gehalten wurde).


    "So habe ich es gehört" wird schon in der Regel der Wahrheit entsprochen haben. So viel Vertrauen in die Gewissenhaftigkeit der Träger der Tradition, gerade in den frühen Zeiten, habe ich auf jeden Fall.
    Denn absolute Ehrlichkeit ist da einfach die wesentlichste Sache überhaupt bei jemandem, der zur letzten Erkenntnis gelangt ist, oder der darin Vertrauen hat und ebenso dahin gelangen will.


    Na, ich hoffe, da habe ich nicht wieder auch zu viel gesponnen, dass es Anlass gibt noch über Metaphysisches zu spekulieren.



    [Noch was dazu, und ich hoffe, dass das nicht zu weit ins off-topic geht:]
    Deswegen glaube ich auch nicht, dass der Buddha irgendwas nur gelehrt hat, "um die Abergläubischen zufrieden zu stellen", wie das manchmal so angedeutet oder gar promoted wird. Was er gesprochen hat, war, so bin ich überzeugt, immer ehrlich und vollkommen aufrichtig, immer darauf gerichtet, größtmögliche Klarheit zu erzeugen, Erkenntnis nicht zu behindern und nicht irgendwas absichtlich im Nebel oder jemand bewusst in falschen Vorstellungen zu lassen.


  • Wenn es Gott gibt, scheint er ein Meister der Ironie zu sein. Ist schon seltsam, wie mir der Weg der 'Armut im Geiste' immer sympathischer wird, wie ein Pali-Kanon, welcher anscheinend der Auslegung durch Champions der Rechten Rede wie accinca, Elliot, hedin et al. bedarf... }:-)