4 Fragen zur "Analytischen Meditation"

  • Häufig wird gesagt, es sei sinnvoll, dieses oder jenes Thema mal in die "analytische (oder kontemplative) Meditation" mitzunehmen.


    Dazu habe ich 4 Fragen:


    1) Ist "analytische Meditation" noch "Meditation" oder ist es "nur" tiefes Nachdenken über ein spezielles Thema bzw. über einen speziellen Text ?
    2) Wie würdet Ihr analytische/ kontemplative Meditation definieren ?
    3) Wird die Analyse dabei zum Meditationsobjekt ?
    4) Gibt es im Zen oder im Theravada auch so etwas wie "analytische Meditation" oder ist dies eher typisch für Praktizierende des tibetischen Buddhismus ?


    LG
    Matthias

  • 1) Nein, "nur Nachdenken" ist es nicht. Man vertieft sich zuerst in einen meditativen Zustand, um dann die Dinge zu betrachten oder in Frage zu stellen oder ähnliches. Dadurch kommen ganz andere und bessere Antworten und Einsichten hervor, als wenn man die Sache nur mit dem Intellekt hin und her wälzt.
    2) Loslassen und ein Thema "buddhalike" aus der Tiefe heraus betrachten.
    3) Ja.
    4) Würd mich auch interessieren. Ich meine ja, denn "analytische Meditation" müsste der deutsche Ausdruck für "Vipassana" sein. Das gibt's doch auch als Meditation im Theravada, gell?
    Und Zen macht nur keine Worte drum, oder?

    :rainbow: Gute Wünsche für jede und jeden. :tee:


  • "analytische Meditation" müsste der deutsche Ausdruck für "Vipassana" sein.


    nein. :)


    "und zen macht sich keine gedanken drum "


    ja. :)


    wobei der durchschnittszennie durchaus mal analysierend kontempliert auf der oberfläche der meditation,
    nämlich dann, wenn sich hindernisse eingenistet haben, die eine sammlung+konzentration unmöglich machen


    analytische meditation halte ich für ein modewort
    klassische medi und klassische analyse geht einfach nicht.

  • ich würde diese analytische meditation eher untersuchende kontemplation nennen


    es ist ja so, daß diese untersuchung eher mit empfindungen, bildern, spontanen aha-effekten einhergeht,


    objekte, widerstände, fragen, themen usw. werden ja nicht "zerlegt", sondern betrachtet

  • Im Zazen denkt man normalerweise nicht analytisch, sondern beobachtet evtl. vorbeiziehende Gedanken nur. Aber auch der Durchschnittszennie hat ja nach dem Zazen noch 23 Stunden Resttag über;-)) Da darf der dann auch denken.


    Oft blitzen mitten im Zazen für vorher durchgekaute Probleme glasklare Lösungen auf, eben, ohne dass man groß darüber nachdenkt. In der modernen Psychologie heißt das "bed, bathroom and bicycle - Heuristik". Sie basiert auf der Beobachtung, dass Lösungen zu Themen, mit denen man sich intensiv auseinandergesetzt hat, oft in völlig von der eigentlichen Problematik losgelösten Situationen erscheinen. Da würde ich Zazen ganz vorne mit 'dransetzen.


    LG
    Bailong

  • Gesetzesergründung ist ein Erwachungsglied (Bojjhaṅga)


    Gesetzesergründung (dhammavicaya-sambojjhaṅga)


    Sie beinhaltet das Wissen um die Dinge, wie sie denn tatsächlich sind. Karmisch Heilsames, nicht Heilsames und Neutrales müssen unterschieden werden. Weiterhin beinhaltet sie die Erforschung der Charaktereigenschaften, die Wirklichkeitsergründung und die Einsicht in das Gesetz der Daseinserscheinungen. Es erfordert ein systematisches Herangehen an alles das Dasein Betreffende, um Erkenntnisse und Wissen über die logischen Gesetzmäßigkeiten zu erlangen. Als Ergebnis entsteht ein analytisches Wissen. Es wird aufgeteilt in vier analytische Wissensformen.


    1. Das Analytische Wissen vom wahren Wesen (attha-patisambhidā).
    attha: Sinn, Zweck, Ergebnis, Bedeutung, wahres Wesen
    patisambhidā: Kenntnis der Bedeutung (von Wörtern)
    Diese Erkenntnis beinhaltet das Wissen um das bedingte Entstehen, das Nibbāna, Wortbedeutungen, karmische Wirkungen und karmisch unabhängige Funktionen. Des Weiteren die Erkenntnis vom Leiden.


    2. Das Analytische Wissen vom Gesetz, den Gesetzmäßigkeiten (dhamma-patisambhidā).
    dhamma: Bedingung, Gesetz, Gesetzmäßigkeit, Träger (tragen), Phänomen, Gegebenheit, Ding.
    Diese Erkenntnis beinhaltet das Wissen über jede ein Ergebnis erzeugende Ursache, das gesprochene Wort, der Edle Achtfache Pfad, das karmisch Heilsame und das karmisch Unheilsame, des weiteren die Erkenntnis vom Entstehen des Leidens.


    3. Das Analytische Wissen von der Sprache (nirutti-patisambhidā).
    nirutti: Ausdrucksweise, Aussprache, Dialekt
    Dies bedeutet, dass man immer die richtige Wortwahl hat, um es wirklichkeitsgemäß "auf den Punkt" zu bringen, und dass die Ausdrucksweise präzise ist.


    4. Das Analytische Wissen von der Schlagfertigkeit (patibhana-patisambhidā).
    patibhana: Redegewandtheit, Schlagfertigkeit
    Auf alle Fragen, die einem gestellt werden, oder in Diskussionen hat man immer die richtige Antwort.


    Wie erlangt man die vier analytischen Wissen?


    Im Aṅguttara-Nikāya VII. 37 lesen wir:


    Im Besitze von sieben Eigenschaften, ihr Mönche, mag sich ein Mönch nach gar nicht langer Zeit die vier Analytischen Wissen zu eigen machen, sie selber erkennend und verwirklichend; und mit ihnen ausgestattet, hat er sich die vier Analytischen Wissen zu eigen gemacht, sie selber erkennend und verwirklichend. Welches sind diese sieben Eigenschaften? Da weiß, ihr Mönche, der Mönch der Wirklichkeit gemäß: 'Diese geistige Schlaffheit besteht in mir.' Ist sein Geist innerlich verkrampft, so weiß er der Wirklichkeit gemäß: 'Mein Geist ist innerlich verkrampft.' Ist sein Geist nach außen hin zerstreut, so weiß er: 'Mein Geist ist nach außen hin zerstreut.' Bewusst steigen die Gefühle in ihm auf, bewusst sind sie da, bewusst schwinden sie. Bewusst steigen die Wahrnehmungen in ihm auf, bewusst sind sie da, bewusst schwinden sie. Bewusst steigen die Gedanken in ihm auf, bewusst sind sie da, bewusst schwinden sie. Bei den zuträglichen und unzuträglichen, den gemeinen und edlen Dingen und den Gegensätzen von Gut und Böse, da hat er die Ursache wohl erfasst, wohl erwogen, wohl verstanden, in Weisheit wohl durchdrungen.


    Um analytisches Wissen zu erlangen, ist ein hilfreiches, eigentlich das wichtigste! Instrument die "Durchschauung" (vipassanā). Man unterscheidet drei weltliche Durchschauungen:


    1. Die Durchschauung des Erkannten (ñāta- vipassanā)
    2. Die untersuchende Durchschauung (tirana- vipassanā)
    3. Die überwindende Durchschauung (pahāna- vipassanā)


    Man kann eine ausführliche Beschreibung im Visuddhimagga finden.


    Oft stößt man dabei an Grenzen des eigenen Denkens und die Gedanken drehen sich immer wieder im Kreis. Dann hilft manchmal ein geduldiges Ruhenlassen des Denkens, so lange, bis man erkennt: "Ja, genau so ist es." Des Weiteren ist es von Vorteil, sich jederzeit ethisch korrekt zu verhalten, denn nur mit einem beruhigten Geist (kein "schlechtes" Gewissen) ist man in der Lage, Wissen zu erlangen und nicht Verblendungen anheim zu fallen, auf Irrwege zu gelangen. Das heißt, nicht nur durch Lesen und (Auswendig-) Lernen der Lehrreden des Pālikanon (Vinaya, Sutten und Abhidhamma) erreicht man analytisches Wissen (Wissensbildung), sondern nur in der Kombination Lesen, Lernen, Nachdenken, Analysieren, Diskutieren, In-Frage-Stellen. Man versucht, das Gelesene bzw. Gehörte zu verstehen (wann, zu wem wurde was gesagt, welche Umstände führten eben dazu, usw.). Und in der Meditation versucht man, mit Achtsamkeit ALLES zu durch-schauen (vi-passanā), und nicht länger - wie die meisten Menschen - alles nur an-zuschauen.


    Dazu folgendes Zitat aus dem Saṃyutta-Nikāya 46.51:


    Was aber, ihr Mönche, ist die Nahrung, um das noch nicht erschienene Erwachungsglied Lehrergründung erscheinen und das erschienene sich weiter entfalten und reif werden zu lassen? Es gibt, ihr Mönche, heilsame und unheilsame Dinge, tadelhafte und untadelige Dinge, niedere und erlesene Dinge, es gibt Dinge mit dem Gegensatz von Dunkel und Hell: was dabei an gründlicher Aufmerksamkeit sich ausbreitet, das ist die Nahrung, um das noch nicht erschienene Erwachungsglied Lehrergründung erscheinen und das erschienene sich weiter entfalten und reif werden zu lassen. Was aber ist, ihr Mönche, der Nahrungsentzug für das Erscheinen des noch nicht erschienenen Erwachungsgliedes Lehrergründung und für Entfaltung und Reifwerden des erschienenen? Es gibt, ihr Mönche, heilsame und unheilsame Dinge, tadelhafte und untadelige Dinge, niedere und erlesene Dinge, es gibt Dinge mit dem Gegensatz von Dunkel und Hell: dazu keine Aufmerksamkeit ausbilden, das ist jener Nahrungsentzug für das Erwachungsglied Lehrergründung.

  • Aus dem Wörterbuch:


    paṭisambhidā f <vgl skr bhid> Analyse, analytische Fähigkeit


    attha-paṭisambhidā f Kenntnis der Bedeutung (von Wörtern)


    Vielleicht auch noch mal zur Klärung des Begriffes "Vipassanā":


    vipassanā f <skr vipaśyanā> Psych, Phil klare (richtige) Erkenntnis
    vipassanā-ñāṇa n Buddh Einsichtswissen


    samatha-vipassanā f Meditation(sübung) zwecks Herbeiführung von Geistesruhe und Einsicht (Erkenntnis)


    ()

  • Hmm, Hmm...Dankeschön.



    ‘Paṭisambhidā’ is primarily a combination of four elements, namely ‘paṭi’, ‘saṃ’, ‘√bhid’ and ‘ā’. ‘Paṭi’ is a prefix meaning ‘separately, individually’ (visuṃ); ‘saṃ’ is also a prefix meaning ‘completely, thoroughly, well’ (sammā). The root ‘√bhid’ means ‘to break, to categorize, or to divide’, and ‘ā’ is a feminine noun-forming suffix. Thus, ‘paṭisambhidā’ literally means ‘thoroughly separate category’. The Vibhaṅga Aṭṭhakathā defines it as “paṭisambhidāti pabhedā”[1], “paṭisambhidā means category”. The definition is further verified: it is the ‘category of knowledge only, but not the category of anything else’ (na aññassa kassaci pabhedā, ñāṇasseva pabhedāti veditabbā)[2].


    So im Gesamtzusammenhang kriegt man schon nen anderen Geschmack für :)


  • Wenn Du Deine Gedanken und Emotionen beobachtest, dann ist dies Mediation. Wenn die "Analyse" dazu führt, dass Du diese besser beobachten kannst und nicht zu neuen Mustern führt, mit denen Du Dich identifizierst, dann macht das Sinn. Es ist eine GRadwanderung, aber man kann das Denken benutzen um sich der GEdanken bewusst zu machen und sich dann mit der Identifikation zu lösen. Das ist auch was Buddha im Dharma lehrt. Buddha hat die Vorgänge im Geist so genau und analytisch beschrieben, dass der Verstand irgendwann aufgibt, da er keine besseren Definititionen finden kann. Dann ist genug Vertrauen aufgebaut für die wahre Meditation alles so anzunehmen wie es ist ohne es dabei zu bewerten oder zu analysieren.

  • "Und in der Meditation versucht man, mit Achtsamkeit ALLES zu durch-schauen (vi-passanā), und nicht länger - wie die meisten Menschen - alles nur an-zuschauen."


    Das geht nur bei voller Sammlung. Deshalb braucht man auch ein festes Shamata oder Shi-ne. Ein bischen Beobachten und Annehmen reicht für diese Art der "Analyse" nicht aus. Das ist "nur" die Vorstufe der Achtsamkeit. Und das wird man denn auch bald feststellen, weil man zu keinerlei Erkenntnissen kommt. ;)