Verschiedene Lehrstile und Methoden tibetischer Schulen?

  • Hallo,


    in "Buddhismus Heute" wird immer wieder behauptet das die verschiedenen tibetischen Schulen (Nyingma, Kagyü, Sakya, Gelug) für Menschen bestimmter Hauptstörgefühle prädestiniert seien, nämlich:


    Nyingma - Stolz, Zorn, Ablehnung
    Kagyü - Anhaftung, Begierde
    Gelug - Verwirrtheit
    Sakya - ?


    Z.B. hier und hier zu lesen.


    Warum ist das so? Haben die Schulen verschiedene traditionelle Lehrstile zB sanft und einfühlsam vs rau und streng?
    Beim Lesen von "Die Worte meines vollendeten Lehrers" von Nyingmapa Patrul Rinpoche ist mir die rigorose Strenge aufgefallen. Sind Nyingmapas strenger?
    In o.a. Artikeln wird auch behauptet die Kagyü-Linie sei besonders gut mit dem westlichen Lebensstil vereinbar.. warum?
    ... ich weiß, ich weiß... Detlev Göbel, Ole Nydahl und Co verbreiten diesen Kram.. aber warum tun sie das? Irgendwas muss doch da dran sein, oder nicht?


    Hat jemand Lust eigene Erfahrungen mit einer bestimmten Linie zu posten? Wäre echt klasse!

  • Ich würde diese Einteilung weder völlig verwerfen wollen noch überbewerten. Es gibt sicherlich bestimmte Tendenzen und Neigungen, aber am Ende findet man keine klaren Linien sondern Mischformen und Überschneidungen usw. Ich denke auch, dass es auch im "Westen" alle Typen von Menschen und Störgefühlen gibt und somit alle Linien, die in der Lage sind, ihre äußeren Strukturen und kulturellen Gewohneheiten aus Tibet in den Hintergrund zu stellen, "gut geeignet" sind.


    kilaya

  • Thomas, Das kann man nicht pauschal sagen.


    Denn die Lehrer innerhalb ihrer Traditionen unterscheiden sich so wie auch die jeweiligen Zentren.


    Selbst die Diamantweg Zentren sind unterschiedlich zumindest war das meine Erfahrung.


    Die Mitte zwischen Tradition und westen erlebte ich am ausgewogensten in einem Rigpa Zentrum.


    Aber kann mir vorstellen in einem anderen sied es vielleicht anderst aus.


    Gruss CV

  • Cybervajra:

    Das kann man nicht pauschal sagen.
    Denn die Lehrer innerhalb ihrer Traditionen unterscheiden sich so wie auch die jeweiligen Zentren.


    Ich kann mir vorstellen das die einzelnen Linien mit ihren internen Übertragungen durchaus ihren eigenen Stil haben.
    Wenn sicherlich die Person des Lehrers auch ein wesentliches Kriterium darstellt, keine Frage.
    Ich denke da an Merkmale wie "ernsthaft" "streng" "locker" "diszipliniert" "hart" "sanft" "progressiv" "konservativ"...


    Im Diamantwegzentrum wo ich vor längerem war sagte der Leiter mir "Wir Kagyüpas sind die Wilden, die Gelugpas sind die Tugendhaften."


    In obigen Texten steht u.a. auch das in der Kagyü-Linie der Bezug zum Guru am stärksten betont werde.


    Beim bisherigen Stöbern bin ich auf einige Infos bzgl der Charakteristika von Nyingma, Kagyü und Gelug gestossen.. die spezielle Eigentümlichkeit der Sagya-Linie ist mir bislang weitgehend ein Rätsel.

  • diese unterteilungen sind eigentlich nur eine moderne erfindung der "diamantweg" (R) - lehre, insbesondere von deren "haupt"lama ole nydahl. sie sind auch nicht karma kagyü typisch, da ein vertreter der traditionellen konkurrenzgruppe, der Karma Kagyü Gemeinschaft http://kamalashila.de/, solche aussagen nie treffen würden. (ich kenne beide gruppen und deren lehrer persönlich, insbesondere beide karmapa-kandidaten, und habe mich längere zeit mit deren unterschiedlichen interpretation der buddhalehre beschäftigt und weiss wovon ich rede.)
    es gibt auch keine traditionellen texte, weder im kangyur noch im tenggyur http://84000.co/facts-and-figures-about-kangyur-and-tengyur/, in denen solch eine aussage zu finden wäre. wer das gegenteil behauptet, möge dies bitte belegen!


    lehrer und interessenten der nyinma, gelug und sakya tradition sind also nicht mehr oder weniger zorniger und verwirrter, als die anhänger des diamantweg (R). deren anhänger erscheinen mir sogar noch manchmal viel mehr verwirrter und zorniger, als die anhänger der anderen traditionen, insbesondere was den umgang mit den themen wie kriegsflüchtlinge und islam angeht.

    infos zu den sakyapa findet man z.b hier:
    In Bezug auf die spirituelle Ausbildung legt die Sakya Tradition stets großen Wert auf ein Gleichgewicht von Studium (der Philosophie) und Praxis (der Meditation). Dieses Ideal, das von zahlreichen Lehrern der Vergangenheit, sowie der Gegenwart, verkörpert wird, verschaffte den Sakyapas den Ruf, eine Tradition von großen Gelehrten und erleuchteten Meistern zu sein.
    http://sakyaling.jimdo.com/buddhismus/die-sakya-tradition/


    infos zu der jonangpa findet man hier:
    http://www.jonangfoundation.org/

  • verrückter-narr:

    lehrer und interessenten der nyinma, gelug und sakya tradition sind also nicht mehr oder weniger zorniger und verwirrter, als die anhänger des diamantweg (R). deren anhänger erscheinen mir sogar noch manchmal viel mehr verwirrter und zorniger, als die anhänger der anderen traditionen, insbesondere was den umgang mit den themen wie kriegsflüchtlinge und islam angeht.


    Aus meiner Sicht bezieht sich diese Unterteilung auf einen sehr vereinfachten Blick auf die jeweiligen Kernlehren und Kernmethoden. Bei Kagyü im Mahamudra-System wird eher Raum=Freude betont, bei Nyingma im Dzogchen-System eher Raum=Klarheit. Bei den Gelugpas spielt die Gelehrsamkeit eine grosse Rolle. Das zieht vielleicht eine gewisse Bevorzugung von Schulen anhand von vorherrschenden Neigungen an. Da hört es dann aber auch schon auf. Dass man eine bestimmte Neigung zeitweise im Vordergrund stehen hat, heisst natürlich nicht, dass man die anderen Störungen nicht hätte. Ausserdem führt ja meist das eine zum anderen, also wenn man etwas sehr begehrt und nicht bekommen kann, ist man neidisch und deswegen zornig usw. Dazu kommt, dass z.B. bei Gelug sowohl Mahamudra als auch Dzogchen auch praktiziert werden. Das beim Diamantweg verwendete Phowa stammt aus einer Nyingma-Linie. Trotz all dem, dass sich bei einem zweiten Blick solche Aussagen relativieren, finde ich sie nicht völlig aus der Luft gegriffen und verwende sie daher teilweise auch, wenn auch sehr zurückhaltend formuliert.


    kilaya

  • Hallo,


    nur kurz ergänzend, im Theravada ist es ähnlich. Allerdings werden dort Meditationsmethoden den einzelnen Charaktertypen zugeteilt. Zum Beispiel soll ein Yogi mit starker Gier über die Unattraktivität des Körpers mittels Leichenbetrachtungen usw. meditieren.


    Gruß
    Florian