Shine/Lhaktong - Samatha/Vipassana

  • Gibt es eigentlich Unterschiede zwischen dem tibetischen Shine/Lhaktong und dem theravadischen Samatha/Vipassana?


    Der Hinayana wird ja als kleines Fahrzeug im Vajrayana angesehen.
    (Anm.: Ich weiss das Theravada nicht mit Hinayana verglichen werden möchte...)
    Daher denke ich das der Einstieg in die Praxis mit Shine/Lhaktong als "kleines Fahrzeug" also analog zur Theravada-Praxis Samatha/Vipassana gesehen werden kann.
    Diese Meditationen sind ja auch noch nicht tantrisch.


    Ich würde daher den Theravada-Klassiker "Visuddhimagga, Der Weg zur Reinheit" von Buddhaghosa verwenden um diese Meditationen zu studieren.
    Oder ist davon abzuraten?

  • Es wird ja gesagt das Vajrayana sämtliche Schulen in einem einzigen großen Lehrsystem vereinigt.
    Das "kleine Fahrzeug" steht für die erste Drehung des Dharma-Rades.
    Von daher denke ich ein Einstieg mit den Lehrreden des Buddha aus dem Pali-Kanon + Shine/Lhaktong - Samatha/Vipassana Praxis (Theravada) bietet sich an.
    Einen Unterschied dürften tw die geistigen Objekte im Lhaktong/Vipassana machen, nämlich zB das Erzeugen von Bodhicitta denke ich.

  • Thomas23:

    Gibt es eigentlich Unterschiede zwischen dem tibetischen Shine/Lhaktong und dem theravadischen Samatha/Vipassana?


    Hallo Thomas,


    zunächst zu den Begriffspaaren. Die Begriffe Shamatha und Vipassana kommen auch im "tibetischen" vor. Von daher gibt es schon mal keine eindeutige begriffliche Trennung so wie Du es gemacht hast.


    M.E. gibt es keine Unterschiede zur Entwicklung von "geistiger Ruhe" (Shamatha/ Shine) zwischen den einzelnen Schulen.
    Zum Begriff Vipassana: Im Theravada geht man von der Leerheit der Person aus, während man im Mahayana von der Leerheit aller Phänomene ausgeht. Innerhalb des Mahayana gibt es aber auch noch verschiedene Schulen, die jeweils unterschiedliche Herangehensweisen haben.

  • Sherab Yönten:

    Zum Begriff Vipassana: Im Theravada geht man von der Leerheit der Person aus, während man im Mahayana von der Leerheit aller Phänomene ausgeht. Innerhalb des Mahayana gibt es aber auch noch verschiedene Schulen, die jeweils unterschiedliche Herangehensweisen haben.


    Wie kann ich das "davon ausgehen" verstehen?
    Der Buddha selbst spricht doch davon das alle Phänomene leer und abhängig entstanden sind, oder nicht? (weiß es gerade nicht genau)
    Ist damit gemeint das man erstmal bei Personen ansetzen soll und die weiteren Phänomene außen vorlässt?


    Ich habe mir den Leerheits-Begriff übrigens aus den Abhandlungen Tsongkhapa´s erschlossen.

  • Thomas23:

    Wie kann ich das "davon ausgehen" verstehen?


    Als Prämisse von verschiedenen Leerheitsmodellen :)


    Thomas23:

    Ist damit gemeint das man erstmal bei Personen ansetzen soll und die weiteren Phänomene außen vorlässt?


    Ja, man beginnt bei der Leerheit der Person. Das ist schon schwer genug. :?


    Thomas23:

    Ich habe mir den Leerheits-Begriff übrigens aus den Abhandlungen Tsongkhapa´s erschlossen.


    Die Prasangika Variante nach Tsongkhapa ist schon ein sehr komplexes "Leerheitsmodell".

  • Sherab Yönten:
    Thomas23:

    Ist damit gemeint das man erstmal bei Personen ansetzen soll und die weiteren Phänomene außen vorlässt?


    Ja, man beginnt bei der Leerheit der Person. Das ist schon schwer genug. :?


    Das ist es was ich meinte mit "davon ausgehen".. man geht erstmal von der Person aus und wendet sich später allen übrigen Phänomenen zu.
    Also von einem Anfangspunkt aus los gehen auf den Pfad.


    Ich gebe Dir recht das die Leerheit der Person zu erkennen schon schwer genug ist.
    Allerdings denke ich das es nicht unbedingt ideal ist erstmal eine "Teil-Leerheit" zu verinnerlichen statt sich direkt der Natur der Leerheit aller Phänomene einschließlich der Person zuzuwenden und somit von der Basis weg den Leerheits-Begriff richtig und vollständig (erstmal theoretisch!) zu erfassen.


    Ich würde gerne verstehen was der Grund für diese Theravada-Sichtweise ist.

  • Thomas23:

    Ich würde gerne verstehen was der Grund für diese Theravada-Sichtweise ist.


    Diese Frage müsstest Du dann doch aber im Theravada Bereich stellen. Ich kann nur vermuten, dass es mit den unterschiedlichen Zielsetzungen/ Motivationen zu tun hat. Im Theravada ist das Ziel, Befreiung für sich selbst zu erlangen (Nirvana). Dazu mag es ausreichen, dass man "lediglich" die Realisation der Leerheit der Person anstrebt. Im Mahayana strebt man die "Buddhaschaft" an, also die Praxis "zum Wohle aller Wesen" , wie auch immer die konkret aussehen mag. Daher ist das Leerheitsmodell der Theravada Schule aus Sicht der Mahayana Praktizierenden unzureichend. Allerdings ist es wichtig zu verstehen, dass ohne ein Verständnis der Leerheit der Person ein darüber hinaus gehendes Verständnis nicht möglich ist.

  • Sherab Yönten:

    Diese Frage müsstest Du dann doch aber im Theravada Bereich stellen.


    Ich habe den Diskussionsstrang mal in den thread Unterschied Theravada - Mahayana gestellt.


    Was gibt es denn für empfehlenswerte Literatur zu Shine/Lhaktong?
    Habe mir bereits "Grenzenloses Erwachen: Das Herz buddhistischer Meditation - Grundlegende Unterweisungen zur Shine- und Lhagthong Praxis" von Shamar Rinpoche auf die Wunschliste gesetzt. Wurde in einem anderen thread empfohlen.


    Gibt es bessere oder gleich gute Literatur zum Thema?

  • Hallo Thomas,


    als Quelle meiner dargelegten Mahayana Sichtweise kann ich Dir das Buch "Stufenweise Meditationsfolge über Leerheit" von Khenpo Tsültrim Gyamtso Rinpoche empfehlen.


    Er vergleicht die Sichtweisen der Hinayana/ Shravaka (Vaibhasika und Sautrantika) Schule mit denen der Mahayana Schulen (vor allem Cittamatra und Madhyamaka). Die Vaibhasika und Sautrantika Schulen weichen wohl von der Theravada Lehre in einigen Punkten ab. Von daher muss ich meine Vermutung korrigieren, dass die Theravada Schule lediglich von der Leerheit einer Person ausgeht. Der Autor meinte die Vaibhasika bzw. die
    Sautrantika Schule !

  • Danke für den Tipp, Sherab Yönten!


    Wird in dem Buch (welches unverschämt teuer ist.. 79,95€ für 155 Seiten!!!) .. siehe hier.. speziell die Shine/Lhaktong - Praxis behandelt?

  • Das ist leider bei raren antiquarischen Ausgaben öfter mal so, da machen dann einige Leute ein Geschäft draus. Oft sind die buddhistischen Bücher nur in kleinen Auflagen kurze Zeit verfügbar.


    kilaya

  • Sherab Yönten:

    Ja. Lhaktong (Vipasyana) ist für mich nichts anderes wie Leerheit.


    Kann man das wirklich so sagen? Einsicht in die Leerheit ist sicherlich für Weisheit zentral, aber beschreibt nicht "Lhaktong" die Einsicht an sich, weniger den Inhalt? Es könnte auch weise Einsicht in andere Zusammenhänge und grundlegende Wahrheiten sein.


    kilaya

  • Thomas23:

    Danke für den Tipp, Sherab Yönten!


    Wird in dem Buch (welches unverschämt teuer ist.. 79,95€ für 155 Seiten!!!) .. siehe hier.. speziell die Shine/Lhaktong - Praxis behandelt?


    warum willste soo viel theoretischen "kram"?....das verbildet doch nur. Shine meint Sitz-Praxis, und eventuell jemand fürs Feedback, falls "Unklarheiten" auftauchen/bestehn, nen sog. Meditationsunterweiser....

  • Samten:

    warum willste soo viel theoretischen "kram"?....das verbildet doch nur. Shine meint Sitz-Praxis, und eventuell jemand fürs Feedback, falls "Unklarheiten" auftauchen/bestehn, nen sog. Meditationsunterweiser....


    Im Grunde hast Du recht.
    Ich möchte mir auch gar nicht sooo viel Theorie über Shine/Lhaktong einverleiben.
    Mir reichen im Grunde 1-2 gute Bücher. Allerdings muss ich halt erstmal ausfindig machen was es an Literatur gibt um mich dann zu entscheiden.
    Ich bin mit Zazen in die buddhistische Praxis eingestiegen. Seinerseits habe ich ein gutes Buch über die richtige Körperhaltung etc.. gelesen. Das hat mir sehr geholfen um mich sicher zu fühlen das ich auch nichts falsch mache. Seither sitzt meine Zazen-Haltung bis in alle Ewigkeit. Es gibt da schon Feinheiten in der Sitzmeditation auf die man von selbst nicht kommt.
    Auch aktuell praktiziere ich Zazen. Das ist im Grunde eine Top-Ruhemeditation.
    Allerdings gibt es schon ein paar Unterschiede zu Shamatha/Shine die ich genauer kennen lernen möchte. Daher suche ich nach einem möglichst guten, traditionellen Buch.
    Insbesondere die Fokusierung von Objekten (zB Buddhafigur) macht einen Unterschied zum Zazen. Ich habe meine ersten Meditationsübungen mit Blick auf eine Buddhafigur gemacht.
    Das hat mir sehr geholfen mich besser zu fokusieren. Beim Zazen habe ich das Gefühl mehr Schwierigkeiten damit zu haben.
    Mit Vipassana/Lhaktong habe ich bislang noch keine Erfahrung.


    Visuddhimagga von Buddhaghosa werde ich mir auf jeden Fall einverleiben aber nicht nur der Meditationsanleitung wegen, sondern weil es ein echter buddhistischer Klassiker ist.
    Dazu dann noch 1-2 weitere Werke aus dem Vajrayana.. vielleicht am Besten ein älteres und eines von einem/einer noch lebenden Meister/Meisterin.
    Ich verspreche mir davon eine solide, gut verstandene Basis.
    Abgesehen davon interessiere ich mich aber auch über die praktischen Notwendigkeiten hinaus über alles rund um den Buddhismus.


    @Sherab Yönten: Danke für den weiteren Buchtipp :)
    Im Grunde habe ich jetzt schon eine recht gute Auswahl denke ich.

  • Thomas


    Würdest du Shamatha praktizieren würdest du erkennen aus dieser Sicht heraus das in diesen Thread und in dem anderen genug kompetente Antworten gepostet wurden.


    Auch hier mein Rat: fang doch entlich mal an!

  • Samten: Danke für diese tolle Meditationsanleitung!
    Sehr schön beschrieben und letztlich eine Bestätigung dessen was ich mir dachte bevor ich mich mit Buddhismus näher anfing zu befassen: Buddhismus ist Selbstfindung! :D