Lehrer notwendig?

  • Im Tibetischen Buddhismus wird die zentrale Wichtigkeit eines Lehrers so stark betont, daß er oft sogar als Lamaismus bezeichnet wird.


    Ich selber habe aber Schwierigkeiten, jemand anderen als Lehrer anzuerkennen. Ist es möglich, den tibetischen Buddhismus autodidaktisch zu praktizieren?

  • Beim tibetischen Sutra Buddhismus wird das schon möglich sein. Bei den höheren Tantras, Mahamudra, Dzogchen wird es äußerst schwierig bis komplett unmöglich. Viele höhere Tantras sind übersetzt und liegen in diversen Sprachen vor. Sind teilweise Gegenstand wissenschaftlicher Forschung. Ähnliches gilt für Mahamudra und Dzogchen.

  • Fahrradfahren kann man noch ganz gut alleine lernen. Autofahren lernt eigentlich jeder von einem Fahrlehrer. Ein Flugzeug zu fliegen, da braucht es Lehrer und bevor man richtig fliegt gibt es meist viele Stunden im Simulator. Ähnlich ist es wohl mit den komplexeren Methoden - sie sind einerseits u.Umst. die schnelleren Fahrzeuge, aber dafür auch schwieriger zu meistern. Da hilft es wenn man zur Orientierung jemand hat, der sich schon auskennt und viel praktische Erfahrung hat.

    Alles ist, was es von Anfang an war: dem Wesen nach pur - und damit Buddhaschaft.
    Wer dies erkennt, ist aufgewacht. Wer seine sechs Sinne im Naturzustand belässt sieht sie überall:
    die Allgegenwärtige Vollkommenheit. (Longchenpa)

  • Hallo voom,


    ein trennender Unterschied zwischen Theravada und Teilen des Vajrayana ist für mich folgender: im Theravada hilft dir ein Lehrer dabei, offene Lehren und Praktiken zu meistern. Im Vajrayana fungiert der Lehrer eben auch als Türöffner zu geheimen Lehren und Praktiken.


    Gruß
    Florian

  • Türöffner, aber vor allem auch Vorbild und Wegbegleiter mit eigener Erfahrung... Wenn es nur um den Zugang ginge - ein Grossteil der "geheimen" Praktiken steht ja inzwischen irgendwo offen im Netz. Aber trotzdem sind sie nicht wirklich "zugänglich" genug, um alleine damit wirklich weiterzukommen. Ich würde allerdings sagen, dass man sich ab einem bestimmten Punkt auch unabhängig machen kann - oder sollte. Ich finde, dass viel zu viele Leute viel zu lange an ihrem Lamas "kleben" - und sie werden viel zu selten von ihren Lehrern abgenabelt, selbst wenn jemand eigentlich reif dafür wäre...

    Alles ist, was es von Anfang an war: dem Wesen nach pur - und damit Buddhaschaft.
    Wer dies erkennt, ist aufgewacht. Wer seine sechs Sinne im Naturzustand belässt sieht sie überall:
    die Allgegenwärtige Vollkommenheit. (Longchenpa)

  • Fragender:

    Im Tibetischen Buddhismus wird die zentrale Wichtigkeit eines Lehrers so stark betont, daß er oft sogar als Lamaismus bezeichnet wird.


    Ich selber habe aber Schwierigkeiten, jemand anderen als Lehrer anzuerkennen. Ist es möglich, den tibetischen Buddhismus autodidaktisch zu praktizieren?


    Würde ich mit der Vorstellung vergleichen, in Berlin autodidaktisch Führerschein zu machen, weil man Schwierigkeiten hat, jemanden als Fahrlehrer anzuerkennen. Wenn einem diese Schwierigkeiten so wichtig sind, dass man lieber nichts vom Fachmann lernt, tja, dann muss man da wohl durch. Was dabei herauskommt am Ende, weiß man nicht. Die Menschen sind verschieden und nicht jeder muss überhaupt Vajrayana praktizieren - wenn da solche Schwierigkeiten sind, kann man sich ja was anderes suchen.

    :rainbow: Gute Wünsche für jede und jeden. :tee:


  • Fragender:
    no name:

    Bei den höheren Tantras, Mahamudra, Dzogchen wird es äußerst schwierig bis komplett unmöglich.


    Warum?


    VOOM108:

    .. Wenn es nur um den Zugang ginge - ein Grossteil der "geheimen" Praktiken steht ja inzwischen irgendwo offen im Netz. Aber trotzdem sind sie nicht wirklich "zugänglich" genug, um alleine damit wirklich weiterzukommen.


    Darum! Die Analogien finde ich unpassend, alles was für das Autofahren benötigt wird, findest du an jeder Ecke.

  • Fragender:

    Merkwürdig nur, daß Gautama selbst ohne Lehrer zur Erleuchtung gelangte...


    Stimmt nicht, er hatte zwei Lehrer.

  • Die Gnade der frühen Geburt. Er saß ja einfach nur unter nem Baum rum.


    (Aber er hatte zwei upanischadische Lehrer - vor seiner Askese-Zeit. Aber hat ihm auch nicht viel gebracht).


    Ein paar Dzogchenartige Ansätze nebst interessanter Philosophie, die du allein praktizieren kannst, findest du in "Tarthang Tulku - Raum, Zeit und Erkenntnis"


    Ansonsten - ohne Lehrer kommt man wohl nur im Amida- und Nichiren-Buddhismus aus. Im Vajrayana (egal tibetisches oder japanisches) brauchst du Einweihungen (so ne Art energetische Übertragung der Archetypen/Buddhaaspekte) und Erklärungen der Rituale. Und ab und zu, daß der Lehrer kuckt, was in dir so ab geht.
    In Indien hast du sowieso die ganze Zeit mit dem Guru gelebt und ihm gedient. In Tibet und China/Japan hatte das ganze meist dann sowieso Klosterstruktur. Also du warst immer beim Lehrer.


    Aber es gibt in beiden sicher auch Anfangsübungen, die man allein praktizieren kann. Im jap. Vajrayana z.B. Ajikan und Gachirinkan-Meditation. Siehe z.B. http://theidproject.org/blog/m…translation-ajikan-manual
    Im tibetischen Shine. Siehe z.B.Ngakpa Chögyam - Reise in den inneren Raum. Ein Handbuch tibetischer Meditationstechniken (Interessanterweise gibts da auch eine Technik, die stark an Ajikan erinnert)

  • no name:
    Fragender:

    Merkwürdig nur, daß Gautama selbst ohne Lehrer zur Erleuchtung gelangte...


    Stimmt nicht, er hatte zwei Lehrer.


    Echt ? Wie hießen die denn ?

  • Fragender:

    Merkwürdig nur, daß Gautama selbst ohne Lehrer zur Erleuchtung gelangte...


    Liest man des Buddhas Lebensgeschichte, findet man so einige Lehrer, die er respektvoll angenommen hat, bis er weiterzog. Autodidakt war Buddha nicht, sondern er hat eher gelernt aus allem, was er kriegen konnte, scheint mir.


    Im Vajrayana gibt es einen Spruch, der ungefähr so lautet: "Wenn der Schüler den Lehrer nicht eines Tages überflügelt, ist etwas schief gelaufen." Ob ein normaler Autodidakt so weit kommen kann, bezweifele ich. Eher glaube ich sogar, dass die Abwehr, einen Lehrer anzunehmen, sowas wie eine innere Bremse ist, damit man nicht so schnell vorankommt. Manche Dinge brauchen ja auch einfach Zeit.
    Jedenfalls bleibt man ohne Lehrer ein Dilettant, davon bin ich überzeugt.

    :rainbow: Gute Wünsche für jede und jeden. :tee:


    Einmal editiert, zuletzt von Lirum Larum ()

  • Losang Lamo:

    m Vajrayana gibt es einen Spruch, der ungefähr so lautet: "Wenn der Schüler den Lehrer nicht eines Tages überflügelt, ist etwas schief gelaufen."


    Dann läuft bei mir definitiv etwas schief :?
    Ich habe nicht das Gefühl, dass ich meinen Lehrer auch nur ansatzweise in diesem Leben noch überflügeln würde. :shock:

  • Zitat

    Darum! Die Analogien finde ich unpassend, alles was für das Autofahren benötigt wird, findest du an jeder Ecke.


    Was LL gesagt hat! :)
    Man kann zwar Anleitungen finden, und vielleicht kann man auf einem Bauernhof mal alleine ein paar Versuche machen, wenn man viel Platz hat wo grad niemand rumläuft, aber wenn man in der Stadt unterwegs ist, ist es schon nicht schlecht, einen Lehrer zu haben, der nicht nur mitschaut, was passiert und einen warnen kann, wenn was droht gefährlich zu werden, sondern womöglich auch noch in den Lenker greifen und in seine Kopie der Pedale treten kann.


    Analog: wenn man Methoden verwendet, die dazu gedacht sind, in der Abgeschiedenheit geübt zu werden ohne viel Interaktion mit anderen Menschen, ist es vielleicht nicht ganz so wichtig, wenn man keine direkte Anleitung hat, aber wenn man als Laie, Haushälter, auch Yogi in direktem Bezug zu Welt übt, ist ein Lehrer zumindest sehr hilfreich, wenn nicht teilweise notwendig.
    Das ist natürlich nur ein Aspekt. Für die innere Landkarte könnte man es im weiteren Sinne auch übertragen, dass es da gut ist, jemanden zu kennen, der schon mal solche Wege erfolgreich befahren hat, auch wenn jede "innere Stadt" anders aussieht.

    Alles ist, was es von Anfang an war: dem Wesen nach pur - und damit Buddhaschaft.
    Wer dies erkennt, ist aufgewacht. Wer seine sechs Sinne im Naturzustand belässt sieht sie überall:
    die Allgegenwärtige Vollkommenheit. (Longchenpa)

  • Sherab Yönten:
    Losang Lamo:

    m Vajrayana gibt es einen Spruch, der ungefähr so lautet: "Wenn der Schüler den Lehrer nicht eines Tages überflügelt, ist etwas schief gelaufen."


    Dann läuft bei mir definitiv etwas schief :?
    Ich habe nicht das Gefühl, dass ich meinen Lehrer auch nur ansatzweise in diesem Leben noch überflügeln würde. :shock:


    Dann ist es ja gut, darüber mal ganz entspannt nachzudenken. (?)


    Letztendlich sollte das Lehrer-Schüler-Verhältnis eben nicht auf eine Abhängigkeit hinauslaufen. Das ist es ja, was landläufig an der Vorstellung, einen Lehrer anzunehmen, abschreckt.
    Letztendlich ist der Lehrer ein Anschubser und rollen muss man dann selbst. :)


    Oder um beim Bild zu bleiben: Ziel ist ja, alleine mit dem Auto heil durch Berlin zu kommen. Wenn der Fahrschüler am Ende nicht genauso gut Auto fährt wie der Fahrlehrer, ist dieses Ziel verfehlt.

    :rainbow: Gute Wünsche für jede und jeden. :tee:


  • Losang Lamo:

    dann ist es ja gut, darüber mal ganz entspannt nachzudenken. (?)


    Mir fehlt der Ehrgeiz ihn überflügeln zu wollen. Warum soll das ein Ziel sein ? :|

  • Losang Lamo:


    Letztendlich sollte das Lehrer-Schüler-Verhältnis eben nicht auf eine Abhängigkeit hinauslaufen. Das ist es ja, was landläufig an der Vorstellung, einen Lehrer anzunehmen, abschreckt.
    Letztendlich ist der Lehrer ein Anschubser und rollen muss man dann selbst. :)


    Oder um beim Bild zu bleiben: Ziel ist ja, alleine mit dem Auto heil durch Berlin zu kommen. Wenn der Fahrschüler am Ende nicht genauso gut Auto fährt wie der Fahrlehrer, ist dieses Ziel verfehlt.


    Das Bild mit dem Führerschein ist insofern sehr passend, als es in vielen Fällen darum geht, dass man einen Schein bekommt - einen Erleuchtungsschein - sag' ich mal. Das wird auch in vielen Fällen suggeriert, wenn von Ausbildung die Rede ist, oder Schulung. Es braucht aber weder zum Führen eines Autos, noch zum Führen des Lebens oder dgl. einen Lehrer. In den USA fahren viele in den Rual Regions ohne Führerschein. Der Fahrlehrer und der Führerschein ist gesetzlich aber vorgeschrieben.
    Das gilt für diesen spirituellen Kram nicht. Da gibt es kein Gesetz. Aber es gibt Religionen und Institutionen, die eben auch vorgeschrieben bekommen, dass ein Pfarrer ein Theologiestudium haben muss. Und das gilt dann auch für die Leitung von Tempeln und Klöstern in anderen Religionen.
    Im Kern der Sache geht es nicht um Lehrer-Schüler sondern um Begegnung zweier Menschen, die sich gemeinsam auf die Suche nach dem WEG machen und der eine vielleicht schon Erfahrung darin hat. Deshalb ist die Praxis immer eine gemeinsame Praxis und man macht eben Erfahrungen insofern gemeinsam, als es auch um Verständigung geht - die Erfahrung muss eben auch durch Verständige "geprüft" werden, damit einer sich nicht im Gedankengestrüpp verheddert. Und wenn man so sich verheddert hat, dann braucht es eben auch einen Zweiten, der klarer sieht und einem da raus helfen kann.

  • Ich denk, das da im Vajrayana noch ein Unterschied zum Lehrer im Zen besteht. (Deine Beschreibung klingt jedenfalls eher zennig)


    Ich denk ja überhaupt: Will ich im Schatten unter einem Baum sitzen, kann ich das ohne große Gefahren tun.
    Will ich aber vorher mit Starkstrom rumspielen, sollte ich mich von nem Lehrer zum Elektriker ausbilden lassen.

  • Jinen:

    Ich denk, das da im Vajrayana noch ein Unterschied zum Lehrer im Zen besteht. (Deine Beschreibung klingt jedenfalls eher zennig)


    Ich denk ja überhaupt: Will ich im Schatten unter einem Baum sitzen, kann ich das ohne große Gefahren tun.
    Will ich aber vorher mit Starkstrom rumspielen, sollte ich mich von nem Lehrer zum Elektriker ausbilden lassen.


    Wenn du meinst, Vajrayana sei so was wie Starkstrom, dann widerspreche ich dir insofern, als diese "Energie" nur in der Fantasie und Vorstellung besteht - wobei die Vorstellungen durchaus tödliche Wirkungen entfalten können. Allerdings nur bei Leuten, die dem magischen Denken anhängen.
    Der einzige mir ersichtliche Unterschied liegt in der sozialen Seite begründet. Die Tibeter haben ein feudales System, das die Stände streng durch eine behauptete Erfahrung und durch Magie trennt. Wenn einer weiß, wie Wahrnehmung funktioniert, dann lässt sich da viel maniulieren. Und das ist das ganze Geheimnis der Lehre - man lernt praktisch, wie man andere täuschen kann. Derren Brown "Tricks of the Mind" ist da zu empfehlen.
    Wer sich auf das System Vajrayana einlässt, ist bereits fasziniert von diesem magischen Krempel - und sucht das auch. Im Zen hingegen, wird das nicht vertreten.

  • Zitat

    Wer sich auf das System Vajrayana einlässt, ist bereits fasziniert von diesem magischen Krempel - und sucht das auch. Im Zen hingegen, wird das nicht vertreten.


    Das stimmt nicht.

    Der Sinn des Lebens besteht darin, Rudolph, dem Schwurkel, den Schnabel zu kraulen.

  • Doris Rasevic-Benz:
    Zitat

    Wer sich auf das System Vajrayana einlässt, ist bereits fasziniert von diesem magischen Krempel - und sucht das auch. Im Zen hingegen, wird das nicht vertreten.


    Das stimmt nicht.


    Freilich hat man auch noch im Zen Teile von Magie. Es werden ja auch so Sachen wie die große Dharani (Dai Hi Shu Dharani?) zitiert.
    Ansonsten gibt es dann meiner Meinung nach große Ähnlichkeiten von Zen mit Mahamudra und Dzogchen. Aber Zen hat halt diese Arbeit mit archetypischen Bildern nicht davor. Tantra geht ja dann auch darüber hinaus. Zen macht den Cut halt gleich.
    Dzogchen gibt es ja u.a. auch losgelöst von Tantra als Nichtstufenpfad.
    Die Einführung in die Natur des Geistes im Dzogchen scheint mir auch dem Rechten Sehen im Theravada zu entsprechen. Du hast da schon viele Querverbindungen.


    Und viel hat halt auch mit dem Grundlagen in den einzelnen Ländern zu tun. Bön auf der einen Seite, Daoismus auf der anderen.