"Ich alter Hund"

  • Zitiert aus "Dämonen des Geistes" (Pältrül Rinpoche):


    Der Brief (Seite 95):


    "Zu Füßen meines Lamas werfe ich mich nieder:


    Als ich alter Hund in der Einsamkeit verweilte und die Worte meines verehrten Lehrers gehört hatte, wollte ich meinerseits Folgendes dazu sagen:


    Als ich zum ersten Mal meinen Lama sah, fühlte ich mich wie ein Kaufmann, der auf einer Insel voller Gold ankommt, als ob alle seine Wünsche in Erfüllung gehen würden, und ich habe mich sehr bemüht, den Sinn des Dharma zu üben.


    Als ich später meinen Lama sah, fühlte ich mich wie ein Verbrecher, der den Richter sieht, so als ob ich schuldig wäre; und er hat mich sehr beschimpft.


    Wenn ich jetzt meinen Lama sehe, fühle ich mich wie eine Taube, die im Tempel schläft, als ob wir uns als Ebenbürtige begegnen würden; und ich halte mich fern von ihm"


    (in diesem Sinne geht es weiter...., mehr wird später von mir eingestellt).

  • "Als ich zum ersten Mal Unterweisungen hörte, fühlte ich mich wie ein Hungriger, der auf Essen trifft, ich wollte sofort alles in die Tat umsetzen und habe fleißig geübt.


    Als ich später Unterweisungen hörte, war es wie eine Stimme aus weiter Ferne ; ich bekam große Zweifel und konnte meine Unsicherheit nicht überwinden.


    Wenn ich jetzt Unterweisungen höre, fühle ich mich, als ob ich trotz Übelkeit weiter zum Essen genötigt würde und mich übergeben müsste; und ich habe keine Lust mehr darauf."

  • "Als ich zum ersten Mal in der Einsamkeit verweilte, fühlte ich mich wie ein Reisender, der zu Hause ankommt Ich war voller Freude und wollte unbedingt bleiben.


    Als ich später in der Einsamkeit verweilte, fühlte ich mich wie eine einsame Schönheit; ich konnte nicht stillsitzen und bin viel hin und her gegangen.


    Wenn ich jetzt in der Einsamkeit verweile, fühle ich mich wie ein alter Hund, der unter einem Felsen stirbt; so als ob es ein guter Platz ist; und ich verberge meinen zukünftigen Leichnam."

  • raterZ:

    war das alles? :D


    Nein - da kommt noch mehr. :lol:


    P.S. Zur Erklärung: Dämonen sind Hindernisse !

  • "Als ich zum ersten Mal über die Sichtweise nachdachte, fühlte ich mich wie ein Geier auf der Suche nach einem Nistplatz, je höher umso größer die Freude, und ich verlor viele Worte darüber,


    Als ich später über die Sichtweise nachdachte, fühlte ich mich wie beim Eindringen vom Labyrinth, so als ob ich mich verirren könnte, und ich verhielt mich ganz ruhig,


    Wenn ich jetzt über die Sichtweise nachdenke, fühle ich mich wie ein Kind, das der Willkür der Erwachsenen ausgesetzt ist, so als ob ich an der Nase herumgeführt würde; und ich habe nichts, auf das ich meinen Geist richten könnte."

  • Zu diesem Brief: Ein Kommentar von Dagyab Kyabgön Rinpoche


    "Wenn wir uns bemühen, buddhistische Belehrungen zu hören, über sie nachzudenken und sie zu üben, ist es wesentlich, dass wir das alles auch wirklich innerlich verarbeiten. Man spricht davon, "dass sich Dharma und eigenes Bewusstsein mischen müssen" - nur dann kann Dharma tatsächlich in die Tiefe gehen und zur Weiterentwicklung unseres Bewusstseins beitragen. Gleichzeitig ist das auch ein sehr schwieriger und gar nicht selbstverständlicher Punkt.


    Darum lohnt es sich, immer und immer wieder darüber nachzudenken, ob unsere Anstrengungen nicht doch irgendwie außerhalb von uns selbst geblieben sind, ob es dann nicht irgendeine Art von Trennung zwischen unserer Dharmaübung und unserem Bewusstsein geben könnte und wenn ja, wie und wodurch ?


    Es ist oft gar nicht so einfach, das herauszufinden, und unsere Wahrnehmung davon, wie weit unsere Bemühungen im Dharma nach innen gerichtet sind, könnte sich mir der Zeit und mit der Erfahrung auch sehr ändern. In diesem Zusammenhang finde ich diesen Brief von Pältrül Rinpoche sehr nützlich, in dem er beschreibt, wie er jedes Mal verschiedene Aktivitäten mit großer Begeisterung angefangen hat und wie die anfängliche Freude dann mehr und mehr abgeflaut und teilweise in ihr Gegenteil umgeschlagen ist.


    Wenn das selbst maßgeblichen Lehrern wie Pältrül Rinpoche so ergehen kann, was soll man denn erst über uns sagen ! In den sehr kraftvollen Bildern können wir uns sicher alle in der einen oder anderen Weise wiederfinden - ich selbst kann mich da leider auch nicht ausschließen. Einerseits können wir Mut daraus schöpfen, dass solche Schwierigkeiten nicht nur uns begegnen - sie sind kein Grund gleich alles aufzugeben !


    Andererseits müssen wir überlegen, was da jeweils schief gegangen ist - es scheint so zu sein, dass in all diesen Beispielen die anfängliche Analyse der Situation irgendwie nicht sorgfältig genug war oder dass die betreffende Unternehmung nicht ganz in der richtigen Weise durchgeführt, nicht ganz mit der richtigen Motivation durchgeführt war. Das passiert so leicht !


    Darum hat es auch keinen Zweck, voreilig etwas zu beginnen. Zuerst sollen wir es uns genau überlegen und erst wenn wir echte Zuneigung und zuverlässige Begründungen gefunden haben, dann erst ist es Zeit, mit den Dharmaübungen anzufangen. Und wenn wir angefangen haben, ist es, wie Pältrül Rinpoche uns hier zeigt, halb so wichtig wie begeistert oder niedergeschlagen wir uns im Moment fühlen mögen. Wichtig ist, ständig wachsam zu bleiben ob sich Dharma und unser Bewusstsein wirklich mischen. Dann können wir auch sicher sein, dass uns unsere Bemühungen auch weiterbringen.

  • "Als ich das erste Mal an Meditation dachte, fühlte ich mich, wie wenn ein Liebespaar zusammentrifft, ich war voller Freude und Begeisterung und wollte unbedingt meditieren.


    Als ich später an Meditation dachte, fühlte ich mich wie ein kraftloser Mensch, der von einer Last niedergedrückt wird, müde und erschöpft; und die Meditationszeit wurde immer kürzer.


    Wenn ich jetzt an Meditation denke, fühle ich mich, als ob ich versuchte, Tabakblätter auf einer feinen Nadelspitze zu balancieren; keine Sekunde kann ich stillhalten und ich habe keine Lust mehr, zu meditieren."

  • "Als ich das erste Mal an mein Verhalten dachte, fühlte ich mich durch die Gelübde gebunden wie ein wildes Pferd, das angepflockt ist; und ich zeigte äußerlich nur ein gutes Verhalten.


    Als ich später an mein Verhalten dachte, fühlte ich mich wie ein alter Kettenhund, den man freigelassen hat, als ob ich nach Belieben herumstreunen könnte; und ich habe meine Gelübde verloren.


    Wenn ich jetzt an mein Verhalten denke, fühle ich mich ungeniert wie eine Hure; so als ob es einfach egal ist; und es interessiert mich nicht mehr."

  • raterZ:

    ich kann mich in den texten wieder finden :grinsen:


    Ja, ich auch. Ich denke, deshalb gefällt mir (uns ?) dieser Brief so gut.
    Den Kommentar von Dagyab Rinpoche find ich sehr nützlich, um seine eigenen Hindernisse zu identifizieren und zu analysieren.

  • Pätrül Rinpoche ist nicht nur "ein alter Hund"; er lässt diese Dämonen offenkundig zu uns sprechen, auf die Gefahr hin, daß man diese Dämonenstimmen mit seiner widersprechenden Motivation, mit seinen Absichten verwechselt. Er ist schon gestorben. Bodhisattva ! Wie wunderbar !

    Honen Shonin: "Weil es den Übenden in der heutigen Zeit aber gut geht, finden sie Einschränkungen schwer."

  • Möglicherweise seht ihr das anders :grinsen: Ich bleib dabei, daß er die Kurve gekriegt hat. Und schweigt ganz vollendet. Nett, richtig Bodhisattva, denn die meisten fangen an zu quatschen im Erwachensprozess und bringen viele damit ganz durcheinander und sich selber vermutlich vom Pfad, vom Kernholz ab :( Was ist denn aus ihm "offiziell" so geworden, dem Pältrül Rinpoche ?

    Honen Shonin: "Weil es den Übenden in der heutigen Zeit aber gut geht, finden sie Einschränkungen schwer."

  • "Als ich zum ersten Mal an das Ziel dachte, fühlte ich mich wie ein Betrüger, der seine Ware preist, so als ob ich einen hohen Gewinn erzielen könnte; und ich habe mir große Hoffnungen gemacht,


    Als ich später an das Ziel dachte fühlte ich mich wie auf dem anderen Ufer des Ozeans, dass es viel zu weit sei; und mein Wunsch danach wurde immer schwächer


    Wenn ich jetzt an das Ziel denke, fühle ich mich wie ein Dieb am Ende der Nacht, so als ob es keine Methode mehr gibt; und ich habe die Hoffnung verloren",

  • "Als ich das erste Mal Belehrungen gab, fühlte ich mich wie eine Schöne, die auf den Marktplatz stolziert; ich war mit meiner Gelehrsamkeit sehr zufrieden und habe gern Reden geschwungen,


    Als ich später Belehrungen gab, fühlte ich mich wie ein alter Mann, der Geschichten von früher erzählt, so als ob ich mit dem Dharma eng vertraut wäre, und ich hielt immer mehr Lehrveranstaltungen ab,


    Wenn ich jetzt Belehrungen gebe, fühle ich mich wie ein übler Dämon unter der Gewalt eines tantrischen Meisters, so als ob ich nur meine inneren Fehler zur Schau stellen würde; und ich schäme mich sehr."

  • "Als ich zum ersten Mal debattierte, fühlte ich mich wie ein gewissenloser Staatsanwalt, der einen Prozess anstrengt: Ich wollte vor allem gewinnen und war voller Hass,


    Als ich später debattierte, fühlte ich mich als ehrlicher Mensch, der die Wahrheit kennt und sie durchsetzen möchte; und ich strengte meine Intelligenz an,


    Wenn ich jetzt diskutiere, fühle ich mich wie ein Lügner, der überall herumspaziert, so als ob ich alles sagen dürfte, und es geschieht mir nichts".

  • "Als ich zum ersten Mal mit Freunden zusammenkam, fühlte ich mich wie bei einer Zusammenkunft jugendlicher Kriegshelden, mein Wettkampfgeist war groß; und ich entwickelte viel Anhaftung und Hass,


    Als ich später mit Freunden zusammenkam, fühlte ich mich wie ein Strichmännchen, das zur Arbeit geht, einig mit allen und ich hatte viele Kameraden


    Wenn ich jetzt mit Freunden zusammenkomme, fühle ich mich wie ein Leprakranker, der in eine Versammlung eindringt; fehl am Platz unter den Menschen bleibe ich lieber allein."

  • "Als ich zum ersten Mal Reichtümer sah, war ich wie ein Kind, das Blumen pflückt; ich habe mich hier und jetzt daran gefreut und nichts angesammelt oder aufgehoben,


    Als ich später Reichtümer sah, fühlte ich mich wie ein kaputtes Gefäß, in das man Wasser gießt; ich war nicht zu befriedigen und strebte nach immer mehr,


    Wenn ich jetzt Reichtümer sehe, fühle ich mich wie eine alte Bettlerin, die viele Kinder bekommt, so als ob sie mich schwer belasten; und es ist mir lieber, keine zu haben."

  • "Als ich zum ersten Mal Schüler hatte, fühlte ich mich von Ihnen als führende Persönlichkeit angenommen und wollte den großen Mann spielen , darum habe ich gemacht, was ihnen gefällt,


    Als ich später Schüler hatte, fühlte ich mich wie wenn Gäste ins Hotel kommen, so als ob man mir Vertrauen schenken würde; und ich habe mich bemüht, ihnen Nutzen zu bringen,


    Wenn ich jetzt Schüler habe, fühle ich mich wie die herausgeforderte Gottheit eines heiligen Ortes, so als ob man mich ärgern wollte; und ich verjage sie mit Steinen."

  • "Damit ist die Antwort dessen, der sie mit Steinen verjagt, beendet."