Einsgerichtete Unwissenheit im tibetischen Buddhismus?

  • Hallo alle zusammen !


    Eigentlich wollte ich ja 'Engstirnige Arroganz' anstelle von 'Einsgerichteter Unwissenheit' schreiben, aber dies könnte noch mehr falsch verstanden werden.


    Durch meine Studien entstehen Erkenntnisse, die althergebrachte buddhistische Konzepte aus dem Rahmen schmeißen. Um ein möglichst neutrales Bild zu erstellen, würde mich Eure Meinung zu folgendem interessieren:

    Zitat


    Westliche Gelehrte des Tibetischen wissen gut, wie schwierig es ist, einen indigenen tibetischen Gelehrten zu überzeugen, etwas Interesse an Formen der tibetischen Literatur anzunehmen, die außerhalb seiner jeweiligen Schule liegen. Normalerweise wird sich ein Gelugpa ('Gelbmütze') Gelehrter über die Idee schämen, ein anderes tibetisch-buddhistisches Werk, geschweige denn eine Bönpo-Arbeit, zu lesen.


    Quelle: Auszug aus 'The nine ways of Bön' von Per Kvaerne


    Das Vorgehen bei der Kagyü-Schule ist, dass man dort sofort in die Praxis geschubst wird, so dass man keine Zeit für Studien findet und "außerdem wird nur das praktiziert, was auch der Lama kennt". Dreimal dürft Ihr raten, was ich von diesem senilen Marpa halte, der, um seinen bürgerlichen Stand aufzupolieren, ein paar der Lehren aus Indien holte und Milarepa bis aufs Blut schikanierte, obwohl es bestimmt auch andere Möglichkeiten gegeben hätte, um das negative Karma von Milarepa abzubauen - RICHTIG !!!


    Die Sitten bei der Familien-Sekte der Sakyapas sind mir nicht bekannt.


    Die Nyinmapas sind vielleicht nicht so voreingenommen, haben sich jedoch zum Buddhismus bekannt.


    Zitat

    Vielleicht besteht der ursprüngliche Hauptunterschied zwischen den Bönpos und den Nyingmapas (tibetische Buddhisten der 'Alten Ordnung') in der Tatsache, dass die Nyingmapas einräumten, dass ihre Lehren, trotz ihrer früheren Verkündung, dennoch buddhistisch waren und dass die Bönpos diese Annahme nie machen würden.


    Quelle: Auszug aus 'The nine ways of Bön' von Per Kvaerne


    Das Alles deutet nicht gerade auf eine Offenheit des Buddhismus hin. Auch die ganzen sogenannten 'Geheimen' Unterweisungen, im Buddhismus wie im Bön, deuten eher darauf hin, als ob es viel zu vertuschen gibt. Ein wesentlicher Unterschied zwischen Buddha Shakyamuni und Buddha Tönpa Shenrab vor 18.000 Jahren ist, dass Buddha Tönpa Shenrab tatsächlich noch nicht alle seine Lehren preisgeben konnte, weil die Zeit dafür noch nicht reif war, und bei Buddha Shakyamuni keine seiner Belehrungen geheim war.


    Wie ist Eure Meinung hierzu?


    Bevor Ihr hierauf antwortet, schaut Euch bitte noch kurz das Thema im Bön-Forum 'Ist der Buddhismus in Wirklichkeit Bön?' http://www.buddhaland.de/viewtopic.php?f=56&t=12901#p250659 an.


    Viele Grüße und Schnelles Erwachen
    Karl

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  • Zitat

    Das Vorgehen bei der Kagyü-Schule ist, dass man dort sofort in die Praxis geschubst wird, so dass man keine Zeit für Studien findet und "außerdem wird nur das praktiziert, was auch der Lama kennt". Dreimal dürft Ihr raten, was ich von diesem senilen Marpa halte, der, um seinen bürgerlichen Stand aufzupolieren, ein paar der Lehren aus Indien holte und Milarepa bis aufs Blut schikanierte, obwohl es bestimmt auch andere Möglichkeiten gegeben hätte, um das negative Karma von Milarepa abzubauen - RICHTIG !!!


    Erstens ist das falsch.
    Zweitens zeigt es Dein Unverständnis.
    Drittens verrät es viel über Dich.

    Der Sinn des Lebens besteht darin, Rudolph, dem Schwurkel, den Schnabel zu kraulen.

  • Doris Rasevic-Benz:
    Zitat

    Das Vorgehen bei der Kagyü-Schule ist, dass man dort sofort in die Praxis geschubst wird, so dass man keine Zeit für Studien findet und "außerdem wird nur das praktiziert, was auch der Lama kennt". Dreimal dürft Ihr raten, was ich von diesem senilen Marpa halte, der, um seinen bürgerlichen Stand aufzupolieren, ein paar der Lehren aus Indien holte und Milarepa bis aufs Blut schikanierte, obwohl es bestimmt auch andere Möglichkeiten gegeben hätte, um das negative Karma von Milarepa abzubauen - RICHTIG !!!


    Erstens ist das falsch.
    Zweitens zeigt es Dein Unverständnis.
    Drittens verrät es viel über Dich.


    Erklär uns bitte mal was daran falsch ist !
    Ja - tausend offene Fragen.
    Du erfährst noch mehr über mich, wenn du dem Link folgst, der in dem Beitrag angeben ist, was du bis jetzt noch nicht getan hast. Passt wohl nicht in dein buddhistisches Weltbild ?

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  • Himmel!
    Hier geht es nicht um mein buddhistisches Weltbild, sondern um Deine Fehlinformation.
    Bei den Kagyüs werden genauso andere Richtungen gelesen oder Belehrungen besucht. Viele Kagyüs machen z.B. auch Nyimgma-Sachen.
    Und was Marpa und Milarepa anbelangt, überlass ich das Deiner Phantasie.

    Der Sinn des Lebens besteht darin, Rudolph, dem Schwurkel, den Schnabel zu kraulen.

  • milapa:

    Das Alles deutet nicht gerade auf eine Offenheit des Buddhismus hin. Auch die ganzen sogenannten 'Geheimen' Unterweisungen, im Buddhismus wie im Bön, deuten eher darauf hin, als ob es viel zu vertuschen gibt. Ein wesentlicher Unterschied zwischen Buddha Shakyamuni und Buddha Tönpa Shenrab vor 18.000 Jahren ist, dass Buddha Tönpa Shenrab tatsächlich noch nicht alle seine Lehren preisgeben konnte, weil die Zeit dafür noch nicht reif war, und bei Buddha Shakyamuni keine seiner Belehrungen geheim war.


    Wie ist Eure Meinung hierzu?


    Das mit dem Buddha vor 18.000 Jahren ist interessant, das war Altsteinzeit :D
    Davon abgesehen hat die Traditionskultur der Tibter und wie sie gehandhabt wird, aber auch gar nichts mit dem Buddhismus zu tun. Schmeiß das bitte nicht in einen Topf.


    Liebe Grüße.

    Kein "Ich" - keine Probleme.

  • gibt es irgendeinen beweis, dass die tibeter schon vor buddha shakyamuni den buddhismus praktizierten?
    ich meine, das kann ja jeder behaupten :grinsen:

  • raterZ:

    gibt es irgendeinen beweis, dass die tibeter schon vor buddha shakyamuni den buddhismus praktizierten?
    ich meine, das kann ja jeder behaupten :grinsen:


    Diesbezügliche Aufzeichnungen über den Buddhismus gibt es eigentlich erst seit dem achten Jahrhundert unserer christlichen Zeitrechnung, nachdem die tibetischen Könige den Buddhismus in Tibet eingeführt haben. So gesehen sind auch etwa die ersten '1500' Jahre nach Buddha Shakyamuni ein weisser Fleck auf der geschichtlichen Landkarte. Sollte ich irgendwann mal was archäologisches finden, das dies unterstreichen könnte, werde ich auf diese Frage zurückkommen.


    Gruß


    Karl

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  • milapa:

    So gesehen sind auch etwa die ersten '1500' Jahre nach Buddha Shakyamuni ein weisser Fleck auf der geschichtlichen Landkarte.


    Aber nun wirklich nicht! Wir können die Geschichte des Buddhismus in Indien, sowie seiner Verbreitung über Indien hinaus recht genau rekonstruieren. Das belegen so viele archäologische Funde. Das geht schon mit den Inschriften des Kaisers Ashokas los. Du tust so als wär das alles höchst nebulös, was es einfach nicht ist.


    Grüße.

    Kein "Ich" - keine Probleme.

  • wobei ich ja der idee auch nicht ganz abgeneigt bin, dass z.B. die dzogchen lehren wirklich nicht von buddha shakyamuni kommen und deshalb evtl älter sind. die übungen passen ja auch ganz gut in den himalaya.
    aber leider sehe ich bei den tibetern auch eine art profilierungssucht, die sich darin äußert eine art "reinen stammbaum" der lehren zu haben. dazu gehört bspw. für mich genau so der mythos, dass buddha shakyamuni tantrische unterweisungen gegeben haben soll, was ich eher bezweifle.

  • raterZ:

    wobei ich ja der idee auch nicht ganz abgeneigt bin, dass z.B. die dzogchen lehren wirklich nicht von buddha shakyamuni kommen und deshalb evtl älter sind. die übungen passen ja auch ganz gut in den himalaya.


    Habe zwar gerade viel mit den Bön-Lehren zu tun, trotzdem interessierte mich dies. Deshalb habe ich mal schnell gegoogelt und folgendes gefunden:

    Zitat

    Allgemein ist zu sagen, dass 6.400.000 Dzogchen-Lehren diese Welt über Garab Dorje erreicht haben, dem ersten menschlichen Vidyadhara, welcher die Übertragung direkt von Buddha in der Form von Vajrasattva erhalten hat. Diese Lehren erreichten zuerst Uddiyana und wurden später in Indien und Tibet verbreitet. Vor der Ära von Buddha Shakyamuni wurden die Dzogchen-Lehren in unserem Teil des Universums durch andere Buddhas, bekannt als die 'Zwölf Dzogchen-Lehrer' verbreitet. Buddha Shakyamuni wird gewöhnlich als der vierte Führer in diesem Ausgezeichneten Äon, in welchem 1000 voll Erleuchtete Buddhas in unserer Welt erscheinen werden, aufgezählt. Obwohl in diesem Zusammenhang als der vierte Führer bekannt, ist Shakymuni der Zwölfte in der Linie von den Dzogchen-Lehrer... ...Der Buddha gab sowohl Dzogchen-Lehren als auch andere Vajrayana-Anweisungen, zuerst manifestierte das Mandala von einer Gottheit und dann wurden die tantrischen Lehren einem Gefolge mitgeteilt, welches sich darin befand. Dies lag jedoch nicht in einem Bereich, den gewöhnliches Volk wahrnehmen konnte.


    Quelle: Auszug aus Quintessential Dzogchen von Tulku Urgyen Rinpoche


    Gruß


    Karl

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  • Ich bin Schüler von Ole und praktiziere mit entsprechender Übertragung eine Yidampraxis aus dem Longchen Nyingthig.
    Auch das Phowa kommt von dort.
    Ausserdem gibt es die "Rimebewegung".
    Auch sollte man die Bön-Nähe der Nyigmas nicht mit dem Dzogchen verwechseln. Es zeigt nur, daß der Dharma auch durch die Nähe von kulturellen Konventionen eines Landes weder abgehalten, noch verfälscht wird. Man täte gut daran,Kultur und Dharma inhaltlich trennen zu können, während beides zugleich da sein und genossen werden kann.
    Da es das Ziel in allen Buddhistischen Schulen ist, Leid und die Ursachen zu überwinden -statt dessen die Natur des Geistes zu erkennen und dauerhaftes Glück zu finden, um anderen zu helfen, ist es nicht nötig, alle gegebenen Belehrungen aller Schulen zu lernen. Nicht nur, daß es zu Verwirrungen führen kann, weil zum Beispiel gleiche Begriffe anderen Inhalt und umgekehrt in den verschiedenen Schulen haben können. Es kann auch sein, daß man sich rein in den Begrifflichkeiten verliert, ohne eine echte Tiefe in der jeweiligen Schule zu entwickeln. Dann hat man evtl. viele Ideen und Vorstellungen von allem Möglichen, sehr viele schlaue Gedanken und kann toll reden, aber im Herzen hat sich nichts getan. Es passiert einigen Menschen, daß sie "Wissen" mit "Weisheit", oder Erfahrung mit Realisation verwechseln.


    Ist man nun ein "Studienmensch", der so geneigt ist, kann man durchaus alle möglichen Wege studieren. Aber um Sicherheit zu und entsprechende Resultate zu haben, wird man sich schon auf einen Weg einlassen müssen. Es wird nicht möglich sein, mehrere Wege folgen zu können. Es geht schliesslich auch um Verbindlichkeit. Vielen Menschen fällt es sehr schwer, sich auf etwas verbindlich einzulassen. Gerade unser konsumierender Zeitgeist und das Gutmenschentum fühlt sich bei derartigen Vorstellungen oft unwohl. Statt dessen wünschen sich viele Gleichheit, wo es keine gibt und Vielfalt wird als Bedrohung empfunden. Nach dem Motto: "Idiologie grenzt auch immer aus". Zu Unrecht! Wie ich finde.
    Menschen die sich einer Sache sehr verbunden fühlen und dazugehörig, haben oft etwas sehr sinnstiftendes im Leben, was ihnen Sicherheit und auch den nötigen Halt gefunden, um sich entwickeln zu können.
    Die Kunst besteht meines Erachtens eher darin, die Vielfältigkeit als Reichtum zu sehen und sie neben dem eigenen Weg als "Richtig und gut für andere Menschen" zu belassen.


    Und wer heilt hat Recht. ...Soweit zu Marpa.

  • Danke Angulimala!


    Das Ganze von Dir zuvor erwähnte ist schön formuliert und auch richtig. Nur dem letzten Satz kann ich mich nicht anschließen.


    Viele Grüße und Alles Gute


    Karl

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  • Zitat

    wobei ich ja der idee auch nicht ganz abgeneigt bin, dass z.B. die dzogchen lehren wirklich nicht von buddha shakyamuni kommen und deshalb evtl älter sind.


    Davon bin ich mehr als überzeugt! Dzogchen gehört für mich zu den Dingen, die der Buddhismus integriert hat aus dem, was er vorgefunden hat. Man hat die Kernlehre durch buddhistische Prinzipien ergänzt, sie aber in der Essenz gelassen. Im Bön wurden sie separat lebendig gehalten und erst sehr viel später mit buddhismus-ähnlichen Konzepten ergänzt. Ich glaube aber auch nicht, dass Dzogchen von den Bönpos erfunden wurde. Die haben das auch "nur" überliefert. Also den Teil, wo Bön der "ältere Buddhismus" ist, den halte ich für auf sehr wackligen Füssen stehend.

    Alles ist, was es von Anfang an war: dem Wesen nach pur - und damit Buddhaschaft.
    Wer dies erkennt, ist aufgewacht. Wer seine sechs Sinne im Naturzustand belässt sieht sie überall:
    die Allgegenwärtige Vollkommenheit. (Longchenpa)