"Genügen ist des Leidens Wurzel"

  • Hallo,


    zur Zeit lese ich die Reden des Buddhas aus der Mittleren Sammlung. In der ersten Rede kann ich diesen Absatz nicht ganz verstehen:


    ""Genügen ist des Leidens Wurzel", das hat er (der Vollendete) entdeckt, "Werden gebiert, Gewordenes altert und stirbt." Darum also, ihr Mönche, sage ich, dass der Vollendete, allem Lebensdurst erstorben, entwöhnt, entrodet, entgangen, entwunden, in der unvergleichlichen vollkommenen Erwachung auferwacht ist." (S. 15)


    Was ist mit "Genügen ist des Leidens Wurzel" gemeint? Ich kann es nicht verstehen, weil wenn etwas genug ist, dann ist man zufrieden, oder? Könnte jemand mir bitte helfen? (Auch mit "Werden gebiert" habe ich Schwierigkeiten...)


    Viele Grüße

  • Tippe mal auf Gleichgültigkeit,Ignoranz, das wären andere Ausdrücke für Verblendung, Unwissenheit.
    Aber kannst ja mal die Sutta angeben.

  • "Das Werden gebiert" (die Exisenz im Daseinskreislauf), dieses Gewordene altert und stirbt...


    Das ist die Folge der Unwissenheit im Kontext des Bedingten Entstehens, paṭicca-samuppāda. Warum wir "geworden" sind, altern und sterben.


    Grüße

  • mukti:

    "Ergötzen" finde ich da eine passendere Übersetzung als "Genügen".


    "Ergötzen" ist jedenfalls eindeutiger auch wenn der Begriff nicht gerade häufig verwendet wird.
    Bei mir rangiert der Begriff "Ergötzen" auf der Ebene wie Laben und Labsal.


    Das Wort aus dem Pali heißt ja "nandi"
    Und wenn ich den Satz "Nandi dukkhassa mūlanti"
    übersetzen sollte, dann würde ich sicher so was einfaches
    und unscheinbares sagen wie: "Erfreuen ist des Leidens Wurzel."


  • "Ergötzen" ist wohl ein eine etwas veraltete Bezeichnung für "Erfreuen". Ansonsten ist der Sinn ja klar aufgrund der Zweiten der vier edlen Wahrheiten, dem Entstehen des Leidens:


    Zitat

    Was nun, ihr Mönche, ist die edle Wahrheit von der Entstehung des Leidens?
    Es ist dies jenes Wiederdasein erzeugende, bald hier, bald dort sich erfreuende Begehren, nämlich das sinnliche Begehren, das Daseins-Begehren und das Nichtseins-Begehren. (D.22)

  • Vielen Dank für eure Antworten. Jetzt ist mir der Sinn des Textes klar geworden. Derzeit benutze ich die Übersetzung von Karl Eugen Neumann, die am Anfang des 20. Jahrhunderts veröffentlicht wurde. Deshalb werden altmodische Wörter wie Genügen verwendet. Jedenfalls werde ich jetzt auch zur Übersetzung von Kay Zumwinkel greifen, auf die Mukti uns verwiesen hat. Sie scheint mir moderner als die Übersetzung von Neumann zu sein ;).


    Viele Grüße

  • Unwissender:

    Vielen Dank für eure Antworten. Jetzt ist mir der Sinn des Textes klar geworden. Derzeit benutze ich die Übersetzung von Karl Eugen Neumann, die am Anfang des 20. Jahrhunderts veröffentlicht wurde. Deshalb werden altmodische Wörter wie Genügen verwendet. Jedenfalls werde ich jetzt auch zur Übersetzung von Kay Zumwinkel greifen, auf die Mukti uns verwiesen hat. Sie scheint mir moderner als die Übersetzung von Neumann zu sein ;).


    Das heißt aber nicht, das Zumwinkel immer besser ist. Am besten ließt man beides.

  • Also "befriedigen ( genießen ) " bzw. ein "sich begnügen", ein "sich genügen" ( noch ) aus Unwissenheit - im Sutta-Kontext 'Durch-Schauung' ist die Übersetzung verständlich.


    Nandi dukkhassa múlanti iti viditvá bhavá játi bhútassa jarámarananti.

  • mukti:
    Zitat

    Was nun, ihr Mönche, ist die edle Wahrheit von der Entstehung des Leidens?
    Es ist dies jenes Wiederdasein erzeugende, bald hier, bald dort sich erfreuende Begehren,
    nämlich das sinnliche Begehren, das Daseins-Begehren und das Nichtseins-Begehren. (D.22)


    Genau, hier ist von "tanhā" (Durst) die Rede und das Verhältnis von "tanhā und "nandi",
    wird hier auch klar.
    Denn was genau unter "tanhā" und "nandi" zu verstehen ist, wird hier anschließend
    ja genau erklärt, weswegen diese Beschreibung auch so wichtig ist:


    «Was ist aber, ihr Mönche, die heilige Wahrheit von der Leidensentwicklung?


    Es ist dieser Durst, der Wiederdasein säende, gnügensgierverbundene, bald da bald dort
    sich erfreuende (nandia findende): Sinnlichkeitsdurstdurst, Daseinsdurst, Nichtseindurst.


    «Dieser Durst nun aber, ihr Mönche, woraus entsteht der und entwickelt sich,
    wo sucht er sich einzunisten und setzt sich fest?


    Was in der Welt lieb erscheint, angenehm erscheint, daraus entsteht dieser Durst
    und entwickelt sich, da sucht er sich einzunisten und setzt sich fest.


    Was aber in der Welt erscheint lieb, erscheint angenehm?
    Das Sehen (in) der Welt erscheint lieb, erscheint angenehm, daraus entsteht dieser Durst
    und entwickelt sich, da sucht er sich einzunisten und setzt sich fest.
    hören, riechen, schmecken,tasten, denken
    der Welt erscheint lieb, erscheint angenehm,
    daraus entsteht dieser Durst und entwickelt sich,
    da sucht er sich einzunisten und setzt sich fest.


    «Die Formen der Welt erscheinen lieb, erscheinen angenehm,
    daraus entsteht dieser Durst und entwickelt sich, da sucht er
    sich einzunisten und setzt sich fest.
    Töne, Düfte, Säfte, Tastungen, Gedanken der Welt erscheinen lieb,
    erscheinen angenehm, daraus entsteht dieser Durst und entwickelt sich,
    da sucht er sich einzunisten und setzt sich fest.


    «Sehbewusstsein der Welt erscheint lieb, erscheint angenehm,
    daraus entsteht dieser Durst und entwickelt sich, da sucht er sich
    einzunisten und setzt sich fest.
    Hörbewusstsein, Riechbewusstsein, Schmeckbewusstsein,
    Tastbewusstsein, Denkbewusstsein in der Welt erscheint lieb,
    erscheint angenehm, daraus entsteht dieser Durst und entwickelt sich,
    da sucht er sich einzunisten und setzt sich fest.


    «Sehberührung, Hörberührung, Riechberührung, Schmeckberührung,
    Tastberührung, Denkberührung in der Welt erscheint lieb, erscheint
    angenehm, daraus entsteht dieser Durst und entwickelt sich, da sucht
    er sich einzunisten und setzt sich fest.


    Durch Sehberührung erzeugtes Gefühl in der Welt erscheint lieb, erscheint angenehm,
    durch Hörberührung erzeugtes Gefühl,
    durch Riechberührung erzeugtes Gefühl,
    durch Schmeckberührung erzeugtes Gefühl,
    durch Tastberührung erzeugtes Gefühl,
    durch Denkberührung erzeugtes Gefühl in der Welt erscheint lieb,
    erscheint angenehm, daraus entsteht dieser Durst und entwickelt sich,
    da sucht er sich einzunisten und setzt sich fest.


    Formwahrnehmung der Welt erscheint lieb, erscheint angenehm,
    Hörwahrnehmung, Riechwahrnehmung, Schmeckwahrnehmung,
    Tastwahrnehmung, Denkwahrnehmung in der Welt erscheint lieb,
    erscheint angenehm, daraus entsteht dieser Durst und entwickelt sich,
    da sucht er sich einzunisten und setzt sich fest.


    Formen der Welt verstehen erscheint lieb, erscheint angenehm,
    Töne verstehen, Düfte verstehen, Säfte verstehen, Tastungen erstehen,
    Gedanken verstehen in der Welt erscheint lieb, erscheint angenehm,
    daraus entsteht dieser Durst und entwickelt sich, da sucht er sich einzunisten und setzt sich fest.


    Formen erdürsten in der Welt erscheint lieb, erscheint angenehm, Töne erdürsten,
    Düfte erdürsten, Säfte erdürsten, Tastungen erdürsten, Gedanken erdürsten in der
    Welt erscheint lieb, erscheint angenehm, daraus entsteht dieser Durst und entwickelt
    sich, da sucht er sich einzunisten und setzt sich fest.


    Formen überlegen in der Welt erscheint lieb, erscheint angenehm,
    Töne überlegen, Düfte überlegen, Säfte überlegen, Tastungen überlegen,
    Gedanken überlegen in der Welt erscheint lieb, erscheint angenehm, daraus
    entsteht dieser Durst und entwickelt sich, da sucht er sich einzunisten und setzt sich fest.


    Formen erwägen in der Welt erscheint lieb, erscheint angenehm, Töne erwägen,
    Düfte erwägen, Säfte erwägen, Tastungen erwägen, Gedanken erwägen in der Welt
    erscheint lieb, erscheint angenehm, daraus entsteht dieser Durst und entwickelt sich,
    da sucht er sich einzunisten und setzt sich fest. -


    Das heißt man, ihr Mönche, heilige Wahrheit von der Leidensentwicklung. " D.22
    -


  • Daraus ließe sich schließen dass nicht direkt die Sinnesfreude die Wurzel des Leids ist, sondern der Durst nach dieser Freude. Aus dem Anhängen entsteht Leid wenn diese Freude vergeht. Das Anhängen und Streben danach entsteht durch ein Überbewerten der Freude wenn sie auftritt, durch einen Mangel an Gleichmut (upekkha).

  • mukti:

    Daraus ließe sich schließen dass nicht direkt die Sinnesfreude die Wurzel des Leids ist, sondern der Durst nach dieser Freude.


    Der Durst besteht ja nur wegen diesem Freudengefühl.
    Tanha besteht ja nicht ohne Ursache. In der Lehre des
    Buddha gibt es zwar keine erste und einziges Ursache, aber
    trotzdem gelten Nichtwissen verbunden mit Durst als Wurzel des Leidens.