Was ist ein KOAN und wozu ist es gut ?

  • zen:


    Das Koan wird zwar bis auf Budda zurück geführt,


    das würde ich den üblichen legitimisierungslegenden zuordnen.

  • zen:

    jede heutige buddhistische richtung legitimiert sich über buddha - warum sollte das bei ZEN auch anders sein? schliesslich ist auch ZEN buddhismus in "reinform" ...


    wahrer wäre es zu sagen: da die "buddhisten" alles, was "wirksam" sein kann, auf den shakyamuni zurückführen "müssen" ("müssen" im sinne eines neurotischen zwanges), erfinden sie mythen und legenden, "dass sich die balken biegen" :lol:


    beliebt sind die legenden auch, wenn es um die sog. übertragungslinien geht. im zen findet man da z.b. ungereimtheiten was die sog. "südlichen" und "nördlichen" übertragungslinien angeht. aber wem erzähl ich das ;)

  • D.T.Suzuki
    WAS IST EIN KOAN?


    Das japanische Wort Kōan (chin. kung-an) bedeutet wörtlich «öffentlicher Aushang» und wurde in China ursprünglich zur Bezeichnung eines juristischen Präzedenzfalls verwendet. Ganz in diesem Sinne gibt es für den Gebrauch dieses Wortes im Zen die Definition: «öffentliches Dokument, das einen Beurteilungsmaßstab setzt», mit dem also das Zen-Begreifen auf seine Richtigkeit überprüft wird. Ein Kōan ist im allgemeinen eine Stelle aus einem Sūtra oder die Aussage eines Meisters oder eine Wechselrede von Frage und Antwort, ein Mondö (wörtl. «Frage-Antwort«), wie es im Japanischen heißt. Hier einige kurze Beispiele:
    Ein Mönch fragte Tung-shan (Tōzan): «Was ist Buddha?»
    Tung-shan sagte: «Drei Pfund Hanf!»


    Ein Mönch fragte Yün-men: »Wenn sich kein Gedanke erhebt, gibt es dann einen Fehler oder nicht?»
    Yün-men sagte: «Berg Sumeru.»


    Einst fragte ein Mönch Meister Chao-chou mit allem Respekt: «Hat ein Hund wirklich Buddha-Wesen oder nicht?»
    Chao-chou sagte: «Wu (jap. mu).»


    Hui-neng, von dem Mönch Ming ersucht, ihm den Dharma zu offenbaren, sagte: «Nicht gut denkend, nicht böse denkend, was ist in eben diesem Augenblick das Ur-Antlitz von Mönch Ming?»


    Ein Mönch fragte Chao-chou: «Was ist der Sinn von des Patriarchen Kommen aus dem Westen?»
    Chao-chou sagte: «Die Zypresse da im Vorgarten.»


    Chao-chou fragte Nan-ch'üan (Nansen): «Was ist der Weg?»
    Nan-ch'üan sagte: «Das gewöhnliche Bewußtsein ist der Weg.»


    Ein Mönch fragte Chao-chou: «Die Zehntausend Dinge gehen auf Eins zurück. Worauf geht dieses Eine zurück?»
    Chao-chou sagte: «Als ich in Ch'ing-chou lebte, machte ich mir ein Gewand, das wog sieben Pfund.»


    P'ang-yün (Hō Un) fragte Ma-tsu: «Wer ist der, der nicht von
    den Zehntausend Dingen abhängig ist?»
    Ma-tsu sagte: «Ich werde es dir sagen, wenn du die Wasser des Westflusses mit einem Zuge ausgetrunken hast.»

    Worum geht es dem Meister, wenn er seinem Schüler solche Probleme zur Lösung vorlegt? Durch die Beschäftigung mit solch einem Kōan soll eben jener Bewußtseinszustand erzeugt werden, der in den Worten des Kōan zum Ausdruck kommt.
    Ist das Kōan erfaßt, so ist der Bewußtseinszustand des Meisters erfaßt, und das ist Satori, ohne das Zen ein Buch mit sieben Siegeln bleibt.
    In den Anfängen des Zen legte der Schüler dem Meister eine Frage vor; dieser konnte daran den Entwicklungsstand seines Schülers ablesen und die notwendigen Hilfen geben. Die Hilfe reichte manchmal aus, ihn zur Zen-Erfahrung zu erwecken, doch meist verblüffte und verwirrte sie ihn zunächst maßlos und trieb ihn immer weiter in das «Suchen und Forschen»
    hinein, von dem bereits die Rede war. Bis zur ersten wirklichen Frage des Schülers konnte es lange dauern, wenn sie überhaupt von selbst kam. Diese erste Frage zu stellen, ist schon mehr als die Hälfte der Lösung, denn es bedarf intensiver Bemühungen, um den Geist in die Krise zu führen. Die
    Frage zeigt an, daß die Krise erreicht wurde und der Geist bereit ist, sie hinter sich zu lassen. Ein erfahrener Meister weiß, wie er den Schüler in und durch die Krise führen kann; wir sehen es an den geschilderten Beispielen Lin-chis und anderer.
    Es gab mit der Zeit immer mehr Aufzeichnungen solcher Mondö zwischen Meister und Schüler, und es konnte auch nicht ausbleiben, daß man auf intellektuellem Wege nach Lösungen suchte. Die aufgezeichneten Mondö waren für den, der sie las, keine lebendige Erfahrung und Intuition des Zen-
    Bewußtseins, sondern wurden zum Gegenstand logischer Betrachtung. Es war, wie gesagt, unvermeidlich, aber ohne geeignete Gegenmaßnahmen hätte es gewiß katastrophale Folgen gehabt. Die Zen-Meister, denen es um die gesunde Entwicklung des Zen-Bewußtseins und um die Bewahrung und
    Stärkung der Zen-Tradition ging, erkannten die Zeichen der Zeit und fanden zu einer Methode, alles, was nicht wahres Begreifen war, auszumerzen.
    Unter den gegebenen Umständen bot es sich an, einige der Aussagen der alten Meister so einzusetzen, daß sie Wegweiser und zugleich Schranke sein konnten: Sie zeigen dem Verstand seine Grenzen, indem sie ihn selbst herausfinden lassen, wie weit er gehen kann; unweigerlich wird er dabei feststellen, daß es einen Bereich gibt, in den er niemals wird vordringen
    können. Die zweite Funktion dieser Schranken besteht darin, daß sie das Zen-Bewußtsein reifen lassen, so daß es schließlich durchbrechen kann zum Satori-Zustand.
    Ein Kōan wirkt also sozusagen in zwei Richtungen, und in der einen Richtung führt es zu dem, was wir Suchen und Forschen genannt haben. Hat der Intellekt hier erst einmal erfahren, wie wenig er auszurichten vermag, so wird das Suchen und Forschen die ganze Persönlichkeit mit all ihren Kräften erfassen. Dieses intensive innere Ringen unter der Führung eines erfahrenen Meisters läßt das Zen-Bewußtsein reifen, bis die Auseinandersetzung mit dem Kōan in das einmündet, was wir Zen-Erfahrung genannt haben. Ohne ein
    Kōan verliert das Bewußtsein die Richtung, und es kommt nie zum Satori. Das Voranschreiten bis zu der Stelle, wo es weder vorwärts noch rückwärts weiterzugehen scheint, ist eine notwendige Voraussetzung für Satori.
    Der schlimmste Feind der Zen-Erfahrung, zumindest in der Anfangsphase, ist der Intellekt, der stets auf die Unterscheidung von Subjekt und Objekt aus ist. Er muß abgeschnitten werden, wenn das Zen-Bewußtsein sich entfalten
    soll, und dafür dürfte es kein bessere Mittel geben als das Kōan.
    Das Kōan bietet nirgendwo Raum für intellektuelle Interpretation, denn es stellt keine logisch gefugte Aussage dar, sondern ist Ausdruck eines bestimmten Bewußtseinszustands, der aus der Zen-Schulung erwächst. Denn welche logische Verbindung könnte man wohl zwischen Buddha und «drei Pfund Hanf» herstellen oder zwischen Buddha-Wesen und «Wu» oder zwischen Bodhidharmas Kommen aus Indien und der «Zypresse im Vorgarten»? Yüan-wu, (Engo, 1063-1135), der Herausgeber des Pi-yen-lu (Hekigan-roku), das neben dem Wu-men-kuan (Mumonkan) eine der beiden bedeutendsten Kōan-Sammlungen darstellt, gibt uns zu den «drei Pfund Hanf» einen Kommentar, dem wir auch entnehmen können, welche intellektuellen Interpretationsversuche damals unternommen wurden:
    Es gibt heute etliche, die dieses Kōan nicht wahrhaft erfassen, denn es gibt darin keinen Spalt, an dem ihre intellektuellen Zähne Halt fänden. Es ist zu direkt und ohne Geschmack. Die Meister haben auf die Frage: «Was ist Bud-
    dha?» die verschiedensten Antworten gegeben. Einer sagte: «Er sitzt in der Buddha-Halle.» Ein anderer sagte: «Der mit den zweiunddreißig Zeichen der Erhabenheit.» Wieder ein anderer sagte:«Eine Bambuswurzelpeitsche.» Wenn es jedoch darum geht, der Spekulation alle Wege abzuschneiden, so geht nichts über T'ung-shans «drei Pfund Hanf».
    Manche meinen, T'ung-shan habe in dem Augenblick gerade Flachs gewogen, und dies sei der Grund für seine Antwort gewesen. Andere sagen, er habe hier mit einem Doppelsinn gespielt. Und wieder andere schließlich glauben, T'ung-shan habe dem Fragesteller auf diese indirekte Weise verdeutlichen wollen, daß er selbst der Buddha sei.
    Solche sind wie Leichname, denn sie sind völlig außerstande, die lebendige Wahrheit zu begreifen. Und da sind noch andere, welche die »drei Pfund Hanf« für den Buddha nehmen. Was für abwegige Hirngespinste! Solange sie sich von Worten blenden lassen, besteht keine Hoffnung, daß sie T'ung-shans Geist wahrhaft erfassen, mögen sie auch bis zur Zeit des Buddha Maitreya leben. Weshalb? Weil Worte nur das Fahrzeug sind, das die Wahrheit trägt. Da sie den alten Meister selbst nicht begreifen, versuchen sie den Sinn in seinen Worten zu finden, aber sie werden darin nichts Greifbares finden. Die Wahrheit selbst ist jenseits aller Beschreibung, wie ein Weiser der alten Zeit sagte, doch durch die Worte nimmt sie Gestalt an.
    Vergessen wir die Worte also, wenn wir die Wahrheit selbst erlangt haben. Das kann nur geschehen, wenn wir durch Erfahrung Einblick gewinnen in das, worauf die Worte hindeuten. «Drei Pfund Hanf» - das ist wie der Königsweg durch die Hauptstadt. Bist du erst auf diesem Weg, so führt jeder Schritt, den du tust, in die richtige Richtung. Als Yün-men einst gefragt wurde, was die Lehre sei, die über die Buddhas und Patriarchen hinausgehe, sagte er: «Bauernknödel.» Yün-men und T'ung-shan gehen dieselbe Straße Hand in Hand. Bist du erst gründlich von allen Verunreinigungen der Unterscheidung befreit, so wird die Wahrheit ohne weiteres Aufheben erfaßt. Der Mönch, welcher hatte wissen wollen, was Buddha sei, ging später zu Chih-men (Chimon) und fragte ihn, was T'ung-shan mit «drei Pfund Hanf» gemeint habe. Chih-men sagte: «Eine Menge Blüten, eine Menge Brokat. Verstehst du?»
    Der Mönch antwortete: «Nein.» Chih-men sagte: «Bambus im Süden, Bäume im Norden.»
    Das Kōan, das dem Anfänger gegeben wird, soll «die Wurzel des Lebens zerstören», «den berechnenden Geist sterben machen», «das ganze Bewußtsein, das von Urbeginn an am Werk ist, mit der Wurzel ausreißen». Das klingt zunächst etwas gewalttätig, doch es geht darum, die Grenzen des diskursiven Denkens zu überschreiten, und das ist nur möglich, wenn wir alles, was uns an Geisteskräften zur Verfügung steht, ein für allemal ausschöpfen. Dann erst können Logik und diskursives Denken umschlagen in zielstrebiges Forschen und Intuition. Was auf der Ebene des empirischen Bewußtseins nicht zu lösen war, wird nun auf tiefere Bewußtseinsebenen übertragen. Und so sagt dann auch ein Zen-Meister: «Solange dir nicht einmal der Schweiß den Rücken hinabgeronnen ist, kannst du das Schiff nicht vor dem Wind segeln sehen.» «Solange du nicht einmal in Schweiß gebadet warst, darfst du nicht erwarten, einen Palast aus Perlen auf einem Grashalm zu sehen.»
    Es gibt keinen leichteren Weg zur Lösung des Kōan. Ist es jedoch gelöst, so gleicht es einem Stück Ziegelstein, mit dem man an ein Tor klopft: Wenn das Tor sich öffnet, wirft man den Ziegel fort. Was man beim Aufspringen des Tores sieht, ist etwas gänzlich Unerwartetes, ganz anders als alles, was wir uns je hätten vorstellen können. Betrachtet man das Kōan nun noch einmal von dieser neuen Warte aus - wie wunderbar treffend ist es dann!

  • Nochmal als Hinweis: Koan ist ein Mittel, dass im Zen angewendet werden kann. Aber es ist auch im Zen nur ein möglicher Zugang.


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    Giri


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    Namu Amida Butsu

  • Hi, Zen,


    ich hab den Artikel reingestellt, weil ich fand, es wird von einem großen Gelehrten und Zen-Praktizierenden ganz gut dargelegt ist, was die Funktion von Koans Sein könnte. Es ging hier nicht um die Geschichte und das ab wann Koans benutzt wurden. Und er schreibt a) aus der japanischen Sichtweise und b) aus der Rinzai-Sicht. Ich wollt halt nicht die gesamte pdf kopieren. Ich hatte eher Angst, dass diese schon zu lang ist. (Ansonsten sind es die Aussagen von D.T. Suzuki und nicht die meinen). Suzuki sieht in der Etablierung der Koans als festes Übungssystem eher eine Degeneration des Zen.
    Ach so, das Zitat ist aus seinem Buch "Koan". (Interesant ist,dass er sich das halbe Buch über die Beziehung von Koan und Nembutsu, Gemeinsamkeiten und Unterschiede ausslässt, einer Disskusion, die nochmal auf die Wichtigkeit der Nembutsu-Bewegung in Japan und in Suzukis Leben verweist. Auch da gäb es von meiner Seite sicher einiges, was ich anders als ersehen würde.) Ansonsten ist mein Wissen von Zen eigentlich eher gegrenzt. Doch will ich nochmal auf einen Punkt eingehen.


    Zen schrieb:

    Zitat

    "mit nur einem koan kann ein schüler nicht den (gesamten) bewusstseinszustand des meisters erfahreren - dieser hat schon mehr koans erfasst und ist "viel breiter aufgestellt".
    ich verstehe diese worte so, dass man mit dem erfassen eines koans satori erreicht?
    das ist nur äussert selten der fall in der geschichte des ZEN. in der regel werden die schüler mehrere koans "lösen" müssen, bis sie wirklich satori erlangen. durch jedes neue koan nehmen sie wieder eine neue kleine hürde auf ihrem weg. "


    Da gibt es vom Ansatz her wohl einen Unterschied zwischen japanischen und koreanischen Zen. Ich hab jedenfalls eine Kritik des koreanischen am japanischen zen gelesen, dass es eben nicht darum gehen kann, möglichst viele Koans zu lösen. (Das ist japan Koan-style) Hat man eines gelöst, so sollte man auch mühelos "Antworten" auf alle anderen Koans haben. (Das ist korean Koan-style) Aber wahrscheinlich ist das der ewige Streit, ob es so etwas wie allmähliches Voranschreiten zum Erwachen oder ein plötzliches Erwachen gibt.


    Ansonsten finde ich, um das Phänomen Koan besser verstehen zu können, eine Beschäftigung mit den 5 Schulen/Häusern des Zen und auch mit den Fünf Stufen/Graden des Dong Shan(Tosan) sehr sinnvoll.


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    Giri


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    Namu Amida Butsu